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Der Hippie aus dem Kaiserreich Marc Buhl erzählt lakonisch und mit großem Gespür für die unfreiwillige Komik aller Menschheitsbeglücker die Geschichte eines frühen Aussteigers, der auf einer deutschen Kolonialinsel in der Südsee einen Sonnenorden gründet. Nein, so einen kann man nicht töten, sagen die Eingeborenen, als sie den seltsamen Bleichling die Palmenstämme herunterrutschen sehen. Der nackte Mann nährt seinen zerschundenen Körper ausschließlich von Kokosnüssen und hat sich am Strand eine schiefe Hütte aus Büchern gebaut. Niemand kann den ausgemergelten Glückssucher vertreiben, nicht der…mehr

Produktbeschreibung
Der Hippie aus dem Kaiserreich Marc Buhl erzählt lakonisch und mit großem Gespür für die unfreiwillige Komik aller Menschheitsbeglücker die Geschichte eines frühen Aussteigers, der auf einer deutschen Kolonialinsel in der Südsee einen Sonnenorden gründet. Nein, so einen kann man nicht töten, sagen die Eingeborenen, als sie den seltsamen Bleichling die Palmenstämme herunterrutschen sehen. Der nackte Mann nährt seinen zerschundenen Körper ausschließlich von Kokosnüssen und hat sich am Strand eine schiefe Hütte aus Büchern gebaut. Niemand kann den ausgemergelten Glückssucher vertreiben, nicht der Pfarrer der kleinen Kolonie auf Deutsch-Neuguinea, nicht der Monsunregen, nicht die Myriaden Moskitos und nicht die Pfeile der Insulaner - denn August Engelhardt aus dem kalt-nebligen Nürnberg hat in der Südsee den Sinn des Lebens gefunden und seinen heiligen Gral und Jungbrunnen: die Kokosnuss. Marc Buhl erzählt die Geschichte des deutschen ...
Autorenporträt
Marc Buhl, geboren 1967, studierte Germanistik, Anglistik, Politikwissenschaften und BWL in Freiburg. Hier arbeitete er nach ausgedehnten Reisen nach Afrika und Asien mehrere Jahre als freier Journalist und schrieb seinen ersten Roman.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.06.2011

Der Ritter der Kokosnuss

Ein Feind alles Gekochten: Marc Buhls Roman "Das Paradies des August Engelhardt" ist die ideale Lektüre in Zeiten von Ehec und Co.

Von Martin Halter

Die Milch der Kokosnuss ist schmackhaft, und überhaupt liefert die Kokospalme alles, was man zum Leben braucht: Sonnenöl und Bratfett, Sisalhanf für Stricke und Körbe, Holz für den Hüttenbau, Palmwedel für die Kühlung. Für August Engelhardt war die Kokosnuss daher das "pflanzliche Ebenbild Gottes", der nachwachsende Stein der Weisen. Warum schweißüberströmt ackern, säen und ernten? Das himmlische Glück fällt den Kindern des Sonnengottes in den Schoß.

Der Apothekergehilfe aus Nürnberg ist eine der bizarrsten Figuren unter den Lebensreformern um 1900. Der Gründer des Sonnenordens verschmähte nicht nur Kleider, Brillen und Feuer, sondern auch jede Form von Sonnenschutz: Vater Helios' wohltätige Strahlen sollten ungehindert zum Gehirn, der Kokosnuss der Menschenpalme, dringen. Als Feind alles Gekochten und aller ausgekochten Kulturlügen predigte Engelhardt Licht, Rohkost und strengste Kokos-Diät. Der "Kokovorismus" war der "Weg zur vollen Erlösung von Schmerz, Leid und Tod", die Gewähr für eine "sorgenfreie Zukunft" und Unsterblichkeit, und davon konnten ihn weder Häme noch Sonnenstiche und Internierungslager abbringen.

1902 zog er vom Jungborn, einer Nudistenkolonie im Harz, in wärmere Gefilde um. In Kabakon, einer Kokosinsel in Deutsch-Neuguinea, fand er sein Paradies, und anders als etwa Gauguin ließ er sich nie daraus vertreiben. Die Menschenfresser verschmähten das Fleisch des "nackten Sonnenhüpfers", der deutsche Gouverneur ließ den "harmlosen Irren" gewähren, solange er seinen Exhibitionismus nicht übertrieb. Zum Verhängnis wurde dem Kokosapostel erst der Erfolg. Sein erster Jünger Max Lützow, ein ausgebrannter Berliner Musiker, war zwar auf der Flucht aus dem Paradies ertrunken. Aber seine begeisterten Briefe in der "Vegetarischen Warte" ("Wir gehen immer nackend, daher wird die Hitze nie lästig") lockten ein buntes Völkchen von FKK-Anhängern, Kommunisten, verkrachten Schauspielern und Sonnenanbetern an, das durch freie Liebe, Krankheiten und Sektenkriege rasch wieder dezimiert wurde. Der Kokosmessias war weder ein charismatischer Guru noch unsterblich, aber er gab nie kleinlaut bei. Zwischenzeitlich auf 39 Kilo abgemagert, mit Krätze und Geschwüren geschlagen, verschärfte er sein Programm sogar noch: Engelhardt wollte sein Robinson-Idyll zum heiligen "fruktivorischen Weltreich" deutscher Nation erweitern und nun, nachdem er alle Verräter und Eiterbeulen der Zivilisation ausgeschwitzt hatte, sich nur noch von Licht und Liebe ernähren. 1919 starb er an Auszehrung.

Marc Buhl ist ein Spezialist für Sonderlinge am Rande der bekannten Geschichte. In seinen historischen Romanen hat er schon dem armen Lenz ("Der rote Domino") und dem norwegischen Wunderläufer Mensen, der im neunzehnten Jahrhundert bis zu den Quellen des Nils rannte ("Rashida"), Denkmäler gesetzt; leider waren sie oft aus Papier, überfrachtet mit kultur- und literaturhistorischen Exkursen. Nicht so "Das Paradies des August Engelhardt": Lakonisch, poetisch und erzählerisch souverän entwirft Buhl das Bildnis eines tragisch gescheiterten Aussteigers. Sein Kokosapostel ist kein Spinner, sondern ein sanfter, weltfremder Träumer, ein Ikarus der Utopie, dem eine unbarmherzige Sonne Kopf und Flügel verbrennt.

Natürlich muss sich Buhl dafür einige Freiheiten herausnehmen. Kabakon ist ein Monte Verità der Südsee, in dem Aussteiger aller Couleur herumspuken, von Fidus, für dessen "Lichtgebet" Engelhardt Modell gestanden haben soll, und dem "Kohlrabiapostel" Diefenbach bis hin zu jüdischen Frauenrechtlerinnen und Proto-Nazis. In Engelhardts Paradies gibt es Sex, Drogen und psychedelische Astralmusik, Fußball, Maggi und einen Missionar, der seine Soutane wegwirft und nackt im Meer badet. Augusts Seelenfreundin, das Vollweib Anna, erinnert mehr an eine schwüle Frauenphantasie des Fin de Siècle als an ihr historisches Vorbild, die Geliebte seines Blutsbruders Walter Bethmann. Überhaupt ist Buhls Südsee getränkt mit Kulturzitaten von Shakespeares "Sturm" bis hin zu Joseph Conrads "Herz der Finsternis" und William Goldings "Herr der Fliegen". Engelhardt erbaut seine Strandhütte nicht zufällig aus Büchern (und erlebt das Verschimmeln von Goethe und Novalis, Ibsen und Karl May als Befreiung); das Grammophon sorgt für Fitzcarraldo-Momente und ausgedehnte Gespräche über Bach und Mozart. Buhl verschweigt durchaus nicht, dass es im Paradies auch Mücken, Monsun und Langeweile gibt, aber ein T.C. Boyle hätte den zu früh gekommenen Hippie vielleicht doch ein bisschen nackiger gemacht und härter angefasst. Manchmal klingt Engelhardts Kultur- und Zivilisationskritik so, als wäre er der literarisch gebildete Papagei des Häuptlings Papalagi, der ja auch aus dieser Ecke und dieser Zeit stammt.

Immerhin widersteht Buhl aber der Versuchung, die Welt in Südsee-Sonnenlicht und europäische Finsternis, edle Wilde und degenerierte Kulturmenschen einzuteilen. So wie der Prophet einer universellen Nacktkultur seinen alten deutschen Adam nie ablegen kann, sind auch die Schlangen im Paradies mehr als Teufelsfratzen. Die Eingeborenen bleiben August fremd, nicht nur weil sie Schweine- und Menschenfleisch essen: Die Totems und Tabus ihrer Unschuld sind bereits angefressen von Habgier, Lüsternheit und Lüge. Umgekehrt sind die Missionare, Händler und Verwaltungsbeamten von Herbertshöhe zwar Spießer und Untertanen, aber Gott und der Kaiser sind weit weg, und am Äquator darf man schon mal den steifen Hemdkragen lockern. Bethmann wandelt sich fern der Heimat vom brummigen Freigeist gar zum germanischen Orgienpriester und Rassehygieniker. Ob August Engelhardt am Ende sein Glück an Annas urmütterlichem Busen findet oder sein Liebestod nur die Halluzination eines ausgedörrten Romantikerhirns ist, bleibt offen. Seine Bücherhütte geht jedenfalls in Flammen auf, sein Paradies unter; aber in Buhls bislang bestem Roman gewinnt der Ritter der Kokosnuss dann doch so etwas wie Unsterblichkeit.

Marc Buhl: "Das Paradies des August Engelhardt". Roman.

Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2011. 238 S., geb., 18,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Die Geschichte über den Aussteiger Engelhardt verdient es, neu erzählt zu werden. Insbesondere, wenn dies auf eine so poetische Weise gelingt wie Marc Buhl in Das Paradies des August Engelhardt. ... Buhls Sprache ist schlichte Poesie, einfach, klar und bildhaft. Marc Buhl macht aus seinen Stoffen wunderschön-fantastische Bücher, die die Welt neu fabulieren." -- Maria-Bernadette Ehrenhuber, titel-magazin.de, 11. April 2011

"... ein verspielter, fantasievoller, spöttischer Roman ... Ironisch und lakonisch, dann wieder ganz aus der Perspektive Engelhardts heraus, also voller hochfliegender Emphase und so voller Pathos, dass sie manchmal hart am Kitsch vorbeischrammt. Aber das ist insgesamt ein genau kalkuliertes Stilmittel, um Wunsch und Wirklichkeit umso schmerzhafter aufeinanderknallen zu lassen ... Auch der Roman vom Paradies des August Engelhardt ist ein souverän und flüssig geschriebendes Buch über eine faszinierende exotische Vergangenheit, das einen nicht zuletzt durch seinen Witz mitreißt." -- Sabine Peters, Deutschlandfunk "Büchermarkt", 06. Mai 2011

"Lakonisch, poetisch und erzählerisch souverän entwirft Buhl das Bildnis eines tragisch gescheiterten Aussteigers ... In Buhls bislang bestem Roman gewinnt der Ritter der Kokosnuss dann doch so etwas wie Unsterblichkeit." -- Martin Halter, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Juni 2011

"Sehnsuchtsvoll, witzig und schön geschrieben!" -- annabelle, 04. Mai 2011

"Marc Buhl erzählt von Zerfall der Ideale mit Witz und Sinn für Situationskomik." -- Anja Jirsch, WDR 3 "Passagen", 20. Mai 2011

"Marc Buhl hat ... einen glänzenden Roman über diese historische Fußnote geschrieben." -- Playboy, Juni 2011

"Feinsinnig, witzig und äußerst unterhaltsam." -- Rudolph von Bitter, br-online, 06. Juni 2011

"Marc Buhl ... hat sich des Idealisten ... mit dem nötigen Fingerspitzengefühl angenommen; er übersieht weder die Verstiegenheit noch den Wahn der Figur, diskreditiert sie aber auch nicht. Das betont ruhig und angenehm unsensationell erzählte Buch konzentriert sich auf das Porträt eines oft unfreiwillig komischen Außenseiters ..." -- Kai U. Jürgens, Kieler Nachrichten, 13. April 2011

"Auf wunderbar poetische Art und mit großer Könnerschaft erzählt der Freiburger Marc Buhl ..." -- Steffen Radlmaier, Nürnberger Nachrichten, 16. April 2011

"... poetisch, einfühlsam und spannend zugleich ..." -- Martina Freier, ekz. bibliotheksservice, 11. April 2011

"Marc Buhl hat mit seinem Roman einen langhaarigen Sonderling vor dem Vergessen bewahrt." -- bücher, 01. Mai 2011

"Marc Buhl hat August Engelhardt mit diesem wunderbaren Buch ein Denkmal gesetzt" -- Bücherverändernleben, 25. März 2011

"Ein einfühlsamer, lehrreicher und amüsanter Roman." -- atalantes.de, 07. Juni 2011

" ... stehts spannend, unterhaltsam und teils philosophisch." -- yousoundgreat.wordpress.com, 09. Mai 2011

"... ein ungemein unterhaltsames, lebenskluges und dazu noch herrlich gut geschriebenes Buch. Marc Buhl versteht es ausgezeichnet, die Eckdaten eines echten Lebens mit Fantasie, großem Einfühlungsvermögen und schriftstellerischem Talent zu einem glaubhaften Roman zu kombinieren. Gut recherchierte Details lassen die Südseeinsel, das Lebens der Missionare, die Sprache der Einheimischen, das Rauschen der Wellen und den Geschmack von Kokoswasser lebendig werden. So sehr, dass man das Gefühl hat, ganz nah dran zu sein am sympathischen, friedfertigen August Engelhardt und der Palme, auf der er sitzt. ... eindringlich und absolut lesenswert ..." -- buecherwurmloch.wordpress.com, 10. April 2011
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Marc Buhl hat dem Nudisten, Lebensreformer und Kokosnussverehrer August Engelhardt mit diesem Roman ein würdiges Denkmal gesetzt, urteilt Rezensent Martin Halter. Der aus Nürnberg stammende Engelhardt lässt sich auf einer Südseeinsel nieder, wo er dem Sonnenbaden, der Nacktheit, der freien Liebe und dem ausschließlichen Konsum von Kokosnüssen frönt, berichtet Halter. Bei Marc Buhl lebt er in einer Hütte aus Büchern "und erlebt das Verschimmeln von Goethe und Novalis, Ibsen und Karl May als Befreiung", amüsiert sich der Rezensent. Außerdem verscharre er eine kleine Gemeinde ebenso skurriler Gestalten um sich, wie er selbst eine ist. Die Diskrepanzen zwischen Historie und Romanhandlung heißt Halter dabei ausdrücklich gut. Generell ist die Kritik der Meinung, dass Buhl hier zu einem ausdrucksstarken und "souveränen" Erzählstil gefunden habe, den seine vorangegangen Werke noch missen lassen. Schließlich gefällt Halter auch die Tatsache, dass Engelhardt trotz all seiner Spleens mit Respekt behandelt wird, als "Ikarus der Utopie, dem eine unbarmherzige Sonne Kopf und Flügel verbrennt".

© Perlentaucher Medien GmbH