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"Ohne Zweifel ist Longerich eine zeitgemäße, gerade im Hinblick auf die Propaganda und die Kulturpolitik des Dritten Reiches weiterführende Studie gelungen... Als Darstellung auf aktuellem Stand vor allem des gesamten Tagebuchmaterials ist sein Buch unbedingt lesenswert." -- Die Welt
"Faktenreich und gut lesbar." -- Magdeburger Volksstimme, 15.12.2010
"Eine packend geschriebene Biografie." -- Hessische/Niedersaechsische Allgemeine, 20.12.2010

Produktbeschreibung
"Ohne Zweifel ist Longerich eine zeitgemäße, gerade im Hinblick auf die Propaganda und die Kulturpolitik des Dritten Reiches weiterführende Studie gelungen... Als Darstellung auf aktuellem Stand vor allem des gesamten Tagebuchmaterials ist sein Buch unbedingt lesenswert." -- Die Welt

"Faktenreich und gut lesbar." -- Magdeburger Volksstimme, 15.12.2010

"Eine packend geschriebene Biografie." -- Hessische/Niedersaechsische Allgemeine, 20.12.2010
Autorenporträt
Peter Longerich, geboren 1955 in Krefeld, ist Professor für Neuere und neueste deutsche Geschichte und Direktor des Research Centre for the Holocaust and Twentieth-Century History am Royal Holloway College der Universität London. Von 1983 bis 1989 war er am Institut für Zeitgeschichte in München tätig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.12.2010

Virtuoser Propagandist in eigener Sache
Peter Longerichs differenzierende Biographie über Joseph Goebbels, den devot-gläubigen Jünger des "Führers"

Der durch seine Heinrich-Himmler-Biographie ausgewiesene Peter Longerich legt nun ein Werk vor, das ebenfalls im Stil des guten Sachbuchs verfasst ist. Der Prolog berichtet über die letzten Aktivitäten des "amtierenden Reichskanzlers Dr. Goebbels". Nach Hitlers Selbstmord unternahm er den Versuch, einen Waffenstillstand abzuschließen, und scheiterte. Danach bietet der Autor drei gut gelungene Skizzen: die Inszenierung des Vermächtnisses durch Goebbels (die Briefe des Ehepaares an Harald, den Sohn Magdas aus ihrer ersten Ehe mit dem Industriellen Günther Quandt); die psychologische Vorstellung von Goebbels samt seines ausgeprägten Strebens nach Anerkennung und Erfolg, seiner fehlenden Empathie oder der permanenten Selbstüberhöhung und grandiosen Selbstüberschätzung; schließlich die Beschreibung der Schwierigkeiten, denen sich ein Goebbels-Biograph stellen muss.

Peter Longerich nennt es eine besondere Herausforderung, mit persönlichen Zeugnissen arbeiten zu müssen, deren Wert sich erst "durch eine Analyse der Persönlichkeit" erschlössen. Die vom Verfasser konsultierten Psychoanalytiker haben offensichtlich zu der gut nachvollziehbaren Einschätzung der "narzisstisch gestörten", "nicht ausbalancierten Persönlichkeit" und ihrer psychischen Abhängigkeit vom idealisierten "Führer" beigetragen. Solche Bewertungen sind überzeugender als die auf fehlerhafter Quellengrundlage entstandene Sicht von Peter Gathmann und Martina Paul in der Studie "Narziss Goebbels" (2009).

Longerich will die 32 Bände umfassende Publikation der Niederschriften und Diktate aus den Jahren 1923 bis 1945 mit Hilfe weiterer Quellen erschließen. Auf diese Weise sei es möglich, die nationalsozialistische Propaganda sowie die Verantwortung von Goebbels zu untersuchen, eine "Dekonstruktion" des "Selbstbildes des genialen Propagandalenkers" zu bieten und schließlich einen Beitrag zur allgemeinen Geschichte der nationalsozialistischen Diktatur zu leisten. Longerich betont wiederholt (und besonders in seinen 4135 Anmerkungen), dass die sogenannten Goebbels-Tagebücher keine intimen Einblicke böten. Sie seien Gedächtnisstützen für Artikel und Reden mit ausgedehnten Tabuzonen sowie Bausteine für eine spätere Erfolgsgeschichte legitimierenden Charakters mit nur geringen Andeutungen über Liebschaften und Konflikte in der Dreiecksbeziehung Goebbels - Magda - Hitler. Fehlschläge bleiben unerwähnt, auch jedes Ausgeschlossensein von Entscheidungsprozessen ignoriert. Doch die starke Subjektivität dieses Dokuments dürfte Historikern eigentlich keine besonderen quellenkritischen Probleme bereiten. Denn mit dem Buch "Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei" liegt bereits ein Exemplum vor, wie Goebbels sich die Instrumentalisierung seiner Aufzeichnungen für die Öffentlichkeit vorgestellt hat. Da auf eine systematische Analyse dieser Selbstdarstellung von Goebbels aus dem Jahr 1934 verzichtet wird, ist Longerich mehrmals erstaunt darüber, dass der Chefpropagandist manche Konflikte im "Dritten Reich" nicht oder verzerrt anspricht.

Die Biographie ist unter den bisherigen Goebbels-Porträts die umfangreichste und dürfte im Episodenreichtum nur schwer zu übertreffen sein. Longerich hätte sich dem monströsen Mitteilungssog seines Protagonisten zugunsten einer durchgängig distanziert-kritischeren Analyse verschließen sollen. Die ausführlichen Zitate oder Paraphrasen der Elaborate eines in sich selbst Verliebten, Hadernden oder Tobenden fördern nicht per se Erkenntnisse zutage. Kommen Berichte und lange Auszüge aus Diktaten des monomanen Propagandaministers hinzu, dann liegt die Frage nahe, wer denn der Adressat der gut 900 Druckseiten ist, die den vielzitierten "historisch interessierten Leser" vom Umfang her eher überfordern dürfte. Doch Longerich informiert wirklich breit über Goebbels: ein unsicherer, depressiver, bindungsarmer - sieht man von dem engen Mutter-Sohn-Verhältnis ab - Narzisst, ein gescheiterter Schriftsteller mit antibürgerlichen Affekten, ein Antisemit, Nationalist und Antimarxist mit gewissen sozialistischen Vorstellungen. Er war weder ein übermächtiger Minister noch einflussreicher Ratgeber, sondern ein devot-gläubiger Jünger Hitlers, ein oftmals Getriebener, wo er sich als Handelnden sah, mithin ein Virtuose der Eigenpropaganda über den Tod hinaus.

Wollte der Autor in erster Linie seine Fachkollegen erreichen? Denen bietet er wenig Neues. Zwar ist seine Biographie differenzierter als die von Ralf Georg Reuth (1990), doch ähnlich emsig in der Auswertung der Hauptquelle. Dies führt Longerich letztlich nicht zu tieferen Einblicken und völlig anderen Erkenntnissen als Toby Thacker, der 2009 das halb so umfangreiche Werk "Joseph Goebbels. Life and Death" verfasste. Dass sich mittels einer systematischen Quellenkritik ein ungleich höherer Erkenntnisgewinn aus dem bisher bekannten Goebbels-Nachlass erzielen lässt, hat Felix Moeller in seinem Buch über den "Filmminister" bewiesen. Eine konsequente Auslotung des Propaganda-Verständnisses von Goebbels und Hitler sowie die Verwendung des Begriffs "Propaganda" als Phänomen der öffentlichen Kommunikation, also in einem multimedialen Prozess, hätte gewinnbringender sein können. Adressatenperspektive und Rezeptionsbedingungen hätten stärker einbezogen werden können, denn selbst in einer Diktatur wirken Erfolg oder Versagen der jeweiligen Beeinflussungsmaßnahmen auf die Überlegungen, Programme und Handlungen der Verantwortlichen zurück. Hat Goebbels Ende April 1945 wirklich nicht ohne Hitler leben können? Vermutlich hätte es doch seiner Eitelkeit geschmeichelt, wenn die Sowjets sein Waffenstillstandsgesuch angenommen hätten.

Einige Irrtümer sind dem Autor unterlaufen. Mitunter wurden bedeutende Vorgänge übersehen, so 1936 der verfassungsrechtlich bedeutsame Goebbels-Entwurf eines Pressegesetzes und 1938 die Initiative zur öffentlichen Ausrichtung auf einen Krieg durch eine spektakuläre Rede Hitlers. Wenn Longerich abschließend ein "Goebbelsches System" ausruft, dann widerspricht er eigenen Feststellungen über fehlende konzeptionelle und politische Maximen. Was die unkommentiert gebliebene Publikation der Goebbels-"Tagebücher" durch das Münchener Institut für Zeitgeschichte nicht leistet, erreicht diese umfassend "erläuterte Selbstbiographie": Zukünftig können die Politik des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda, des Reichspropagandaleiters der NSDAP und des Präsidenten der Reichskulturkammer und die nationalsozialistische Propagandakommunikation besser erforscht werden.

BERND SÖSEMANN

Peter Longerich: Goebbels. Biographie. Siedler Verlag, München 2010. 910 S., 39,99 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Den etwas unnötig erscheinenden Umfang dieser Goebbels-Biografie erklärt sich Rezensent Cord Aschenbrenner mit der deutschen Herkunft des Autors, des in London lehrenden Historikers Peter Longerich. Dass Goebbels historiografisch an sich interessant ist, daran will Aschenbrenner nicht zweifeln, jedes Detail aus seinem Leben aber, so findet er, muss er nicht kennen. Genau das aber bietet Longerich. Viel interessanter erscheinen Aschenbrenner Arbeitsgrundlage und Methode des Buches beziehungsweise ihre geschickte Verzahnung durch den Autor: Die Verarbeitung der Goebbels-Tagebücher im hermeneutischen Abgleich mit einer tiefenpsychologischen Persönlichkeitsstudie. Dass Goebbels ein Narziss par excellence war, wird dem Rezensenten so erst richtig deutlich.

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