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Norman Daniel ist ein guter und pflichtbewußter Polizist. Seiner Ehefrau Rosie zeigt er sich aber als brutaler Schläger. Selbst, nachdem sie schwanger geworden ist, prügelt er sie. Als Rosie ihr Baby verliert, verläßt sie ihn und taucht unter. Durch das Bild einer römischen Frau der Antike erhält sie wundersame Hilfe. Doch dann kommt Norman Rosie auf die Spur...

Produktbeschreibung
Norman Daniel ist ein guter und pflichtbewußter Polizist. Seiner Ehefrau Rosie zeigt er sich aber als brutaler Schläger. Selbst, nachdem sie schwanger geworden ist, prügelt er sie. Als Rosie ihr Baby verliert, verläßt sie ihn und taucht unter. Durch das Bild einer römischen Frau der Antike erhält sie wundersame Hilfe. Doch dann kommt Norman Rosie auf die Spur...
Autorenporträt
Stephen King, geb. 1947 in Portland, Maine, war zunächst als Englischlehrer tätig, bevor ihm 1973 mit seinem ersten Roman 'Carrie' der Durchbruch gelang. Seither hat gilt er als einer der erfolgreichsten Schriftsteller weltweit. Im November 2003 erhielt er den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk. Stephen King lebt mit seiner Frau Tabitha in Bangor, Maine.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.09.1995

Wie man einen Gatten verräumt
Weiter auf der Spur des Grauens: Stephen King und das "Bild"

Diesmal sind Zweifel angesichts der Behauptungen des Klappen-Textes nicht angebracht. Stephen King ist seit den siebziger Jahren der erfolgreichste Produzent von Horror, Grusel und Grauen auf dem Buchmarkt. Eine Reihe seiner Bestseller ist von bekannten Regisseuren wie Stanley Kubrick und Brian de Palma verfilmt worden. Eine internationale Leserschaft, die nach Millionen zählen muß, zwingt den Rezensenten zu einer Entscheidung. Ist Stephen Kings erfolgreiche, buchstäblich metaphysische Horrorwelt ein Symptom des Zeitgeistes, oder darf man ihn noch als Autor ernst nehmen? Ich optiere für letzteres und verdränge den Gedanken, daß man sich so oder so nur blamieren kann, wenn man hier sein kritisches Besteck auspackt.

Diesmal geht es um eine kinderlose Ehe-und Hausfrau, Anfang Dreißig, die nach vierzehn Jahren eines stumm erduldeten Martyriums ihren Mann fluchtartig verläßt. Norman ist Polizist und gerade wegen eines erfolgreichen Coups gegen Drogenhändler zu lokalem Ruhm und einer Beförderung gelangt. Seit Jahren mißhandelt er Rose, die er sich wie ein Haustier hält, nicht im Streit oder Suff, sondern unvorhersehbar, anfallsartig und natürlich grundlos. Schon in der Hochzeitsnacht hat er die Achtzehnjährige mit Bissen verletzt, ihr später die Rippen gebrochen, mit Schlägen auf den Bauch einen Abort verursacht. Wiedergutmachungsversuche mit Blumen und Essenseinladungen werden im Lauf der Zeit immer seltener. Die Todesangst der völlig isolierten Rose wächst mit ihrer Hilflosigkeit, und Norman, inzwischen vierzig, spürt immer deutlicher, daß er seinen Wahnsinn bald nicht mehr durch Übergriffe und Folter im Polizeidienst und Totalitarismus im Privatleben regulieren kann. Ist auf seiten von Norman eine maligne Entwicklung zu sehen, so regen sich bei der schüchternen Rose endlich der Selbsterhaltungstrieb und die Lebenslust. Mit 350 Dollar in der Tasche und sonst nichts besteigt sie einen Bus und beginnt ein paar hundert Meilen westwärts ein neues Leben. Normans abgrundtiefe Wut erhält endlich ein definitives Ziel. Er muß Rose finden und zur Rechenschaft ziehen.

Es ist die alte Geschichte der verfolgten Unschuld, der der Bösewicht unaufhaltsam näher kommt, weil es zwischen beiden eine tiefe Affinität gibt. Zur Unschuld gehören nicht nur das Leiden und die Hilflosigkeit, sondern auch die Dummheit - wohingegen das Böse über Tatkraft und Intelligenz verfügt. Rose schlüpft in einem Frauenhaus unter, richtet sich am Unglück der anderen Frauen auf, findet einen gut bezahlten Job und einen Mann, der es ernst meint. Parallel zur Rekonvaleszenz von Rose liest man die Spur des Wahnsinns, die Norman legt. Der Plot wäre ergiebig genug für einen Psycho-Action-Krimi der besseren Art: Ein Ehebündnis der sonderbarsten Sorte bricht auseinander und setzt zwei entsprechend krasse Entwicklungen der bislang unheilvoll verbandelten Protagonisten in Gang.

Der Leser ahnt es immer wieder, daß der Autor das Zeug dazu hätte, diesen Roman zu schreiben, es aber aus düsteren Gründen unterläßt. Genialische Einfälle blitzen auf und verlöschen schnell. Die spontane Flucht von Rose aus dem gewienerten Vorstadthäuschen und die Probleme, die sie in den ersten paar Stunden zu lösen hat, werden erstklassig beschrieben. Später allerdings, da, wo er die Fortsetzung dieses Emanzipationsprozesses weiter konkretisieren und in Bilder, Szenen und Gefühle übersetzen müßte - da wird er spökenkiekerisch und schrecklich langweilig. Rose entdeckt nämlich im Leihhaus ein Bild, und in diesem Bild spielen sich ihre Entwicklung und endlich Normans Niederlage wirklich ab - kein Traum, wie immer wieder gesagt wird. Natürlich ist es ein klassizistisches Bild mit undeutlichem mythologischem Inhalt, in das Rose eintritt und in dem Norman am Ende verschwindet. Mit den Ereignissen im Bild will Stephen King sich die Aufgabe ersparen, uns die Verwandlung einer mißhandelten Ehefrau in eine lebenslustige und liebesfähige Frau und Mutter begreiflich zu machen, die am Ende Normans Wut mit einer ebenso unergründlichen repliziert. Allerdings bringt sie niemanden um, sondern beschränkt sich darauf, Bälle beim Squash durch die Wand zu donnern.

Will Stephen King mit dieser spirituell-spiritistischen Schreibstrecke einer weiblichen Leserschaft entgegenkommen, die die Macht der Frauen auch ganz gern durch den Aufruf verlorengegangener Göttinnen und den Einsatz zauberhaft gewaltiger Naturkräfte herstellen will? Jedenfalls wird der machistische Unhold nicht durch die vereinten Anstrengungen der Freundinnen aus dem Frauenhaus, den hingebungsvollen neuen Freund und schon gar nicht die Polizei zur Strecke gebracht. Es ist Rose, die so real wie mental Norman in Luft auflöst und sich dabei ein wenig mit seiner Wut infiziert. Die vielen Seiten des Buches, die ihre Rettung und Selbstrettung mythologisieren sollen, lassen den Leser aber so kalt, daß er geneigt ist, sie auf der Suche nach der Fortsetzung der Geschichte einfach zu überblättern. Erfundene Mythen ähneln den Tagträumen darin, daß sie für alle langweilig und peinlich sind, den Träumer selbst ausgenommen.

Weil Rose nach schönen Anfängen literarisch immer schwächer wird, verlagert sich das Interesse schließlich ganz und gar auf den Jäger, Killer und migränegeplagten Psychopathen, der natürlich nicht von ungefähr den Vornamen mit Norman Bates gemein hat, jenem "Psycho" von rührend-romantischer Düsternis, den Anthony Perkins in Hitchcocks Film wirklich zu einer mythischen Gestalt gemacht hat. Der Vergleich, den King ja selbst provoziert, läßt die Grenzen des Autors auch bei der extensiven Gestaltung seines eigentlichen Helden um so krasser hervortreten. Kommt Hitchcocks "Psycho" pars pro toto mit einem Mord aus, so kann King gar nicht genug davon bekommen. Immer wieder bekommt man im Maßstab von eins zu eins, aus der Perspektive des Opfers und des Killers eine Greueltat serviert.

Leichen pflastern den Weg von Norman Daniels, aber seine furchtbare Hemmungslosigkeit wird im Wiederholungszwang des Autors reproduziert und führt beim Leser zur Abwehr des Kasperltheaters. Weil der Autor schlicht nicht weiß, wo er aufhören muß, kommt es auch sonst zu Szenen voller unfreiwilliger Komik gerade dann, wenn dem Leser der Angstschweiß ausbrechen müßte. Ich erwähne die Schlacht hinterm Klohäuschen im Freizeitpark, wo Norman von der schwergewichtigen Gert aus dem Frauenhaus besiegt, und den Showdown im Treppenhaus, wo Rose und ihr Freund mit Norman handgemein werden, ehe der Rest im genannten Gemälde erledigt wird. Ganz kann man es aber auch nicht ausschließen, daß der Autor selbst sich und uns deplazierte Komik als Ausweg und Abwehr für seine so ausführlich ausgebreiteten Obsessionen andienen will.

Warum ist Norman Daniels so, wie er ist? King begnügt sich mit Andeutungen über einen mißbrauchenden Vater und eine schlampige Mutter, und dann füllt er ihn einfach bis oben hin ab mit Vorurteilen, zotiger Misogynie, Gewissenlosigkeit und Killerinstinkten, im Grunde mit unstillbarer Wut auf alles, was außer ihm lebt und sich seinem Allmachtswahn nicht fügt. Es ist kein anheimelnder Gedanke, daß Kings Erfolg auf der Lust der Leser beruht, gleich ihm in den Malstrom der Regression zu tauchen. KATHARINA RUTSCHKY

Stephen King: "Das Bild", Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Joachim Körber, Heyne Verlag, München 1995. 588 S., geb., 48.- DM.

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