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Der marxistische Historiker und sein konservativer Verleger. Ein ungewöhnliches Kapitel deutscher Geistesgeschichte
Es war eine unwahrscheinliche Freundschaft, die den konservativen Verleger Wolf Jobst Siedler aus West-Berlin mit dem marxistischen Historiker Ernst Engelberg in Ost-Berlin verband - eine Freundschaft, die alle Mauern überwand und überstand. Auf der Grundlage eines langjährigen Briefwechsels schildert Ernst Engelbergs Sohn Achim diese einzigartige publizistische und menschliche Liaison.
Wolf Jobst Siedler gründete gerade seinen eigenen Verlag, als er 1980 den renommierten
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Produktbeschreibung
Der marxistische Historiker und sein konservativer Verleger. Ein ungewöhnliches Kapitel deutscher Geistesgeschichte

Es war eine unwahrscheinliche Freundschaft, die den konservativen Verleger Wolf Jobst Siedler aus West-Berlin mit dem marxistischen Historiker Ernst Engelberg in Ost-Berlin verband - eine Freundschaft, die alle Mauern überwand und überstand. Auf der Grundlage eines langjährigen Briefwechsels schildert Ernst Engelbergs Sohn Achim diese einzigartige publizistische und menschliche Liaison.

Wolf Jobst Siedler gründete gerade seinen eigenen Verlag, als er 1980 den renommierten Ost-Berliner Historiker Ernst Engelberg kennenlernte. Dieser verfasste zu jener Zeit seine epochale Bismarck-Biographie - überraschend schnell gelang es dem West-Berliner Verleger und Preußen-Kenner, den Autor und sein großes Werk für den Siedler Verlag zu gewinnen. Beharrlich gegen alle politischen Bedenken und Behörden setzte Siedler die parallele Veröffentlichung in Ost und West imHerbst 1985 durch. Es sollte ein publizistisches Ereignis werden.

Über die Jahre hinweg entwickelte sich eine tiefe persönliche Zuneigung - und auch Siedler, der an seinem literarisch-essayistischen Werk arbeitete, schickte seine Manuskripte von West- nach Ost-Berlin. Der intellektuelle Austausch vor dem Hintergrund einer Welt im Umbruch gehört zu den faszinierenden Kapiteln deutscher Geistesgeschichte.

Autorenporträt
Engelberg, Achim
Achim Engelberg, geboren 1965, schreibt u. a. für die Neue Zürcher Zeitung und Der Freitag. Als Historiker publiziert er Sachbücher und wertet den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. Bei Siedler erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) und die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.11.2015

Knorrige Gewächse
des alten Deutschland
Wolf Jobst Siedler und Ernst Engelberg im Briefwechsel
Zu den brillantesten Coups des 2013 verstorbenen Verlegers Wolf Jobst Siedler gehört die Zusammenarbeit mit dem DDR-Historiker Ernst Engelberg (1909-2010), dessen monumentale Bismarck-Biografie 1985 und 1990 in zwei Bänden gleichzeitig in der Bundesrepublik und in der DDR herauskam, im Ost-Berliner Akademie-Verlag und in Siedlers eigenem Haus. Die Jahreszahlen genügen, um den bewegten Hintergrund des deutsch-deutschen Unternehmens zu markieren: Die Darstellung des Reichsgründers erschien parallel zur finalen Krise des kommunistischen Deutschland.
  Der kulturkonservative Preuße Siedler und der altmodisch orthodoxe Marxist Engelberg, wie ging das zusammen? Es ging sehr gut, wie jetzt der von Engelbergs Sohn herausgegebene (und allzu sparsam kommentierte) Briefwechsel bezeugt. Die Basis war die gemeinsame Herkunft aus eben dem Nationalstaat, den Bismarck gegründet hatte. Der 1909 im Schwarzwald als Sohn eines Sozialdemokraten geborene Engelberg war kein Apparatschik; er hatte noch in der Weimarer Republik bei besten liberal-bürgerlichen Historikern wie Fritz Hartung, Gustav Mayer und Hermann Oncken studiert, im Dritten Reich war er emigriert, er überlebte in Genf und Istanbul, nicht in der Stickluft von Stalins Moskau. In der DDR leitete er unter anderem das Akademie-Institut für Deutsche Geschichte.
  Der siebzehn Jahre jüngere Siedler, dem als Verleger der große Auftritt immer wichtiger war als die Übereinstimmung in Meinungsfragen, begann sich 1980 für Engelbergs Projekt einer umfassenden, auch auf neue Archivstudien gegründete Darstellung Bismarcks zu interessieren. Die beiden Herren wurden Freunde, gewährten einander sogar das Du (was die Busenfreunde Joachim Fest und Siedler nie schafften), und schon 1985 schrieb Siedler an einen anderen Freund: „Mich berührt und ergreift dieser desillusionierte alte Kommunist immer wieder.“
  Er ließ ihn also gelten, auch als knorriges Gewächs des alten Deutschland, das Siedler so liebte. Und ebenso ließ sich das Ehepaar Engelberg – Ernsts Frau Waltraut erscheint bald als gleichberechtigte Mitarbeiterin ihres Mannes – gern von dem altmodischen Charme Siedlers bestricken, auch wenn westdeutsche „Fresskörbe“ zunächst als demütigende Anspielungen auf die kommunistische Mangelwirtschaft missverstanden wurden.
  Die warmherzige persönliche, auch familiäre Beziehung der beiden wurde zur Grundlage einer Zusammenarbeit in der Sache, bei der man vor allem Siedler ausgesprochen gern beobachtet. Er, der bürgerliche Westler ist es, der Engelberg einerseits vor einem allzu schematischen Gebrauch marxistischer Terminologie warnt (er will ihn vor dem Verdacht von Pflichtübung bewahren), aber zugleich immer wieder auf Einarbeitung von Sozial- und Wirtschaftsgeschichte dringt, auch mit dem Blick auf Bismarcks tiefe Fremdheit gegenüber der werdenden Welt der Industrie.
  Engelberg dagegen beharrt darauf, seinen Helden vor Kritik von der Warte westlicher „Reeducation-Historie“ in Schutz zu nehmen – die Deutschen seien durchaus „berechenbar“ gewesen, sie hätten nichts anderes getan als alle jene Nationen, die nach staatlicher Einigkeit und Unabhängigkeit strebten. Hier konversieren zwei nachdenkliche Patrioten, und es lohnt sich, diesen Austausch ins Regal neben Engelbergs immer noch lesenswertes Meisterwerk zu stellen. Im vergangenen Jahr erschien es in einer von Achim Engelberg moderat gekürzten einbändigen Version, bei der übrigens nicht zuletzt die von Siedler angemahnten sozial- und technikhistorischen Abschnitte eingedampft wurden (Ernst Engelberg: Bismarck. Sturm über Europa. Siedler Verlag, München 2014. 864 Seiten, 36,99 Euro).
  Es gibt noch andere Schlaglichter aus dieser Zeit der späten deutsch-deutschen Zusammenarbeit: Ein von west- und ostdeutschen Historikern gemeinsam betriebenes Projekt zum Versagen der Eliten im Dritten Reich musste auf Druck der SED abgesagt werden, genauer: Die DDR-Historiker wurden gezwungen, ihre Beiträge zurückzuziehen, und sie beugten sich ohne Lärm. Der bittere Brief von Martin Broszat an seine Ostkollegen ist denkwürdig: „Der Kern der historischen Schuld und des Versagens dieser alten Eliten bestand in ihrer submissiven Erbötigkeit gegenüber den damals Herrschenden. Welche Legitimation, darüber zu urteilen und dies zu verurteilen, gibt es eigentlich, wenn im politischen Kleinbereich unseres gemeinsamen Vorhabens die Vertreter der wissenschaftlich-geistigen Elite der DDR selbst den Rücken beugen oder vorsichtig den Mund halten?“
  Kaum überraschend werden Empfindlichkeiten zwischen den ungleichen Freunden Siedler und Engelberg nach der Wende fühlbarer – es fehlt nun der Abstand zweier Welten, über den hinweg man sich verständigt, man lebt zusammen. Auf melancholische Kulturkritik vermag man sich leicht zu verständigen, doch allzu schneidige Aburteilungen der DDR aus Siedlers Grunewald-Sicht verletzen den weiterhin neben dem Sowjetischen Ehrenmal am Treptower Park lebenden Engelberg. Manche Einzelheiten rufen vergessene Wendungen der deutsch-deutschen Einheitsdebatten ins Gedächtnis zurück. Siedler bekundet sogar, den deutschen Nationalstaat für einen ähnlichen Irrweg zu halten wie den kommunistischen Teilstaat, nicht einmal von Berlin als Hauptstadt ist er auf Anhieb überzeugt. Tempi passati.
  Geschmeidige Umgangsformen und historisches Bewusstsein von der Relativität der Standpunkte ermöglichten neben menschlicher Sympathie diese Freundschaft, die ein so beeindruckendes Resultat hinterlassen hat.
GUSTAV SEIBT
Achim Engelberg (Hrsg.): Es tut mir leid: Ich bin wieder ganz Deiner Meinung. Wolf Jobst Siedler und Ernst Engelberg: Eine unwahrscheinliche Freundschaft. Siedler Verlag, München 2015. 272 Seiten, 24,99 Euro. E-Book 19,99 Euro.
Der kulturkonservative Preuße
Siedler und der orthodoxe Marxist
Engelberg ließen einander gelten
Erst nach der Wende werden
die Empfindlichkeiten der so
ungleichen Freunde fühlbar
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"Geschmeidige Umgangsformen und historisches Bewusstsein von der Relativität der Standpunkte ermöglichten neben menschlicher Sympathie diese Freundschaft, die ein so beeindruckendes Resultat hinterlassen hat." Gustav Seibt, Süddeutsche Zeitung