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Sage niemand, in der Provinz wäre nichts los!
In Scharnow, einem Dorf nördlich von Berlin, ist der Hund begraben. Scheinbar. Tatsächlich wird hier gerade die Welt gewendet: Schützen liegen auf der Lauer, um die Agenten einer Universalmacht zu vernichten, mordlustige Bücher richten blutige Verheerung an, und mittendrin hat ein Pakt der Glücklichen plötzlich kein Bier mehr. Wenn sich dann ein syrischer Praktikant für ein Mangamädchen stark macht, ist auch die Liebe nicht weit.

Produktbeschreibung
Sage niemand, in der Provinz wäre nichts los!

In Scharnow, einem Dorf nördlich von Berlin, ist der Hund begraben. Scheinbar. Tatsächlich wird hier gerade die Welt gewendet: Schützen liegen auf der Lauer, um die Agenten einer Universalmacht zu vernichten, mordlustige Bücher richten blutige Verheerung an, und mittendrin hat ein Pakt der Glücklichen plötzlich kein Bier mehr. Wenn sich dann ein syrischer Praktikant für ein Mangamädchen stark macht, ist auch die Liebe nicht weit.
Autorenporträt
Bela B Felsenheimer, geboren 1962 in West-Berlin, ist Schlagzeuger, Gitarrist, Komponist, Sänger, Schauspieler, Synchron- und Hörbuchsprecher, war Comicbuch-Verleger und hatte eine eigene Radiosendung. Bekannt ist er vor allem als Mitglied der Punkrock-Band die Ärzte. Als Autor hat er bisher einige Kurzgeschichten veröffentlicht und ein Filmdrehbuch verfasst. Scharnow ist sein erster Roman.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.04.2019

Fiesta
in Brandenburg
Bela B Felsenheimers
Roman „Scharnow“
„Scharnow“ ist kein Roman, der zusammengefasst werden möchte. Wenn Bela B, Ärzte-Schlagzeuger, Synchronsprecher, Pulp-Comic-Fan und jetzt auch Romanautor, ein Buch schreibt, hat er anscheinend keinerlei Verpflichtungen, am allerwenigstens einer kohärenten Handlung gegenüber. In „Scharnow“ geht es um Scharnow, ein fiktives Dorf in Brandenburg, nicht weit, aber Welten entfernt von Berlin. In diesem Dorf, beteuern die Protagonisten, passiert nie etwas. In Wahrheit passiert dann aber doch sehr viel: Ein Buch tötet seine Leser, ein Zusammenschluss von Bürgern wehrt sich gewaltsam gegen eine Weltverschwörung, ein Supermarkt wird von Unbekleideten überfallen, zwei Zwillinge ermorden sich gegenseitig, ein Mann kann fliegen.
Getragen wird die Handlung von rund 30 Protagonisten. Um in dieser Unordnung Orientierung zu schaffen, befindet sich auf den ersten Seiten von „Scharnow“ ein Personenverzeichnis, dessen Existenz auch nicht mehr als ein praktischer Witz ist; wer beim Lesen versucht ist nachzuschlagen, dem sei gesagt, dass das nichts bringt. Wer in Scharnow nicht untergehen möchte, muss sich treiben lassen. Hin und wieder löst sich das Problem, nicht zu wissen, um wen es gerade geht, auch von alleine, wenn Bela B, was sehr häufig vorkommt, die Figuren einfach sterben lässt. Und so gibt es, wie in einem der Pulp-Filmchen, die im Laufe des Romans auffällig oft angeschaut werden, viel Blut, Gehirnmasse, Sex und Verfaulendes, und immer wieder läuft dabei Rex Gildos „Fiesta Mexicana“ im Hintergrund.
Als „hysterischen Realismus“ bezeichnete der Literaturkritiker James Wood dieses literarische Genre, dessen Imperative die Lebendigkeit und die Geschwindigkeit des Erzählens sind. Subplot reiht sich dabei an Subplot, die Autoren schaffen eine Vielzahl an Charakteren, deren Geschichten sich immer wieder kreuzen und ineinander verstricken, als wären diese Verstrickungen ein Selbstzweck: „Ein endloses Netz“, schreibt Wood, „ist alles, was die Autoren brauchen, um Bedeutung zu generieren.“
So geht es auch in „Scharnow“ zu, die Figuren sind nur durch dünne Fäden verbunden: Elsa hasst ihre Nachbarn, die sehr laut sind. Ihre Enkelin Nami verliebt sich in Hadid, der in dem Internetcafé arbeitet, in dem Jan-Uwe einen Anschlag plant auf Sylvias Hündin Cloudy, die eine Schwester von Barack Obamas Hund Bo ist. Sylvias beste Freundin ist Patty, die die meiste Zeit ihres Lebens als „Pit“ auftritt, und in der lärmenden Aussteiger-WG wohnt, die Elsa, also Namis Großmutter, um den Schlaf bringt. „Was diese Geschichten unglaubwürdig macht“, schreibt Wood, „ist gerade ihr Übermaß, ihr Wuchern.“
Spaß macht diese Überdrehtheit, dieses Hakenschlagen der Handlungsstränge trotzdem. „Scharnow“ ist ein bisschen wie ein trunkener Abend in einer Studenten-WG-Küche, bei dem man sich unentwegt ins Wort fällt, bei dem eine Idee gar nicht grotesk genug sein kann und keine zu ihrem logischen Ende geführt werden muss. Bela B bringt dieses assoziative erzählerische Voranschreiten scheinbar ungefiltert in Buchform. Die Handlung schildert er aus gewisser Distanz, als würde er seine Charaktere nicht ganz ernst nehmen.
Und so überlädt er den Text mit Informationen über die Kindheitsgeschichte der einen Person und die Aspirationen der anderen, erzählt von großen Freundschaften, frischen Liebschaften und sogar dem Tod geliebter Haustiere, wirkliche Tragödie aber liegt ihm fern. Als Sylvias Hund Cloudy stirbt, schreibt Bela B: „Auf die Überraschung folgte Entsetzen. Dann die Erkenntnis, dass Cloudy wirklich fort war. Und gleich darauf Unverständnis und Wut angesichts dieser sinnlosen Tat. Schließlich aber: Resignation. Sylvia sollte einfach nicht glücklich sein.“
Wer fühlen will, wirklich fühlen will, ist in Scharnow fehl am Platz. Viel wichtiger als das Hineinversetzen in die einzelnen Charaktere ist der Überfluss an Informationen über sie und ihre Umwelt, über ihre Meinungen, ihre Ticks. In „Scharnow“ erkundet Bela B weniger, warum Menschen so sind, wie sie sind, als dass er aufzeichnet, wie sie gerade sind, und so gibt es in „Scharnow“ missverstandene Pegida-Anhänger und einen syrischen Geflüchteten, der sich im Internetcafé seines Onkels langweilt, Verschwörungstheoretiker und einen vertuschten Missbrauchsskandal an einer Schule.
Bela B beobachtet die Welt und integriert eine zeitgenössische Referenz nach der anderen in seine Erzählung. Dass seine Charaktere so mehr zu Vehikeln einer Gegenwartsbeschreibung als zu eigenständigen Schöpfungen werden, dass sie unter der Last der Motive und Ideen verblassen, nimmt er in Kauf.
Und doch spiegelt sich in „Scharnow“ gerade eine sehr zeitgenössische Wahrnehmungsweise wider: in dem Versuch, im Dickicht der Zeichen eine Möglichkeit zu finden zu sprechen, ohne zu wiederholen, zu erörtern, ohne wiederzukäuen, zu denken, ohne bloß zu referenzieren. Und wie im echten Leben klappt es in der Literatur nicht immer.
JANNE KNÖDLER
Bela B Felsenheimer: Scharnow. Roman. Heyne Hardcore, München 2019. 416 Seiten, 20 Euro.
Was diese Geschichten
unglaubwürdig macht, ist
gerade ihr Übermaß
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.05.2019

Was reimt sich bloß auf Scharnow?
Tourette-Roman: Bela B Felsenheimer, Schlagzeuger der Band Die Ärzte, hat sein literarisches Debüt verfasst

Wer einen Dorf-Roman zur Hand nimmt, hat bestimmte Erwartungen. Die Schauplätze sollten heimelig, die Figuren nachdenklich und die Ereignisse dazu passend sein. Nun die Probe aufs Exempel: Zwei Brüder stehen im Flur eines Wohnhauses. Sie zielen aufeinander. Der eine ist mit einer herkömmlichen Pistole bewaffnet, der andere mit einem Gasrevolver. Beide drücken ab. Während sich das Hirn des einen wie in einer Erzählung Heinrich von Kleists an der Wand verteilt, wird der andere von der Leuchtspurmunition am Hals getroffen: "Das Letzte, was er in seinem Leben schmeckte, waren Phosphor und sein eigenes geröstetes Fleisch."

Gefilmt wird die Szene von einer am Tourette-Syndrom leidenden Nachbarin, die ständig nicht zitierfähige Unflätigkeiten herausschleudert. Wo passiert so etwas? Im fiktiven, nördlich von Berlin gelegenen Dorf Scharnow, das dem Roman seinen Namen gibt. Wer denkt sich derartiges aus? Bela B Felsenheimer, Schauspieler, Synchronsprecher und Schlagzeuger der Band Die Ärzte.

Da die Brüder nicht die einzigen Todesopfer sind, braucht es ausreichend Personal, um die Story am Laufen zu halten. So werden alle mitwirkenden Figuren gleich zu Beginn dieses Debüts in einem sechsseitigen Verzeichnis vorgestellt. Wobei Figur hier ein sehr weit gefasster Begriff ist, denn auf der Liste stehen unter anderem der örtliche Supermarkt und der portugiesische Wasserhund Cloudy - übrigens die Schwester von Bo, dem Haustier der Familie Obama. Einen Vorgeschmack auf das Ideen-Kaleidoskop, mit dem es der Leser zu tun bekommt, geben die Berufe, Eigenheiten und Vorlieben der Charaktere. Felix Pathé etwa war früher Gülleproduzent und arbeitet momentan als Zirkusdirektor. Marlies Maria Henkel leitet den Billkauf (Slogan: "Bei uns ist billig immer auch gut!") und hat, das scheint nicht unwesentlich zu sein, Mundgeruch. Sieben, ehemaliger Hertha-BSC-Hooligan, fungiert als "Mann fürs Grobe", kämpft jedoch mit zahllosen Phobien. Polizeihauptmeister Dietmar Senger begeistert sich für Döner und Genrefilme. Auch Bela B ist, von Fantasy einmal abgesehen, bekennender Genre-Apologet.

Das merkt man seinem Roman an. Hier ein wenig Thriller und Action, dort ein Schuss Science-Fiction und Horror. Und insgesamt viel Komik. Dabei entsteht allerdings kein lückenloser Wirkungs- und Überrumpelungszusammenhang. Der Autor achtet darauf, nicht all jene Aspekte zu verramschen, die von Kulturkritikern als Ausweis ernstzunehmender Literatur betrachtet werden. "Scharnow" profitiert zum Beispiel von einer personalen Erzählweise, die den Leser ganz unmittelbar an die Figuren heranführt. Die daraus resultierende Vielstimmigkeit steigert die Komplexität und Ambivalenz der Geschichte. Ein Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, dass am Ende nicht plötzlich - wie in vielen Krimis - von Effekt auf Erklärung umgeschaltet werden muss. Manches bleibt in "Scharnow" unmotiviert, etliches wird lediglich angerissen. Liebesgeschichten und gesellschaftskritische Beobachtungen präsentiert Bela B in grober Schraffur, nicht als haarklein koloriertes und belehrendes Sittenbild.

Schon seit einigen Jahren schlägt die Provinz in der deutschen Literatur zurück. Während Großstädte immer voller werden und Dörfer veröden, reagieren viele Autoren mit einer kompensatorischen Kollektivgeste: dem ästhetischen Rückzug ins Ländliche. Sie widmen sich schwelenden Kleinbürgerkonflikten und betreiben Balzac-sche Charakterstudien. Jedoch entfalten Bücher wie Juli Zehs "Unterleuten", Dörte Hansens "Altes Land" oder Kathrin Gerlofs "Nenn mich November" keine Breitwandidyllen mit einem verkitschten Landlust-Surplus aus Festtagsrezepten und Häkelkissenkuscheligkeit. Stattdessen: Tristesse und Strukturwandel, leise Töne, Abgesang. Das Gegenteil von Thomas Bernhards hasserfüllten Tiraden gegen die Provinz. Bela Bs Roman hat stilistisch wie thematisch weder mit dem einen noch mit dem anderen Fall etwas zu tun. Er ist eine Leistungsschau von Absurditäten, in der homosexuelle Eichhörnchen genauso Platz finden wie Außerirdische, durchgeknallte Verschwörungstheoretiker und ein fliegender Mann, dessen Gegner auf Namen wie Tormentor oder Screw hören.

Zwei Jahre hat die Arbeit an "Scharnow" gedauert. Aus einer losen Sammlung von Einfällen wurden Kurzgeschichten, die wiederum zum Roman heranwuchsen. Daher erscheint der Plot stellenweise wie eine Kette von Episoden, die aufeinander und nicht auseinander folgen. Das Lesevergnügen leidet nicht darunter, denn der Autor schreibt auf disziplinierte Weise undiszipliniert. Allenthalben schlägt die Handlung Haken, dauernd knarzt sie unter dem Gewicht der vielen Einfälle - und trotzdem gerät sie kaum aus der Form. Stephen King hebt in seinem Memoir "On Writing" hervor, man solle beim Schreiben Risiken eingehen und ausprobieren, was einem in den Sinn kommt. Diese Empfehlung hat bei Bela B, für den das Buch eine Art Beratungsfibel gewesen ist, Spuren hinterlassen. So bezieht er sich beispielsweise auf den Topos der gefährlichen Lektüre - im achtzehnten Jahrhundert zur "Lesewut" stilisiert -, indem er einen Folianten namens "Horror Vacui" mordend durch das Dorf ziehen lässt.

Solche Eskapaden haben freilich etwas Gewolltes, Spitzbübisch-Pubertäres. Zugleich lassen sie an den aus der antiken Tragödie bekannten Deus ex Machina denken, der zuverlässig dann erscheint, wenn der Konflikt in einer Sackgasse zu versumpfen droht. Dieser Kniff ist dem Genre nie fremd gewesen. Raymond Chandler soll gesagt haben, sobald er bei der Konstruktion einer Handlung nicht mehr weiterwisse, lasse er einfach jemanden mit einem Revolver zur Tür hereinspazieren. Der Reiz des nicht Absehbaren kitzelt auch Bela B, was immer schon an seinen Songtexten erkennbar war, in denen er "Alien" auf "bewerkstelljen" oder "Dixi-Klo" auf "Modern-Talking-Show" reimt. Nun ist "Scharnow" kein dreiminütiges Lied, sondern ein vierhundert Seiten starker Roman, in dem jeder noch so abwegige Firlefanz auf viel Raum gewürdigt wird. Da steigt die Landlust.

KAI SPANKE

Bela B Felsenheimer:

"Scharnow". Roman.

Heyne Verlag, München 2019. 416 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Marcus Weingärtner leitet seine Rezension mit einem ausgedehnten Lobgesang auf Bela B.'s Musikerkarriere mit den Ärzten ein. Deren Musik war nämlich laut Weingärtner von einem manchmal bizarren Humor geprägt, dem er stellenweise auch in "Scharnow" begegnet. Scharnow ist ein fiktives Dörfchen in Brandenburg, wo sich in der Vorstellung des Autors Rentner und Verschwörungstheoretiker zwischen Plattenbauten und jenseits allen guten Geschmacks gute Nacht sagen, lesen wir. Glücklicherweise verbietet sich Felsenheimer den typischen Hohn der Städter, so Weingärtner, der die Beobachtungen des Autors feinfühlig, manchmal fast "liebevoll" findet. Man merke eben: Felsenheimer habe ein großes Herz für die Außenseiter, so groß, dass er gleich fünfzig davon einführt, die miteinander im Clinch liegen. Leider trägt das auf die Dauer nicht, der Witz flaut ab, die Story läuft leer, erkennt der am Ende doch etwas enttäuschte Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Eine «ganz eigene Art von Literatur!« ZDF aspekte
»Hier spricht ein selbstbewusster und scharfsinniger Erzähler in bester Laune - mit unbestreitbarer Kompetenz fürs Genre.« Jan-Paul Koopmann, Spiegel online