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Eine junge Frau ersteht in einem Pariser Antiquariat ein schmales Büchlein einer ihr unbekannten Autorin, »Die Eiszeit« von Jeanne Saré. Sie liest es in wenigen Stunden aus und fühlt sich danach um Jahre gealtert und auf verstörende Weise fundamental verändert. Wie sich herausstellt, ist sie nicht die Einzige, deren Leben nach der Lektüre ein anderes ist. Kurz nach seinem Erscheinen in den 70er Jahren hatte das Buch für Furore gesorgt, seine Autorin wurde zum Mythos: eine 17-jährige Selbstmörderin voller Hass und Sehnsucht, die die Veröffentlichung ihrer Texte nicht mehr erlebt hat. Die…mehr

Produktbeschreibung
Eine junge Frau ersteht in einem Pariser Antiquariat ein schmales Büchlein einer ihr unbekannten Autorin, »Die Eiszeit« von Jeanne Saré. Sie liest es in wenigen Stunden aus und fühlt sich danach um Jahre gealtert und auf verstörende Weise fundamental verändert. Wie sich herausstellt, ist sie nicht die Einzige, deren Leben nach der Lektüre ein anderes ist. Kurz nach seinem Erscheinen in den 70er Jahren hatte das Buch für Furore gesorgt, seine Autorin wurde zum Mythos: eine 17-jährige Selbstmörderin voller Hass und Sehnsucht, die die Veröffentlichung ihrer Texte nicht mehr erlebt hat. Die feministische Linke feiert sie als Märtyrerin, doch ein düsterer Sog scheint von den Worten Sarés auszugehen: 14 junge Frauen folgen der Autorin in den Freitod. Jahrzehnte später machen sich im Paris der Gegenwart ein paar Menschen auf, das düstere Geheimnis des Textes und seiner Wirkung zu ergründen. In ihrem fulminanten Debüt zeigt Nino Haratischwili auf kluge und schwindelerregende Weise die Kraft der Sprache und erzählt von der manchmal lebensverändernden Wirkung von Literatur.
Autorenporträt
Nino Haratischwili, geboren 1983 in Tbilissi, ist preisgekrönte Theaterautorin und -regisseurin. Bereits ihr Romandebüt Juja(2010) wurde mit dem Debütpreis des Buddenbrookhauses Lübeck ausgezeichnet, es folgten zahlreiche Nominierungen und Auszeichnungen für Mein sanfter Zwilling (2011) und ihren 2014 erschienenen Roman Das achte Leben (Für Brilka), der in 25 Sprachen übersetzt und weltweit zum Bestseller wurde. Ihr jüngster Roman Das mangelnde Licht(2022) wurde von Publikum und Kritik gleichermaßen begeistert aufgenommen. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.11.2010

Leiden mit Eiszeit
Nino Haratischwili erzählt von
Frauen, die sich das Leben nehmen
Wer ist Danielle Sarréra? Man weiß es nicht so genau. Der Mythos besagt, dass sich dahinter eine Ausreißerin verbirgt, die ihren Weltschmerz in Schulhefte notierte und sich 17-jährig am Pariser Nordbahnhof das Leben nahm. Vor allem in feministischen Kreisen wurde sie nach der posthumen Veröffentlichung ihrer Notizen zur Ikone stilisiert. Angeblich gab es Frauen, die ihr nach der Lektüre in den Tod folgten: das werthersche Phänomen. Viele behaupten, dass der französische Verleger Frédérick Tristan „Sarréra“ als Pseudonym benutzte, um seiner eigenen Kurzprosa Authentizität zu verleihen. Manche bezweifeln auch dies.
Und wer ist Jeanne Saré? Dieser Frage widmet sich Nino Haratischwili in ihrem Debütroman „Juja“, in dem sie den Sarréra-Mythos wiedererzählt. Auch hier nehmen sich Frauen das Leben in Verbindung mit einem Buch, das 1953 unter dem Titel „Die Eiszeit“ erschien und laut Klappentext in den siebziger Jahren Verkaufserfolge feierte. Auszüge daraus sind Teil von „Juja“. Hier kämpft die verzweifelte und der Welt schon halb entrückte Saré in den Straßen von Paris und in ihrer heruntergekommenen Wohnung ums Überleben; die sündige Eva, die wahnsinnige Ophelia, die vor Schmerz erstarrte Niobe und andere ihr seelisch verwandte Frauengestalten bevölkern ihren Geist.
„Alle sagen, sie hätte Probleme. Sie hat keine. Keine mehr. Ihre Probleme sind tot.“ Nino Haratischwili fängt jenen Moment im Leben ihrer Protagonistinnen ein, in dem sie sich ihrem Schicksal ergeben und auf den selbstquälerischen Kampf eine innere Leere folgt. In dem der Tod das letzte Glück verheißt. Ihre Einsamkeit und vergebliche Sinnsuche sehen sie in den Schriften Sarés gespiegelt, die sie dazu bringen, sich ihrem Unglück zu stellen und zu entscheiden, ob und wie das Leben weitergeht. Da ist Laura, die nach einer Fehlgeburt und der Trennung von ihrem Mann die Lebenslust verliert. Olga, die von Saré aus ihrem langweiligen Uni-Leben gerissen wird und sich erstmals die Sinnfrage stellt. Und Francesca, alkoholkrank und depressiv. Sie traf das Schicksal am härtesten: Ihr Ehemann tötete zunächst den gemeinsamen fünfjährigen Sohn und dann sich selbst.
Laura ist Kunstwissenschaftlerin und wird von dem Studenten Jan überredet, mit ihm in Paris nach Jeanne Saré zu forschen. Sie treffen auf Patrice, einen vereinsamten unglücklichen alten Mann, der wahrscheinlich der eigentliche Autor der Schriften ist. Ein zweiter Frédérick Tristan. Und auf Nadine Leavits, die den Nachdruck des Buches verbieten ließ, da ihre Freundin Olga nach der Lektüre den Freitod wählte. Jeanne Saré ist der Faden, mit dem Nino Haratischwili die Lebens- und Leidensgeschichten verwebt. Sie stellt dem Ganzen eine Ich-Erzählerin zur Seite, eine Autorin, die die Zweifel der anderen Figuren teilt: „Ich habe keine Orientierung, nie gehabt. Ich irre in fremden Geschichten umher, versuche die meine zu finden.“
Nino Haratischwili hat ihren Romanfiguren in den Kapitelüberschriften Rollen zugeordnet. So ist Patrice der Bruder, Jan der Freak, Francesca die Frau oder die Ich-Erzählerin. Doch verstecken sich hinter den Bezeichnungen keine Bühnencharaktere, die musterhaft unsere Gesellschaft verkörpern, sondern Individuen. Es ist ein Hinweis darauf, dass Haratischwili bislang vor allem als Autorin von Theaterstücken in Erscheinung getreten ist. In Georgien geboren, schreibt sie auf Deutsch und erhielt im März den Adelbert von Chamisso-Förderpreis.
In „Juja“ bemüht sie sich, das Leiden an der Welt facettenreich zu beleuchten. Dennoch birgt der Roman ein Problem, denn die Lebensumstände allein rechtfertigen keine Todessehnsucht. Und die Einblicke in die Gedankenwelten der Figuren, die uns Haratischwili gewährt, schaffen es ebenso wenig, die Verzweiflung zu transportieren. Zumal sie sich als Autorin mit dem Abdruck der fiktiven Eiszeit-Passagen einer zum Scheitern verurteilten Gefahr aussetzt: Dass der Leser die Wucht der Texte Sarés auf die Charaktere im Buch an sich selbst nachzuvollziehen sucht. „Wie konnte das Buch derart wirken?“, dieser Frage gehen nicht nur Laura, Jan und Francesca, sondern auch der Leser nach. „Juja“ kann sie letztlich nicht beantworten.
CARA WUCHOLD
NINO HARATISCHWILI: Juja. Roman. Verbrecher Verlag, Berlin 2010. 304 Seiten, 24 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Aha, ein Frauenbuch. Jedenfalls schicken rosa Einband, lila Schrift und allerhand unglückliche Frauenfiguren im Debütroman von Nino Haratischwili die Rezensentin auf diese Fährte. Tief im Innern des Buches aber geht es dann doch um so hartgesottene Fragen, findet Grete Götze heraus: Was ist ein Autor, was eine authentische Geschichte? Oder doch nicht ganz? Laut Götze spielt die junge Autorin nur mit diesen Fragen und schreibt ansonsten ein Buch über die Liebe, über Paris, das Cafe de Flore und den Montmartre und entwirft ein riesiges Panoptikum von Figuren mit je eigener Sprache. Der direkte Draht der Autorin zur Sprache überrascht die Rezensentin weniger, schließlich kommt Haratischwili vom Theater. Als intensive Melange aus kriminalistischen, autobiografischen und mythologischen Elementen überzeugt sie dieses Debüt auf jeden Fall.

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