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Tom liebt Nina. Nina liebt Tom. Sie hat nur noch wenige Tage zu leben. Die größte Liebesgeschichte seit Love Story. So jemanden wie Nina hat Tom noch nie gesehen: Sie sieht aus wie ein Knabe und hat diesen Gangsterblick, der keine Schwächen zulässt. Er selbst bastelt Feuerbomben und inszeniert Geschichten, die wie die Wahrheit klingen. In Barcelona lernen sie sich kennen, in Berlin experimentieren sie mit Sex, Pop und Drogen, und in L. A. gründen sie eine Familie. Nina & Tom sind das ungleiche Paar, das nur die Extreme kennt. Doch nun, nach dreißig gemeinsamen Jahren, ist Nina krank. Sie wird…mehr

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Produktbeschreibung
Tom liebt Nina. Nina liebt Tom. Sie hat nur noch wenige Tage zu leben. Die größte Liebesgeschichte seit Love Story. So jemanden wie Nina hat Tom noch nie gesehen: Sie sieht aus wie ein Knabe und hat diesen Gangsterblick, der keine Schwächen zulässt. Er selbst bastelt Feuerbomben und inszeniert Geschichten, die wie die Wahrheit klingen. In Barcelona lernen sie sich kennen, in Berlin experimentieren sie mit Sex, Pop und Drogen, und in L. A. gründen sie eine Familie. Nina & Tom sind das ungleiche Paar, das nur die Extreme kennt. Doch nun, nach dreißig gemeinsamen Jahren, ist Nina krank. Sie wird sterben. Und niemand kann sie davon abhalten, ihre letzten Tage in Freiheit zu verbringen... Tom Kummer, der »Bad Boy« des deutschen Journalismus, hat der Frau ein Denkmal gesetzt, von der ihn nur der Tod scheiden konnte: ein durch und durch erschütterndes Buch. Ein Buch, wie es nur das Leben schreiben kann.
Autorenporträt
Tom Kummer, geboren 1961 in Bern, ist ein Schweizer Journalist. Im Jahr 2000 löste er wegen fiktiver Interviews einen Medienskandal aus. Er lebt in Los Angeles und Bern. Er schrieb u.a. Good Morning, Los Angeles. Die tägliche Jagd nach der Wirklichkeit (1996) und den Roman Blow Up (Blumenbar, 2007).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2017

Die Wahrheit der Liebe

Der notorische Wirklichkeitsfälscher Tom Kummer hat einen Roman geschrieben. Was macht er aus der Lizenz zur Fiktion?

Was für ein unmöglicher Roman: Als Ninas Körper immer lebloser wird, als sie, vom Krebs und Morphium gezeichnet, auf einer Matratze mit Plastikschutzhülle liegt, ihre beiden Söhne sich "längst verabschiedet haben, um sich selbst zu retten", staut sich in ihrem Mann das Verlangen. Anstatt ihr Pflegegerätschaften ans Bett zu stellen, legt er die Hand zwischen ihre Beine, zieht ihr Seidenunterwäsche an, lässt sie in High Heels durch die Wohnung wanken und öffnet die Vorhänge, um die Unwirklichkeit von Los Angeles hereinzulassen.

"Die größte Liebesgeschichte seit Love Story", behauptet der Verlag von "Nina & Tom". Vor allem ist es wohl eine ungewöhnliche Liebesgeschichte. Nina, das ist, solange sie lebt, ein schönes, faszinierendes Monster, dominant, androgyn, asozial, "stark in der Krise", trotzig wie ein Kind. Nina stellt ihre Stiefel aufs Polster und schmeißt Bücher aus dem Fenster. Sie hat "kein Verständnis für Schwächen" und möchte beim Sex gewürgt werden. Sie hat eine Obsession mit Spiegeln, Verkleidungen und Cremes. "Die Haut war ihr Feind", schreibt der Autor und: das ist "mein persönlicher Bericht auf Ninas Kosten. Sie wird mich umbringen, wenn sie jemals davon erfährt." Und so wird die erst empfundene Empörung über die Schonungslosigkeit der Beschreibung zur Empathie mit dem Ich-Erzähler.

Als Tom Nina kennenlernt, arbeitet sie in einem Club in Barcelona. Ihr Outfit ist interessanter als die innere Leere, die sie als Geheimnis tarnt. Die beiden wissen nichts voneinander und leben von jetzt an gemeinsam. Ein neues Traumpaar zwischen Lederschwulen und Koks-Existenzialisten.

Manchmal wacht Tom auf, weil Nina ihm ins Gesicht schlägt und sofortige Aufmerksamkeit von ihm verlangt. Sie will von ihren Träumen erzählen. Aber Tom interessiert sich nicht besonders für Träume. Nina ist seine große Liebe, am Ende sahen sie sich sogar ähnlich, so nah waren sie. Dreißig Jahre gemeinsames Leben. Zwei Söhne. Vier Tumore. Zwei Jahre Chemotherapie. Ein Jahr Sterben. Bilanz einer Ehe. Und auch wenn es nicht gleich danach klingt, es ist ein Roman, der die Angst vor dem Sterben verringert.

Der Autor des Buches "Nina & Tom" heißt Tom Kummer, der Schweizer Autor, der in den neunziger Jahren Interviews und Reportagen veröffentlichte, bis herauskam, dass er sich die Gespräche mit Stars ausgedacht hatte. Den Schauspieler Charles Bronson ließ er über die Bedeutung der direkten Ansprache von Pflanzen in der Orchideenzucht reden, Courtney Love über den pädagogischen Einsatz von LSD in der Erziehung durch ihre Eltern. Ein Angriff auf die Werte des Journalismus. Kummer verlor seine Auftraggeber und wurde in Los Angeles Tennislehrer. Es wurde ein Dokumentarfilm über ihn gedreht, "Bad Boy Kummer". 2007 erschien das Buch "Kleiner Knut ganz groß: Der berühmteste Eisbär der Welt im Gespräch mit Tom Kummer", was der Verlag vermutlich sogar ernst meinte. Und das Magazin "032c" veröffentlichte ein paar seiner alten Interviews. Kummer wurde kurz rehabilitiert, schrieb Reportagen und wurde anschließend wieder geschasst, weil er für seine Texte ganze Passagen von Kollegen übernahm. Wenn dieser Tom Kummer, der im Journalismus alles am liebsten erfunden hat, jetzt einen Roman schreibt, hat er da seinen Ort gefunden? Liegt ihm die Fiktion nicht sowieso viel mehr als die Wirklichkeit? Und was kann einer, der sich immer selbst ausstellte, nun mit dieser Lizenz zur Prosa?

Auch die Liebe von Tom und Nina liest sich wie eine Kummer-Geschichte, voller Ereignisse, Explosionen, Ekstasen. Das ganze Buch inhaliert sich so weg, die Schlagworte knallen. Ein schöner Schocker mit dem Besten aus den achtziger und neunziger Jahren: Streifzüge durch die Mauerstadt, nächtliches Kotzen, Nan Goldin huscht durchs Bild, Nick Cave steht an der Bar. Kaputter Sex gefolgt von Abtreibung. Gestörte Mutter-Beziehungen, Langeweile, Desinteresse, Rücksichtslosigkeit. Eine Schleife, in der alles mit allem zusammenhängt. Nina und Tom wollen irgendetwas fühlen, das sie bekämpfen können. Der "rasche und ununterbrochene Wechsel innerer und äußerer Eindrücke", das habe ihre "Beziehung zementiert", schreibt Kummer.

Nina ist erst mal eine Rettung für Tom, der gerade dabei war, durch Spanien zu fahren, irgendetwas anzuzünden und davon einen Super-8-Film zu drehen. Außer gesehen zu werden, hat er keinen größeren Auftrag. Nina macht Tom, sie macht seine Geschichten, bringt ihn auf Themen, geht mit ihm auf Recherchereisen und lässt ihn glauben, er sei ohne sie nichts wert.

Der Roman stilisiert ihre Gemeinschaft zu einer Art Antibeziehung, in der beide vorgeben, sich nicht füreinander zu interessieren, obwohl sie vollkommen symbiotisch leben. Ihr Hass scheint so groß zu sein wie ihre Liebe. Ihr Sex ist wie Krieg. Eine "Koalition" zweier Menschen, deren Widerstand mehr Hedonismus als Kritik ist. Tom und Nina sind zusammen, um sich gegenseitig "ein bisschen zu zerstören". Deswegen scheinen sie keine Angst voreinander zu haben.

Kummer beschreibt die Faszination der Tragödie. Natürlich vergleicht er Nina und Tom mit Yoko und John, Syd und Nancy. Tom und Nina seien "Künstler ohne Werk", schreibt Kummer einmal. Ihre Existenz ist die Inszenierung. "Es gibt immer einen Punkt, an dem man nicht mehr weiß, ob man lügt, und das, was man erfunden hat, plötzlich wahrer ist als man selbst." Dieses Zitat aus Musils "Mann ohne Eigenschaften" steht ziemlich am Anfang des Romans. Wie lange muss man an Liebe glauben, bis man sicher ist, dass sie bleibt?

Es ist natürlich ein romantisches Buch. Die Existenz sei ein Gefängnis, schreibt Kummer, und man würde wahnsinnig, würde man nicht die Hand nach einem anderen ausstrecken, um sich mit der Außenwelt zu vereinen. Ist es so einfach? Vermutlich. Bloß nicht verrückt werden, einfach verrückt bleiben.

Irgendwann flieht das Paar vor noch mehr Leere und Eskalation nach Los Angeles. Die Stadt sei "Prospekt für das Leben", in Los Angeles seien sie "wie erfunden", heißt es. Während eines Tornados wird ihr erstes Kind gezeugt, das die Kokainabhängigkeit Ninas ablöst. Und die Beziehung wird zu einer zärtlichen Liebe, in der beim Sex die Augen geschlossen werden. Das ist ungefähr die Zeit, in der Kummer auffliegt. Er fährt zum Tennisunterricht. Die Familie schläft in einem Zimmer, zehn mal sieben Meter. "Widerstandsnest" nennt Kummer, was andere fehlende Privatsphäre nennen würden. Alle sind glücklich. Dann kommt die Diagnose.

Die abwechselnden Beschreibungen der jungen und der sterbenden Nina sind ein gelungener Kontrast. Das Wechseln des Blickes von Spuckefetzen zu Brüsten, die Sexualisierung des Sterbens, das hat beim Lesen bald eine beruhigende Wirkung. Dass sich Menschen, die sich vor dem Tod fürchten, in Sex flüchten, ist mehrfach wissenschaftlich untersucht worden. "Nina & Tom" ist also ein Buch gegen Todesfurcht. Und nicht nur, weil so oft schmatzend kopuliert wird. Auch wegen der genauen Beschreibung des Sterbens: rissige Lippen, rote und gelbe Flüssigkeiten, Röcheln, Wut, Dämmern, stilles Schreien, brennender Körper. Kummer ästhetisiert das Sterben zum Naturschauspiel.

2007 schrieb Tom Kummer einen autobiographischen Roman, "Blow up", in dem er seinen Skandal erzählte. Auch in "Nina & Tom" gibt es Beschreibungen dieses Aufstiegs und Absturzes, die sich autobiographisch lesen, manchmal klingen sie pflichtschuldig, manchmal rechtfertigend. "Ich habe mein Leben lang gesampelt", lässt er sich sagen. Wie sehr sich die Fiktion an die Wirklichkeit hält, spielt in der Regel in Romanen keine Rolle. Wenn ihr Autor aber Kummer heißt, dreht sich die Frage um: Was hat er nicht erfunden?

Nina, die Frau des Autors Kummer, ist 2014 gestorben, was nicht bedeutet, dass man sein Buch deshalb als Memoir entschlüsseln muss. Es ist egal, was stimmt, weil die große Liebe immer ein bisschen ausgedacht ist. Kummer will keine Tränen sammeln, er macht nur ein Überleben möglich. Und trotzdem ist es das Verhältnis zur Wirklichkeit, aus dem dieser Wahnsinnsroman seine Kraft bezieht: Als Autor eines Romans weiß Kummer, dass er ihr nicht entkommt. Weil er mit offenen Augen ins Feuer rennt, ist man in seiner Liebeserklärung völlig gefangen. Was Kummer über die Liebe schreibt, daran gibt es gar keine Zweifel, ist nicht nur seine Wahrheit.

LAURA E. EWERT

Tom Kummer: "Nina & Tom". Blumenbar, 253 Seiten, 20 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.04.2017

Gewölbte Stirn, rote Brillanten
Ein Mann, der seiner eigenen Stimme nicht traut: Der Journalist Tom Kummer schwankt in seinem
autobiografischen Roman „Nina & Tom“ zwischen Klischee, Plagiat und überzeugend nüchternem Bericht
VON TOBIAS KNIEBE
Speichel tröpfelt aus den Mundwinkeln, die Augen sind in stummem Entsetzen aufgerissen, dann rudern plötzlich die Arme, als wollten sie alles wegstoßen. Nur ein „Hauch von Mensch“ liegt da noch im Bett, nichts als Haut und Knochen. Die Haut brennt vor Hitze, der Atem geht röchelnd und furchtbar schnell. Die Nachtwindel ist voll.
Schon das ist eine große Entscheidung: das Sterben eines Menschen, den man dreißig Jahre lang geliebt hat, in allen Details, in aller Drastik aufzuschreiben. Für Tom Kummer, der seine Frau Nina im September 2014 an den Krebs verloren hat, nach zweieinhalbjährigem Kampf, ist das aber nicht genug. Er ist schließlich Tom Kummer! Der Bad Boy, der Interviewfälscher, der Grenzüberschreiter und Unbedingtheitsfanantiker. Die Welt will von ihm, sagt er, „die Porentiefe“.
Also lässt er gleich mal auf Seite eins von „Nina & Tom“ seine Hand zwischen die Beine dieses stummen, röchelnden Bündels Mensch gleiten. Weil er sich nach Intimität sehnt. Weil er an den wilden Sex der Vergangenheit denkt. Weil er berichten möchte, wie einst „die Geilheit wie ein Wahnsinn in ihr aufstieg“, und auch, wie sehr die Sterbende es früher gemocht hat, „wenn ich ihren Hals würge, während ich von hinten in sie eindringe“.
Einen „persönlichen Bericht auf Ninas Kosten“ nennt Tom Kummer das, und fügt an: „Sie wird mich umbringen, wenn sie jemals davon erfährt.“ Das ist der letzte Satz des Buches, und den glaubt man ihm. Wie man auch die meisten anderen Details glaubt, die man hier erfährt. Dass der Verlag Blumenbar/Aufbau das Buch als „Roman“ unter die Leute bringt, ändert daran praktisch überhaupt nichts.
Wer davon abgestoßen ist, wird über die ersten Seiten nicht hinauskommen. Allen anderen wird die Entscheidung, das wirklich vollständige Bild eines Menschen und einer großen Amour fou zu zeichnen, mit allen Nuancen und Schattierungen, am Ende als eine Entscheidung der Liebe erscheinen. Nina hätte dem vielleicht nicht zugestimmt. Aber wenn sie die Frau war, die wir hier kennenlernen, hätte sie die Intention dahinter gesehen. Und man merkt auch schnell, dass diese Art der Offenheit für Tom Kummer ein Lebensprinzip ist, nicht nur ein Vehikel literarischer Geltungssucht. Zum Sabber der Dahinsiechenden und der Restgeilheit ihres Ehemanns und Pflegers gruppieren sich auch noch die beiden Söhne, zehn und sechzehn Jahre alt, die das Sterben der Mutter betrachten und mit großer Selbstverständlichkeit akzeptieren. Sie kennen nur diese Nähe.
Im Jahr 2011 hat der ehemalige Tagesanzeiger-Redakteur Miklós Gimes die Filmdokumentation „Bad Boy Kummer“ über seinen einstigen Star-Interviewer, der zum Fälscher-Paria wurde (und unter anderem auch dem SZ-Magazin mit seinen frei erfundenen Prominenten-Interviews sehr geschadet hat), gedreht. Darin kann man die Intimität des hier beschriebenen Kummer’schen Familienlebens in ein paar schönen Szenen auch sehen.
Da lebt die Familie wirklich, wie im Buch, in einem Apartment in Downtown Los Angeles, wo ein großer Raum zugleich Wohnzimmer und Schlafzimmer für alle ist. Zwei blonde Lockenköpfe springen herum und sind überall dabei, Nina und Tom geben Interviews, und mindestens einer der Söhne kuschelt sich immer in irgendeinen Arm, wenn geredet wird. Eine Familie, die alles teilt, die sich auch in den letzten Stunden nicht von der Mutter trennen will – das wirkt wie ein Ideal aus einer fremden, urtümlichen Welt.
Die Entscheidung, davon einfach in aller Intimität zu erzählen, ohne an die Frage von Tabubrüchen und Pietätsgrenzen auch nur einen Gedanken zu verschwenden, und die eigene Frau dabei nicht nur erotisch zu überhöhen, diese Entscheidung hätte ein fantastisches Buch ergeben können. Teile von „Nina und Tom“ sind auch wirklich brillant. Leider aber fehlt Tom Kummer dafür das letzte Vertrauen. Denn irgendwann wird klar: Er ist ein Getriebener, der wirklich pathologische Fall eines Autors, der für seine exzessivsten Passagen einst Aufmerksamkeit und Verehrung erfuhr und diesem Gefühl nun auf ewig hinterherjagen muss.
So kommt es, dass die Vorgeschichte von Nina und Tom – ihr Kennenlernen in der wilden Clubstadt Barcelona in den Achtzigerjahren, ihre wildes Leben in der Mauerstadt Berlin, ihre immer gemeinsamen, selbstverständlich wilden Recherchereisen nach Kummers Aufstieg zum Reporter der Zeitschrift Tempo, schließlich ihr Umzug ins wilde Drogen- und Illusionsparadies Los Angeles – ohne Rücksicht auf Verluste hochgetunt und aufgeblasen werden muss. Ein Paar, das seine sexuellen und emotionalen Besonderheiten erfolgreich zur Deckung gebracht hat, dem gönnt man doch einfach sein Glück. Aber muss deshalb immer gleich eine „Ballade der sexuellen Abhängigkeit“ daraus werden, um die Künstlerin Nan Goldin zu zitieren, die sich einmal als Randfigur in Berlin durchs Bild knipst? Müssen legendäre Drogen- und Krawallpaare wie Sid & Nancy hier wirklich als ernst gemeinte Referenz beschworen werden? Man liest diese Erinnerungen, und sie fühlen sich manchmal nur großkotzig an, oft aber auch platt, falsch, leer und irgendwie müde. So als würden Posen der Vergangenheit, die ihr Verfallsdatum längst überschritten haben, als reine Pflichtübung noch einmal nachgestellt.
Und irgendwann begreift man dann auch, warum das so wirkt: Vieles ist hier einfach aus zweiter Hand. Tom Kummer schreibt ganze Passagen einfach irgendwo ab. Geht es wortgewaltig um die Oberflächlichkeit von Los Angeles und den dort regierenden Frauentyp, ist plötzlich von „posthumanen Geschöpfen“ die Rede, „befreit vom Unrecht der Hässlichkeit“ – alle die gleiche gewölbte Stirn, seidenschimmernde Haut, Mandelaugen, Stupsnasen. Klingt wuchtig, aber auch irgendwie wie ein Fremdkörper im Text. Und stammt denn auch nicht von Tom Kummer, sondern von dem französischen Autor Frédéric Beigbeder, nahezu wortgleich übernommen aus dessen Roman „39,90“.
Geht es wortgewaltig um Tornados, die Nina und Tom in Kansas jagen, sticht sprachlich vor allem ein Sonnenaufgang heraus. „Als goldenes Licht über den Rand des Horizonts von Kansas steigt, feuert die Sonne auf einmal Juwelen in alle Richtungen und lässt rote Brillanten in der Luft leuchten.“ Nicht schlecht, passt aber nicht recht zum Rest der Passage. Und stammt wörtlich aus der deutschen Übersetzung von Richard Fords Roman „Rock Springs“.
Geht es wortgewaltig um irres Gefasel, das Nina einmal im Drogenrausch von sich gibt, klingt das so: „Es ist gut möglich, dass ich alles hasse, was nicht wild und frei ist, sagt Nina. „Wild und frei ist nur jemand, der es sinnlich mag: alles zusammenhauen... knietief durch den Abfall spazieren.“ Und so fort. Nur redet da eben nicht Nina, und auch nicht Tom Kummer, sondern die Punk-Autorin Kathy Acker in ihrem Roman „Harte Mädchen weinen nicht“.
So könnte man fortfahren, aber wozu? Nichts wäre sinnloser, als einem Mann noch einmal Plagiate vorzuhalten, der schon mehrfach des Fälschens und Abschreibens überführt wurde und das Klauen schöner Sätze einfach als seine persönliche Montagetechnik begreift. Wer darüber Erstaunen äußern wollte, etwa beim Blumenbar-Verlag, dem wäre wirklich nicht mehr zu helfen. Die Rätselfrage aber bleibt: Warum macht Tom Kummer das? Die geklauten Passagen lassen ihn nämlich nicht als besseren, wortmächtigeren Autor erscheinen.
Man spürt, dass diese Sätze dort irgendwie nicht hingehören, wo sie stehen, dass sie ganze Kapitel aus einer delikaten Balance werfen, die Tom Kummer oft erreicht, dass sie Fremdkörper sind. Und das ist schade. Denn hinter all dem geborgten Bombast kann man hier auch etwas Anderes erkennen: eine oft erstaunlich trockene und überzeugende, vollkommen kohärente Autorenstimme, die endlich zu ihrem eigenen Recht kommen sollte – ohne Sätze, die von anderen stammen, ohne die ewige Angst, allein nicht zu genügen. Zu erzählen hätte sie genug.
Kummer erzählt vom
Sterben seiner Frau, ohne
an Pietätsgrenzen zu denken
Manchmal fühlen sich diese
Erinnerungen nur großkotzig an,
dann wieder platt und leer
Schade, dass die eigene
Erzählerstimme dieses Autors
so selten zu Wort kommt
Tom Kummer ist durch seine erfundenen Prominenten-Interviews zum „Bad Boy“ des deutschen Reportage-Journalismus geworden. Jetzt versucht er es mit dem Schreiben über das eigene Leben.
Foto: dpa
Tom Kummer:
Nina & Tom. Roman.
Blumenbar im Aufbau
Verlag, Berlin 2017.
253 Seiten, 20 Euro.
E-Book, 15,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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»Tagebuchartig beschreibt Tom Kummer offen und berührend das Sterben seiner an Krebs erkrankten Frau Nina.« Magazin 20190222