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Literarische Erinnerungen an ein bewegtes Schriftstellerleben, die von Politik und Literatur, von Freundschaft und Liebe, aber auch der Angst des Ungenügens erzählen.Nicht nur politische Ereignisse der 60er und 70er Jahre prägten das Leben der Schriftstellerin Ulrike Kolb. Die allmählichen Erkenntnisse über die nationalsozialistische Vergangenheit sowie Begegnungen mit Freunden, die sie an verschiedenen Orten in Deutschland und in Israel kennen lernt, prägen sie.Die Moderne Kunst und die Literatur bilden dabei immer wieder Flucht- und Orientierungspunkte, helfen, ihren eigenen Standpunkt zu…mehr

Produktbeschreibung
Literarische Erinnerungen an ein bewegtes Schriftstellerleben, die von Politik und Literatur, von Freundschaft und Liebe, aber auch der Angst des Ungenügens erzählen.Nicht nur politische Ereignisse der 60er und 70er Jahre prägten das Leben der Schriftstellerin Ulrike Kolb. Die allmählichen Erkenntnisse über die nationalsozialistische Vergangenheit sowie Begegnungen mit Freunden, die sie an verschiedenen Orten in Deutschland und in Israel kennen lernt, prägen sie.Die Moderne Kunst und die Literatur bilden dabei immer wieder Flucht- und Orientierungspunkte, helfen, ihren eigenen Standpunkt zu finden. Sie hat Sehnsüchte und Träume, aber auch Ängste und Selbstzweifel plagen sie. Und eine schöne Mutter mit schweren psychotischen Schüben, eine Mischung aus Tragik und Komik.Ein literarischer Blick auf ein spannendes Leben, auf die Freundschaft mit Schriftstellern und anderen bekannten Persönlichkeiten.
Autorenporträt
Ulrike Kolb, geb. 1942, lebt nach vielen Jahren als freie Schriftstellerin in Frankfurt am Main jetzt in Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Claudia Schülke freut sich über die Autobiografie von Ulrike Kolb. Über Kolbs Liebe zu Pferden erfährt sie hier ebenso wie über Kolbs Treue zu Freunden, ihre vorsichtige Sympathie mit der RAF, ihr Lebensthema Shoa und ihre paranoide Mutter. Die im Buch angewandte Form der "chronologischen Flashbacks" sorgt laut Schülke für Lesbarkeit. Über das Schreiben steht eher wenig drin, stellt die Rezensentin fest.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.06.2021

Im Schacht der Schoa
Ulrike Kolb hat eine Autobiographie verfasst

Sie hat immer damit gehadert, im Jahr der Wannseekonferenz, 1942, geboren zu sein. Die Schoa grundiert ihr Leben. "Mir war, als sei ich schmutzig, nicht verantwortlich, aber schmutzig", schreibt Ulrike Kolb in ihrer Autobiographie, und: "Ich bin keine richtige Deutsche, ich bin eine Sarroise." Eine Saarländerin, fast schon eine Französin. Aber das machte es auch nicht besser in den Augen ihres israelischen Freundes Yair Auron, dessen Vater vierzehn Geschwister in Auschwitz verlor. "Deine Familie hat die Nazis gewählt", musste sich Ulrike Kolb in Israel anhören. Erst 2007 fuhr sie nach Auschwitz/Birkenau, um sich allein dem Ort auszusetzen, an dem die Familien so vieler ihrer Freunde ermordet worden waren. "Wie kann ich begreifen, dass diese Verbrechen vor wenigen Jahren begangen wurden, zu der Zeit, als ich ein kleines Kind war? So nah", fragt sich die Schriftstellerin.

"Der Tod meiner Mutter hat mich in einen Erinnerungskanal gestoßen." Mit diesem Satz, der Tod und Geburt kurzschließt, beginnt das Buch. Eine Tochter aus gutem Hause, wuchs sie als Spross eines Süßwarenfabrikanten erst in Völklingen/Fenne, dann in Saarbrücken auf. Naturverbunden war sie nie, obwohl sie reiten lernte, um ihrem Vater, einem ehemaligen Mitglied der Reiter-SA, nachzueifern. Die erste Liebe zum Sohn der Reitlehrerin endet tragisch: Henki nimmt sich das Leben. Das Tagebuch, das sie in Form von Briefen an ihn verfasste, hat sie heute noch. "Bis heute" - diese Wortfügung wiederholt sich: Die Liebe zu Pferden, das Schwarzwald-Internat, lebenslange Treue zu Freunden - Ulrike Kolb vergisst nicht.

Am wenigsten die Schwachen, die Opfer. Denn die Autorin ist mit viel Empathie ausgestattet. Zuerst ist es nur Neugier, die sie nach den Frauen fragen lässt, "denen man die Achseln aufgeschnitten hatte, bevor man sie in kochend heißes Wasser gestoßen hat". Dann befreit sie sich von der Trauer um Henki ausgerechnet mit Eugen Kogons Buch "Der SS-Staat". Damit hat sie ihr Lebensthema gefunden. Zwischen dem ersten Kuss und dem Abitur entdeckt sie im Internat Chagall, mit ihm lernt sie das Judentum kennen, jenseits der Schoa. Das zweite Lebensthema: die unberechenbare Mutter, die von paranoiden Schüben heimgesucht wird, dem Luxus verfällt, Liebhaber sammelt und dem Vater das Leben schwermacht - wie den drei Kindern. Zuletzt aber ist die Autorin versöhnt mit ihr und zieht 2010 nach Berlin, um sich um sie zu kümmern: "Meine kleine Mami."

Der Reifeprüfung waren ruhelose Jahre gefolgt. In kurzen chronologischen Flashbacks, die ihr Buch leicht lesbar machen, erzählt Ulrike Kolb ohne jedwede Stilisierung von ihrer linken Sozialisation zwischen Frankfurt und Berlin. Nach einer existentialistischen Phase und der Kunstschule in Saarbrücken packen sie der revolutionäre Geist und Ungeist der Jugendbewegung von 1968. Sie studiert an der Pädagogischen Hochschule Berlin, heiratet, wird Mutter einer Tochter, lässt sich scheiden, wechselt die Wohngemeinschaften, gründet Kinderläden. Die RAF kommt ihr bedrohlich nahe, als Karl Dietrich (KD) Wolff, damals SDS-Vorsitzender, sie fragt, ob sie jemanden bei sich verstecken könne: "Aber mein Instinkt sagt nein." Der Antisemitismus ihrer linken Gefährten macht ihr zu schaffen. Immer wieder reist sie nach Israel, schließt Freundschaft mit dem Lyriker Tuvia Rübner und liest in Frankfurt die Bibel mit der Historikerin Cilly Kugelmann und dem Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik.

Wann hat sie angefangen zu schreiben? Keine Jahreszahl. Aber ihr erster Roman erscheint 1984: "Die Rabe" - ein autobiographisch gefärbtes Buch über eine Frau, der aus mangelndem Selbstvertrauen immer wieder die Sprache versagt. Für ihren "Roman ohne Held" (1997), in diesem Feuilleton vorabgedruckt, erhält sie beim Bachmann-Wettbewerb den Preis des Landes Kärnten. Ein Verriss durch das Literarische Quartett lähmt sie. Mit ihrem Roman "Yoram" über eine christlich-jüdische Mischehe findet sie 2009 endlich ihren Verlag: Wallstein. Doch je mehr sie sich der Gegenwart nähert, desto wortkarger wird sie. Erst in der letzten Miniatur erfährt man, dass sie seit 25 Jahren glücklich verheiratet ist. Psychoanalytisch versiert, weiß sie auch, dass Träume mindestens so wichtig sind wie Bücher. Deshalb endet ihr Buch mit einem Traum.

CLAUDIA SCHÜLKE

Ulrike Kolb:

"Erinnerungen so nah".

Wallstein Verlag, Göttingen 2021. 220 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Eine Autobiografie und ein Geschichtsbuch (...), das die Bundesrepublik in all seinen Facetten lebendig werden lässt.« (Manuela Reichart, Deutschlandfunk Kultur Buchkritik, 15.04.2021) »ein undramatisch erzähltes Drama aus Episoden, aus Erinnerungssplittern, die tief sitzen. Sie wandern. Die Splitter zu entfernen, wäre lebensgefährlich.« (Christian Thomas, Frankfurter Rundschau, 15./16.05.2021)