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Kai Weyands Erzählungen führen mitten hinein ins Leben, das merkwürdigerweise wie ein Film wirkt. Oder umgekehrt.Kai Weyands Helden sind schräge Vögel, denen fast in jeder Lebenslage irgendein Film einfällt, in dem sie Muster für ihre eigene Situation entdecken, natürlich mit einer Heldenrolle für sich selbst. Der Gesichtsausdruck wird zum Beispiel souverän auf »Mach dir um mich keine Sorgen, Kleines!« getrimmt, aber das Vertrackte ist: Das Gegenüber kennt all diese Drehbücher und die Rollenverteilungen auch, und mitunter wechselt es mit der Antwort gar in eine andere Produktion, so daß man…mehr

Produktbeschreibung
Kai Weyands Erzählungen führen mitten hinein ins Leben, das merkwürdigerweise wie ein Film wirkt. Oder umgekehrt.Kai Weyands Helden sind schräge Vögel, denen fast in jeder Lebenslage irgendein Film einfällt, in dem sie Muster für ihre eigene Situation entdecken, natürlich mit einer Heldenrolle für sich selbst. Der Gesichtsausdruck wird zum Beispiel souverän auf »Mach dir um mich keine Sorgen, Kleines!« getrimmt, aber das Vertrackte ist: Das Gegenüber kennt all diese Drehbücher und die Rollenverteilungen auch, und mitunter wechselt es mit der Antwort gar in eine andere Produktion, so daß man nie ganz sicher sein kann, ob etwas so gemeint ist, wie es gesagt wird. Ohnehin kaschieren die Zitate und Anspielungen ja nur, daß es gewaltige Bruchstellen gibt, in denen hemmungslos romantische Sehnsüchte sichtbar werden, gerade wenn Krisen in den Liebesgeschichten nicht mehr einfach durch Mißverständnisse erklärbar sind. Der Autor inszeniert dieses Auseinanderklaffen zwischen der weniger großartigen Wirklichkeit und den schillernden Bildern von ihr mit Tempo und Komik. Zwischen Schweigen und Gerede bringt er seine Handlungen voran und macht aus langweiligen Dienstagen schicksalsträchtige Daten.
Autorenporträt
Kai Weyand, geb. 1968, absolvierte ein Studium an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Er arbeitete als Lehrer im Strafvollzug, ist Mitarbeiter einer Sozietät und lebt bei Freiburg. Sein 2015 erschienener Roman »Applaus für Bronikowski« wurde in die Longlist für den Deutschen Buchpreis 2015 aufgenommen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.01.2006

Schlagfertige Verlegenheit
Kleine Obsessionen: Kai Weyands einfallsreiche Erzählungen
Sehr einfallsreich sind die elf Erzählungen dieses Debütbandes. Sie leben vom Augenblick, sind ganz aus der Situation heraus erzählt, gleichsam aus dem Stand. Egal, ob der Ich-Erzähler mit weichen Knien einen Zettel liest, der in kargen Worten das Ende einer Liebe verkündet, egal, ob er wie aus der Hüfte geschossen auf einen Angriff reagiert oder einfach nur auf dem Balkon steht, sich von Sonnenstrahlen bescheinen lässt und an die mit Süßigkeiten gefüllte Handtasche seiner Großmutter denkt (und an die zahlreichen libidinösen Nachfolgeobjekte, die er der Geliebten zu jeder Gelegenheit schenkt): Schlagfertigkeit paart sich mit einer gewissen Verlegenheit. Das macht den Charme dieser Erzählungen aus, aber auch ihre Willkür.
Immer dieselbe Weltsicht nimmt hier die Dinge in Augenschein. Alles kann in den Fokus dieses durchaus stilsicheren Plauderwillens geraten. Gelegentlich wird man den Eindruck nicht los, der Lektor habe dem Autor geraten, auch mal was Ernstes zu schreiben, damit der erste Erzählband nicht allzu leichtgewichtig gerate. Etwa wenn der Erzähler am Vorweihnachtsabend in einem Café auf einen abgehalfterten Boxer und einen fingeramputierten Ex-Pianisten trifft, oder wenn er nach einer Halsoperation als einziger Gast einer Kneipe von einer Bedienung versorgt wird, die sich am nächsten Tag auf und davon macht, weil sie es satt hat, dass ständig Backsteine durch die Fensterscheiben fliegen.
Überhaupt lässt Kai Weyand, der 2002 den ersten Preis des „open-mike”-Wettbewerbs der Literaturwerkstatt Berlin gewonnen hat, seine Erzählungen gern in Kneipen spielen. Das kommt seinem am Film orientierten Schreiben entgegen. Zwei, maximal drei Personen werden in Frontstellung zueinander gebracht und abwechselnd in Nahaufnahme gezeigt. Rede, Gegenrede, Cut. Rede, Gegenrede Cut. Sehr schön funktioniert das in einer typischen Balzszene. Eigentlich wollte der Erzähler Sylvia allein treffen, um sie nach verbalem Vorspiel abzuschleppen. Dummerweise sitzt nun aber ein Konkurrent mit am Tisch, und so sieht er sich gezwungen, das Schauspiel männlichen Imponiergehabes zu liefern. Wer kann besser über Freiheit philosophieren? Ist es schon Freiheit, wenn einer seine Zigarette im Aschenbecher ausdrückt? Der Held unterliegt. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich mit einem „Arschlochlächeln” aus der Affäre zu ziehen. Sylvia reagiert auf die ziemlich cool gestellte Frage, ob sie mitkomme, ebenfalls recht cool: Sie bleibt einfach sitzen.
Kai Weyands Helden haben kleine Obsessionen - Handtaschen, Brillen und ein Faible für die Deutung der Wochentage. Manchmal muss man unwillkürlich an Paul Maars Sams denken, manchmal an den kleinen Nick oder an die französische Comicfigur Titeuf, die schon im Knabenalter die weise Erkenntnis vertritt, dass man Mädchen lieber nicht an den Haaren ziehen sollte, weil man nie weiß, welches man später einmal heiraten will.
Wenn eine Idee die nächste jagt, die Einfälle sich überstürzen und die Filmzitate sich häufen, dann gerät die oft sehr subtile Komik dieser Prosa in die gefährliche Nähe der Stand-up-Comedy. Dort, wo der Autor wirklich gut ist, etwa in der Titelerzählung „Am Dienstag stürzen die Neubauten ein” - einem gelungenen fiktionalen Taschenspielertrick um einen erfundenen Onkel -, entwickelt die Oberfläche auch Tiefe. Und andere Assoziationen stellen sich ein, Peter Bichsel etwa, an dem der Autor sich schulen könnte. Hemingway ist seine Sache nicht, auch wenn er dessen Namen in der letzten Erzählung noch schnell in den Ring wirft, zu all den anderen Heldennamen: Humphrey Bogart, Marlon Brando, James Dean - und natürlich Cary Grant und Gary Cooper. MEIKE FESSMANN
KAI WEYAND: Am Dienstag stürzen die Neubauten ein. Erzählungen. Wallstein Verlag, Göttingen 2005. 118 S., 16 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"Sehr einfallsreich", diese Geschichten über das Beenden einer Liebe, die Erinnerungen an die Großmutter oder das Schicksal berufsunfähiger Pianisten, findet Meike Fessmann. In seinem Debütband erzähle Kai Weyand elf kleine Stücke "aus dem Stand" heraus. Weyands Figuren haben "kleine Obsessionen" und finden sich oftmals in Kneipen wieder. Dort werden sie in cineastischer Manier gegenüber gestellt, in "Nahaufname" zueinander gebracht, und halten Dialoge. Das komme zwar oft "leichtgewichtig" daher, aber auch voll von subtiler Komik, lobt die Rezensentin. An einigen Stellen wallt dieser unterschwellige Humor als "Stand-up-Comedy" hoch, was Fessmann aber nicht zu stören scheint. Sie preist lieber die Titelgeschichte, in der der Autor "richtig gut" sei und aus der Leichtigkeit auch Tiefe entwickle.

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