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Alex entscheidet sich nach seinem Germanistikstudium gegen eine Promotion über das Spätwerk Adalbert Stifters und für eine Karriere als Finanzjournalist. Dabei hat er keine Ahnung von Finanzen. Macht aber nichts. Solange er nur fließend Englisch spricht. Eine Skandalgeschichte soll dem jungen Hamburger den Durchbruch bringen: Die Fusion von Bettermann & Partner, einer alteingesessenen Hamburger Kanzlei, mit einem Londoner Global Player. Aber auch Leute wie Alex haben Eltern, eine Kindheit und Prägungen, die sich nicht so einfach erzählen lassen wie die Geschichte einer Fusion. Konstantin…mehr

Produktbeschreibung
Alex entscheidet sich nach seinem Germanistikstudium gegen eine Promotion über das Spätwerk Adalbert Stifters und für eine Karriere als Finanzjournalist. Dabei hat er keine Ahnung von Finanzen. Macht aber nichts. Solange er nur fließend Englisch spricht. Eine Skandalgeschichte soll dem jungen Hamburger den Durchbruch bringen: Die Fusion von Bettermann & Partner, einer alteingesessenen Hamburger Kanzlei, mit einem Londoner Global Player. Aber auch Leute wie Alex haben Eltern, eine Kindheit und Prägungen, die sich nicht so einfach erzählen lassen wie die Geschichte einer Fusion. Konstantin Richter erzählt von einer Generation, die viele Träume hat und in der Fülle der Möglichkeiten manchmal den Überblick verliert. Dabei bekommen nicht nur die jungen Überflieger ihr Fett weg; Richter nimmt gleich den ganzen Kapitalismus in die Mangel.
Autorenporträt
Konstantin Richter, 1971 geboren, aufgewachsen in Berlin und Hamburg, studierte in Edinburgh und New York. Er arbeitete als Reporter für englischsprachige Medien, unter anderem für die Columbia Journalism Review in New York, das Cambodia Daily in Phnom Penh und das Wall Street Journal in Brüssel. Heute lebt er als freier Autor in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.11.2007

Arbeiter der Stirn
Von nichts eine Ahnung, aber Englisch sprechen: In Konstantin Richters Roman "Bettermann" wird Kritik am Neoliberalismus zur Sprachkritik

Im Bewerbungsgespräch musste ich improvisieren. Ich sagte, dass ich den Arbeitsmarkt liberalisieren würde und dass Daimler und Chrysler gut zusammenpassen." Mit den ersten Sätzen wird man in Konstantin Richters gerade erschienenem Erstlingsroman "Bettermann" direkt in die Handlung eines Stückes geführt, in das man nur wenige Voraussetzungen mitbringen muss, um mitspielen zu können. Das Stück heißt "Abenteuer Kapitalismus", seine Bühne ist der freie Markt, seine Produktionsform die Sprache, und seine einzige Regieanweisung lautet: Jeder ist ersetzbar.

Alexander, so heißt der Erzähler, arbeitet in der Finanzindustrie, und in der werden nicht mehr Gabelstapler oder Kartoffelchips produziert, sondern etwas anderes. Nachrichten zum Beispiel. Meldungen "über die Bonität von angeschlagenen Halbleiterherstellern, über das abermalige Versäumnis der Bundesregierung, Arbeitsmarktreformen durchzusetzen". Alexander gehört mit zwei Amerikanern und einem Inder zur Frankfurter Redaktion einer internationalen Finanznachrichtenagentur mit Hauptsitz in New York. Und er hat, als er anfängt, nicht den blassesten Schimmer von Wirtschaft. Das macht aber nichts, wie ihm vom Chef bis zu den Mitarbeitern versichert wird, die einzige Qualifikation, die er wirklich benötige, sei ein fehlerfreies Englisch.

Mit dieser von Richter fast beiläufig eingeschobenen Bedingung wird sein Roman zu etwas wie einer neuen Variante des alten Genres der "Geschichten aus der Produktion". Ein Bitterfelder Weg für das postfordistische, das postindustrielle Zeitalter. In dem Wettbewerb, von dem Richter erzählt, wird jeder zum Unternehmer in eigener Sache, und die einzige Qualifikation, die er mitbringen muss, ist die Beherrschung der Sprache des freien Marktes. Damit ist Richter einer der Ersten, der hierzulande das Produktionsmittel Sprache als Handwerkszeug des postindustriellen Zeitalters zum Gegenstand der Literatur macht.

Denn das verbindet alle auf den Finanzmärkten tätigen Entrepreneurs: Sie haben zwar keine Ahnung, aber sie können fehlerfrei Englisch. Während noch der versprengteste Naturalist, sagen wir in den letzten Büschen Sulawesis, genau weiß, wovon er redet, ist es in den Vermittlungsbranchen der Wirtschaft umgekehrt. Sie reden alle von Irkutsk bis Kapstadt mindestens eine globalisiert abgeflachte Variante dessen, was man früher Oxford-Englisch genannt hat.

Die "Arbeiter" auf den globalisierten Finanzmärkten sind klassenlos und ohne Standpunkt. Nur so sind sie in der Lage, der Flexibilität der Märkte ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Der Gegenbegriff der schnellen Reaktion auf veränderte Bedingungen am Markt ist Langfristigkeit. "Langfristigkeit ist der Finanzindustrie suspekt. Langfristig argumentieren Leute, die kurzfristig in der Patsche sitzen - Betriebsräte, die um Jobs bangen, und Manager, die Analystenerwartungen enttäuscht haben -, und darum habe ich es bis hierher mit Keynes gehalten: Langfristig sind wir alle tot."

Was Langfristigkeit für die Sprache am Finanzmarkt heißt, demonstriert Richter ein paar Seiten lang an einem englisch geschriebenen Fax eines alteingesessenen Hamburger "Old School"-Anwalts namens Henrik Bettermann, der dem Buch den Titel gab. Bettermann beschwert sich in dem Brief beim New Yorker Chef der Nachrichtenagentur über Alexanders Recherchemethoden. Alexanders Kritik am Fax beschäftigt sich zuerst mit der Sprache. Die sei "unbeholfen und überkompliziert, gerade weil sie so distinguiert wirken will. Wie diese Hamburger Snobs, die ein paar Monate Englischkurse in Cambridge belegen und als Möchtegern-Briten zurückkehren." Diesen Sprachsnobismus haben die jungen Finanzmarktkommentatoren abgelegt, auch weil sie wissen, dass in ihrem Gewerbe der Verweis auf die Herkunft aus Hamburg-Blankenese genauso wenig zählt wie der Nachweis der direkten Abstammung von King Arthur. Auch deshalb bleiben die Erzählungen unter den Kollegen in der Frankfurter Redaktion im Klischee. "Come on, do the Hitler again!", fordern die Amerikaner vom Deutschen.

Der hat aber natürlich trotz der Flexibilitätsforderung der freien Finanzmärkte eine Geschichte, in der alles das vorkam, was die Börsen nicht interessiert beziehungsweise was ihnen zuwiderläuft. Alexander hat in München Germanistik und Anglistik studiert und mit einer Magisterarbeit über Adalbert Stifter abgeschlossen. Stifters "Nachsommer" und dessen eigenes Leben im kleinbürgerlichen Metternich in Österreich bilden im Roman von Anfang an den anderen Pol des Kraftfeldes, in dem sich Alexander bewegt. Und auch wenn die Beschäftigung mit Stifter als eine Spezialistentätigkeit denunziert wird, die sich dadurch auszeichne, dass sie niemanden interessiere, hinterlässt sie ihre Spuren. Stifters Naturbeschreibungen sind für Alexander zwar entschieden zu lang, aber ihre Wirkung kann er nicht verleugnen. Der Himmel über Hamburg ist nun einmal anders als der über Berlin oder über der Zugspitze.

Immer wieder streut Richter über den ganzen Roman kurze Blicke auf die Natur, die Büsche im Englischen Garten in München, den Geruch des Grases im Garten einer Hamburger Villa oder nur den Wind abends in Berlin-Mitte. Das sind immer nur ganz kurze Einschübe, Luftholer sozusagen, die den Lesefluss nicht ins Stocken geraten lassen, aber doch so kurz darauf hindeuten, dass es etwas gibt, das der Finanzmarktbewegung entgegenläuft. Dass Richter Stifter und die Natur als Scharnier nimmt, um aus dem lustigen Leben gut verdienender junger Finanzdienstleister ohne Geschichte in seine eigene Geschichte zurückzukehren, ist der stilistisch vielleicht gelungenste Zug an seinem Roman. Denn natürlich haben auch die opportunistischen Arbeiter auf den chronisch instabilen Finanzmärkten immer noch Eltern, eine Kindheit und Prägungen, die sich nicht so einfach erzählen lassen wie die Fusion einer alten Hamburger Anwaltskanzlei mit einem Londoner Global Player in Wirtschaftsfragen.

An der Schnittstelle von eigener Geschichte und der Story, mit der Alexander den Durchbruch zur Edelfeder im Finanzjournalismus schaffen will, kommt jener Henrik Bettermann ins Spiel. Alexander hat durch eine Insiderinformation erfahren, dass Bettermanns alte Hamburger Kanzlei mit einer großen Londoner Firma zusammengehen will, um nicht zum provinziellen Nischenanbieter zu verkommen. Das soll seine große Geschichte werden. Da er Bettermann bereits aus seiner Kindheit kennt, scheint es anfangs so, als sei die Story ein Kinderspiel.

Das wird es dann auch, aber in einem völlig anderen Sinn als geplant. Alexander gerät über die Recherchen in einen Strudel seiner Geschichte, der ihn nicht zur gewünschten Edelfederkarriere führt, dafür aber auf Nebenkriegsschauplätze der Finanzmärkte: in das Kunstmuseum Wolfsburg und nach Berlin-Mitte. Der alte Bettermann hat nämlich einen Sohn, der als Künstler Karriere gemacht hat, und eine Tochter, die als Landschaftsarchitektin in Berlin-Mitte arbeitet.

Die Szenen mit dem in der Nachfolge Martin Kippenbergers zum Kunststar gewordenen Bettermann-Sohn im Kunstmuseum und das Treffen mit der Bettermann-Tochter in Berlin führen Richters Bildungsroman auf je verschiedene Weise an die Grenzen der neuen Universalität der Sprache der Finanzen. Obwohl Alexander vom Kunstboom aus den Finanzjournalen gehört hat, hilft ihm das nicht die Bohne, als er in Wolfsburg inmitten der Installation "Guck mal, der Lamborghini vom Professor Martini" sitzt und mit dem Künstler zu reden versucht. Er versteht den Kunstboom einfach nicht. "Wer macht sich hier über wen lustig? Und wer lacht zuletzt?", fragt er sich und fährt nach Berlin zur Bettermann-Tochter. Die sitzt im renovierten Berlin-Mitte in einem Ladenbüro und macht "Projekte". Projekte mit Leuten, "die von wenig Geld leben oder vom Geld ihrer Eltern, und das nicht mal besonders gut", wie sie sagt. Dabei aber sind sie fest davon überzeugt, dass man etwas ändern kann.

Der Satz "man kann was ändern", von der Bettermann-Tochter im Zusammenhang mit der Landschaftsarchitektur gesprochen, bleibt in der sonst dichten Beschreibung des Treffens merkwürdig unvermittelt und vom Finanzschreiber unwidersprochen stehen. Er wird im weiteren Verlauf der Geschichte auch nicht wieder aufgenommen. Er weist nur voraus auf den vorletzten Satz, in dem es heißt: "Aber ein Anwalt, der nicht ins Büro geht . . . das ist keine Story."

Der Schriftsteller, heißt das, ist heute kein stifterscher Gegenpol zur Welt mehr. Er muss sich darin bewegen wie alle anderen auch. Von der Schwierigkeit dieses Übergangs von der weltabgeschotteten Literatur zu einer, die sich das nicht mehr leisten kann, erzählt Bettermann.

CORD RIECHELMANN

Konstantin Richter: "Bettermann". Roman. Verlag Kein & Aber. 240 Seiten, 17,90 Euro

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Als "den Roman zum Jahr der Geisteswissenschaften" hat Rezensent Oliver Pfohlmann Konstantin Richters Debütroman gelesen, und dabei offensichtlich auch seinen Spaß gehabt. Sein Personal rekrutiert Richter den Informationen des Rezensenten zufolge aus den Reihen der Ausgestoßenen der "Sorgenfächer des Wissenschaftsbetriebs", worunter die Geisteswissenschaften und ihre recht kurze akademische Nahrungskette zu verstehen sind. Exemplarisch wird der mentale Zustand dieser prekären Kaste am Beispiel eines gewissen Alex durchexerziert, der als ehemaliger Geisteswissenschaftler nun in einer Nachrichtenagentur Wirtschaftsmeldungen interpretiert. Mit viel Vergnügen registriert der Rezensent in diesem Zusammenhang die Mauserung des "schüchternen Literaturfreaks" zum "smarten Wirtschaftsjournalisten". Gleichermaßen großartig und amüsant findet Pfohlmann die Schilderung der Innenansichten der Agentur und der dort versammelten New-Economy-Apologeten samt ihrer scheiternden Selbstverwirklichungsversuche. Auch die "schnörkellose, flotte Zweckprosa", in der diese Schilderungen verfasst seien, erfreut den Rezensenten sehr. Nur das Ende, in dem es plötzlich doch noch zu einer Art Selbstverwirklichung in den Sphären der digitalen Boheme kommt, findet Pfohlmann zwar tröstlich, aber auch inkonsequent.

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