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Dieses Werk ist Teil der Buchreihe TREDITION CLASSICS. Der Verlag tredition aus Hamburg veröffentlicht in der Buchreihe TREDITION CLASSICS Werke aus mehr als zwei Jahrtausenden. Diese waren zu einem Großteil vergriffen oder nur noch antiquarisch erhältlich. Mit der Buchreihe TREDITION CLASSICS verfolgt tredition das Ziel, tausende Klassiker der Weltliteratur verschiedener Sprachen wieder als gedruckte Bücher zu verlegen und das weltweit! Die Buchreihe dient zur Bewahrung der Literatur und Förderung der Kultur. Sie trägt so dazu bei, dass viele tausend Werke nicht in Vergessenheit geraten.

Produktbeschreibung
Dieses Werk ist Teil der Buchreihe TREDITION CLASSICS. Der Verlag tredition aus Hamburg veröffentlicht in der Buchreihe TREDITION CLASSICS Werke aus mehr als zwei Jahrtausenden. Diese waren zu einem Großteil vergriffen oder nur noch antiquarisch erhältlich. Mit der Buchreihe TREDITION CLASSICS verfolgt tredition das Ziel, tausende Klassiker der Weltliteratur verschiedener Sprachen wieder als gedruckte Bücher zu verlegen und das weltweit! Die Buchreihe dient zur Bewahrung der Literatur und Förderung der Kultur. Sie trägt so dazu bei, dass viele tausend Werke nicht in Vergessenheit geraten.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.10.2013

Goodbye, Frankreich

Als sie 1783 in Zürich herauskamen, waren die "Briefe eines reisenden Franzosen" von Johann Kaspar Riesbeck ein großer Erfolg. Als Zeitungsredakteur wusste der Verfasser genau, wie man einen Reiseführer spannend anlegt. Jetzt kann man mit Riesbeck abermals Deutschland und das Zeitalter der Aufklärung entdecken.

Von Florian Balke

Der beste Wein des Jahrhunderts ist der von 1766. In Hochheim kostet die Flasche den Reisenden einen Reichstaler. "Dies war der erste deutsche Wein, den ich ganz ohne Säure gefunden. Er war auf der Zunge bloßes Gewürz." Der das schreibt, soll ein Franzose sein, der seinem daheimgebliebenen Bruder berichtet, was ihm in den Ländern des Deutschen Reichs auffällt, ein "Weltbürger" auf der Suche nach dem, was die kleinen Staaten rechts des Rheins ausmacht. Erfunden hat diesen Briefeschreiber, der findet, man müsse sich "in alle Klassen des Volks mischen, das man will kennen lernen", der deutsche Journalist Johann Kaspar Riesbeck, damals Redakteur der gerade gegründeten "Zürcher Zeitung".

Erschienen sind seine "Briefe eines reisenden Franzosen", denen die Andere Bibliothek nun in einem ihrer Foliobände den ersten großen Auftritt seit mehr als zweihundert Jahren verschafft, im Jahr 1783. Sie waren sehr erfolgreich und wurden rasch ins Englische, Französische, Holländische und Schwedische übertragen, was der 1786 an der Schwindsucht gestorbene Autor nur noch zum Teil erlebte. Dann kamen die Französische Revolution und die Napoleonischen Kriege, die vieles von dem veränderten, was Riesbeck beschrieben hatte. Als Reiseführer war das Buch innerhalb kurzer Zeit nicht mehr aktuell. Den Geschmack des späten achtzehnten Jahrhunderts aber bewahrt es mit so viel Gewürz wie der Wein von 1766.

Riesbecks Franzose reist durch Baden, Württemberg, Bayern und Salzburg, die habsburgischen Lande, Sachsen und Preußen. Er wirft einen Blick nach Dänemark, gelangt nach Kassel, Frankfurt, Mainz und in den Rheingau, fährt durch das Mittelrheintal nach Köln und macht einen Abstecher nach Amsterdam. Er schildert ein Feuerwerk im Prater, eine Gondelfahrt auf der Alster und eine bayerische Wirtshausschlägerei mit zwanzig Bauern, einem Pfarrer und fliegenden Bierkrügen. In Wien sind Zwergspitze gerade große Mode, und in ganz Deutschland sorgen die Autoren des Sturm und Drang, für den Franzosen "literarische Kalmücken", mit ihren Theaterstücken dafür, dass "Träumen, entzückt sein und Rasen" als natürlicher Zustand des Menschen angesehen werden.

Riesbecks Briefe versuchen das Deutschland des späten achtzehnten Jahrhunderts in all seiner Fülle zu fassen, so wie es sich der 1754 zur Welt gekommene Autor zum Teil selbst erwandert hatte. Auch vom Zürcher Schreibtisch aus sieht er überall genau hin. In Rüdesheim feiert er ein Fest zum Beginn der Weinlese und schreibt: "Nie, Bruder, habe ich mit mehr Empfindung getanzt als hier." Er vermerkt aber auch, dass die Weinstöcke selten mehr als vier oder fünf Fuß hoch gezogen würden, was der Menge, nicht aber der Güte des Weins zuträglich sei. Dass der "ohnehin sehr teure Dünger" für die Steillagen über dem Binger Loch von den Bauern "mit unbeschreiblichen Beschwerden" den Berg hinaufgetragen werden müsse, entgeht ihm erst recht nicht.

Die Briefe zeigen aber auch eine Weltsicht auf der Kippe. Nur selten macht Riesbeck seinen erfundenen Franzosen durch Gefühle zur erzählerisch abgerundeten Figur. Am Bodensee verzichtet er auf die Schilderung seiner Empfindungen. "Denn was meine Gefühle betrifft, so weißt du, dass ich in der Beschreibung derselben sehr unglücklich bin." Dafür erfährt der Leser, dass das Schweizer Ufer hübscher ist als das deutsche, beide Seiten aber gleich stark bewohnt sind, wobei der Boden in der Schweiz steiniger ist, weshalb der Thurgau einen Teil seines Getreides aus Schwaben bezieht. Es ist das unerschöpfliche Interesse seiner Zeit an fein abgestuften Klassifikationen. So gewappnet, stellt der Franzose sich der deutschen Wirklichkeit. Die wahre Eigenart der Dinge, bemerkt er beim Anblick des Rheinfalls bei Schaffhausen, müsse durch "genaue Beobachtung und Vergleichung der Teile" erfühlt werden. Dabei nutzt Riesbeck den Handlungsspielraum, den Montesquieus "Perserbriefe" und Swifts "Gulliver" der Reiseliteratur im frühen achtzehnten Jahrhundert verschafft haben. Wie Montesquieu wirft er einen Blick auf das scheinbar Fremde, der in Wirklichkeit ein fremder Blick auf das Eigene ist. Wie Swift will er nicht nur Tatsachen beobachten und ordnen, sondern Möglichkeiten durchspielen. Das Deutschland, das sein Franzose entdeckt, ist eine ganze Welt. Karlsruhe, schreibt er, liege in einem großen Wald, einem Rest des "ungeheuren Gehölzes", das zur Zeit des Tacitus Deutschland bedeckt habe. "Damals zogen hier Auerochsen und Elendtiere, die sich nun in die dicksten Wälder von Russland verkrochen haben, herdenweise umher."

In diesem schwerfälligen Land für Urvieh und Elche findet er allenthalben Landesherren, die annehmen, dass "die Völker wegen ihnen und nicht sie wegen dem Volk geschaffen" seien. Ihre verschwenderischen kleinen Höfe erinnern ihn an das "Marionettentheater des Fürsten Esterhazy", das Musiker, Techniker und Dichter beschäftigt, aber trotzdem nur ein Puppentheater ist. Preußen hingegen, der rationale Staat, verfügt in Friedrich II. über den idealen aufgeklärten Herrscher. "Er war es, der seine Nachbarn lehrte, dass das Interesse des Regenten mit jenem seiner Untertanen parallel läuft."

Preußen wird nicht nur durch die Urbarmachung seiner Sümpfe schön, sondern auch durch seine spezifische Auslegung von Rousseau. Zu ihr zählt, dass man sich in Berlin und Potsdam, wo alle arm oder sparsam sind, die leeren Börsen "durch einen stillschweigenden Vertrag im gesellschaftlichen Leben verziehen" hat. Riesbecks Spiel mit Rousseaus contrat social setzt sich in der Bemerkung fort, dessen Bild vom Vertragsschluss enthalte viel Schwärmerei. "Das Schicksal, welches mit uns sein ewiges Spiel treibt, wirft uns in irgendeine gesellschaftliche Lage, die uns ankettet, ehe wir an einen Vertrag denken können." Auch Rousseaus Suche nach unschuldigen Menschen fernab der Städte hat für Riesbecks Franzosen etwas Lächerliches. "Ich finde den Menschen, an dem ich mein Herz wärmen kann, überall."

Offen ist er daher auch für alle Arten aufgeklärter Reform. Solange die jeweilige Obrigkeit die Wohlfahrt eines möglichst großen Teils der Bevölkerung betreibt, ist es ihm gleich, ob er es mit einem absolutistischen Monarchen, einem durch Landstände in seiner Souveränität eingeschränkten Fürsten oder einer der heruntergekommenen freien Reichsstädte zu tun hat, die noch immer Formeln wie "Senatus Populusque Bopfingensis" verwenden, durch ihre Patriziatsherrschaft oder ihre Zunftordnung aber schon längst von den sie umgebenden Flächenstaaten abgehängt worden sind. Wer auch immer etwas für die Landwirtschaft, das Gewerbe oder den Handel tut, die Schulbildung verbessert oder die Verwaltung vereinfacht, findet Riesbecks Beifall.

Und dann stellt der pragmatische Rationalist seinen Reisenden plötzlich auf den Taunus und lässt ihn den Sonnenaufgang über dem Odenwald beobachten, ein Anblick, den "keine Zeit aus meiner Seele löschen wird". Weit entfernt geht es los: "Noch war alles bis zu diesen Gipfeln hin dickes Dunkel, und diese Ostgegend schien eine beleuchtete Insel zu sein, die zur Nacht auf dem schwarzen Ozean schwimmt." Dann wird ringsum alles immer heller. Es ist ein sehr aufklärerischer Sonnenaufgang, der seinen Glanz auf die Welt wirft: "Wir entdeckten in schattigen Vertiefungen Ortschaften, die ein Blick der Morgenröte traf." Was sich alles im deutschen achtzehnten Jahrhundert verbirgt, entdecken Riesbecks "Briefe".

Johann Kaspar Riesbeck: "Briefe eines reisenden Franzosen".

Hrsg. von Heiner Boehncke und Hans Sarkowicz. Die Andere Bibliothek, Berlin 2013. 681 S., Abb., geb., 79,- [Euro].

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