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"Die Sprache ist dem Menschen gegeben, um seine Gedanken zu verbergen" - so ließ der wohl berühmteste Diplomat der Weltgeschichte einmal den spanischen Gesandten wissen, als dieser ihn an ein nicht eingehaltenes Versprechen erinnerte. Johannes Willms geht in seinem neuen Buch dem rätselhaften Genie jenes Mannes nach, der es mit unnachahmlicher Geschmeidigkeit verstand, in sechs verschiedenen Regimen sechsmal eine führende Rolle einzunehmen und das vollständig besiegte Frankreich ohne die geringste Gebietsabtretung durch den Wiener Kongreß zu lotsen.

Produktbeschreibung
"Die Sprache ist dem Menschen gegeben, um seine Gedanken zu verbergen" - so ließ der wohl berühmteste Diplomat der Weltgeschichte einmal den spanischen Gesandten wissen, als dieser ihn an ein nicht eingehaltenes Versprechen erinnerte.
Johannes Willms geht in seinem neuen Buch dem rätselhaften Genie jenes Mannes nach, der es mit unnachahmlicher Geschmeidigkeit verstand, in sechs verschiedenen Regimen sechsmal eine führende Rolle einzunehmen und das vollständig besiegte Frankreich ohne die geringste Gebietsabtretung durch den Wiener Kongreß zu lotsen.
Autorenporträt
Johannes Willms, geb. 1948, ist Historiker und Kulturkorrespondent der Süddeutschen Zeitung. Von 1988 bis 1992 war er Leiter der Redaktion aspekte beim ZDF. Er hat vielbeachtete Werke vor allem zur französischen Geschichte vorgelegt, darunter Biographien Napoleons, Balzacs und Stendhals.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.08.2011

Napoleon war gegen ihn ein Waisenknabe
Warum Verrat eine Frage des Datums ist und Sprache die Gedanken verbergen soll: Johannes Willms erzählt das Leben des Meisterdiplomaten Charles-Maurice Talleyrand

Er ist eine jener historischen Figuren, die Projektionsfläche für Phantasien aller Art sind: Charles-Maurice Talleyrand, späterer Fürst von Benevent und Herzog von Talleyrand-Périgord. Seine pointiertesten Bemerkungen werden nach wie vor gern zitiert, zuletzt von Frank-Walter Steinmeier in einer Parlamentsrede wieder einmal das Bonmot, Verrat sei eine Frage des Datums.

Talleyrand gilt als Inbegriff der Verschlagenheit, des Opportunismus und der persönlichen Vorteilsnahme, als wüssten nicht auch im demokratischen Zeitalter ehemalige amerikanische Präsidenten oder abgedankte deutsche Kanzler und Außenminister, wie man nach dem Ende der politischen Karriere seine Schäfchen ins Trockene bringt. Er gilt auch als Beispiel einer "grauen Eminenz", obwohl er sich zeit seines Lebens keineswegs so sehr im Hintergrund gehalten hat, wie es graue Eminenzen üblicherweise tun. Franz Blei hat ihn schließlich 1932 in "Talleyrand oder der Zynismus" zum Protagonisten einer merkwürdigen Romancollage gemacht. Bismarck ließe sich dagegen schwerlich als Romanfigur vorstellen: Das ist selbst Fontane nicht eingefallen.

Nach so viel Phantasie, so vielen inhaltslosen Labels, die man Talleyrand aufgeklebt hat, ist es durchaus begrüßenswert, wenn Johannes Willms jetzt eine Biographie vorlegt, die eindeutig - auch wenn dies nirgendwo explizit formuliert wird - auf eine Entmystifizierung des französischen Diplomaten zielt. Wobei Willms zu Recht darauf hinweist, dass zur Verrätselung von Talleyrands Leben und zur Legendenbildung bis heute niemand so viel beigetragen hat wie dieser selbst. Das gehört sich auch so für einen Mann, zu dessen schon angesprochenen bekannten Bonmots auch jenes gehört, die Sprache sei dem Menschen gegeben, um seine Gedanken zu verbergen.

Teil dieser Legendenbildung war nach Willms zum Beispiel die Aussage Talleyrands über sich selbst, der Klumpfuß habe über sein späteres Leben entschieden und seine Eltern hätten ihn nicht geliebt. Bekannt ist, dass die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern in der französischen Hocharistokratie des achtzehnten Jahrhunderts nicht allzu eng waren. Willms zählt aber durchaus Beispiele für die Fürsorge auf, die seine Eltern Charles-Maurice angedeihen ließen. Dass allerdings der Klumpfuß ihm die militärische Karriere versperrte und ihm zunächst nur die Kirchenlaufbahn offen ließ, ist ein unverrückbares Faktum.

Zum Glück, könnte man sagen. Denn Diplomatie, Talleyrands eigentliches Feld, und politisches Verständnis lernt und erwirbt man im klerikalen Raum gewiss leichter als beim Militär. Auch Reichtümer ließen sich damals dort einfacher anhäufen. Mit dem Verhältnis Talleyrands zur Kirche beginnt die Reihe seiner sogenannten Verrate. Wer düpiert ist, fühlt sich natürlich immer verraten. Sein Vorschlag für die Verstaatlichung des Kirchenbesitzes zur Tilgung der Staatsverschuldung entsprang aber durchaus vernünftiger politischer Einschätzung und einem Sinn für das Notwendige und das richtige Maß, der ihn sein Leben lang begleitet hat. Der angebliche Opportunist Talleyrand nämlich, das zeigt Willms sehr deutlich, wurde durchaus von gewissen Prinzipien und Grundüberzeugungen geleitet. Zu denen gehörte unter anderem "das Gebot, im eigenen Haus der Herr zu sein, und niemals die lächerliche Ambition zu hegen, andere seiner Gewalt zu unterwerfen".

Talleyrands angeblicher Verrat an Napoleon entspringt dieser Überzeugung. Nach den Wirren der Revolution und dem unentschiedenen Kurs des Direktoriums war der Korse zunächst der Retter. Talleyrand, so zeigt uns Willms - der es als Napoleon-Biograph wissen muss -, hat Napoleon anfangs bewundert und geliebt, wie Teile der Korrespondenz zwischen den beiden zeigen. Er glaubte gewiss auch, den ersten Konsul und späteren Kaiser der Franzosen lenken zu können, als ausführendes Organ seiner Politik der Mäßigung und Machtbalance. Obwohl er wirklich "Zugang zum Machthaber" hatte (was Carl Schmitt sich später nur wünschen konnte), erwies sich dieser Glaube von Anfang an als Illusion und brach schließlich zusammen. Ein Diplomat und Außenminister, der Eroberungsfeldzüge und Annexionen als "Spiele politischer Unvernunft, falsche Machtkalküle" verurteilt (nicht aus moralischen, sondern aus Gründen politischer Vernunft), konnte auf Dauer nicht einem Mann die Treue halten, der ganz Europa mit Krieg überzog. Von Verrat sollte man da nicht sprechen. Mögen die Franzosen ihren Napoleon weiter lieben und Talleyrand mit Verachtung strafen: der begabtere - und modernere - Politiker war Letzterer. Das zeigte sich bei seiner Meisterleistung auf dem Wiener Kongress, gewissermaßen vom Katzentisch aus immer mehr ins geheime Zentrum zu rücken und den Verlierer Frankreich nicht nur vor allen substantiellen Gebietsverlusten zu bewahren, sondern gleichzeitig Mitarchitekt einer europäischen Friedensordnung zu werden.

Nach der Rückkehr der Bourbonen und nach der Julirevolution hat Talleyrand nicht mehr die Rolle gespielt, die er sich vermutlich erträumt hatte. Er war dann auch im Stil und in seinem äußeren Auftreten Angehöriger einer längst vergangenen Zeit, und die jetzige hatte ihn überholt. Willms schildert das nicht ohne ein gewisses Mitleid, dafür aber ohne jede Häme. Das stundenlange zeremonielle Léever zum Beispiel, bei dem man Bittsteller empfing, gehörte eigentlich noch dem Ancien Régime an, das im Jahre 1830 schon gut vierzig Jahre abgedankt hatte.

Ein hübscher Nebenstrang dieser Biographie widmet sich Talleyrands legendärem Ruf als homme à femmes und kommt zu dem - belegbaren - Schluss, er sei wohl eher suaviter in modo als fortiter in re gewesen, auf Deutsch: Mit seinen Liebhaberqualitäten sei es so weit her nicht gewesen.

Johannes Willms stellt Talleyrand wieder in den Kontext seiner Zeit, einer überaus unruhigen und ereignisreichen Zeit, in der sich die Verhältnisse in Europa grundlegend gewandelt haben. Dankbar darf man dafür sein, dass er nicht hochnäsigerweise davon ausgeht, jedem potentiellen Leser seines Buches müsse die französische und europäische Geschichte von 1789 bis 1830 ohne weiteres präsent sein. Deshalb rekapituliert er die Ereignisse, ohne sich ins uferlose Detail zu verlieren. Elegant geschrieben - seinem Gegenstand angemessen -, ist das Buch nicht nur äußerst lesbar, sondern auch lesenswert.

Ob es allerdings, wie es der Verlag auf Umschlagseite 4 in Werbeprosa kundtut, "auf lange Sicht die maßgebliche Talleyrand-Biographie in deutscher Sprache sein" wird, sollte man doch der Zukunft überlassen. Aber für solche Aussagen ist der Autor schließlich nicht verantwortlich zu machen.

JOCHEN SCHIMMANG

Johannes Willms: "Talleyrand". Virtuose der Macht 1754 - 1838.

Verlag C. H. Beck, München 2011. 384 S., Abb., geb., 26,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.08.2011

Der Schillerndste
Von SZ-Autoren: Johannes Willms
über den Staatsmann Talleyrand
Wenn je das Wort „schillernd“ jemanden charakterisiert hat, dann Charles-Maurice de Talleyrand-Perigord. Geboren 1754 und gestorben 1838, überstand der Altadlige nicht nur fünf politische Regimes und deren jeweils hochdramatische Wechsel, sondern er nahm bei allen fünf Umbrüchen entscheidenden Einfluss auf das Geschehen. Talleyrand war am Aufstieg der jeweiligen Machthaber ebenso beteiligt, wie er ihren Fall mit diplomatischen Ränken begleitete oder miteinfädelte. Das hat ihm schon zu Lebzeiten den Ruf des skrupellosen Opportunisten eingebracht und der Nachwelt sein Bild und seine historisch unzweifelhafte Bedeutung ziemlich unscharf und häufig ressentimentgeladen überliefert.
Johannes Willms setzt in seiner angenehm sachlichen Darstellung des „Virtuosen der Macht“ bei den politischen Prozessen an und orientiert sich bei der gelungenen Scharfzeichnung seines Protagonisten an Metternichs Einsicht: „Man muss bei M. de Talleyrand den moralischen vom politischen Menschen unterscheiden. Er könnte und würde nicht das sein, was er ist, wenn er moralisch wäre. Andererseits ist er ein ausgesprochen politisch denkender Mensch und als solcher ein Mann der Systeme. Das macht ihn gleichermaßen nützlich oder gefährlich.“ SZ
JOHANNES WILLMS: Talleyrand. Virtuose der Macht 1754-1838. Eine Biographie. Verlag C. H. Beck, München 2011. 394 Seiten, 26,95 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Charles Maurice de Talleyrand diente als Außenminister dem Ancien Regime, der Revolution, Napoleon und schließlich der Restauration. Rezensent Clemens Klünemanns kann darin weniger die Umsicht und Klugheit eines Staatsmannes erkennen als blanken Opportunismus, und deshalb folgt er Johannes Willms nur mit gebremster Begeisterung, wenn dieser seiner Bewunderung für die "Winkelzüge" des undurchsichtigen Strippenziehers freien Lauf lässt. Auch die Galanterie des Aristokraten will Klünemann Talleyrand nicht unbedingt zugestehen, dem Autor billigt er aber trotz dieser Vorbehalte zu, dank souveräner Erzählung für großes Lesevergnügen zu sorgen.

© Perlentaucher Medien GmbH