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Produktdetails
  • Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte Bd.51
  • Verlag: Droste
  • Seitenzahl: 348
  • Erscheinungstermin: Januar 2007
  • Deutsch
  • Abmessung: 235mm
  • Gewicht: 634g
  • ISBN-13: 9783770019021
  • ISBN-10: 3770019024
  • Artikelnr.: 20861052
Autorenporträt
Dr. Stefan Marx, geb. 1969 in Waldbröl/Oberbergischer Kreis, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung. Er studierte Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität Siegen. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Geschichte Nordrhein-Westfalens.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.07.2007

Zwischen Kirche und Staat
Heinrich Köppler galt Ende der sechziger Jahre als Hoffnungsträger der CDU-Opposition in Nordrhein-Westfalen

Unter den profilierten jüngeren deutschen Politikern der Nachkriegszeit stellt der früh verstorbene Heinrich Köppler als stärker konfessionell gebundene Persönlichkeit eine besondere Erscheinung dar. Stefan Marx hat nun eine kritische Studie vorgelegt, die diesen Grundzug sehr differenziert beschreibt und erörtert. Köppler galt 1970 bei seinem Wechsel aus der Bundes- in die Landespolitik in Düsseldorf als Hoffnungsträger und Integrationsfigur (Wahlslogan "Köppler kommt!"). Damals hatte der 1925 Geborene bereits eine eindrucksvolle Karriere durchlaufen: Nachdem er als junger Soldat "die Höllen der Ostfront" überlebt hatte, stand dem Sohn eines Amtsrichters bald das Jurastudium offen. 1946 trat er in die CDU ein. Schon während des Studiums erhielt er eine Anstellung als Jugendreferent bei der amerikanischen Militärregierung in Hessen und wurde 1949 persönlicher Referent des ersten Bundestagspräsidenten Erich Köhler.

Für Köpplers weiteren Werdegang war bestimmend, dass er 1952 Bundesführer des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) wurde. Er hat sich aus dieser Position heraus seit 1955 - in der Zeit der deutschen Wiederbewaffnung - auch an der Gründung und Entwicklung der von ihm vorgeschlagenen Katholischen Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung (KAS) engagiert. Nicht ohne Selbstironie hat Köppler - er wurde dann über den BDKJ 1954 Vorsitzender des Deutschen Jugendrings und kurz darauf sogar Präsident des Weltbundes der Katholischen Jugend - von seiner "berufskatholischen Karriere" und von sich als einem "Berufskatholiken" gesprochen. Das fand in seinen weiteren Ämtern als Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK, 1956 bis 1965), als Leiter des Außenamts beim ZdK (1965 bis 1968) und schließlich als Vizepräsident des ZdK (1968 bis 1980) seinen Ausdruck.

1965 kam Köppler durch die Fürsprache Konrad Adenauers und Rainer Barzels über die nordrhein-westfälische Landesliste in den Bundestag. 1968 wurde er als Nachfolger von Ernst Benda, der die Leitung des Bundesinnenministeriums übernommen hatte, dessen Parlamentarischer Staatssekretär. Als Köppler sich nach dem Regierungswechsel in Bonn im November 1969 zu einer Kandidatur für den Vorsitz des CDU-Landesverbands Rheinland entschloss, glaubte er zunächst, diese Aufgabe mit seinen bundespolitischen Funktionen - Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion und stellvertretender Fraktionsvorsitzender - vereinbaren zu können. Das änderte sich, als ihn der Landesparteitag im Januar 1970 in Bochum zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am 14. Juni 1970 nominierte.

Köppler galt nach der von Ministerpräsident Franz Meyers verlorenen Wahl von 1966 als Hoffnungsträger der Landespartei. Aber sein Kalkül, trotz der in Bund und Land bestehenden SPD-FDP-Regierung die FDP aus der sozialliberalen Koalition in Düsseldorf herauslösen zu können, erwies sich bald als irrig. Vielmehr nahm die FDP den Wahlhirtenbrief der katholischen Bischöfe in Nordrhein-Westfalen vom Mai 1970 zum Anlass, Köppler vorzuwerfen, den Hirtenbrief bei den Bischöfen "bestellt" zu haben - was dieser empört zurückwies.

Seit Ende der sechziger Jahre war er darum bemüht, sein Image als "Berufskatholik" loszuwerden. Dies war nicht ganz einfach, auch weil er 1969 als Kandidat für das Amt des Bundestagspräsidenten überraschend gegen den zwölf Jahre älteren Protestanten Kai-Uwe von Hassel antrat. Besonders die Liberalen nahmen diese etwas einseitige professionell-konfessionelle Haltung Köpplers zum Anlass, ihm zu misstrauen. Zudem soll er kaum Kontakte zu evangelischen Politikern in der CDU gehabt haben. Als Ausnahmen werden nur Hermann Ehlers und Gerhard Schröder ganz kurz erwähnt. Geben die Quellen dazu nichts her?

Die Stärken der Studie liegen vor allem in jenem Teil, der Köpplers Eintritt in die Landespolitik Nordrhein-Westfalens behandelt. Seine Arbeit als Fraktionsvorsitzender im Düsseldorfer Landtag, seine konstruktive Oppositionspolitik bei der Vorbereitung und Durchführung der kommunalen Gebietsreform zwischen 1970 und 1975, seine sehr verantwortungsbewusste Haltung gegenüber der Landesregierung in der Frage des "Radikalenerlasses" von 1973 und seine Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden der CDU 1973 werden gründlich und ausgewogen beurteilt. Köppler erscheint hier als Landes- und Bundespolitiker, der 1975 auch neue Wege des Landtagswahlkampfs ging.

Doch blieb ihm der Erfolg bei der Landtagswahl am 4. Mai 1975 versagt, weil im Wahlkampf die Bundespolitik eine immer stärkere Rolle spielte. Durch die zynische Sonthofener Rede von Franz Josef Strauß, die im März 1975 bekanntgeworden war ("lieber eine weitere Inflationierung"), machten die Unionsparteien vor der Bevölkerung einen zerstrittenen Eindruck und verloren erheblich an Kredit, auch im Hinblick auf die kommende Bundestagswahl von 1976. Köppler - ein Ministerpräsident, der es nicht wurde? Das stand 1976 noch nicht fest, wenn auch die innerparteilichen Spannungen - besonders gegenüber der CSU - 1975/76 gravierend genug waren (Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft im Bundestag am 19. November 1976 durch die CSU, dann Zurücknahme dieses Beschlusses). Köpplers Position innerhalb der Partei wurde erst instabil, nachdem Kurt Biedenkopf im März 1977 auf dem Bundesparteitag in Düsseldorf bei der Wahl der sieben stellvertretenden Vorsitzenden das drittbeste Ergebnis erreichte und im Juli den Vorsitz der CDU in Westfalen-Lippe übernahm.

Das von Köppler unterstützte Volksbegehren gegen die Kooperative Schule Anfang März 1978 konnte den Fraktionsvorsitzenden in seiner Stellung nicht wirklich festigen. Zwar gab es eine für Köppler gute Voraussetzung, aber sein etwas voreiliges Koalitionsangebot an die FDP vom 20. Juni 1978 wurde von den Liberalen zurückgewiesen. Sogar der Rücktritt Heinz Kühns als Ministerpräsident am 20. September verbesserte die Position Köpplers nicht wesentlich, weil gleichzeitig die FDP die Wahl von Johannes Rau zum neuen Ministerpräsidenten sofort mittrug und frühestens 1980 mit den Landtagswahlen ein Wechsel denkbar wurde.

Der Autor zeichnet ein Bild der CDU, das gerade 1978/79 für die Öffentlichkeit kaum eine Geschlossenheit der Partei erkennen ließ und damit zur Gefahr für die Landespartei zu werden drohte. Auch die Aufstellung von Strauß zum Kanzlerkandidaten am 2. Juli 1979 durch die gemeinsame Bundestagsfraktion von CDU und CSU führte in der Öffentlichkeit nicht zu einer Beruhigung. Wenn Köppler im Land zwischen Rhein und Weser auf die FDP als künftigen Partner gesetzt hatte, so war die Kanzlerkandidatur von Strauß derart irritierend, dass Nordrhein-Westfalens Liberale aus Gründen des "Gleichklangs" mit der Bonner Koalition bei der Düsseldorfer Partnerschaft mit der SPD bleiben wollten. Köppler, der die Niederlage seiner Partei bei der Landtagswahl vom 11. Mai 1980 nicht mehr erlebte - er starb nach zwei plötzlichen Herzinfarkten, die er innerhalb von nur 17 Tagen erlitt, am 20. April 1980 -, war zwar seit 1978 nicht mehr der unbestrittene Chef der CDU Nordrhein-Westfalens, aber doch eine aufrechte und kämpferische, auch von den Gegnern respektierte Führungspersönlichkeit.

KURT DÜWELL

Stefan Marx: Heinrich Köppler (1925-1980). Politik aus christlicher Verantwortung. Droste Verlag, Düsseldorf 2006. 348 S., 29,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Kurt Düwell hält große Stücke auf diese Studie über den Politiker Heinrich Köppler, der sowohl in der CDU wie beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken eine bemerkenswerte Karriere hinlegen konnte, aber nie recht zum Zuge kam. Als Vorsitzender der CDU in Nordrhein-Westfalen galt er zwar lange Zeit als Hoffnungsträger, rekapituliert Rezensent Düwell, doch kam er nicht gegen die sozialliberale Regierung in Düsseldorf an. Der Arbeit von Stefan Marx entnimmt der Rezensent, dass Köppler immer wieder versuchte, die FDP aus der Koalition mit der SPD herauszulösen, wobei ihm jedoch die Zerstrittenheit der Bundespartei und vor allem die Kanzlerkandidatur von Franz Josef Strauss einen Strich durch die Rechnung machte. Mit dieser Deutung scheint der Rezensent voll und ganz einverstanden, und so sieht er durch dieses Buch eine "aufrechte und kämpferische, auch von den Gegnern respektierte Führungspersönlichkeit" gewürdigt.

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