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Das Buch behandelt das staatsrechtliche Verhältnis Böhmens zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation vom 12. Jh. bis 1806. Erstmals werden hier sämtliche Aspekte dieser Beziehung wie das Lehnsverhältnis, die Stellung Böhmens bzw. seines Königs zur Reichsgerichtsbarkeit, zu Reichstagen, zu den Reichssteuern, zum Reichsvikariat etc. und nicht zuletzt zur Königswahl in ihrer Gesamtheit differenziert und detailgenau für Mittelalter und Frühe Neuzeit gleichermaßen untersucht. Dabei kommt diese Arbeit über ein Problem der Reichsverfassungsgeschichte, das schon seit dem 17. Jh. zwischen deutschen…mehr

Produktbeschreibung
Das Buch behandelt das staatsrechtliche Verhältnis Böhmens zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation vom 12. Jh. bis 1806. Erstmals werden hier sämtliche Aspekte dieser Beziehung wie das Lehnsverhältnis, die Stellung Böhmens bzw. seines Königs zur Reichsgerichtsbarkeit, zu Reichstagen, zu den Reichssteuern, zum Reichsvikariat etc. und nicht zuletzt zur Königswahl in ihrer Gesamtheit differenziert und detailgenau für Mittelalter und Frühe Neuzeit gleichermaßen untersucht. Dabei kommt diese Arbeit über ein Problem der Reichsverfassungsgeschichte, das schon seit dem 17. Jh. zwischen deutschen und böhmischen/tschechischen Gelehrten kontrovers diskutiert wird, nach Auswertung aller relevanten archivalischen und edierten Quellen zu dem Schluss, dass Böhmen in vieler Hinsicht eine Sonderstellung einnahm. Aber vergleichende Untersuchungen zeigen, dass diese keineswegs einzigartig war. So sehr sich Böhmen auch zwischenzeitlich vom Reich entfremdete, so gehörte es trotzdem fraglos als "membrum" zum Reich.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.08.2004

Von der Kurwürde zehren
Alexander Begert erhellt die staatsrechtliche Stellung Böhmens

Der Historiker Frantisek Palacký (1798 bis 1876), der 1829 von den böhmischen Ständen beauftragt worden war, eine Geschichte des Landes zu schreiben, hat seine Meinung über den jetzt in Alexander Begerts Mainzer Dissertation dargestellten Themenkreis in einem Brief an das Gremium zusammengefaßt, das ihn zu Beratungen über die Einberufung eines deutschen Parlaments nach Frankfurt eingeladen hatte. Am 11. April 1848 lehnte er dieses Angebot höflich, aber unmißverständlich ab: Er sei kein Deutscher, fühle sich wenigstens nicht als solcher, sei vielmehr ein Böhme slawischen Stammes. Dieses Volk sei zwar nur ein kleines, aber seit jeher ein eigentümliches und für sich bestehendes. "Die ganze Verbindung Böhmens, zuerst mit dem heiligen Römischen Reiche, dann mit dem deutschen Bunde, war von jeher ein reines Regale, von welchem das böhmische Volk, die böhmischen Stände kaum jemals Kenntnis zu nehmen pflegten." Im folgenden stimmte Palacký ein Hoheslied auf das Kaiserreich Österreich an, das durch die Aktivitäten einer deutschen Nationalversammlung unheilbar geschwächt werden könne.

Die freundlichen Worte über die Monarchie der Habsburger werden einige Leser des Briefes verwundert haben, waren doch viele Tschechen im Königreich Böhmen damals bemüht, ihre sozialen und sonstigen Probleme vornehmlich nach Maßgabe nationaler Kategorien und Aversionen zu sehen, wobei die gegenwärtige Dynastie nicht von jedermann als neutrale Schiedsinstanz empfunden wurde. Der Prager Aufstand im Juni 1848, den manche Deutsch-Böhmen als Resultat tschechischer Agitation empfanden, wurde rasch niedergeschlagen. Bei der Verfassungsreform von 1867, die das Reich der Habsburger in die kaiserlich-österreichische und königlich-ungarische Doppelmonarchie teilte, blieb Böhmen dem Regiment in Wien unterstellt, das dann bis zum Ende vergeblich versuchte, die Konflikte zwischen den im Lande lebenden Tschechen, Deutschen, Ungarn und anderen Völkern zu mindern.

Damit ist der noch sehr harmlose Anfang der Entwicklung angedeutet, deren Vorgeschichte in Begerts vom "Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds" mit einem Druckkostenzuschuß geförderten Buch ausgebreitet wird. Die Darstellung reicht von 1198 bis 1806, vom Aufstieg des Böhmenfürsten Ottokar I. zum König bis zur Niederlegung der Krone des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation durch Kaiser Franz II.

In deutschen Territorien haben sich außerhalb von kaiserlichen und fürstlichen Ratsgremien nur wenige mit den teilweise höchst komplizierten Fragen von Böhmens staatsrechtlichen Beziehungen zum Römischen Reich beschäftigt. Allenfalls das Recht des Königs von Böhmen, als einer der Kurfürsten den römischen König und künftigen Kaiser zu wählen, wird gelegentlich auch von Leuten zur Kenntnis genommen worden sein, die sonst kein Interesse für solche Dinge hegten. Rudolf von Habsburg hatte 1289 seinem Schwiegersohn, König Wenzel II., die Kur und das nur bei feierlichen Hoftagen ausgeübte Amt des Schenken verbrieft. Als Schenk des Reiches und einer der Fürsten, die für die Königswahl in Frage kamen, war der Böhme zwar schon einige Jahrzehnte zuvor im Sachsenspiegel genannt worden, aber im selben Satz, in dem ihm das Hofamt zugeschrieben wurde, hat ihm der Verfasser des einschlägigen Paragraphen das Wahlrecht abgesprochen, weil er deutsch nicht sei. Davon handelt das erste Kapitel.

Es folgen Abschnitte über die letzten Premysliden (1289 bis 1306), das Zeitalter der Luxemburger und der Goldenen Bulle (1306 bis 1419) sowie die vom Hussitismus geprägte Ära bis zur Schlacht von Mohács im Jahre 1526, als Böhmen erneut unter die Herrschaft der Habsburger geriet. Mit Albrecht II. und dessen Sohn Ladislaus Postumus hatten sie schon einmal die Krone des heiligen Wenzel getragen. Dann aber kam mit Georg von Podebrad ein Einheimischer zum Zuge. Von seinen Gegnern als Oberhaupt von Häretikern verunglimpft, verwehrte er selbst es seinen Söhnen, die Nachfolge anzutreten, und ermöglichte so die Wahl des unzweifelhaft rechtgläubigen Jagellonen Wladislaw zum König, dessen Sohn Ludwig 1526 gegen die Türken fiel.

Schon die Aneinanderreihung dieser Zäsuren läßt die Probleme ahnen, mit denen die böhmische Kur belastet war: Der König galt anfangs als Nichtdeutscher; im Falle des erbenlosen Endes der Dynastie oder einer unklaren Thronfolge hatten Böhmens Stände das Recht, einen Nachfolger zu wählen oder doch die von anderen entschiedene Thronfolge zu sanktionieren. Durften diese Stände im Falle einer Vakanz in Böhmen und im Römischen Reich als Korporation die böhmische Kur ausüben? Als Leckerbissen für die Juristen erwies sich auch die seit 1526 immer wieder auftauchende Frage, ob bei der Kur des römischen Königs der Böhme zugleich als Kandidat und Wähler auftreten dürfe, ob er in dem auf seine Eigenständigkeit bedachten Kurfürstenrat vertreten sein und hier zum Beispiel an der Ausarbeitung der seit 1519 üblich gewordenen Wahlkapitulation mitwirken könne, die dem künftigen Kaiser die Einhaltung bestimmter Pflichten auferlegte.

Hinzu kam die brisante Frage der Konfession des Böhmen, die dazu beitrug, einen Krieg bis dahin unbekannten Ausmaßes auszulösen, als die böhmischen Stände im August 1619 Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz zum König wählten. Allerdings mußte der Pfälzer nach der Niederlage am Weißen Berg im November 1620 seinem treu zur römischen Kirche stehenden Rivalen Ferdinand II. weichen. Das zumal in der tschechischen Historiographie als grausame Racheaktion gewertete Strafgericht über die böhmische Fronde sowie die damit einhergehenden Enteignungen konnte Begert aufgrund seiner Themenstellung übergehen, während die bis zum Ende des Ancien régime andauernden Probleme von Böhmens Stellung gegenüber Kaiser und Reich umfassend erörtert werden.

Als fragwürdig müssen die Ausführungen über den frühen Versuch zur Eliminierung des Böhmen aus dem Kreis der Königswähler bezeichnet werden. Eine der Deutungen des betreffenden Paragraphen erklärt ihn als Niederschlag eines bei den Deutschen verbreiteten Ressentiments gegen ihre slawischen Nachbarn. Begert plädiert für eine verfassungsrechtliche Erklärung, die dem Vorgang seinen Stachel nehmen würde: Der Paragraph spiegele die Situation zur Entstehungszeit des Sachsenspiegels (1220 bis 1235), als Friedrichs II. Sohn Heinrich im Mai 1222 gemäß einer an den Papst gesandten Botschaft von den Fürsten Deutschlands (principes Theotonie) zum neuen König in Deutschland (novus rex in Alamania) gewählt worden war. Heinrich sei mithin nicht, wie seit dem späten elften Jahrhundert üblich, zum König der Römer und künftigen Kaiser gewählt worden, sondern nur zum deutschen König. Ein deutscher König aber könne nicht der Lehnsherr eines standesgleichen Königs von Böhmen gewesen sein, der sich nur dem Oberhaupt des Römischen Reiches untergeordnet habe. Deshalb sei der zur Zeit dieses deutschen Königs erwogene Ausschluß des Böhmen aus dem Kreis der Wähler nicht ethnisch oder sprachnational, sondern rein staatsrechtlich motiviert gewesen, hätte die Würde des Böhmen nicht mindern, sondern ganz im Gegenteil seine nahezu souveräne Position bestätigen sollen.

Entscheidend für diese auf Harmonie bedachte These ist, ob Eike von Repgow die ungewöhnliche Variante der Königswahl von 1222 zur Norm erheben wollte. Begert zitiert einen weiteren Artikel des Sachsenspiegels, in dem es lapidar heißt: Die Deutschen sollen nach Recht den König küren. Gewiß erscheint es als logisch, daß ein von Deutschen gewählter König auch nach ihnen benannt sein müsse. Indes folgt die Tradition nicht immer den Regeln des gesunden Menschenverstands. Zwar ist richtig, daß Eike das heimische Königtum nie explizit als römisch definierte. Daß er aber ganz selbstverständlich in der universal-römisch geprägten Tradition des Reiches stand, geht aus Paragraph 44 des dritten Landrechtsbuches hervor, der den Weg des einen Reiches von Babylon über Persien und Griechenland zum Rom des Julius skizziert, der Kaiser wurde. Caesar habe, wie in Paragraph 53 ausgeführt wird, die deutschen Lande - Sachsen, Bayern, Franken, Schwaben - unterworfen und beherrscht.

Das war eine Vergangenheit, die fortwirkte, und so wird dann auch in dem Paragraphen mit dem Ausschluß des Böhmen nicht die Wahl des Königs thematisiert, sondern des keiseres kore. Im übrigen hat der Versuch, den Böhmenkönig als Nichtdeutschen aus dem Kreis der Kurfürsten auszuschließen, eine weitaus längere Nachwirkung gehabt, als Begert glaubt: Noch 1356 hat Karl IV. das sprachnationale Argument als lästig empfunden und es auf eine von ihm in solchen Fällen bevorzugte Weise, nämlich indirekt, als haltlos verworfen. Und zwar tat er das an unübersehbarer Stelle, im Schlußkapitel der Goldenen Bulle.

Trotz dieser Einwände gegen den Auftakt der Darstellung könnte Begerts bewundernswert fleißiges Werk dazu beitragen, eine unverkrampfte Diskussion selbst über nationale Differenzen in der 1806 abgeschlossenen Epoche Europas zu ermöglichen.

HEINZ THOMAS

Alexander Begert: "Böhmen, die böhmische Kur und das Reich vom Hochmittelalter bis zum Ende des Alten Reiches". Studien zur Kurwürde und zur staatsrechtlichen Stellung Böhmens. Matthiesen Verlag, Husum 2003. 699 S., geb., 89,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Heinz Thomas hat zwar durchaus Einwände gegen die Ausführungen in Alexander Begerts Dissertation zur staatsrechtlichen Stellung Böhmens seit 1198 bis zur Abdankung Kaiser Franz II. im Jahr 1806, doch zeigt er sich alles in allem von der Darstellung überzeugt. In kenntnisreicher Argumentation wendet sich der Rezensent gegen die Ausführungen des Autors zu den Versuchen im 13. Jahrhundert, den böhmischen König aus dem Kreis der Königswähler auszuschließen. Während Begert argumentiert, dass es sich hierbei nicht um ethnische oder nationale "Ressentiments" der Deutschen gehandelt, sondern "rein staatsrechtlichen Erwägungen" gehorcht habe, erscheint dem Rezensenten diese These eher "auf Harmonie bedacht" als auf Tatsachen beruhend. Zudem hat nach Ansicht von Thomas der Ausschluss des Böhmenkönigs aus dem Kreis der Kurfürsten eine "weitaus längere Nachwirkung" gehabt, als der Autor ihm einräumen will. Dennoch lobt der Rezensent die Studie insgesamt als "bewundernswert fleißig" und erhofft sich, dass sie einer "unverkrampften Diskussion" über die "nationalen Differenzen" der Zeit bis 1806 Vorschub leisten wird.

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