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Arno Schmidt war mit seinem Roman Das Steinerne Herz noch vor Uwe Johnson der erste Schriftsteller überhaupt, der das gespaltene Deutschland literarisch zum Thema gemacht hat. Obwohl die Geschichte um die Machenschaften eines Büchersammlers bereits in einer sexuell, politisch und religiös entschärften Fassung publiziert wurde, rief die deutsche Literaturkritik voller Entsetzten aus: »Gott schütze die deutsche Literatur!« Im Rahmen der Bargfelder Ausgabe liegt einer der unterhaltsamsten und sprachmächtigsten Romane der Nachkriegsliteratur erstmals in der unzensierten Fassung vor. Die beiden…mehr

Produktbeschreibung
Arno Schmidt war mit seinem Roman Das Steinerne Herz noch vor Uwe Johnson der erste Schriftsteller überhaupt, der das gespaltene Deutschland literarisch zum Thema gemacht hat. Obwohl die Geschichte um die Machenschaften eines Büchersammlers bereits in einer sexuell, politisch und religiös entschärften Fassung publiziert wurde, rief die deutsche Literaturkritik voller Entsetzten aus: »Gott schütze die deutsche Literatur!« Im Rahmen der Bargfelder Ausgabe liegt einer der unterhaltsamsten und sprachmächtigsten Romane der Nachkriegsliteratur erstmals in der unzensierten Fassung vor. Die beiden Capriccios Tina (1956) und Goethe (1957) - hinreißende Stücke, in denen man durch eine Litfaßsäule in Darmstadt direkt in ein unterirdisches Elysium keineswegs toter Dichter gelangt oder von einem nächtlichen Besuch Goethes beim Kollegen Schmidt erfährt - nannte Arno Schmidt »Satyrstücke leerer Stunden, wenn mich der ganze Betrieb (...), ob hiesiges Literatengewäsch, ob Großstadtgetue, wieder einmal so sehr anstinken, dass ich mir nicht anders zu helfen weiß.« Im Spiel mit Elementen des Science-Fiction-Romans, gibt Schmidt in Die Gelehrtenrepublik (1957), einer düsteren Utopie, das Bild einer atomar verseuchten Erde, die von liebeshungrigen Zentaurenweibchen und Mörderspinnen bevölkert wird.
Autorenporträt
Arno Schmidt wurde am 18. Januar 1914 in Hamburg geboren. Nachdem er kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs aus englischer Kriegsgefangenschaft entlassen worden war, arbeitete er zunächst als Dolmetscher, von 1947 an als freier Schriftsteller. Nach Stationen in Cordingen, Kastel an der Saar und Darmstadt zog er 1958 mit seiner Frau Alice nach Bargfeld (Kreis Celle), wo er bis zu seinem Tod zurückgezogen lebte. Von 1949 an, als seine Erzählung Leviathan in Buchform erschien, entstanden Romane, Dialoge zur Literatur für den Rundfunk, Essays und biographische Arbeiten, darunter sein Hauptwerk Zettel's Traum, 1334 DIN-A3-Seiten stark und über zehn Kilo schwer. Aufgrund des komplexen Layouts konnte es 1970 nur als Faksimile des Typoskripts erscheinen; erst seit 2010 liegt es in gesetzter Form vor. Arno Schmidt starb am 3. Juni 1979 in Celle. Zwei Jahre nach seinem Tod gründeten seine Frau Alice und Jan Philipp Reemtsma die Arno Schmidt Stiftung.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2008

Pro Beischlaf einen Folianten
Arno Schmidt: „Das steinerne Herz”
Als dieser Roman 1956 auf die Welt kam, muss er die Zeitgenossen ziemlich verschreckt haben. Tonangebend waren Autoren wie Georg Britting, Werner Bergengruen oder Gertrud von le Fort, ein hoher, pathetischer, schicksalsgeschwängerter deutscher Ton – und dann dieser raue Arno Schmidt-Duktus! Diese Coolness, dieser schneidende Witz, diese kompromisslose Form von Zuspitzung und Verknappung scheint mit den Fünfzigern überhaupt nichts zu tun zu haben. Dazu noch die kühne Unterzeile: „Historischer Roman aus dem Jahre 1954 nach Christi” – dieser Autor schreibt geradezu ungestüm seiner Zeit voraus.
„Das steinerne Herz” ist vielleicht der Roman Schmidts, der thematisch die größte Anschlussfähigkeit an zeitgeschichtliche Leserbedürfnisse besitzt, denn die „Ostzone” spielt eine gewisse Rolle. Doch die Reise des Privatgelehrten Walter Eggers nach Ostberlin zeigt eine Spielart des Ost-West-Gegensatzes, die ziemlich aus dem Rahmen fällt: Die DDR hat für diesen seltsamen Niedersachsen etwas Magisches, nicht so Fremdbestimmtes, und die zarte Line Hübner ist von einer solch scheuen deutschen Grazie, dass man sich fast die Augen reibt. Damit hat Schmidt, der in der Adenauerrepublik zeitweise ernsthaft mit dem realen Sozialismus kokettierte, sich natürlich zwischen alle Stühle gesetzt – sein „Formalismus” passte letztlich noch weniger in die DDR als in die BRD.
Hauptheld Walter Eggers, so stubengelehrt er wirkt und in seiner Narretei für alte und entlegene Folianten viel mit seinem Autor gemein hat, ist auch ein Produkt des Wirtschaftswunderlandes. Die Haupthandlung dreht sich darum, dass Eggers alles tut, um an seltene statistische Handbücher aus der hannoverschen Landesgeschichte heranzukommen. Er beginnt ein Verhältnis mit Frieda Thumann, die derlei Sachen geerbt hat, und der Deal ist ganz einfach: Pro Beischlaf gibt es einen Folianten für ihn. Die Selbstironie, das Spiel mit dem Eigentlichen und Ungefähren führt Arno Schmidt hier virtuos vor: Diese statistischen Jahrbücher sind für die große Allgemeinheit wirklich nicht sonderlich aufregend, aber sie erinnern sehr stark an Schmidts Faszination für spezielle deutsche Geistesregungen aus dem 18. Jahrhundert und für die Bibliophilie überhaupt. Dabei wirkt Eggers in der rigiden Verfolgung seiner Interessen, unter Einschluss sexuellen Vollzugs, reichlich unsympathisch. Trotzdem – die Sprache, die der Autor dabei an den Tag legt, diese anarchische Lust, diese so merkwürdig zeitlose, überhaupt nicht veraltete, diese frische Satz- und Dialogfertigkeit!
Einmal schwadroniert Eggers: „Wenn ich nicht schon von Geburt Atheist wäre, würde mich der Anblick Adenauer=Deutschlands dazu machen!” Das klingt ungeheuer tagespolitisch, dabei ist der Roman woanders gelagert, in den lüsternen, edlen und hehren Zonen reiner Sprachartistik. Wunderbar, so etwas in der jüngeren Literaturgeschichte zu haben! HELMUT BÖTTIGER
Arno Schmidt Foto: SZ Photo
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