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Das Hauptwerk von Joseph Comte de Maistre (1753-1821) ist seit 1824 auf Deutsch nicht mehr greifbar. Für unsere Ausgabe wurde die ursprüngliche Übersetzung von Moritz Lieber gründlich überarbeitet und mit einer Einleitung von P. Glaudes, dem Herausgeber der maßgeblichen kritischen französischen Edition sowie einem Essai über de Maistres Stellung zum Krieg von Jean-Jacques Langendorf versehen.In elf Gesprächen legt Joseph de Maistre das göttliche Fortwirken in der Schöpfung dar. "Dem Spott der Aufklärung über die Vorsehung antwortet er mit einem noch größeren Spott, der die inzwischen…mehr

Produktbeschreibung
Das Hauptwerk von Joseph Comte de Maistre (1753-1821) ist seit 1824 auf Deutsch nicht mehr greifbar. Für unsere Ausgabe wurde die ursprüngliche Übersetzung von Moritz Lieber gründlich überarbeitet und mit einer Einleitung von P. Glaudes, dem Herausgeber der maßgeblichen kritischen französischen Edition sowie einem Essai über de Maistres Stellung zum Krieg von Jean-Jacques Langendorf versehen.In elf Gesprächen legt Joseph de Maistre das göttliche Fortwirken in der Schöpfung dar. "Dem Spott der Aufklärung über die Vorsehung antwortet er mit einem noch größeren Spott, der die inzwischen stattgehabten Katastrophen für sich sprechen läßt und diese Erfahrung für den Weg zu einem Glauben nutzen will, der sich gegenüber dem aufklärerischen Optimismus als intellektuell überlegen betrachtet." (Günter Maschke, Großes Werklexikon der Philosophie)De Maistre mußte damals wie heute provozieren, mit seinem Lob des Henkers, das das Werk eröffnet, mit seinem Lobpreis des Krieges, mit der Rechtfertigung des Leidens auch der Unschuldigen, das durch sein mystisches Gesetz der Reversibilität den Schuldigen zugute kommt. Neben leidenschaftlicher Ablehnung hat er auch in neuerer Zeit unterschiedliche Geister, wie E. M. Cioran, George Steiner oder Paul Valéry, zu faszinieren vermocht.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.01.2009

Der scharfsinnige Reaktionär
Faszinierend: Joseph de Maistres „Abende von St. Petersburg”
Wer heute die politischen Ideen des 19. Jahrhunderts studiert, beschäftigt sich mit liberalen Denkern und sozialistischen, mit anarchistischen vielleicht und allenfalls mit dem einen oder anderen konservativen. Draußen bleiben fast durchweg die Reaktionäre. Tatsächlich wäre die Vorstellung, in einem von diesen eingerichteten Gemeinwesen leben zu müssen, für Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts wenig anheimelnd. Doch das beweist wohl kaum, sie hätten als Gegenstand des Nachdenkens auszuscheiden, wie es seit langem geschieht. In Wahrheit muss man die großen Reaktionäre des frühen 19. Jahrhunderts, etwa Louis de Bonald (1754-1840) und Joseph de Maistre (1753-1821), mögen sie einem im Übrigen noch so unsympathisch sein, zu den scharfsinnigsten politischen Denkern des Zeitalters zählen.
Wer wissen möchte, wie es um die Auseinandersetzung mit den reaktionären Ideen jener Zeit stand und steht, dem bietet das Schicksal von de Maistres 1821 erstmals im französischen Original erschienenem Hauptwerk kein schlechtes Beispiel. Die nicht nur philosophisch, sondern auch literarisch souverän disponierten „Soirées de Saint-Pétersbourg” haben 184 Jahre, von 1824 bis heute, darauf warten müssen, ein zweites Mal dem deutschen Publikum vorgelegt zu werden. Und auch diese Tat verdankt sich keinem der bekannten Häuser, sondern einem Verlag, der nach allen Maßstäben, die national und international im Geschäft zählen, gänzlich am Rande steht.
Der Karolinger Verlag hat sich zu Recht entschieden, Moritz Liebers alte Übersetzung, wenngleich überarbeitet, ein zweites Mal zu bringen, statt eine komplette Neuübersetzung in Auftrag zu geben. Als Zeitgenosse teilte Lieber mit de Maistre den Horizont der Ideen der Restaurationsepoche; dieser Vorzug eines nahezu mühelos geteilten Verständnisses wäre jetzt auch durch große historische Anstrengung eines Übersetzers nicht leicht einzuholen. Liebers Übersetzung ist recht genau, im wesentlichen klar und gut lesbar – wer de Maistre nicht im Original zu studieren vermag oder nicht Französisch lesen will, kann es kaum besser treffen.
Diplomatie und Theodizee
Als de Maistre 1809 den größeren Teil der „Abende von St. Petersburg” verfasste, war er seit fünf Jahren Gesandter des Königs von Sardinien (so der Titel des Herzogs von Savoyen) in Russlands Hauptstadt. Man kann de Maistres „Soireen” vielleicht als stilisierte Fassungen von Gesprächen in Petersburger Salons der napoleonischen Ära sehen. Die Gegenwart kennt Diplomatie als Job. Liest man de Maistres Hauptwerk als artifiziell gesteigerte Version wirklicher Konversationen, dann erschließen sie sich als faszinierendes Dokument von etwas, das ferngerückt sein mag, aber noch nicht ganz unverständlich geworden ist: Diplomatie als Denkform und als Kultur des Gesprächs.
Der Text ist indes weit mehr als ein solches Dokument. Er ist der vielleicht wichtigste Beitrag zur Theodizee im 19. Jahrhundert. Theodizee meint die seit Hiob immer wieder gesuchte Antwort auf die Frage, wie physische Übel und moralisch Böses in der Welt mit Gottes Allmacht, Allweisheit und Allgüte in Einklang zu bringen seien. Leibniz hatte sich im 18. Jahrhundert an einer modallogisch ingeniösen, in ihrer Substanz metaphysischen Antwort versucht. Aber erst de Maistre, obschon der Metaphysik nicht abgeneigt, stellt sich das Problem vor dem Hintergrund des Terrors der Französischen Revolution, seiner prägenden Erfahrung, entschieden politisch.
Wir sind gewohnt, der politischen Reaktion dogmatische Denkweisen zuzuordnen. Doch des Maistres Verfahren ist durchaus tentativ, ja experimentierend. Schon der Titel verspricht ja Urbanität; das Werk hält sein Versprechen. De Maistre benutzt die Dialogform nicht, um feststehende Doktrinen salontheatralisch aufzudonnern; vielmehr macht er seine Leser zu Zeugen eines Denkprozesses. Zu Recht spricht der Herausgeber der 2007 erschienenen französischen Ausgabe der Werke de Maistres, Pierre Glaudes, von einer „tastenden work in progress-Methode”. Dass die „Soirées”, die erst nach des Autors Tod als Buch erschienen, unvollendet blieben, ist ihrem Geist angemessen. Ihr fragmentarischer Charakter stellt kein Zugeständnis an romantische Moden dar, sondern ergab sich als Zwang der Sache entgegen den Absichten des Verfassers; dieser mühte sich bis zuletzt so verzweifelt wie vergeblich um einen runden Schluss.
De Maistres Antwort auf die Frage nach dem Glück der Bösen und dem Unglück der Gerechten entzieht sich handlicher Zusammenfassung. Zu ihrem Rang gehört, den provokanten Härten des Problems nicht aus dem Wege zu gehen: sie enthält eine Lehre vom Krieg, Hypothesen über den Schmerz und nicht zuletzt eine Theorie des Henkers. Hinter der Stimme der drei Unterredner aber wird die Stimme der Welt selber laut, unvergleichlich schon in der lyrischen Apotheose des abendlichen St. Petersburg zu Beginn des ersten Gesprächs. Dass die schönste Stadt Russlands sich aus Sümpfen erhob, ist eine Architektur gewordene Metapher des unglaublichen Prinzips der Theodizee: der Verkehrung vorgefundener Malaise in unverhofften Segen. ANDREAS DORSCHEL
JOSEPH DE MAISTRE: Die Abende von St. Petersburg. Übersetzt von Moritz Lieber. Karolinger Verlag, Wien/Leipzig 2008. 476 Seiten, 49 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Andreas Dorschel scheint Hoffnung zu schöpfen aus diesem Buch. Keine Frage für ihn, dass sich Joseph de Maistres philosophisch wie literarisch faszinierende Gespräche nicht zusammenfassen lassen. Keine Frage auch, dass der Leser mit dieser, wie Dorschel schreibt, genauen, lesbaren und mit den Ideen der Restauration vertrauten Übersetzung Moritz Liebers zum Zeugen eines Denkprozesses wird, der zwar, urban genug, zu keinem Abschluss kommt, der aber, so versichert uns Dorschel, ein Lehrgang in "Diplomatie als Denkform", der wichtigste Beitrag zur Theodizee im 19. Jahrhundert sowie eine Lehre vom Krieg und vom Schmerz in einem darstellt.

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