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»Ein reisendes Familienorchester, ein Bechstein als Geschenk vom Führer und die Liebe zu Beethoven in der kanadischen Wildnis - eine wahre Familiengeschichte einer »Erzählerin der Spitzenklasse«.«(Nederlands Dagblad)Sechsundsiebzig Jahre ist der Gutsverwalter Andreas Landewee alt, als er sich entschließt, Deutschland zu verlassen, um in der kanadischen Wildnis von Britisch Kolumbien mit seinem Sohn Wolfgang ein neues Leben zu beginnen.Nur die allerwichtigsten Dinge nimmt er mit: ein paar Kleidungsstücke, Bücher, seine Jagdgewehre, die Langspielplatten - und den Bechstein-Flügel seiner…mehr

Produktbeschreibung
»Ein reisendes Familienorchester, ein Bechstein als Geschenk vom Führer und die Liebe zu Beethoven in der kanadischen Wildnis - eine wahre Familiengeschichte einer »Erzählerin der Spitzenklasse«.«(Nederlands Dagblad)Sechsundsiebzig Jahre ist der Gutsverwalter Andreas Landewee alt, als er sich entschließt, Deutschland zu verlassen, um in der kanadischen Wildnis von Britisch Kolumbien mit seinem Sohn Wolfgang ein neues Leben zu beginnen.Nur die allerwichtigsten Dinge nimmt er mit: ein paar Kleidungsstücke, Bücher, seine Jagdgewehre, die Langspielplatten - und den Bechstein-Flügel seiner verstorbenen Frau, den er hütet wie einen Schatz.Wer ist dieser Mann, der so viel über Bäume und Wälder weiß, sich selbst und seine Kinder jedoch so wenig kennt? Der in Böhmen als Kind reisender Orchestermusiker aufwuchs, nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben wurde und in Deutschland eine ehemals von Hitler verehrte und protegierte Opernsängerin heiratete? Und der jetzt, in der Stille der kanadischen Wälder, auf dem Geschenk aus Berlin, dem »Flügel vom Führer«, Beethoven und Liszt spielt?Lucette ter Borg erzählt in ihrem Debüt von den Geheimnissen einer Familie, von Verführung und Liebe, den Verlockungen des Selbstbetrugs und vom Zauber der Musik.
Autorenporträt
Lucette ter Borg, geb. 1962 in Amsterdam, studierte Slawistik und historische Pädagogik an der Universität Amsterdam. Sie arbeitete als Kunstkritikerin für NRC Handelsblad und De Volkskrant. Derzeit ist sie Chefredakteurin für Kunst und Kultur bei der Wochenzeitung Vrij Nederland.Sie wurde ausgezeichnet mit dem Preis für das beste niederländische Debüt des Jahres 2005.

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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.01.2007

Die Initialen auf dem Bechstein-Flügel
Mit Furtwängler in Britisch Kolumbien: Lucette ter Borgs Romandebüt „Das Geschenk aus Berlin”
Es heißt, man solle alte Bäume nicht verpflanzen. Umso mehr erstaunt es, wenn sich ein sehr alter Baum in einem gleichsam münchhausischen Akt selbst verpflanzt. Andreas Landewee wandert im Alter von 76 Jahren nach Kanada aus. Er lässt ein Deutschland hinter sich, das nie seine Heimat war. 1900 in Sonnenberg in Nordböhmen geboren, dort auf einem feudalen Gut lebend und arbeitend, wurde er nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als so genannter Sudetendeutscher vertrieben. Der Persilschein, den er sich vom Pfarrer flugs vorm Einmarsch der Russen noch ausstellen ließ, nützte ihm da gar nichts.
Ha, da ziehen wir Kameraden
Landewee hat offenbar keine Schweinereien begangen, sondern im nationalsozialistischen Drumherum jene mollige Stallwärme erfahren, die seinem Leben sonst fehlte. Noch in Kanada summt er die HJ-Lieder seines Stiefsohns Friedrich als Energiespender: „Dann bekam ich kurz das alte Gefühl: Ha, da ziehen wir Kameraden”. Wie dem Rest seiner Familie fehlen ihm Selbstkritik und jedes Unrechtsbewusstsein. Dass das zwangsverpflichtete Kindermädchen, nach Russland heimgekehrt, auf Briefe und Geschenke nicht reagiert, wundert ihn schlicht. Allein in den späten Albträumen versucht er, den sichtbaren Makel aus jener Zeit mit ähnlich manischem Eifer zu tilgen, mit dem Lady Macbeth sich das Blut von den Händen schrubbt.
Die Initialen A.H. auf dem Bechstein-Flügel seiner zweiten Frau Elisabeth zieren quälend in goldenen Lettern den schwarzen Lack. Elisabeth Bruch, Mezzosopranistin, hat einst das Frauensolo bei der legendären Furtwängler-Aufführung 1942 von Beethovens neunter Symphonie in Berlin gesungen, vor dem Führer und seiner Entourage. Als Dank schenkte Hitler der Sängerin besagten Flügel, den Andreas sich als kostbarstes Legat seiner toten Frau nach Kanada kommen lässt. Er ist „Das Geschenk aus Berlin”, das dem großartigen Erstlingsroman der Amsterdamerin Lucette ter Borg den Titel gab. Ein Geschenk, dem ein zweites folgt, nämlich die Einspielung ebendieses Konzerts, das Sohn Wolfgang seinem Vater zu dessen 90. Geburtstag schenkt. Zu diesem Zeitpunkt liegen 14 Jahre harten Lebens in der Wildnis Britisch Kolumbiens hinter Vater und Sohn, die sich in einer ausgestorbenen Goldgräbersiedlung niedergelassen haben und dort heimisch geworden sind. Wolfgangs Motiv, die Zivilisation mit den Unbilden rauer und schwer bezähmbarer Natur zu tauschen, bleibt im Trüben. Was den Alten anlangt, so kommen ihm in Black Creek seine Kenntnisse als Gutsverwalter und Förster zugute. Er pflanzt ein Blumen- und Bäumeparadies. Aber zu seinem Leben gehört der Selbstbetrug.
29 Jahre Selbstverleugnung
Was hat diesen Andreas Landewee damals wohl bewogen, seine erste Frau, die unfrohe, vom Grafen geschwängerte Hannelore zu heiraten und mit ihr noch drei weitere Kinder zu zeugen? Schon gut, er konnte damit dem kleinen (Familien-) Orchester entrinnen, mit dem sein Vater durch die Lande tingelte. Und für das Kuckucksei in seinem Nest bekam er den Posten als Gutsverwalter. Bei dieser Frau bleibt er in sturer Selbstverleugnung 29 Jahre lang, bis er die Liebe seines Lebens trifft: jene Elisabeth, die so singt, wie die einzige andere geliebte Frau seines Lebens sang – seine Mutter. Und die wie diese sein vom Vater geschmähtes Klavierspiel schätzt. Und dennoch setzt sich in seiner Familie fort, seinen Kindern, was die ersten Lebensjahre des Andreas Landewee bestimmte: das Bewusstsein, nicht geliebt zu werden. Ganz zum Schluss, den ter Borg ambivalent lässt, muss der Greis endlich begreifen, dass man sich sein Gepäck nicht aussuchen kann, wenn man auswandert. Es gibt Dinge im Leben, Erinnerungen zumal, die sich nicht einfach aussortieren und entsorgen lassen.
Die 1962 in Amsterdam geborene Autorin, Chefin der Wochenzeitung „Vrij Nederland”, begibt sich in den durchgehend spannenden, sich immer wieder kreuzenden und überlagernden Erzählsträngen ihres ungewöhnlichen Romans auf die Spur ihrer eigenen Familiengeschichte. Sie weiß, dass einem selbst in völlig entlegenen Weltgegenden auch schwer erarbeitete Paradiese nur auf Zeit gehören. Noch die ältesten Bäume fallen den rücksichtslosen Flächenrodungen in Black Creek zum Opfer. Der alte Andreas, bald 90 Jahre alt und von innen ausgehöhlt, wird auch bald stürzen. EVA-ELISABETH FISCHER
LUCETTE TER BORG: Das Geschenk aus Berlin. Roman. Aus dem Niederländischen von Judith Dörries. Wallstein Verlag, Göttingen 2006. 280 S., 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.04.2007

Robinsonade mit Basiskomfort
Altösterreich an neuen Ufern: Lucette ter Borgs Aussteigerroman

"Er dachte: Ich habe einen Rucksack mit Sachen, das ist genug. Wenn ich nur will, kann ich alles werden. Kein Mensch wird mich hier finden." So viel Gründermut überrascht in diesem Fall - es ist eine etwas andere Aussteigergeschichte, die die Amsterdamerin Lucette ter Borg in ihrem Romandebüt erzählt: Andreas Landewee, der Held, ist immerhin 76, als er seine Zelte in Deutschland abbricht und zu seinem Sohn in die Einsamkeit der Wälder British Columbias zieht. Der alte Mann hat gerade seine zweite Frau verloren, die große Liebe. Sie starb, wie einst seine Mutter, an Krebs. Wie sie war Elisabeth Sängerin, war sogar berühmt. Mit dem anderen Sohn, mit der Tochter verbindet ihn kaum mehr als mit seinem Wohnsitz Rothenburg.

Andreas, Jahrgang 1901, ist so etwas wie ein Doppelfachmann: Mit der Musik beschäftigte er sich zeitlebens aus reiner Neigung, mit der Land- und Forstwirtschaft auch von Profession. Er ist Ästhet und Praktiker, einer, der gerne lebt. Als sein Sohn bei einem Ausflug in Black Creek von ihm wissen will, welches der im Bergsee gespiegelten Bilder ihm besser gefalle, der Hirsch oder die Gipfel, stellt er klar: "Schönheit ist kein Wettkampf. Berge sind schön, aber Musik auch."

Aus einer nordböhmischen Musikerfamilie stammend, erlebte das Kind sich früh als unzulänglich: Der Vater, der mit Frau und Orchester in ganz Europa auf Tournee ging, empfand den Kleinen, der sich einbildete, ausgerechnet in Jekaterinoslaw auf die Welt kommen zu müssen, von Anfang an als Störenfried, hatte später an seinem Klavierspiel immer etwas auszusetzen. Dann, nach einem Rodelunfall gelähmt, muss Andreas mit der Mutter zur Rehabilitation nach Deutschland, liegt monatelang im Gipskorsett, lernt schließlich wieder gehen, das schweißt die beiden zusammen. Er beschließt, groß und stark zu werden, verordnet sich viel Sport, viel Natur. Motor der Selbsterziehung zum Übermenschen ist ein ödipaler Bilderbuchhass auf den Vater, den Gierigen, den Egomanen, der meint, wenn er nur die Musik hat, sehr gut ohne Frauen auskommen zu können (aber nicht ohne Frauen auskommen kann). Dem Sohn geht es darum, "eine höhere Art Mensch zu werden, als was da unten mit vollem Bauch im Sessel hing. Kein Herdentier, kein Hundspöbel, sondern ein freier Geist, ein lachender Sturm. Für sie. Seine Mutter."

Rückblenden wie diese baut Lucette ter Borg geschickt in die Gegenwartsebene der Handlung ein. Den kanadischen Strang erzählt sie als Robinsonade mit Basiskomfort. Vater und Sohn verstehen sich - und sie verstehen sich als Pioniere. Andreas Landewee, der sein Leben lang Herrschaftsgüter verwaltet hat, belehrt die Einheimischen mit deutscher Gründlichkeit über die im rauhen Norden ungenutzten Möglichkeiten botanischer Artenvielfalt. Unverdrossen plant er Jahrzehnte voraus, er arbeitet lange wie ein Junger und erlebt wirklich noch die Erntezeit seiner unkonventionellen Aufforstung. Bei allem Schönheitssinn ist sein Verhältnis zur Wildnis kein romantisches: "Die Natur ist tief, unerbittlich schön und gefährlich. Sie ist Boden und bodenlos zugleich."

All das ist gediegen erzählt, es gibt einige sehr stimmige Beschreibungen, etwa der gemeinsamen Ritte durch die kanadischen Wälder, des unleugbaren Alterns trotz aller Disziplin oder des Leichenschmauses im Hause Landewee, bei dem sich Andreas' Vater Tafelspitz und Rotkraut schmecken lässt: Mit einer neuen Frau hat er nicht gewartet, bis die seine unter der Erde ist. Trotzdem wird man mit dieser Geschichte nicht ganz glücklich, weil sie hie und da betulich klingt, bald ein wenig überzeichnet, bald allzu putzig, altdeutsch manierlich. Man vermisst Kanten, Schieflagen, Abgründe. Ohne erkennbare erzählerische Strategie plätschert das Leben der beiden Aussteiger im täglichen Gleichmaß dahin. Im Nachwort verrät die Autorin, dass sie mit diesem Buch der Familie ihrer Großmutter nachgespürt habe: Tatsächlich liest es sich, bei allem Erzählgeschick, als wäre es allzu dicht am Leben entlang geschrieben.

Ärgerlich ist, dass der Verlag die durchaus respektable Übersetzung von Judith Dörries nicht sorgfältiger lektoriert hat. Da wird im historischen Kontext "ukrainisch" mit "ruthenisch" verwechselt, und Franz Joseph heißt "Kaiser Franz", da "überschlug sich" der Fuß, Maestro Landewee senior spielt ein "Strauss"-Programm (gewiss ohne Richard), da liest man "Artrose" und "fröhnte".

Die heikelste Zeit wird beim Erinnern nicht ausgespart, aber sie erscheint seltsam undramatisch, beinah wohltemperiert: als die Familie Landewee ihre (alt)österreichische Identität gegen eine reichsdeutsche eintauscht, nolens volens, denn Nazis sind sie nicht, doch beim Einmarsch der Sowjets finden sie sich trotzdem auf der falschen Seite. Andreas, der auf etwas penetrante Weise immer alles richtig macht, muss Hab und Gut aufgeben, genauso wie der Graf, dem er gedient hat, treu und so umfassend, dass er dessen abgelegte Geliebte und Kindsmutter vor den Traualtar führte. Die Flucht findet ein gutes Ende, rasch ist in Westdeutschland eine neue Existenz gegründet. Nur die Ehe mit dem aufgezwungenen Grafenliebchen ist nicht glücklich, aber da trifft der Mann im besten Alter gottlob seine Elisabeth.

Sie hat, wiederum ohne persönliche Beschädigung, im Dritten Reich eine Traumkarriere gemacht. Das "Geschenk aus Berlin", das dem Roman den Titel gibt, ist ein Klavier, und es stammt vom Führer höchstpersönlich. Nicht seinetwegen, versteht sich, hält Andreas es in Ehren: Er lässt es nach Kanada kommen und in seiner Hütte aufstellen, und er spielt darauf Chopin und Beethoven, bis ihm die Finger nicht mehr gehorchen.

DANIELA STRIGL

Lucette ter Borg: "Das Geschenk aus Berlin". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Judith Dörries. Wallstein Verlag, Göttingen 2006. 280 S., geb., 19,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensent Michael Rutschky ist zu seinem Bedauern leider unklar geblieben, was dieses Buch eigentlich erzählen will. Gut, die Pointe mit dem Flügel, der vom Führer höchstpersönlich verschenkt worden sei, ist gut gesetzt, der Roman "umsichtig und schön" konstruiert. Allein, wozu weitet die niederländische Autorin ein imaginäres Großdeutschland "in aller Unschuld" von Kiew bis nach Vancouver aus? Der Rezensent hat keine Ahnung. Wenn er die Übersicht über das Personal des Romans verliert, blättert er manchmal zurück. Irgendwie scheint hier jemand von Recherchen über die eigene Familie weit davon getragen worden zu sein, diagnostiziert er mit immer noch wohlwollender Verwirrung angesichts der Verästelungen und Verstrebungen der Handlung. Wenigstens "eine boshafte, finstere Geschichte über 'de Moff'", also die bösen Deutschen sei nicht das Ziel der Autorin gewesen, stellt er am Ende fest. Obwohl die Sache mit dem "Führer-Flügel" eigentlich prädestinierend dafür sei.

© Perlentaucher Medien GmbH