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»Berlin W. Draußen, wo die Protzenburgen des Geldes den Kurfürstendamm säumen, wo die 'Jugendstil'-Architekturen des 'bayerischen Viertels' sich in maßlosen Geschmacksverirrungen gefallen, da draußen, wo das Geld rollt, die Dienstmädchen weiße Häubchen tragen und die 'Herren' Portiers auf hochherrschaftliche Ordnung halten, und wo Berlin eigentlich Charlottenburg, Schöneberg oder Wilmersdorf ist, da draußen liegt Berlin W.«Rund um den Kurfürstendamm lässt sich um 1900 eine neureiche Gesellschaft in komfortabel ausgestatteten Behausungen nieder. Demonstrativer Konsum gehört hier zum guten Ton.…mehr

Produktbeschreibung
»Berlin W. Draußen, wo die Protzenburgen des Geldes den Kurfürstendamm säumen, wo die 'Jugendstil'-Architekturen des 'bayerischen Viertels' sich in maßlosen Geschmacksverirrungen gefallen, da draußen, wo das Geld rollt, die Dienstmädchen weiße Häubchen tragen und die 'Herren' Portiers auf hochherrschaftliche Ordnung halten, und wo Berlin eigentlich Charlottenburg, Schöneberg oder Wilmersdorf ist, da draußen liegt Berlin W.«Rund um den Kurfürstendamm lässt sich um 1900 eine neureiche Gesellschaft in komfortabel ausgestatteten Behausungen nieder. Demonstrativer Konsum gehört hier zum guten Ton. Die richtigen Möbel, das richtige Porzellan, die richtigen Reiseziele und Sommerfrischen, die richtigen Freizeitbeschäftigungen und die richtige Kunst und Literatur - alles unterliegt dem Spiel der Mode. Edmund Edel beschreibt dieses Treiben an der Oberfläche mit der soziologischen Treffsicherheit eines Georg Simmel, dem großen Denker des großstädtischen Geisteslebens, der wie Edel selbst Bewohner von Berlin W. war, und mit feinsinnigem, bösem und zugleich liebevollem Humor. Seine Satire Berlin W. Ein paar Kapitel von der Oberfläche, 1906 erstmals erschienen, eröffnet das Panorama einer im Luxus schwelgenden Gesellschaft der Jahrhundertwende und gibt Einblick in die Anfänge der modernen Konsumkultur. Die Neuausgabe ist zugleich Auftakt zu einer Edmund-Edel-Werkausgabe.
Autorenporträt
Edmund Edel, 1863 geboren, zählte zu den wichtigsten Illustratoren seiner Zeit. Er arbeitete unter anderem für die Berliner Morgenpost, die Berliner Illustrirte Zeitung, die Lustigen Blätter und den Ulk. Als Plakatkünstler prägte er seit den 1890er-Jahren das Straßenbild Berlins und hatte entscheidenden Anteil an der Entwicklung des künstlerischen Plakates in Deutschland. Sein schriftstellerisches Debüt Berlin W. wurde zum Bestseller. Zahlreiche weitere Bücher folgten, daneben auch Filme (unter anderem mit Asta Nielsen). Edel starb 1934 in Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Helmut Böttiger stellt bei der Lektüre eines ursprünglich schon 1906 erschienenen Buches von Edmund Edel erstaunt fest, dass Berliner Szeneviertel keine Erfindung des 21. Jahrhunderts sind. Der Autor berichte von einem Bau- und Entwicklungsboom besonders im Berliner Westen, der durchaus mit heutigen Gentrifizierungsbewegungen vergleichbar sei. Auf Konsum, Marken und das äußere Erscheinungsbild wurde schon 1906 viel Wert gelegt, lernt der Rezensent durch die kleinen Porträts Edels, die angenehm satirisch-spitzzüngig den damaligen Zeitgeist wiedergeben. Auch 2022 noch absolut empfehlenswert, findet Böttiger, und wünscht sich ähnlich geistreiche Bücher und Beschreibungen auch für unsere Zeit.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.11.2022

Wie man einen Herrn mit Verhältnis grüßt
Der jüdisch-deutsche Karikaturist und Autor Edmund Edel schuf mit „Berlin W“ einen Bestseller und ein unsterbliches Album der besseren Gesellschaft
Wie der Holzschnitt gehört das Plakat zu den Opfern der Alltagssprache. Hartnäckig verkuppelt sie das „Holzschnittartige“ und „Plakative“ mit dem grob Ungefähren, der pauschalen Behauptung, dem Mangel an Konkretion. Das ist sehr ungerecht, geradezu grob ungerecht, und so ist jede Gelegenheit willkommen, dem Plakat wie dem Holzschnitt ein Loblied zu singen.
Und schon sind wir bei Edmund Edel. Der Mann hieß wirklich so und war ein deutsch-jüdischer Plakatkünstler, Karikaturist, Übersetzer, Drehbuchautor, Regisseur und Autor, geboren 1863 im pommerschen Stolp, aufgewachsen im damals noch selbständigen Charlottenburg, gestorben im Mai 1934 in Berlin, nicht ohne zuvor anlässlich seines siebzigsten Geburtstages vom Völkischen Beobachter beschimpft worden zu sein.#
Edmund Edel war im Berlin des frühen zwanzigsten Jahrhunderts kein Unbekannter. Er entwarf Plakate für Theaterbühnen, für Fleischextrakte und Schreibwaren, für Mampe’s Likör, wie seine französischen Vorbilder war er mit der Umrisszeichnung im Bunde, ging mit dem Lasso der geschwungenen Linie auf Kundenfang. Zur Verachtung des Holzschnitts mag seine Verwendbarkeit für „marktschreierische“ Zwecke beigetragen haben. Die antimoderne Verachtung des Plakats nahm an seinem Bündnis mit der Reklame Anstoß. Zum Glück ließ sich Edmund Edel dadurch nicht beirren. Und wohl, weil er zugleich in der Welt der Zeitschriften- und Buchillustration zu Hause war, zum Beispiel im Ulk, den Lustigen Blättern oder dem Narrenschiff, kam ihm irgendwann die Idee, den Plakatstil in die Prosa zu überführen und zu Satirezwecken zu nutzen. So entstand „Berlin W. Ein paar Kapitel von der Oberfläche“, erschien 1906 und wurde zugleich zum Bestseller (wahrscheinlich vor allem in Berlin).
„Berlin W.“ steht für den Berliner Westen und zwar den damals „neuen“ Westen um den Kurfürstendamm mit dem „Bayerischen Viertel“ als südlicher Anlagerung. Der „alte“ Westen war das villenbesetzte Tiergartenviertel, an dessen Rand einst Fontanes Effi Briest gezogen war. Edmund Edel, Zeitgeistspezialist wie jeder Plakatkünstler, gab sich mit der Ortsbezeichnung nicht zufrieden. Er schrieb über „Berlin W.“ so, wie einige Generationen später, in den Nachwendejahren der Berliner Republik über „Prenzlauer Berg“ geschrieben wurde, als das Berlin, in dem „man“ wohnt. Es geht um Oberfläche, also um Mode. Die Kleidung gehört dazu, aber nicht nur sie, sondern der gesamte Lebensstil. Von Fahrstühlen ist die Rede, von der Elektrifizierung der Beleuchtung, von den „Gesellschaften“, die „man“ gibt, von den Ehen des Herrn und der Damen des Hauses, vom Abschied von den Läden zugunsten der Warenhäuser, von den Söhnen und Töchtern, ihren ästhetischen und erotischen Vorlieben, den Lektüren und Salongesprächen. Man lebt in „Tietz-und-Wertheim-Dekor“.
Wer dachte, erst Heinz Erhardt sei auf die Idee gekommen, der „Ilias“-Übersetzung von Johann Heinrich Voss die Wendung „welch Wort entfloh dem Gehege deiner Zähne“ zu entführen, wird hier eines besseren belehrt. Haltbar geblieben ist Edmund Edels „Berlin W.“ nicht zuletzt durch seine Aufmerksamkeit auf das Register modischer Redewendungen von „chic“ bis „phänomenal“, von den „Berliner Verhältnissen“ bis zu der Frage, ob und wie man auf der Strandpromenade einen Mann mit „Verhältnis“ grüßt.
Diese Umrisszeichnungen der besseren, in der Regel neureichen Kreise von Berlin W. zeigen dem naturalistischen Drama die mondän kühle Schulter und lachen sich ins Fäustchen, wenn jemand sie als empirische Soziologie auffasst. „Der Jour“, „Die Zeit der jungen Liebe“, „Kunst und Künstler“, „Der Zoo“, „Auf Reisen“ heißen die Kapitel. Die Börse, obwohl unabdingbar für den Lebensstil, legt Wert darauf, nicht im Vordergrund zu stehen.
Nach diesem Debüt hat Edmund Edel noch sehr viel anderes geschrieben. Sein „Berlin W.“ taucht mit jedem Modernisierungsschub wieder auf. Nun hat sich Björn Weyand, Autor einer instruktiven Studie zur „Poetik der Ware“, vorgenommen, das schriftstellerische Werk Edels in größerem Umfang wieder zugänglich zu machen, darunter Romane wie „Der Snob“ (1907), „Das Glashaus“ oder „Der Filmgott“ (1920). Diese Neuausgabe hat er mit einem lesenswerten Nachwort und einem nützlichen Glossar versehen und ihr, zum Glück, die Vignetten des Originals belassen. „Berlin W.“ ist ein im besten Sinne plakatives Buch.
LOTHAR MÜLLER
Edmund Edel:
Berlin W. Ein paar Kapitel von der Oberfläche.
Herausgegeben von Björn Weyand. Quintus Verlag, Berlin 2022.
192 Seiten, 20 Euro.
Auch was
man trug,
zeichnete
Edmund
Edel auf.

Foto: Edel/Quintus Verlag
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