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Ein Photo. Ein Garten, Tel Aviv, 50er-Jahre. Im Vordergrund ein kräftiges kleines Mädchen, den Blick in die Kamera gerichtet, einen zweifelnden oder auch verzweifelten Blick, vielleicht blendet aber auch nur die Sonne. Im Hintergrund ein Gebüsch, und dort, eingerahmt von einem kleinen weißen Kreis, ein weiteres Gesicht. Fast unkenntlich, winzig und fern.
Ist das der Vater, den das Mädchen nicht kannte? Nach dem es wieder und wieder vergeblich fragte und dann - längst erwachsen - zu forschen begann? Eine Suche nach Sinn und Begründung eines, wie sich zeigen wird, wahnwitzigen Geheimnisses.

Produktbeschreibung
Ein Photo. Ein Garten, Tel Aviv, 50er-Jahre. Im Vordergrund ein kräftiges kleines Mädchen, den Blick in die Kamera gerichtet, einen zweifelnden oder auch verzweifelten Blick, vielleicht blendet aber auch nur die Sonne. Im Hintergrund ein Gebüsch, und dort, eingerahmt von einem kleinen weißen Kreis, ein weiteres Gesicht. Fast unkenntlich, winzig und fern.

Ist das der Vater, den das Mädchen nicht kannte? Nach dem es wieder und wieder vergeblich fragte und dann - längst erwachsen - zu forschen begann? Eine Suche nach Sinn und Begründung eines, wie sich zeigen wird, wahnwitzigen Geheimnisses.
Autorenporträt
Doron, Lizzie
Lizzie Doron, 1953 in Tel Aviv geboren, erhielt 2018 den Friedenspreis der Geschwister Korn und Gerstenmann-Stiftung. 2019 war sie Friedrich Dürrenmatt Gastprofessorin für Weltliteratur an der Universität Bern. Lizzie Doron lebt in Tel Aviv und Berlin.

Pressler, Mirjam
Mirjam Pressler, geboren 1940 in Darmstadt, besuchte die Hochschule für Bildende Künste in Frankfurt und lebt heute als freie Schriftstellerin und Übersetzerin in der Nähe von München. Ihre Bücher wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. dem Großen Preis der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur Volkach und der Carl-Zuckmayer-Medaille.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.01.2012

Der Mann im Gebüsch
Die israelische Autorin Lizzie Doron erzählt in „Das Schweigen meiner Mutter“ vom Leiden ihres Vaters und stellt eine fragwürdige Analogie her
Alle haben es gewusst. Alle außer der kleinen Alisa, die in den 1950er Jahren in einem Tel Aviver Stadtteil aufwächst. Das Geheimnis betrifft Alisas Vater, den sie nie kennengelernt hat. Wann immer es um seinen Verbleib geht, schweigt die Mutter, drucksen die Freundinnen herum, man könnte meinen – und das stellt sich Alisa in ihren kindlichen Schreckensüberhöhungen vor – dass er vielleicht ein Verräter gewesen sei, ein Kapo, ein schuldhaft Überlebender.
Die Antwort aber ist eine andere, eine erschreckend banale: Der Vater hatte Tuberkulose. Und wurde der Tochter vorenthalten, weil er sie hätte anstecken können. Verbannt in ein Sanatorium, durfte er die heranwachsende Alisa einmal im Jahr vom Fenster aus beobachten, wenn die Mutter sie herfuhr und ihr befahl: „Tanz!“  
Lizzie Doron ist eine recht bekannte und erfolgreiche israelische Autorin; „Das Schweigen meiner Mutter“ erschien bereits 2009 im Original, jetzt wurde es ins Deutsche übersetzt. „Ihr bisher persönlichstes Buch“, nennt es der Klappentext. Und tatsächlich ist Doron so nahe an der Ich-Erzählerin, dass man sich fragt, ob man dieses Buch überhaupt nach literarischen Maßstäben beurteilen kann – ist es nicht vielmehr eine Art Tagebuch, das Privatarchiv einer schrecklichen Kindheit und Jugend?
Alisas Vater Jakob leidet natürlich furchtbar unter der Trennung von seiner Tochter und versucht, an ihrem Leben teilzuhaben, ohne den Bann der Berührung, des auferlegten Schweigens über seinen Verbleib, zu brechen. Dies kulminiert in einem Motiv, das, wäre es nicht so bitterernst, zum Lachen reizen würde: Er versteckt sich im Gebüsch, um die zum Purimfest als Tänzerin verkleidete Tochter zu beobachten.
Das Buch zwingt dem Leser Fragen auf, die er sich eigentlich nicht stellen möchte, Fragen wie: „Ist Tuberkulose denn wirklich so ansteckend? Oder: Warum versucht ein ganzes Dorf, einem kleinen Mädchen, später einer Frau, über Jahrzehnte hinweg zu verheimlichen, dass sein Vater in einer Lungenheilanstalt lebt?“
Diese nahezu paranoiden Konstruktionen stellt die Glaubwürdigkeit auf eine harte Probe, weil einem jede Zeile dieser Erzählung ein „Glaube mir! Genau so war es!“ zuraunt. Das ständige Beschwören von Echtheit gipfelt darin, dass den Leser am Ende tatsächlich – man hat es befürchtet – das besagte Gebüsch-Foto erwartet. Das kaum erkennbare Gesicht des Vaters ist schwarz umkreist wie der Fehler in einem Bilderrätsel.
Die Zusammenhänge findet Alisa erst langsam, Stück für Stück heraus – „Das Schweigen meiner Mutter“ ist eine Spurensuche und hat Doron schon den Vergleich mit W.G. Sebalds „Austerlitz“ eingebracht. Aber sobald Alisa eine Wahrheit – und sie findet immer eine Wahrheit, nichts darf ungesagt bleiben in diesem Buch – gefunden hat, wird sie förmlich einbetoniert.
Dorons Sprache macht einem die Lektüre nicht leichter. Worte „durchbohren“ die Ich-Erzählerin „wie Pfeile“ oder „bohren sich wie Stahlnägel in eine Wand“, die Protagonisten „fahren einander wütend an“, oder „ereifern sich“, mehrmals „krampft sich“ in Alisa „alles zusammen“. Kaum ein gesprochener Satz darf stehenbleiben, ohne ein ihn erstickendes Adjektiv. Es ist diese Sprache, die das Buch scheitern lässt; nicht nur seine ins Unerträgliche, Unangenehme changierende Intimität. Denn dass ein Ich-Erzählen über das Leben und Schweigen nach Auschwitz möglich ist, haben andere bewiesen, dafür muss man nicht Primo Levi anführen.
Der Übersetzung von Mirjam Pressler ist übrigens nichts vorzuwerfen – allerdings kann man sich wundern, warum aus dem hebräischen Originaltitel „ve jom echad od nipagesch“ (Und eines Tages werden wir uns wiedertreffen) der arg programmatische „Das Schweigen meiner Mutter“ geworden ist.
Natürlich ist ganz und gar schrecklich, was Alisas Vater widerfahren ist: Kaum in Israel angekommen, wird er aus dem Kibbuz geschmissen – „herausselektiert“, wie Alisa und ihre Freundinnen es empfinden, wie auch ihre Mutter es empfunden hat. Das ist eine so grauenhafte wie naheliegende Assoziation, aber auch hier, wie eigentlich immer in diesem Buch, holt Doron sofort den Holzhammer heraus: „Mir wurde schwindlig. Anstalt, Deutsche, Selektion. Würden unsere Wunden denn nie heilen? Ich schaffte es nicht, meine Gedanken zu ordnen.“
Solche Analogien führen einen schließlich zur letzten Frage, die man diesem unangenehm intimen Werk lieber nicht stellen möchte: Ist die individuelle Leidensgeschichte in all ihrer Tragik und Groteskheit wirklich so „schlimm“, dass sie eine motivische Gleichsetzung der Qualen der zweiten Generation mit denen der Holocaust-Überlebenden rechtfertigt?
HANNAH LÜHMANN
LIZZIE DORON: Das Schweigen meiner Mutter. Roman. Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2011. 220 Seiten, 14,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Seit den frühen Neunzigern schreibt die unter Shoah-Überlebenden in Tel Aviv aufgewachsene Lizzie Doron gegen das Schweigen in ihrer Familie und die Löcher in der Familiengeschichte, insbesondere, was den verschwundenen Vater betrifft, an, informiert uns Rezensent Carsten Hueck. Neu an diesem Roman sei aber, dass die Autorin sich hier nun selbst, mittels der Ich-Erzählerin Alisa, die in Gesprächen mit Freundinnen aus Kindertagen Licht ins Dunkel um ihren abwesenden Vater und die Biografie ihrer Mutter bringt, in den Mittelpunkt rücke. Rein literarisch betrachtet, sei diese Schilderung der "grotesken Atmosphäre" der eigenen Kindheit zwar schwach, findet der Rezensent, doch als autobiografisches "Dokument einer persönlichen Befreiung" sehr lesenswert.

© Perlentaucher Medien GmbH
»'Das Schweigen meiner Mutter' ist ein berührender Roman von unvergesslicher Tiefe.« -- Annerose Kirchner, Ostthüringer Zeitung 24.09.2011

»Auch 'Das  Schweigen meiner Mutter' spart mit Worten und löst dadurch eine Menge Gefühle aus.« -- Kurier 08.10.2011
In ihrem neuen Roman blickt sie in knappen, wie Bühnenmomente auf den Punkt gebrachte Szenen zurück auf die eigene Kindheit.
Andrea Kachelriess Stuttgarter Nachrichten 20120111