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"In dieser bemerkenswerten Biografie bietet Shulamit Volkov eine feinsinnige Analyse der komplexen und oft zweideutigen Persönlichkeit Walther Rathenaus. Eindrucksvoll beschreibt sie, wie Rathenaus Judentum zunehmend zum Ziel für die antisemitischen Eliten des deutschen Reichs und Gegenstand des fanatischen Hasses der extremen Rechten in der Weimarer Zeit wurde, die schließlich vor seiner Ermordung nicht zurückschreckten. Das Buch von Shulamit Volkov ist Geschichtsschreibung auf allerhöchstem Niveau." (Saul Friedländer)
Walther Rathenau (1867-1922), eine herausragende Persönlichkeit der
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Produktbeschreibung
"In dieser bemerkenswerten Biografie bietet Shulamit Volkov eine feinsinnige Analyse der komplexen und oft zweideutigen Persönlichkeit Walther Rathenaus. Eindrucksvoll beschreibt sie, wie Rathenaus Judentum zunehmend zum Ziel für die antisemitischen Eliten des deutschen Reichs und Gegenstand des fanatischen Hasses der extremen Rechten in der Weimarer Zeit wurde, die schließlich vor seiner Ermordung nicht zurückschreckten. Das Buch von Shulamit Volkov ist Geschichtsschreibung auf allerhöchstem Niveau." (Saul Friedländer)

Walther Rathenau (1867-1922), eine herausragende Persönlichkeit der Weimarer Zeit, mächtiger Wirtschaftsboss nicht nur im großen Konzern der AEG, Schriftsteller und begabter Maler, starb 1922 durch Schüsse rechtsgerichteter Terroristen, die mit der Ermordung des Außenministers die Weimarer Republik insgesamt destabilisieren wollten. Auf der Grundlage ausführlicher Forschungen entwirft dieses Buch ein eindringliches Porträt dieses Mannes, der sein ganzesLeben mit seiner jüdischen Identität rang, aber eine Konvertierung ablehnte und sich selbst als modernen Deutschen und Juden begriff. Shulamit Volkovs Biographie verfolgt diese Auseinandersetzung, die zahlreichen Enttäuschungen, das Ringen mit dem Vater Emil Rathenau bis hin zum politischen Aufstieg und gesellschaftlichen Erfolg. Das Lebensporträt eines vielseitig begabten Mannes, dem sein Erfolg zum Verhängnis werden sollte.
Autorenporträt
Shulamit Volkov ist Inhaberin des Konrad-Adenauer-Lehrstuhls für Vergleichende Europäische Geschichte an der Universität Tel Aviv. Sie war Fellow des St. Antony's College, Oxford, des Wissenschaftskollegs zu Berlin und des Historischen Kollegs in München. Zahlreiche Veröffentlichungen zur deutsch-jüdischen Geschichte, u.a. "Die Juden in Deutschland, 1780 - 1918".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.12.2012

Der Mann, der sich selbst im Weg stand

Den Untergang der Weimarer Republik konnte er nicht aufhalten: Die israelische Historikerin Shulamit Volkov porträtiert den deutschen Außenminister Walther Rathenau als Repräsentanten einer zerrissenen Epoche.

Diese Biographie beginnt mit dem Tod ihres Protagonisten. Eine Szene mit größerer Symbolkraft lässt sich auch kaum denken: Am 24. Juni 1922 erschossen ultranationalistische Terroristen den jüdischen Außenminister der Weimarer Republik und beendeten damit das Leben eines Mannes, der zum Aufstieg des Deutschen Kaiserreichs zur wirtschaftlichen Vormacht in Europa beigetragen und durch seine Organisation der Kriegsrohstoffwirtschaft mit ermöglich hatte, dass das Deutsche Reich den Krieg so lange durchhielt.

Mehr noch: Der deutsche Patriot, der seine jüdische Identität immer als ausschließlich religiöse verstanden hatte, war gerade damit beschäftigt gewesen, die Reparationen erträglicher zu gestalten. Sein Tod führte die Unterstützer der Weimarer Republik jenseits sozialer und ideologischer Linien in der prophetischen Erkenntnis zusammen, der Feind stehe "rechts". Aber dieser Moment der Einigkeit ging allzu schnell vorüber und konnte den Weg der Weimarer Republik in den Untergang kaum bremsen. Volkov verkompliziert das scheinbar klare Bild aber sofort. Walther Rathenau war mehrfach vor Attentaten gewarnt worden. Machte er es durch seine Entscheidung, auf Personenschutz zu verzichten und weiterhin im offenen Wagen zu fahren, seinen Attentätern so einfach, dass man davon ausgehen muss, er habe seinen Tod "leichtsinnig in Kauf genommen"?

Damit ist die Frage benannt, die Volkov in den folgenden Kapiteln, die Rathenaus Lebensweg chronologisch verfolgen, wieder und wieder thematisiert: Was sagt die Biographie Walther Rathenaus eigentlich über das Verhältnis zwischen christlichen und jüdischen Deutschen aus, was über seine persönlichen Eigenheiten und meist einsamen Entscheidungen? Hatte das Gefühl des Scheiterns, das Rathenau fast immer begleitete, mit Schranken zu tun, welche die Gesellschaft des Kaiserreichs Juden in den Weg stellte, oder lag es an Rathenaus übergroßen Ambitionen und seiner Neigung, sich in unlösbare Situationen zu begeben?

Volkov schildert Rathenau als gespaltene Existenz. Der Sohn des erfolgreichen Industriellen Emil Rathenau erlebte nach dem Studium eine Karriere, die ihn im Windschatten seines Vaters an die Spitze der AEG und in viele weitere Schlüsselpositionen des zunehmend organisierten, durch Absprachen und Quasimonopole geprägten wilhelminischen Kapitalismus führte. Walther Rathenau war das freilich zeit seines Lebens nicht genug, denn er wollte sich auch in der Welt des Feuilletons, in der Politik sowie - während seiner einjährig-freiwilligen Dienstzeit und erneut seit Kriegsbeginn - in der Welt des Militärs hervortun.

Dort gelangen ihm erhebliche Erfolge. Er war Autor positiv rezipierter und gut verkaufter Bücher, enger Berater verschiedener Regierungen, Korrespondent führender Militärs wie Moltke, Ludendorff und Falkenhayn (einmal in einer administrativen und einmal in einer politischen Schlüsselstellung), ohne dass er offenbar das Gefühl hatte, angekommen zu sein oder seinem Potential entsprechend gewürdigt zu werden.

Seinem Einsatz für die Kriegswirtschaft wurde eine Bevorzugung der AEG unterstellt; einige seiner Werke wurden schroff abgelehnt, wobei sich die Kritik oft gegen seine Person insgesamt richtete; auf Dauer war eine Partnerschaft zwischen Rathenau und Ludendorff weder auf strategischer noch auf inhaltlicher Ebene denkbar; auch die Politik Rathenaus als Außenminister erhielt zu seinen Lebzeiten allenfalls die lauwarme Unterstützung der Parteien, auf die er baute.

In seiner Sprunghaftigkeit scheint Rathenau fast repräsentativ. Seine Aktivitäten spiegelten die Moden und Ambivalenzen, die viele Beobachter im Wilhelminischen Zeitalter erkannten. Während modernes Design und eine revolutionäre Technik die AEG zum Erfolg geführt hatten, war Rathenaus Landhaus ein 1797 erbautes Schlösschen, das einmal Friedrich Wilhelm II. gehört hatte. Rathenaus Schriften empfahlen auf der einen Seite mehr Koordination, mehr Organisation, mehr Planung, mehr Technik als Lösung gesellschaftlicher, militärischer und ökonomischer Probleme; auf der anderen Seite argumentierte er für mehr Individualität, mehr Spiritualität, mehr Einfachheit. Rathenau kritisierte die starke Präsenz unfähiger Adeliger in der politischen Führung und buhlte selbst um die Anerkennung dieser Elite.

Er führte die Grenzen seines Aufstiegs in Militär und Politik darauf zurück, dass er sich nicht hatte taufen lassen, tat sich aber selbst durch Schriften hervor, die Juden wegen ihrer mangelnden Assimilationsbereitschaft kritisierten; später pflegte er sogar eine freundschaftliche Korrespondenz mit dem unverblümten Antisemiten Wilhelm Schwaner.

Diese zahlreichen Widersprüche bringen Volkov immer wieder zu der Frage, ob Rathenaus Scheitern nicht eine starke persönliche Dimension innewohnte - und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht. Nahm er eine extrem privilegierte Stellung nicht zu Unrecht als Kränkung wahr - was seinem Publikum immer weniger vermittelt werden konnte? Lag darin nicht auch eine Ursache der Kritik, die es immer gegeben hatte, die mit der Zeit aber immer umfassender und schriller wurde? Oder spiegelt die wachsende Antipathie gegen Rathenau doch die immer größere Anziehungskraft antisemitischer Weltbilder? Volkov hebt immer wieder hervor, dass sich Rathenaus selbst im Weg stand.

Er verfügte über große Häuser und ein enormes Vermögen, war aber kein großzügiger Gastgeber; er monologisierte gerne, wollte aber zugleich intensiven intellektuellen Austausch. Der Überschwang seiner Männerfreundschaften wirft die Frage auf, ob er homosexuell war; zugleich pflegte er immer wieder zumindest auf dem Papier intime Freundschaften zu Frauen; eine von ihnen war unglücklicherweise mit seinem engsten Geschäftspartner verheiratet und mit seinem engsten Freund liiert. Mithin: Rathenau war eben gerade kein typischer Vertreter des technikaffinen wilhelminischen Großbürgertums. Denn während man im Wilhelminischen Zeitalter zwar Staatsgläubigkeit und Staatskritik, Technikbegeisterung und Technikskepsis, Kriegstreiberei und Pazifismus finden kann, so galt das selten in so rascher Folge für ein und dieselbe Person.

Im Mittelpunkt von Volkovs Betrachtungen steht Rathenau als Freund, Essayist, Autor und Politiker, der auf der Grundlage seiner erhaltenen Korrespondenz, seiner Beiträge zu Zeitschriften und seiner Bücher geschildert wird. Dabei ist Rathenau als Unternehmer merkwürdig abwesend, vielleicht, weil sich in diesem Bereich die Frage nach den Gründen des Scheiterns faktisch nicht stellt.

Das ist freilich insofern schade, als Rathenau selbst betont hat, Politik und Wirtschaft unterschieden sich zwar im "Gegenstand", nicht aber in der "Methode". Wenn er das dauerhaft ernst gemeint haben sollte, dann sind seine politischen und persönlichen Aktivitäten wohl nur schwer von seiner Rolle als Unternehmer abzulösen. Große Teile seines gesellschaftlichen Engagements waren auch die Routineaufgaben eines Unternehmers, und zumindest manche seiner Schriften wurden sicher nicht nur - wie Volkov zu Recht betont - aus ganz konkreten politischen Interessen geschrieben, sondern auch aus ebenso konkreten kommerziellen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass Volkov kein kohärentes Gesamtbild und keine klare Antwort auf ihre zentrale Frage bieten kann. Diese menschliche und differenzierte Biographie schildert ihren Protagonisten nicht als "Typ", der unter dem deutsch-jüdischen Verhältnis leidet, sondern als ein Individuum, das fast alle Facetten dieses Verhältnisses zugleich auslotete - und dessen Tod gerade nicht die Summe seines Lebens war.

ANDREAS FAHRMEIR.

Shulamit Volkov: "Walther Rathenau". Ein jüdisches Leben in Deutschland 1867 bis 1922.

Aus dem Englischen von Ulla Höber. Verlag C. H. Beck, München 2012. 250 S., Abb., geb., 22,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Besonders anerkennend behandelt Sabine Fröhlich den Umstand, dass die Autorin dieser Biografie, Shulamit Volkov, Walther Rathenaus Persönlichkeit in all ihrer Widersprüchlichkeit wahrnimmt und würdigt: Kein einzelnes Erklärungsmuster steche hervor, schreibt Fröhlich lobend. Stattdessen schafft es die Autorin laut Fröhlich auf knappem Raum einen vielschichtigen Charakter sichtbar zu machen. Die Rezensentin erklärt sich diesen Erfolg unter anderem damit, dass Volkov dicht an der Person Rathenaus bleibt, dessen Briefe, Schriften und Verhaltensweisen heranzieht und den historischen Kontext eher beiläufig an das Leben des streitbaren Politikers, des gut vernetzten Großindustriellen und ehrgeizigen Bankers anlegt.

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