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Doppelherrschaft der sowjetischen Militärverwaltung
Die Geburtsurkunde datiert vom 6. Juni 1945. Mit der Unterschrift Stalins erging in Moskau die "Anordnung des Rates der Volkskommissare der UdSSR Nr. 1326/301 über die Errichtung der Sowjetischen Militäradministration zur Leitung der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland". Das Dokument legte die personelle Spitze sowie die vertikalen und horizontalen Strukturen der SMAD genau fest. Nach Erläuterungen zu Struktur und Rechtsquellen sowie zu funktionalen Aspekten der Organisation und Tätigkeit der SMAD thematisiert das hier rezensierte Kompendium erstens die Besatzungseinrichtungen außerhalb der SMAD - zum Beispiel den Stab der Gruppe der Sowjetischen Besatzungsstreitkräfte in Deutschland (GSBSD), die Operativgruppen des NKWD/MWD in der SBZ, die Abteilung Speziallager des NKWD/MWD und die Verwaltung Spionageabwehr des NKGB/MGB. Im zweiten Teil wird die SMAD detailliert erklärt. Strukturelle und personelle Gegebenheiten werden ausgeleuchtet, ebenso die Kommunikationswege nach Moskau und die Zusammenarbeit mit dem Alliierten Kontrollrat bis 1948. Der dritte Teil bietet rund tausend Kurzbiographien des Führungspersonals in der SMAD. Die Funktionsträger treten aus der Anonymität des Apparates hervor. Im vierten Teil werden Dokumente abgedruckt, die sonst kaum greifbar sind - so der Befehl des Obersten Chefs der SMAD und Oberbefehlshabers der GSBSD vom 17. November 1949 über die Auflösung der SMAD und die gleichzeitig verfügte Bildung der Sowjetischen Kontrollkommission in Deutschland (SKK).
In ihrer rund vierjährigen Existenz hatte die SMAD nach Vorgaben aus Moskau politische Entscheidungen umzusetzen und zu treffen, die die Nachkriegsgeschichte der östlichen Okkupationszone mit Auswirkungen auf Berlin und ganz Deutschland nachhaltig geprägt haben. Das Handbuch macht transparent, wie sie funktioniert hat. Die Zielsetzung, "auf der Grundlage immanenter Primärquellen die Organisationsstrukturen der sowjetischen Besatzungsverwaltung zu dokumentieren, um einen Einblick in ihre internen Arbeitsverfahren zu gewinnen", haben Herausgeber und Autoren grandios verwirklicht. Entstanden ist in siebenjähriger Zusammenarbeit von acht russischen und sechs deutschen Historikern und Politologen unter der Redaktion von Jan Foitzik ein beispielhaftes Nachschlagewerk, das in 92 Artikeln über die GSBSD und die SMAD informiert. Die Anatomie der SMAD wird kenntlich. Verortet werden der Oberste Chef, der zugleich Oberbefehlshaber der GSBSD war, die Stabschefs und fachlichen Stellvertreter des Obersten Chefs, sein Politischer Berater, schließlich die fünf territorialen Militäradministrationen auf Länder- und Provinzialebene.
Anhand interner Stellenpläne wird belegt, wie die SMAD frühzeitig zu bürokratischer Ausweitung und personellem Zuwachs tendiert hat. Ein halbes Jahr nach ihrer Etablierung sah der Stellenplan bereits ein Soll von 63 897 Planstellen vor. Was unvermeidlich war, trat ein: Friktionen zwischen zentraler Verwaltung einerseits, den Landes- und Provinzialverwaltungen andererseits, Ressortkonflikte von SMAD und NKWD, "innerorganisatorische Desintegration" und "kompetenzielle Diffusion" wegen fachlicher Strukturkonflikte. Statt Einheit und Geschlossenheit also ein fast chaotisch anmutendes Neben- und Gegeneinander von Dienststellen und Doppelstrukturen in der SMAD. Foitzik spricht von "Doppelherrschaft" und macht deutlich, dass "die SMAD als Koordinierungsinstanz unmittelbar die Dynamik der innersowjetischen Ressortkonkurrenz auszutragen hatte, die auf die Besatzungsorganisation infolge der bei zentralen Moskauer Behörden angesiedelten fachlichen und personellen Weisungskompetenz durchschlug".
Die Autoren haben keinen Aufwand bei der Recherche in acht russischen und vier deutschen Archiven gescheut. Es wurden Dokumente zutage gefördert, die zu erlangen Historiker und Politologen früher kaum erträumt hätten. Als Fazit ist zu konstatieren, dass mit dem "SMAD-Handbuch" ein ganz wesentlicher Schritt in der Geschichtsforschung zur sowjetischen Besatzungspolitik getan wurde. Zu Struktur, Funktion und Personal der SMAD wird künftig nichts Besseres mehr gedruckt werden können.
KARL WILHELM FRICKE
Horst Möller/Alexandr O. Tschubarjan (Herausgeber): SMAD-Handbuch. Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland 1945-1949. R. Oldenbourg Verlag, München 2009. 822 S., 99,80 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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