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  • Buch mit Leinen-Einband

Produktdetails
  • Verlag: Kein & Aber
  • Seitenzahl: 828
  • Erscheinungstermin: 2. Quartal 2011
  • Deutsch
  • Abmessung: 211mm x 137mm x 43mm
  • Gewicht: 736g
  • ISBN-13: 9783036951010
  • ISBN-10: 3036951016
  • Artikelnr.: 10202186
Autorenporträt
Gerhard Polt, geboren 1942 in München, brilliert seit 1975 als Sänger, Schauspieler, Poet und Philosoph auf deutschen und internationalen Bühnen. Polt erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Bayerischen Staatspreis für Literatur (Jean Paul Preis) und den Heimito von Doderer Literaturpreis. 2006 erhält er den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor. 2010 wird ihm der Ernst-Toller-Preis für "besondere Leistungen im Grenzbereich von Literatur und Politik" verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.05.2002

Verchristete Fackeln
Altrömisch: Gerhard Polt versammelt seine Werke in der Arena

"Das Lesen der Klassiker - das gibt jeder Gebildete zu - ist so, wie es überall getrieben wird, eine monströse Prozedur", schreibt Friedrich Nietzsche in "Menschliches, Allzumenschliches". Er begründet dies damit, daß es oft die Lehrer seien, die schon durch ihr bloßes Auftreten "Mehltau über einen guten Autor" legten. Andererseits sei den Schülern gerade dadurch, daß sie, auf diese Weise die Klassiker hörend, Zeugen einer "hohen Gymnastik des Kopfes" würden, eine unwillkürliche Präformierung ihrer wissenschaftlichen Betrachtungsweise sicher. In diese Tradition der Rezeption fügt sich nun als nahtlose Ergänzung ein Band, der bereits in Titel und Auftreten den Gestus des Klassikers zelebriert: "Circus Maximus" liefert laut Untertitel nicht weniger als "Das gesammelte Werk" des Gerhard Polt, und er tut dies mit edlem grauen Leineneinband, Lesebändchen und mattweißem Schutzumschlag. Diese ironische Inszenierung paßt zu diesem sehr speziellen Klassiker, den man meistens tatsächlich - im Sinne Nietzsches - hörend und sehend rezipiert, sei es auf Theater- und Kabarettbühnen oder im Fernsehen.

Und doch ist der bayerische Satiriker Gerhard Polt längst in die Reihe der bedeutenden Gegenwartsschriftsteller einzuordnen. Wer das immer noch nicht wahrhaben will, der greife zu diesem gewichtigen Prüfstein: Zum ersten Mal gibt es eine verbindliche Grundlage für eine Polt-Philologie, auch wenn der Band gerade im editorischen Sinn nicht den Anforderungen der Germanistik entsprechen dürfte. Zwar verfügt dieser "Circus Maximus" über ein Titelregister mit Varianten, aber das war's dann schon. Als erstes wäre demnach in der zweiten Auflage ein Verzeichnis der Erstveröffentlichungs-, Uraufführungs- und Sendedaten nachzureichen - handelt es sich doch um Texte aus fünfundzwanzig Jahren, die teilweise in Zusammenarbeit mit Polts langjährigem Regie-Partner Hanns Christian Müller entstanden sind.

Die Monologe, Dialoge, Stücke und Geschichten sind nach Themengruppen sortiert, etwa "Grundwerte und historische Dimensionen", "Bauen und Umwelt", "Savoir-Vivre" und "Von den letzten Dingen". Der ganze Poltsche Kosmos von den "verchristeten Sklaven", die "zu Fackeln verarbeitet" wurden, bis zu der aktuellen Finanzierungsfrage, was "denn in dem Südamerika noch drin" stecke ("Ein paar Fußballer"), wird hier ausgebreitet. Ein Standardwerk, in dem sich alle Liebhaber Absurdistans festlesen werden. Von einer "monströsen Prozedur" kann auf jeden Fall nicht die Rede sein. Und der geneigten Lehrerschaft sei dieser Klassiker hiermit zur Weitergabe empfohlen.

HANNES HINTERMEIER

Gerhard Polt: "Circus Maximus". Das gesammelte Werk. Kein & Aber Verlag, Zürich 2002. 828 S., geb., 29,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.05.2003

Und das Fleisch ward Wort
Die Gedanken sind – ja wo sind sie eigentlich? Gerhard Polt gibt seine „Gesammelten Werke” heraus
Das Schlimmste, was einem Schauspieler passieren kann, so heißt es auf dem Theater, ist, dass ein Tier oder ein Kind die Bühne betritt. Die unberechenbare Natürlichkeit des Tieres, das spontane, unreflektierte Verhalten des Kindes ist für die Zuschauer immer spannender zu beobachten als der in seiner Rolle vor sich hin agierende Schauspieler. Schlimmer ist es nur, wenn Gerhard Polt die Bühne betritt. Der Mann ist die Bühnenpräsenz in Person. Sobald sein massiver Klangkörper da herumsteht, können die anderen tun und machen, was sie wollen, man schaut auf den Polt. Bei ihm kann man dem Denken bei der Arbeit zusehen. Wie er mit seinem holozänartigen Schädel in die Gegend stiert, nix sagt, dann aktiv stumm ist, fast schon etwas sagt, man merkt, wie es in ihm arbeitet, bis dann endlich ein Halbsatz kommt – als stiege bei einer langsam sich erhitzenden sämigen Suppe irgendwann der erste schwere Blubb an die Oberfläche. Und dann kocht alles über, es gibt kein Halten mehr, und Volkes Stimme bricht brodelnd aus ihm hervor.
Gerhard Polts Texte zu lesen, ist deshalb so eigenartig, weil man, wie Bernd Eilert es formuliert hat, sich erst mal „diese unverschämte Eindringlichkeit seiner Auftritte aus dem Kopf schlagen” muss. So ist „Circus Maximus” eine Art Hörbuch ohne Tonträger, eine eigene Form der oral history. Man hört aus den geschriebenen Geschichten Polts kleine Leute heraus, hört aus den parataktischen Brüchen, dem Versanden der Sätze, wie er sich mühsam durch seine ungeordneten Gedanken quält. Und sieht doch erst im Mehrfachlesen, wie raffiniert dieses Gestammel komponiert ist. „Am Donnerstag war der Gedanke noch nicht anwesend. Und am Freitag auch nicht. Jetzt hab ich schon gemerkt, jetzt wird’s eng. Ja, wo bring ich jetzt den Gedanken her, wie mach ich das? Da merkt man ... diese Ohnmacht, diese... diese Gedanken sind ein ambulantes Gschwerl, unzuverlässig.”
Polt zeigt, dass es eher ein Wunder ist, wenn man ab und zu mal geradeaus denkt. Im „Circus Maximus”, seinen angeblich „Gesammelten Werken”, die im vorigen Jahr im Verlag Kein und Aber erschienen und jetzt als Taschenbuch bei Zweitausendeins vorliegen, jagt er dem ambulanten Gschwerl über 830 Seiten hinterher und kriegt es doch nie zu fassen. Das Denken ist glitschig wie ein Stück Seife, seine Jäger und Stammler rutschen drauf aus und schliddern permanent in einen zum gerade Gesagten querstehenden Nebensatz hinein. So bringt Polt in seinem zerfaserten Erzählgestus, den abgebrochenen Anekdoten, die sich, kaum begonnen, schon wieder ins Unterholz schlagen, querfeldein durch die Wucherungen des Ressentiments, bis sie in ausgedünnten Leerformeln „irgendwie halt dann” verenden, das Versagen der Sprache zur Sprache.
Der „Circus Maximus” ist alles, was der Fall ist, Polts Gesammelte Werke, aufgeteilt in 19 Kapitel, die tönende Titel tragen wie „Äußeres und Europa”, „Gesellschaft und Geselligkeit” oder „Arbeit, Berufe und Karrieren”. Es tritt auf der Menschenverstand, der ja meist kein gesunder, sondern ein komplett fehlender ist: all die Hausmeister, Traningsanzugsbewohner und Wirtshaushocker, die so vor sich hin amorpheln und hämorrhoidial verdruckst durchs Leben biestern, das kleinbürgerliche Personal, das man aus „Fast wia im richtigen Leben” kennt, jener Zeit, in der noch Franz Josef Strauß durch den Hintergrund einiger Szenen und Monologe geisterte und in der Polt seine Texte zusammen mit Hanns Christian Müller schrieb.
Da das richtige Leben seither weiterging, kommen noch die bayerischen Bürgermeister aus der New Economy dazu, die ihr Dorf als Wellnesshappening anpreisen, inklusive Fresh-Air-Snapping und Mushroom-Searching; die enragierten Moslemkenner und die engstirnigen Väter, die es nicht begreifen, dass ihr Sohn in Geschichte versagt – „Geschichte ist doch ein Fach, ich weiß nicht, das war doch hochinteressant, was man da gelernt hat. Menschlich auch, gell? Wie man diese Jahrhunderte und auch diese Antike, also, enorm.” Dass er diesen qualtingersch verqueren Menschen ihre Würde lässt, macht die Texte so gut – und so unheimlich.
„A jeder hat seine Musik, die er mag, ich hab auch meine, net, meine, die geht nur anders, die geht: ,P – p, p–p –p.’ Nicht, dieser Boris Becker, dieser Mann ist für mich...Das ist Symphonie, nicht wahr.” Wenn Polt seine Texte vorträgt, ist das eine Art Ursonate, die Monologe sind eingelagert in vorsemantische Laute, in Kichern, Stöhnen und bayerische Restsinnvokabeln. Erst beim Lesen wird klar, wie sich Polt in diesen Monologen in stehendem Sturmlauf an einzelnen Worten abarbeitet. Als wolle er Wein keltern, trampelt er auf einem Wort herum, bis der Saft daraus fließt, man muss es nur oft genug sagen, dass es zu klingen beginnt: In „Longline”, dem Text über den symphonischen Klang des Tennisspiels, kommt das Wort Tennis in Thomas Bernhardscher Redundanz dreißig mal vor, symphonisch, naturgemäß, bis es einem am Ende in Dolby Surround um die Ohren fliegt: „Tennis, das ist .. .das Erlernen von von Selbstbeherrschung. Tennis, das ist Selbstdisziplin. Ja? Hab mir gedacht, hätt halt die Frau a vernünftiges Kind dahergebracht und nicht so ein Spasti, da ...Tennis, nein, ... nein, natürlich sag ich das nicht, sagt man nicht, ist doch klar, ... tschuldigung, nicht, das sag ich natürlich nicht, aber man hat doch seine Gedanken”.
ALEX RÜHLE
GERHARD POLT: Circus Maximus. Gesammelte Werke. Zweitausendeins, Frankfurt 2003. 828 Seiten, 14,95 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hannes Hintermeier rät den Lesern, das gesammelte Werk des bayerischen Satirikers Gerhard Polt weiter zu empfehlen, da er längst zu den bedeutenden Gegenwartsschriftstellern zu zählen sei. Der "Circus Maximus" präsentiert sich im Gewand eines Klassikers und verfügt zwar über ein Titelregister, das die Monologe, Dialoge, Stücke und Geschichten der letzten fünfundzwanzig Jahre auflistet, Hintermeier bedauert aber das Fehlen eines Verzeichnisses der Erstveröffentlichungen, Uraufführungs- und Sendedaten. Die Texte seien nach Themengruppen sortiert, zum Beispiel "Grundwerte und historische Dimensionen", "Bauen und Umwelt", "Savoir Vivre", "Von den letzten Dingen", in denen der ganze "Poltsche Kosmos" ausgebreitet werde. Alle "Liebhaber Absurdistans" werden dieses Standardwerk schätzen, meint Hintermeier.

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