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Levi hat auf der Beerdigung seiner Mutter die Urne geklaut. Jetzt versteckt er sich auf einem Hausdach mitten in Berlin.
Tigerschatten springen zwischen den Dächern, sitzen Levi im Nacken und streifen um die Urne - derselbe Tiger, der seine Mutter getötet hat, davon ist Levi überzeugt, auch wenn er in letzter Zeit viel zu schnell erwachsen werden musste und es eigentlich besser weiß. Im Kampf mit dem Verlust sucht der Junge sich seine eigenen Verbündeten: Da ist der mysteriöse Vincent, der mit ihm durch die Stadt fährt und im selben Haus wohnt, aber bis auf ein paar zwielichtige Geschäfte…mehr

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Produktbeschreibung
Levi hat auf der Beerdigung seiner Mutter die Urne geklaut. Jetzt versteckt er sich auf einem Hausdach mitten in Berlin.

Tigerschatten springen zwischen den Dächern, sitzen Levi im Nacken und streifen um die Urne - derselbe Tiger, der seine Mutter getötet hat, davon ist Levi überzeugt, auch wenn er in letzter Zeit viel zu schnell erwachsen werden musste und es eigentlich besser weiß. Im Kampf mit dem Verlust sucht der Junge sich seine eigenen Verbündeten: Da ist der mysteriöse Vincent, der mit ihm durch die Stadt fährt und im selben Haus wohnt, aber bis auf ein paar zwielichtige Geschäfte kaum etwas von sich preisgibt. Und Kolja, der Kioskbesitzer, für den Gedächtnisschwund noch immer die beste Art ist, sein Leben zu bewältigen - ausgelöst durch jede Menge Whiskey. Aber Levis Erinnerungen tauchen genauso hartnäckig aus der Vergangenheit auf wie Koljas Bilder aus seiner Zeit als Kriegsfotograf, die er in einem Hinterzimmer seines Kiosks immer noch entwickelt.
Autorenporträt
Carmen Buttjer, 1988 geboren, wuchs in Deutschland und Finnland auf. Sie lebt in Berlin und studierte Industriedesign. Ein Teil ihrer Entwürfe ging in Serie, daneben arbeitete sie mehrere Jahre in verschiedenen Manufakturen. »Levi« wurde für den Bayerischen Buchpreis nominiert.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.09.2019

LITERATUR
Unter Versehrten
In Carmen Buttjers Debütroman „Levi“ müssen ein Kind und
drei Männer lernen, mit dem Tod zu leben
VON FRAUKE MEYER-GOSAU
Levi ist elf Jahre alt, und schon sein bisheriges Leben ist nicht ganz in den üblichen Bahnen verlaufen. Geboren in Paris, hat er mit seinen Eltern in Brüssel und London gewohnt, bis sie vor einem knappen Jahr nach Berlin gezogen sind. Seither lagen Mutter und Vater miteinander im Streit – mal drohte sie, ihren Mann aus der Wohnung zu werfen, mal drohte er, sie und das Kind zu verlassen. Aber nun ist sie, eine Pathologin, an ihrem Arbeitsplatz ermordet worden, und wie es scheint, war Levi, unter ihrem Schreibtisch verborgen, dabei, während sie starb. Er hat auch gesehen, wie anschließend die Leiche, an der sie gearbeitet hatte, aus der Pathologie entführt wurde.
Wie soll sein Leben danach weitergehen? Wie soll es weitergehen für ein Kind, das sich eben vor Beginn der Trauerfeier im Krematorium die Urne mit der Asche seiner Mutter schnappt, damit nach Hause rennt und sich auf dem Dach in einem Zelt verschanzt? Eine notdürftige Alarmanlage mit großem Küchenmesser hat er auch installiert, denn wer weiß, wer sich da so alles anschleichen könnte, seinetwegen, aber auch wegen der Urne.
„Levi“ ist Carmen Buttjers erster Roman, und man kann tatsächlich nur staunen: über das Tempo. Über den Ton. Über die Einfälle, die da mit einer Selbstverständlichkeit, wie sie nur ein Elfjähriger aufbringen kann, hintereinanderweg übereinanderpurzeln. Denn erst einmal ist Levi, der sich zur Beerdigung seiner Mutter statt eines weißen Hemds ein ausgeblichenes T-Shirt mit dem Queen-Titel „Another one bites the dust“ angezogen hatte, der Ich-Erzähler. Er wird es auch im weiteren Verlauf, im Wechsel mit der Stimme eines allwissenden Erzählers, immer wieder über lange Strecken sein: Was Levi sieht und fühlt und denkt und tut, was er fürchtet und wünscht, bestimmt weitgehend das Geschehen.
Und das ist natürlich eine einigermaßen riskante Anlage für einen Roman, der für Erwachsene geschrieben wurde: Sentimentalität oder ostentative Abgebrühtheit sind nur zwei der Gefahren, die da am Erzähl-Wegesrand lauern. Doch Carmen Buttjer umschifft sie ziemlich mühelos, und das liegt vor allem daran, dass Figuren und Handlung nah am Realismus gebaut, zugleich jedoch immer ein merkliches Stück vom Möglichen oder Wahrscheinlichen weggerückt sind: eine dunkel fantastische Welt mit harten Wirklichkeitsanteilen.
So gibt es etwa auf der Gegenwartsebene des gesamten Buches keine einzige Frau, die sich Levis annehmen könnte, er ist von Männern umgeben. Sie alle wurden auf unterschiedliche Weise ebenfalls aus ihrer ursprünglichen Lebensbahn geworfen, wie der gebürtige Tscheche Kolja, mittlerweile um die sechzig Jahre alt, der seit einiger Zeit gegenüber von Levis Wohnhaus einen Kiosk betreibt, in dem der Junge manchmal mithilft. Dort in einem Hinterraum entwickelt Kolja alte Fotos, denn eigentlich ist er von Beruf Kriegsfotograf. 1977 war sein Vater in einem tschechischen Gefängnis verschwunden; mit seinen beiden nächsten Menschen, der Journalistin Joan und ihrem Kollegen Tom, war Kolja danach seit dem Bosnienkrieg von einem Kriegsschauplatz zum anderen gezogen. Während er selbst eine schwere Beinverletzung davontrug, kamen Tom und Joan bei beruflichen Einsätzen um. Mit ihnen, den Toten, spricht Kolja, wenn er allein ist.
Der andere seelisch Versehrte, der sich von Zeit zu Zeit ebenfalls ein bisschen um Levi kümmert, ist ein Nachbar, der etwa dreißigjährige Vincent. Dessen Vater hat sich elf Jahre zuvor mit dem Auto von einer Brücke gestürzt, nachdem herausgekommen war, dass er über Jahrzehnte hin insgesamt 10 Millionen Euro veruntreut hatte. Erst die Aussicht auf seinen Selbstmord hatte für kürzeste Zeit einen zugänglichen Menschen aus ihm gemacht: „Er hat nie über etwas anderes geredet als Geld“, sagt Vincent. „Außer an dem Tag, an dem er starb. Da saß er mir am Frühstückstisch gegenüber und redete über Quentin Tarantino.“
Er selbst sammelt Schallplatten und dealt mit Drogen, auch mit illegalem Glücksspiel kennt er sich aus und erpokert einmal zusammen mit Levi in einer schummrigen Spielhölle eine nette kleine Summe. Einzig über Levis Vater, David, den dritten Mann in seinem Umkreis, wird kaum etwas bekannt. Er ist ein viel beschäftigter Anwalt, hochgewachsen, schwarzhaarig, gut aussehend. Üblicherweise arbeitet er Tag und Nacht, er hat vielleicht ein außereheliches Verhältnis gehabt und fällt jedenfalls auf als einer, der seine allgegenwärtige Wut nur schwer beherrschen kann. Den eigenen Vater hat David nie kennengelernt.
Da kommt also auf den 257 Roman-Seiten eine ziemliche Menge an Lebensgepäck zusammen, und mittendrin quirlt ruhelos Levi umher, der, solange seine Mutter lebte, bei ihr in der Pathologie seine Hausaufgaben machte, Zeichentrickfilme oder „Batman“ schaute und manchmal noch spät abends, wenn sein Vater wieder einmal nicht nach Hause gekommen war, zu ihr ging, um sich unter ihrem Schreibtisch zusammenzurollen und zu schlafen. Jetzt aber muss er, der sich mal einredet, ein Tiger habe seine Mutter getötet und wolle sich nun auch noch ihrer Urne bemächtigen, und dann wieder fürchtet, sein Vater sei der Mörder, sich weitgehend allein orientieren. Die Männer um ihn herum sind allesamt viel zu sehr Gefangene ihrer eigenen Verlusterfahrungen, als dass sie sich dem verstörten Kind verlässlich zuwenden könnten.
Gäbe es nicht die raschen Szenenwechsel mitsamt Levis immer wieder überschießenden Assoziationen, seinen sprunghaften Aktionen und Ideen, und kämen dazu nicht ein fixer Witz und eine Sprache, die zumeist in poetischer Knappheit die desolaten Verhältnisse, in schnellen Dialogen aber auch eine plötzlich aufblitzende Komik erfasst, dies alles wäre in seiner existenziellen Schwere wohl nicht gut auszuhalten. So aber entsteht in „Levi“ ein sehr spezifisches Menschen-Panorama aus dem gegenwärtigen Berlin, in dem jeder – vom Kind über den erfolgreichen Anwalt bis zum Migranten – zwar an traumatischen Erfahrungen weit mehr zu bewältigen hat, als er eigentlich verarbeiten kann. In dem es aber immerhin Geschichten und Sätze gibt, die für den Moment alle Schwärze aufheben, die trösten können: „… als gäbe es nicht nur zwischen uns, sondern auch zwischen allen anderen einen Satz, der gesagt werden musste, damit es weitergehen konnte“. Dies ist nicht nur Levis kindlicher Wunsch und Wunderglaube. Es ist auch exakt das, was Carmen Buttjers so besonderem Roman selbst gelingt.
Carmen Buttjer: Levi. Roman. Galiani Berlin Verlag, Berlin 2019. 257 Seiten, 20 Euro.
Man kann nur staunen
über das Tempo, über den Ton,
über die Einfälle
Ein Panorama, in dem jeder
mehr zu verarbeiten hat, als er
eigentlich verarbeiten kann
Carmen Buttjer wuchs in Deutschland und Finnland auf und studierte an der Kunsthochschule Kassel. „Levi“ ist für den Debütpreis des Hamburger Harbour-Front-Literaturfestivals nominiert.
Foto: MARIA DOMINIKA VOGT 
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.09.2019

Unter dem Pflaster liegt der Ozean
Carmen Buttjer schickt ihren jugendlichen Helden durch die nächtliche Stadt

Was für ein großartiger Anfang! Schon in der ersten Szene von Carmen Buttjers starkem und eigenwilligem Debütroman "Levi" scheinen die ganze Phantasie, Wut und Dünnhäutigkeit ihres jungen Helden auf. Der klare und lakonische Sprachklang zieht den Leser sofort in seinen Bann, ein Sound, der an Salinger und Mark Twain denken lässt. Denn Levi, der während der Beerdigung seiner Mutter den Boden unter den Füßen verliert und an der groben Gleichgültigkeit seines Vaters und der ganzen Trauergesellschaft verzweifelt, ist ein Seelenverwandter von Holden Caulfield und von Huckleberry Finn, der lieber "zur Hölle geht", als von seiner inneren Moral abzuweichen.

Levi ist elf, mit seiner Familie vor kurzem wieder einmal umgezogen, diesmal nach Berlin, vorher lebten sie in London und Paris. Eigentlich sind ihm alle diese Städte egal, in seiner Phantasie wachsen sie zu einem einzigen Riesendschungel zusammen, mit Häusern, so hoch wie Mammutbäume. Es ist Sommer, und Levi irrt allein durch die Straßen, in denen es aussieht, als lehnten sich die Menschen in der heißen Luft an, "und sobald sich einer von ihnen rührte, schien er damit nicht nur sich selbst, sondern auch alle anderen zu bewegen, als wären alle durch unsichtbare Fäden miteinander verbunden".

Neugierig und ein bisschen ängstlich bewegt sich Levi durch diese surreal-bedrohliche Marionettenwelt, in der nachts die Schatten zu Tigern werden und die Gerüche sich plötzlich ändern. Seine grandios erzählte, lebensgefährliche Abenteuerreise markiert das - zu frühe - Ende einer Kindheit, denn Levi ist erst elf. Doch ganz neue Gedanken, zweifelnde, trotzige und sehr selbstbewusste, beginnen in seinem Kopf zu kreisen. Mit der Urne seiner Mutter im Rucksack, die er bei der Beerdigung gestohlen hat, ist er abgehauen, zunächst auf das Dach des eignenen Hauses, wo er sich ein Zelt baut. Doch das funktioniert nicht lange.

Carmen Buttjers Debüt ist ein eindrucksvoller Großstadtroman, eine Odyssee mit großartigen Bildern, in denen, sparsam instrumentiert und damit umso wirkungsvoller, sich die Stadt um die eigene Achse zu drehen scheint. Levi hört unter den Straßen leise den Ozean rauschen und sieht bei starkem Regen Haie ihre stumpfen Schnauzen gegen die Abflussgitter drängen. Die Krallen der Tigerschatten, die ihm nachts durch die Stadt folgen, kratzen leise auf dem Pflaster, und jede Kontur scheint wie mit einem Zeichenstift nachgezogen und neu akzentuiert. Levis Einsamkeit eröffnet ihm ganz neue Gefühle, die ihn nicht nur in wilde Phantasien katapultieren, sondern ihn vor allem die Wirklichkeit neu sehen lassen.

Die anonyme Großstadt zeigt sich im Roman aber auch von ihrer zärtlichen, überraschend fürsorglichen Seite. So wird der schweigsame Nachbar Levis erster Freund, der ihn im Auto auf seine zwielichtigen Geschäftstouren mitnimmt und ihm zuhört - eine für den Jungen völlig neue Erfahrung. Und auch Kolja, der den Kiosk in Levis Straße betreibt, nimmt ihn ernst, denn er spürt, welcher Druck auf dem Jungen lastet. Eigentlich ist Kolja Kriegsfotograf, nur wuchsen ihm irgendwann die Gewalt und das Sterben seiner Freunde über den Kopf. Jeden Tag versucht er von neuem, alles zu vergessen - auf dieser Ebene verstehen sich Levi und Kolja wortlos.

Wie Huckleberry Finn, der eigentlich sanfte Rebell wider Willen, wehrt sich Levi mit radikalen Mitteln gegen die Zumutungen seines Lebens, gegen den gewaltsamen Tod der Mutter und die aggressive Hilflosigkeit des Vaters. Dabei spiegelt er wie ein Seismograph die Ressentiments der Menschen, die ihm, einem Kind gegenüber, ganz ungeniert und offen sind. Gerade dass er sich oft kindlich benimmt, die Umwelt ihn auch so wahrnimmt, er aber durch die Wucht der Ereignisse immer mehr gezwungen wird, ganz unkindliche Entscheidungen zu treffen, macht das Besondere dieser Figur aus.

Carmen Buttjer, 1988 geboren und in Finnland aufgewachsen, lebt in Berlin und schreibt für die "Vogue" Kolumnen unter dem Titel "Wenn ich von Sex rede". Es geht darin um den Eigenwillen von Phantasie und Gefühlen, mithin um Menschen, "die aneinander vorbeischreddern und durch das Feuer streunen". Genau davon erzählt ihr Roman, wobei die fein austarierte, wandlungsfähige Erzählperspektive und die präzise Sprache ihm existentielle Schärfe verleihen: Levi ist verletzlich, entschlossen und die liebenswerteste Figur, die seit Wolfgang Herrndorfs "Tschick" die literarische Bühne betreten hat.

NICOLE HENNEBERG

Carmen Buttjer: "Levi".

Roman.

Verlag Galiani, Berlin 2019. 257 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Buttjers sprachlicher intelligenz ist es zu verdanken, dass die Düsternis ihrer Geschichte nicht wie Blei zwischen den Zeilen hängt. Man glaubt, beim Lesen in eine Graphic Novel einzutauchen. (...) Zu Recht wurde Buttjer bereits eine Verwandtschaft zu Mark Twain, J.D. Salinger und nicht zuletzt zu Wolfgang Herrndorf (...) bescheinigt. Lange nicht mehr fanden Innen- und Außenwelt in einem Berlin-Roman auf so poetische und packende Weise zueinander. Cosima Lutz Berliner Morgenpost 20191026