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Alle sieben Jahre steht Bergenstadt kopf: Man feiert Grenzgang, das traditionelle dreitägige Volksfest, und dabei werden nicht nur die Gemeindegrenzen abgeschritten. Auch abends im Festzelt wird ausprobiert, wie weit man gehen kann. Alle sind dabei, nur zwei stehen am Rand: Thomas Weidmann und Kerstin Werner. Er ist nach gescheiterter Uni-Karriere als Lehrer ans Gymnasium Bergenstadt zurückgekehrt. Sie versorgt nach gescheiterter Ehe ihre demenzkranke Mutter und hat Ärger mit ihrem pubertierenden Sohn. Vor sieben Jahren beim letzten Grenzgang sind sich die beiden schon einmal begegnet, und…mehr

  • Format: mp3
  • Größe: 377MB
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Produktbeschreibung
Alle sieben Jahre steht Bergenstadt kopf: Man feiert Grenzgang, das traditionelle dreitägige Volksfest, und dabei werden nicht nur die Gemeindegrenzen abgeschritten. Auch abends im Festzelt wird ausprobiert, wie weit man gehen kann. Alle sind dabei, nur zwei stehen am Rand: Thomas Weidmann und Kerstin Werner. Er ist nach gescheiterter Uni-Karriere als Lehrer ans Gymnasium Bergenstadt zurückgekehrt. Sie versorgt nach gescheiterter Ehe ihre demenzkranke Mutter und hat Ärger mit ihrem pubertierenden Sohn. Vor sieben Jahren beim letzten Grenzgang sind sich die beiden schon einmal begegnet, und damals ist etwas passiert, woran sich die beiden auch noch bei diesem Fest nur mit gemischten Gefühlen erinnern. Grenzgang ist das furiose Debüt eines jungen Autors, der von Anfang an aufs Ganze geht: Spannungsreich und voller überraschender Wendungen erzählt Stephan Thome von der Jagd nach dem Glück, die seine Figuren aus Berlin und Köln in die hessische Provinz und von dort in einen Swinger-Club an der Frankfurter Peripherie führt. Schnell wird klar, wie leicht vermeintliche Sicherheiten abhanden kommen können und wie dünn das Eis ist, auf dem Lebensentwürfe gründen - und daß es trotzdem keine Alternative zum Kampf um das eigene Glück gibt.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Stephan Thome wurde am 23. Juli 1972 in Biedenkopf, Hessen geboren. Nach dem Zivildienst in einer sozialpsychiatrischen Einrichtung in Marburg studierte er Philosophie, Religionswissenschaft und Sinologie in Berlin, Nanking, Taipeh und Tokio. 2005 erschien unter dem Titel Die Herausforderung des Fremden: Interkulturelle Hermeneutik und konfuzianisches Denken seine Dissertationsschrift. Zur selben Zeit begann er als DFG-Stipendiat am Institut für Chinesische Literatur und Philosophie der Academia Sinica zu arbeiten, wo er über konfuzianische Philosophie des 20. Jahrhunderts forschte. Bis 2011 betätigte er sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an verschiedenen Forschungseinrichtungen in Taipeh und übersetzte unter anderem Chun-chieh Huangs Werk Konfuzianismus: Kontinuität und Entwicklung ins Deutsche. Sein Roman Grenzgang gewann 2009 den aspekte-Literaturpreis für das beste Debüt des Jahres und stand - wie auch sein zweiter Roman Fliehkräfte - auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis. 2014 wurde Thome von der Akademie der Künste Berlin mit dem Kunstpreis Literatur ausgezeichnet. Im gleichen Jahr erhielt die Verfilmung des Romans Grenzgang den Grimme-Preis. Seit 2011 lebt und arbeitet Stephan Thome als freier Schriftsteller; derzeit lebt er in Taipeh.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.08.2009

Vorsicht, die Provinz ist überall

Alle sieben Jahre: Stephan Thome, der heute in Taiwan lebt, hat mit dem Roman "Grenzgang" über seine oberhessische Heimat ein außergewöhnliches Debüt vorgelegt.

Von Sandra Kegel

Thomas Weidmann hat es aus der Peripherie bis ins Zentrum, aus der hessischen Tiefebene bis nach Berlin geschafft. Und er wäre dort auch fast Professor geworden, aber eben nur fast. In letzter Minute lässt ihn der übermächtige Institutsleiter fallen, der nun doch den Rivalen Kamphaus favorisiert, mit dem Weidmann sich das Büro im Historischen Seminar teilt. Die Habilitation, an der er seit Jahren feilt, kann er wegwerfen. Er, der stets das Gefühl hat, "nach Weide zu riechen", geht als Verlierer vom Platz und tritt den ungeordneten Rückzug an. Wohin aber soll er fahren, jetzt, in der Stunde der Niederlage? Die plötzliche Abreise aus Berlin, der noch die telefonische Abservierung der Freundin am anderen Ende der Stadt vorausgeht, führt Thomas Weidmann geradewegs nach Bergenstadt - ausgerechnet in jenen Ort also, in dem er aufwuchs und dem er für immer den Rücken kehren wollte.

Das alles liegt viele Jahre zurück. Längst hat die Provinz den Ausreißer zurückerobert, der inzwischen am Gymnasium von Bergenstadt unterrichtet und sich allmählich in das Klischee des alleinstehenden Studienrats verwandelt. Kerstin Werner ist auf andere Weise in dem hessischen Nest gestrandet. In Köln studierte sie einst Tanzpädagogik und hatte große Pläne. Ein eigenes Tanzstudio wollte sie eröffnen. Doch dann nahm sie Ende der achtziger Jahre eine Freundin mit zu einem Fest, das in Bergenstadt alle sieben Jahre gefeiert wird. Anitas Warnung, während des dreitägigen "Grenzgangs" sei der Ort wie ausgewechselt, schlägt die junge Fremde in den Wind. Kerstin stürzt sich in die Menge, verliebt sich, heiratet, bekommt ein Kind. Auch wenn Kerstin längst wieder geschieden ist, sitzt sie mit hart erkämpfter und leicht ramponierter Würde noch immer in Bergenstadt fest. Ohne Tanzstudio. Dafür steckt ihr widerspenstiger Sohn in einer handfesten Pubertätskrise, während die demenzkranke Mutter, die in Kerstin Werners Haus mit dem großen Garten lebt, keine Sekunde alleingelassen werden darf.

Was ist geschehen mit all den Lebensentwürfen? Warum und wann sind sie auf dem Weg durch die eigene Biographie auf der Strecke geblieben? Lässt sich dieser eine Moment rückblickend festmachen, an dem sich die Aussicht auf eine vielversprechende Zukunft in das verfehlte Leben der Gegenwart gewendet hat? So lange fühlten sich die Protagonisten in Stephan Thomes fulminantem Debütroman jung, frei und zuversichtlich, um dann irgendwann um die vierzig plötzlich wie ohnmächtig vor den Trümmern ihrer einstigen Luftschlösser zu stehen. Selten hat man das schleichende Scheitern im Leben so faszinierend erzählt bekommen wie von Stephan Thome, der sich mit seinem ersten Buch "Grenzgang" auf Anhieb als ernstzunehmender Autor etabliert hat.

Gerade in diesem vertrackten mittleren Alter, wenn man nicht mehr jung ist, alt aber noch nicht sein möchte, ist die Suche nach Glück besonders tückisch. Das familiäre und berufliche Leben hat längst Zwänge geschaffen, aus denen sich ohne Kollateralschäden kaum ausbrechen lässt. Die Flucht aus der eigenen Biographie ist freilich ein Lieblingsthema der Literatur. Dennoch findet Stephan Thome dafür eine eigene Tonart, so taufrisch wie die Landschaft des gewählten Schauplatzes.

Spannung erzeugt der 1972 geborene Autor durch die literarisch geschickte Montage des Romans. Denn Thome schildert die Ereignisse von Bergenstadt nicht etwa chronologisch. Vielmehr erzählt er stets nur das, was sich an jeweils drei Tagen des "Grenzgang"-Festes ereignet. Dabei springt Thome in seinen Siebenjahresstiefeln so rasant wie ansatzlos durch die Zeiten, dass einem beim Lesen fast schwindelig wird. Insgesamt achtundzwanzig Jahre umspannt der Roman, der erste "Grenzgang" findet hier 1985 statt, der letzte 2013. Was sich in den Jahren dazwischen ereignet, erfahren wir allein durch die Erinnerungen der Protagonisten. Manchmal ist man deshalb den Figuren in seinem Wissen voraus. Dann wieder zeigen sich - wie in einer umgekehrten Langzeitstudie - schon vorab die Folgen mancher Ereignisse, von denen wir erst viel später erfahren. Aber auch die Ursprünge für manche Taten, etwa Karins tragikomischer Verzweiflungsausflug in ein Bordell oder die Erpressungsversuche ihres Sohnes, treten erst viel später zutage.

Der Grundton dieses Romans ist zweifellos pessimistisch. Die Protagonisten tragen schwer an ihrem Provinzleben, das die Selbsttäuschung nicht zulässt, weil es über den Alltag zwischen Schule, Marktplatz und Bürgerhaus nicht hinausweist, keine Zerstreuung bietet und als Fluchtpunkt nur die gestutzte Hecke des Nachbargartens und die wenigen Straßen kennt, die hier seit jeher und für immer zu existieren scheinen. Dass Thome die Atmosphäre des fiktiven Örtchens, das gesichtslos erscheint wie sein Name, so bezwingend realistisch einfängt, liegt zweifellos daran, dass hierfür der Heimatort des Autors Pate stand. Auch im oberhessischen Biedenkopf, wo Thome zur Schule ging, wird wie im Roman seit Jahrhunderten alle sieben Jahre im August "Grenzgang" gefeiert. Während des mehrtägigen Volksfests gehen die Biedenköpfer wie in alten Zeiten, als die Ortsgrenzen noch mit Steinen markiert wurden, die Gemarkung, ab, um Verschiebungen zu den Nachbargemeinden zu kontrollieren.

Von Biedenkopf an der Lahn zog es Stephan Thome nach Berlin, wo er Philosophie und Sinologie studierte. Von dort reiste er dann häufig nach China. Seit 2005 lebt und arbeitet er nun als Wissenschaftler in Taipeh. Vielleicht musste Thome sich so weit von seinen Wurzeln entfernen, um mit dem verfremdeten Blick vom andern Ende der Welt das Vertraute neu zu entdecken und literarisch zu verarbeiten. Geschrieben hat Stephan Thome seinen Roman tatsächlich in Taiwan. Und es ist erstaunlich, wie präzise er nicht nur die oberhessische Landschaft und die Eigenart ihrer Menschen einfängt, sondern hin und wieder auch das spezielle Idiom der Nordhessen einfließen lässt. Auf einer der letzten Seiten, als wir fast alles schon wissen, springt der Roman wieder zurück in die achtziger Jahre. "Und warum alle sieben Jahre?", fragt Kerstin da ihre Freundin. ",Na ja", bekommt sie nach reiflicher Überlegung zur Antwort: "So lange dauert's halt zwischendurch, gell?"

Stephan Thome: "Grenzgang". Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 453 S., geb., 22,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.10.2009

Wie man dem Leben die Rinde abschält
Auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis 2009: Stephan Thomes Romandebüt „Grenzgang”
Nein, ein schöner Satz ist dies nicht: „Er nahm das Taschenmesser, griff nach seinem Stock und machte oben die Rinde ab.” „Machte die Rinde ab” – ließe sich das nicht weniger unbeholfen ausdrücken, anschaulicher, dem Bild eines schnitzenden Jungen näher? Ganz bestimmt. Aber der Satz ist so unbeholfen, weil der Autor dieses Romans es sich in den Kopf gesetzt hat, die Erzählerstimme möglichst nah an das Bewusstsein und die Sprache der Figur anzupassen, die er gerade im Auge hat.
Hier hat er den neunjährigen Daniel im Blick, der beim Grenzgang im Jahre 1999 an einer Böschung sitzt, während auf dem Frühstücksplatz die Blechbläser Stimmung machen, über Linda nachdenkt, in die er verknallt ist, über seinen Vater, dem an diesem Morgen ein riesiges Pflaster auf der Stirn klebt, über seine Mutter, die nicht aufgestanden ist und über die Blutflecken auf dem Teppich unter dem Tisch im Wohnzimmer.
Der Grenzgang ist ein dreitägiges Volksfest in der oberhessischen Provinz, das alle sieben Jahre stattfindet. Es gibt einen Kommers, die Festzüge sind nach den Straßen der kleinen Stadt organisiert, in der alle auf den Beinen sind, um die alten Grenzen abzuschreiten, den Hang des Berges hoch, der an manchen Stellen 40 Grad Steigung hat. Die Stadt heißt Bergenstadt, dahinter verbirgt sich, kaum verhüllt, das reale Städtchen Biedenkopf nahe der Universitätsstadt Marburg, wo es den Grenzgang-Brauch wirklich gibt.
Stephan Thome, der 1972 in Biedenkopf geboren wurde, hat Philosophie, Religionswissenschaft und Sinologie in Berlin studiert, in der Volksrepublik China, in Taiwan und Japan. Seit 2005 lehrt er an der Universität Taipeh in Taiwan. Dass der Grenzgang, der seinem Romandebüt den Titel gibt, in seinem Heimatort wirklich existiert, ist weniger bemerkenswert als, was Thome mit diesem Ritual anstellt. Einmal lässt er eine seiner Figuren nach einem banalen Ehestreit denken: „Man müsste einmal innehalten, gar nichts tun und gemeinsam dem eigenen Leben zuschauen, als wäre es ein Film über Eingeborenen-Rituale in Papua-Neuguinea.”
Was der Figur durch den Kopf geht, exekutiert Thomes Roman. Er ähnelt dem, was die Ethnologen eine „dichte Beschreibung” nennen. Für die deutsche Provinz wie für den Urwald gilt, dass in einer solchen Beschreibung die Landschaft nicht Natur sein kann. Sie ist bis in die Baumrinde hinein, die ein Junge von seinem Stock abschält, Schauplatz von Gesellschaft.
Panorama der modernen Provinz
Und so sind die Lahnwiesen, die oberhessische Hügellandschaft, das nahe Skigebiet zwar Teil der Beschreibung, aber nicht ihr Zentrum. Die Landschaftsschilderung gehört nicht zu den Stärken dieses Debütanten. Seine Stärke ist die seismographisch genaue Aufzeichnung und Durchleuchtung der alltäglichen Regionen des Unglücks. Dazu dient ihm als ideales Instrument das Ritual des Grenzgangs.
Denn der Grenzgang ist Fest, Ausnahmezustand der Stadt, dem sie entgegenfiebert. Er ist Kuppler, der Paare zusammenführt, Ehen stiftet und zerstört, Konfliktlinien überdeckt und hervortreibt, durch Alkohol die Zungen löst, die Einsamen noch einsamer und die Verliebten noch verliebter macht.
Und der Grenzgang ist, weil er alle sieben Jahre stattfindet, das ideale Instrument eines Erzählers, der seine Figuren über Jahre hinweg durch ihr Leben begleiten will, ohne ständig dabeizusein. Und so stellt Thome mit beträchtlichem Geschick die Grenzgänge von 1992, 1999 und 2006 nebeneinander, ohne auf ihre chronologische Reihenfolge Rücksicht zu nehmen, geht in Rückblenden bis in die 1970er Jahre zurück und gibt einen Ausblick auf den Grenzgang 2013.
Zwanglos nimmt diese Konstruktion die Volksüberlieferung des verflixten siebenten Jahrs in sich auf. Im Jahr 1999 geht die Ehe der Eltern Daniels in die Brüche und kommt aus Berlin der in seiner akademischen Laufbahn gescheiterte Historiker Thomas Weidmann nach Bergenstadt zurück und wird dort Studienrat. Um diese beiden Hauptfiguren herum und durch sie hindurch entwirft der Roman sein Panorama der modernen Provinz.
Sie ist nicht nur modern, weil der einsame Lehrer sein Sexualleben mit Hilfe des Internets regelt und es in der Nähe einen Swingerclub gibt. Sie ist modern, weil sie von Individualisten bevölkert ist, für deren Selbstverwirklichungsträume dieselben Gesetze gelten wie im fernen Berlin, dem der Studienrat gelegentlich halbherzig nachtrauert. Auch in der Provinz weiß der Ex-Ehemann und Rechtsanwalt, wie er das Versorgungsrecht bei der Entsorgung der Ex-Ehefrau nutzt. Auch hier gibt es Rotarier und den schleichenden Konkurs einer Firma, auch hier den aktuellen Krankenkassen-Rahmen, in dem die zum Pflegefall gewordene Mutter ihr Endstadium erreicht.
Die Selbstverwandlung des Romanciers, der die eigene Heimat erkundet, in einen Ethnologen, der sie aus der Distanz, von außen betrachtet, ist keine neue Erfindung. Aber Stephan Thome nutzt sie mit bemerkenswerter Konsequenz, um die Tradition des psychologisch-realistischen Erzählens an die heutige, moderne Provinz heranzuführen. Sein wichtigstes Verfahren hierbei ist das Miterzählen der „Hintergedanken” der Figuren, die eben, weil sie modern sind, sich selber beständig belauern auf der Jagd nach dem Glück.
Ständig sind sie auf der Suche nach dem „Grundmuster” ihres Lebens, und gern bildet der Roman ihre Handlungen in Sätzen ab, die Erzählung und Analyse zugleich sind: „Der Kuss glich einem Wühlen nach dem Grund ihres Tuns.” Oder: „Das Schlafzimmer empfängt ihn dunkel und mit der Frage nach Verhütung.” Sätze, in denen er seinen Figuren die Rinde abschält, gelingen dem Erzähler immer wieder. Fast immer kommt er dabei ohne Häme aus, und immer hat er Geduld mit der Banalität des Unglücks. Nur die unbändige, alternde Single-Figur Anita nähert sich der Karikatur. Ein Glück jenseits der (zerfallenden) Familien ist in diesem Roman nicht erzählbar. Das ist seine Grenze. LOTHAR MÜLLER
STEPHAN THOME: Grenzgang. Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 453 Seiten, 22,80 Euro.
Mit seinem Debüt „Grenzgang” hat der 1972 geborene Stephan Thome auf Anhieb sein Publikum gefunden. Foto: Jürgen Bauer
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Iris Radisch bespricht Stephan Thomes Roman "Grenzgang" zwar im Aufmacher der Zeit-Buchmessenbeilage, aber ein Lob möchte man diese Besprechung eigentlich nicht nennen. Zwar ist von der "unverbrauchten Frische die Rede", mit der Thome die Kleinbürger einer Provinzstadt beschreibt. Auch gibt Radisch zu, seit Martin Walser habe kein Autor mehr derart einfühlsam über den deutschen Mittelstand und seine "liebenswürdigen Begrenztheiten" geschrieben. Ist ja auch schön, mal nichts über Berliner Schriftsteller mit hm, existenziellen Problemen lesen zu müssen. Aber wenn sie die Anschaulichkeit lobt, mit der Thome die "Gefühlsbetäubung bundesdeutscher Wohlstandsprofiteure" beschreibt und man nicht mehr auseinanderhalten kann, ob sie mit dem "Kleinbürger" nun die Protagonisten meint oder den Autor, wird es doch leicht giftig. Der 40- bis 50-jährige bürgerliche Leser jedenfalls wird sich in diesem Roman wiedererkennen und ihn darum mögen: Der Rückzug aufs "geschmackvoll Spießige" ist ihm lieb und vertraut, glaubt Radisch, sich abgeklärt gebend. Man denkt an den "Zeit"-Leser und - staunt.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Stephan Thome erweist sich als Meister der Dialogkunst. Er spürt den inneren Widersprüchen und ambivalenten Haltungen seiner Figuren nach, zeigt, wie Menschen die eigenen Grenzen und die der anderen ausloten. Und das Erstaunlichste: Der Autor ist ein Debütant, Grenzgang sein erster Roman. ... Lange hat es in der deutschen Literatur kein derart reifes Debüt gegeben.«
Volker Hage, DER SPIEGEL 17.08.2009