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"Wo soll ich mit dem Ordnen der Tage, der Wochen beginnen", fragt sich die Erzählerin. Aber warum sich einer Chronologie bedienen, wo Erinnerungen doch kleine Mosaike sind, die nach und nach im Gedächtnis auftauchen. Erinnerungsanker werden immer wieder ausgeworfen und eingezogen, wodurch sukzessiv ein Bild der zur Künstlerin gewordenen Erzählerin und ihrer Vergangenheit entsteht. Alltägliche Momentaufnahmen, sinnliche und feinsinnige Beschreibungen von Gegenständen und Seelenzuständen sowie einschneidende und scheinbar beiläufige Ereignisse lassen ihre Zeit in New York und Berlin der 1980er-…mehr

Produktbeschreibung
"Wo soll ich mit dem Ordnen der Tage, der Wochen beginnen", fragt sich die Erzählerin. Aber warum sich einer
Chronologie bedienen, wo Erinnerungen doch kleine Mosaike sind, die nach und nach im Gedächtnis auftauchen.
Erinnerungsanker werden immer wieder ausgeworfen und eingezogen, wodurch sukzessiv ein Bild der zur Künstlerin
gewordenen Erzählerin und ihrer Vergangenheit entsteht. Alltägliche Momentaufnahmen, sinnliche und feinsinnige Beschreibungen von Gegenständen und Seelenzuständen sowie einschneidende und scheinbar beiläufige Ereignisse lassen ihre Zeit in New York und Berlin der 1980er- und 1990er-Jahre lebendig und (be)greifbar werden.
"Wie viele Tage" ist eine stille Meditation über das Leben auf zwei Kontinenten. Sehr poetisch erleben wir ein Sinnieren
über vergangene Lebensabschnitte und die Sterblichkeit, Kälte und Geborgenheit, das Verlassensein und darüber, was
es heißt Vergangenheiten abzuschließen - oder ist das überhaupt möglich?
Ein Roman über das Loslassen und Ankommen.
Autorenporträt
Scrima, Andrea
Andrea Scrima, geboren 1960 in New York City, studierte Kunst an der School of Visual Arts in New York und an der Hochschule der Künste in Berlin, wo sie seit 1984 als Autorin und bildende Künstlerin lebt. Ihre Arbeiten waren in internationalen Museen und Ausstellungen zu sehen. Sie schreibt Literaturkritiken für Quarterly Conversation, Music & Literature und The Brooklyn Rail.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.05.2018

Brooklyn, Berlin
Andrea Scrimas Roman „Wie viele Tage“
Fast jeder Abschnitt des Romans „Wie viele Tage“ der 1960 in New York City geborenen Andrea Scrima beginnt mit einer Adressangabe: Bedford Avenue, Kent Avenue, Ninth Street, Eisenbahnstraße, Fidicinstraße. Dort finden sich die Straßen, in denen die Künstlerin und Schriftstellerin in den Achtziger- und Neunzigerjahren gelebt hat; dort sind die Wohnungen, in denen die Erinnerungen an Zeiten, Gefühle, Zustände sich eingelagert haben. Und auch wenn die Orte und die Gesichter zu verschwinden drohen, mit jedem Jahr ein bisschen tiefer hinabsinken in die Gedächtnisgruft, so bleibt doch ein Teil des Ich dort weiterhin zurück. Wir erinnern uns nicht einfach nur an Orte. Wir scheinen uns, so ein magischer Gedanke, in Orte einzuschreiben. Sie sind es, die uns nicht mehr loslassen.
Man kann diese abgesunkenen Stätten aufsuchen. Scrima tut das, in verdichteten, dem Gebot der willkürlichen Erinnerung folgenden Miniaturen, die zusammengenommen eine Art Lebensroman ergeben, eine „Autogeografie“, wie Ulf Erdmann Ziegler das einmal genannt hat. Zwischen autobiografischen Snapshots und poetischen Raumerkundungen oszilliert dieses Buch, das keine Chronologie und keine Handlung kennt und in den vielen kleinen Vergangenheitsdetails Geschichten mehr andeutet als auserzählt: vage Liebesepisoden; künstlerische Projekte der Erzählerin; den Tod des Vaters. Es sind Selbstgespräche und imaginierte Dialoge mit einem changierenden Du – Freunden, Verschollenen, Toten. Die Gegenüber bleiben schemenhaft, sie gemahnen aber an all die Abschiede und Verluste, und sie konturieren das Bild, das wir von der Erzählerin erhalten. Das Problem dieser Rückwendung wird von Scrima klar benannt: „Wie in der Zeit zurückgehen; man müsste alles abziehen, was danach gekommen ist, die Häute abwerfen, die seither gewachsen sind: sie eine nach der anderen abschälen und vergessen. Alles, was geschehen ist, rückgängig machen, sich in keiner dieser Situationen befunden haben, ganze Teile des Selbst verlieren; vergessen. Verschwinden, sich selbst auflösen. Und wenn meine Gedanken mich zurücktragen, dann als eine andere.“ Denn auch die uns in sich speichernden Dinge, die Geschehnisse, die Menschen verändern sich, wenn man zurückblickt, weil das eigene Ich sie bei jeder Wiederbegegnung verwandelt. Man müsste die eigenen Metamorphosen vergessen machen. Muss im Moment des Zurückschauens und Rückwärtsschreibens sich in ein früheres Stadium versetzen. Auslöschen, was dann kommen wird. „Aber das wusste ich noch nicht“, „doch das kam später“ lauten Scrimas Formeln dafür – Beschneidungen der durch Erfahrung klüger Gewordenen zugunsten der Erfahrenden. Scrimas Buch, dem die Gattungsbezeichnung Roman nicht ganz gerecht wird, ist der schöne, behutsame, fortlaufende, aber nicht chronologische Versuch, das „Gewebe der Dinge“ zu durchdringen, die Tage und Wochen und Jahre zu sortieren, aus denen sich das Leben zusammensetzt – und in der Unordnung ein eigenes Maß der Aufmerksamkeit und Aufrichtigkeit zu finden.
ULRICH RÜDENAUER
Andrea Scrima: Wie viele Tage. Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Barbara Jung. Literaturverlag Droschl. Graz, Wien 2018. 188 Seiten. 23 Euro.
Wir erinnern uns nicht einfach
an Orte, sie sind es, die uns
nicht mehr loslassen
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