Marktplatzangebote
25 Angebote ab € 1,00 €
  • Gebundenes Buch

1 Kundenbewertung

Berlin, 1985. Beim Landeanflug auf die geteilte Stadt fällt der Flüchtlingsjunge Ismael aus dem Fahrwerkschacht eines Flugzeugs und überlebt. Auf den Zeitungsballen einer Altpapierhalde im Westen findet ihn Paul Mahlow, Judokämpfer, Frauenheld, Langzeitstudent und Wachmann. Während er den Jungen in ein Krankenhaus fährt, wird Mahlows bester Freund Alp Tazafhadi bei einer Demonstration bewusstlos geschlagen - und wacht nicht wieder auf. Die bis dahin überschaubare Welt der beiden gerät aus den Fugen. Aus dem Koma heraus, gleichsam über allem schwebend und nicht nur allgegenwärtig, sondern auch…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Berlin, 1985. Beim Landeanflug auf die geteilte Stadt fällt der Flüchtlingsjunge Ismael aus dem Fahrwerkschacht eines Flugzeugs und überlebt. Auf den Zeitungsballen einer Altpapierhalde im Westen findet ihn Paul Mahlow, Judokämpfer, Frauenheld, Langzeitstudent und Wachmann. Während er den Jungen in ein Krankenhaus fährt, wird Mahlows bester Freund Alp Tazafhadi bei einer Demonstration bewusstlos geschlagen - und wacht nicht wieder auf. Die bis dahin überschaubare Welt der beiden gerät aus den Fugen. Aus dem Koma heraus, gleichsam über allem schwebend und nicht nur allgegenwärtig, sondern auch alles erinnernd, erzählt Alp die Geschichte ihrer Freundschaft, die Geschichte Ismaels und die manchmal tieftraurige, dann wieder haarsträubend komische Geschichte seiner Familie, in der ein geheimnisvoller Großvater eine teuflische Rolle spielt.
Autorenporträt
Norbert Zähringer, 1967 in Stuttgart geboren, wuchs in Wiesbaden auf. Er veröffentlichte die Romane «So», «Als ich schlief», «Einer von vielen» und «Bis zum Ende der Welt». Für einen Ausschnitt aus «Wo wir waren» wurde er vorab mit dem Robert-Gernhardt-Preis ausgezeichnet, später wurde der Roman für den Deutschen Buchpreis 2019 nominiert. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

" Wie ein "um Jahrzehnte verspäteter Thesenroman" zum Thema Metafiktion" wirkte dieser zweite Roman von Norbert Zähringer auf Rezensent Richard Kämmerlings. Zwar lobt er den Autor als"begabten Geschichtenerzähler". Als solcher kann er den Rezensenten allerdings nur in einigen wenigen Episoden seines Romans überzeugen. Dabei ist Känmmerlings der "verwickelten, verschachtelten und dramaturgisch geschickt geschnittenen Figurenkonstellation" anfangs noch mit Spannung und Vergnügen gefolgt. Irgendwann drängte sich ihm aber der Eindruck auf, dass die Geschichte um die Verwandtschaft eines deutschen "verbummelten Langzeitstudenten" und seinem iranischen Mitbewohner viel zu beliebig ist, weshalb ihn auch die mitunter durchaus "eindringlichen Schicksale" einiger Figuren letztlich kalt gelassen haben, ihm dieser Roman schließlich "wie eine mit Streichhölzern gebastelte Kathedrale" vorkommt, die ihrem Betrachter die Frage aufdrängt: "Wozu der Aufwand?"

© Perlentaucher Medien GmbH"

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.04.2006

Das Leben, ein Koma
Irre Welt: Norbert Zähringer läßt den Zufall regieren

Wie wahrscheinlich ist es, daß ein Schimpanse beim Herumklappern auf einer Computertastatur eine Zeichenkombination auf den Bildschirm zaubert, die der Zahl Pi bis auf die sechzehnte Stelle nach dem Komma entspricht? Auch wenn es sich bei dem Affen um einen ausrangierten Testpiloten der amerikanischen Luftwaffe handelt? Auch, wenn der Held außer Dienst danach Jahrzehnte in einer streng geheimen Forschungseinrichtung in der Wüste von New Mexico verbrachte und sich dabei das ein oder andere von seinem Besitzer, einem vom KZ- zum US-Army-Arzt gewendeten Menschenschinder, abgeschaut hat?

Ungefähr genauso wahrscheinlich wie die affenscharfe Kopfrechenkunst ist das gesamte Erzählgerüst des zweiten Romans von Norbert Zähringer, der aus einer West-Berliner Wohngemeinschaft der achtziger Jahre Handlungsfäden über vier Kontinente und ein halbes Jahrhundert spinnt: Dem als Wachmann jobbenden Langzeitstudenten und Womanizer Paul Mahlow fällt eines Tages im Frühjahr 1985 beim Routinegang durch eine Altpapierfirma ein Junge buchstäblich vor die Füße - der aus einem afrikanischen Bürgerkrieg im Radkasten einer amerikanischen Regierungsmaschine geflohene Kindersoldat hat den Flug in eisiger, luftarmer Höhe wundersamerweise ebenso überlebt wie den Sturz. Seine schwachen Lebenszeichen setzen eine Kette von Ereignissen in Gang, die nicht minder mirakulös ist wie die Lazarus-Geschichte an ihrem Anfang: In der Notaufnahme trifft der Retter Mahlow nämlich auf seinen iranischstämmigen Mitbewohner und Freund Alp Tazafhadi, der zur gleichen Zeit als Unbeteiligter bei einer Demo zwischen die Fronten geriet und mit einer schweren Kopfverletzung ins Wachkoma gefallen ist. Eine Demonstration übrigens, die gegen den Besuch des amerikanischen Vizepräsidenten gerichtet war, der mit ebenjener Maschine gerade aus einem afrikanischen Chaos-Staat anreiste, in der, nun ja, man kann es sich denken . . .

Nicht unbedingt denken kann man sich dagegen, daß dieser nun komatöse Tazafhadi der leibliche, bei dessen abenteuerlicher Flucht aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft am Rand der Karakum nebenbei gezeugte Enkel des skrupellosen Naziarztes ist, der nun nach Berlin reist, um den afrikanischen Jungen zu finsteren Menschenversuchszwecken in sein amerikanisches Mengele-Labor zu locken. Und hier stößt man auf das Problem dieses Romans, dessen verwickelte, verschachtelte und dramaturgisch geschickt geschnittene Figurenkonstellation man anfangs mit Spannung und Vergnügen auseinanderklamüsert: Die verwandtschaftliche Verbindung zwischen dem diabolisch-genialen Herrenmännchen und dem Bummelstudenten ist nämlich für die übrige Handlung völlig schnuppe. Was im einzelnen reiner Selbstzweck ist, fügt sich auf höherer Ebene zu der These, daß in der Welt jedes Detail alle anderen beeinflussen kann - also zu dem berühmten Schmetterling der Chaostheorie, dessen Flügelschlag den Lauf der Weltgeschichte ändert.

Da es sich allerdings nur um die künstliche Welt eines Romans handelt, ist das keine Erkenntnis, denn Ziel ist ja gerade die Konstruktion eines in sich geschlossenen Kosmos, in dem alles mit allem zusammenhängt. In der Berliner WG hängt das Schild: "Die Welt ist ein Irrenhaus und hier ist die Zentrale." Daß so viele Zufälle haarsträubend unwahrscheinlich sind, ist da kein Einwand: Wahrscheinlichkeit ist nicht das Prinzip des Romans, sondern sein Gegenstand. Zähringer bezieht sich auf kosmologische und quantenphysikalische Theorien, denen zufolge es unendlich viele Paralleluniversen gibt. So unwahrscheinlich es ist - in einem davon würde auch dem Affen die Zahl Pi gelingen.

Schon an anderen bei diesem Thema einschlägigen Werken, wie den Romanen Paul Austers oder den Filmen Krysztof Kiesloswkis stieß auf, daß die darin so tiefsinnig zergrübelten Zufälle ja durch den Autor konstruierte Schicksale sind - Konsequenz ist dann entweder die Gottähnlichkeit des Schriftstellers oder die Schriftstellerähnlichkeit Gottes, was beides gleich trivial ist. Diesen in der postmodernen Literatur zur Genüge durchgespielten Paradoxien entkommt auch Zähringer nicht, dessen bis zu den sprechenden Namen Pynchon kopierendes Buch wie um Jahrzehnte verspäteter Thesenroman zum Thema Metafiktion wirkt: Erzählt wird das Buch - so erklärt sich der Titel - in allwissender Ich-Perspektive von dem im Wachkoma liegenden Alp, der darüber nachsinnt, ob nicht vielleicht das ganze Leben nur ein Traum (oder eben ein Roman) ist.

Wo nichts zufällig ist, wird umgekehrt alles beliebig. Genau betrachtet, folgt die Handlung überhaupt keiner inneren Notwendigkeit mehr und kann in immer neuen Volten weitergedreht werden: Doch bis zum Ende ist längst egal geworden, wer wem wo ein weiteres Mal über den verschlungenen Lebensweg läuft. Keine Frage, Zähringer ist ein begabter Geschichtenerzähler; einzelne Episoden - das eindringlich geschilderte Schicksal des Kindersoldaten, das grausame Wüten des KZ-Arztes - überzeugen auch hier. Doch mit diesem Roman verhält es sich wie mit einer aus Streichhölzern gebastelten Kathedrale - man anerkennt die unendliche Mühe und fragt sich doch: Wozu der Aufwand?

Norbert Zähringer: "Als ich schlief". Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek 2006. 288 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.03.2006

Gottes vergessene Patienten
In Norbert Zähringers Roman-Experiment „Als ich schlief” liegt der Erzähler im Wachkoma und der Mittelpunkt des Universums im alten Westberlin
Von Volker Breidecker
Fünf Jahre nach seinem gefeierten Debüt „So” erscheint ein neuer Roman von Norbert Zähringer: „Als ich schlief”. Wie der Vorgänger ist er ein Berlin-Roman. Diese Stadt setzt sich vorzugsweise an die Stelle der übrigen Welt und verwechselt sich mit deren angenommenem Mittelpunkt. In Zähringers Romanen wird diese insulare Kleinstruktur aufgenommen und gnadenlos unterlaufen. Sie gerät zur Bühne narrativer Experimente, deren verwegene Konstruktionen der Autor mit bewundernswerter Leichtigkeit einfädelt und durchhält. Der Schauplatz von „So” war ein Abbruchgelände im Osten der Stadt, auf dem eine Bank einen Wellblechcontainer als Filiale eröffnet hatte und die Lebensentwürfe der Menschen an neuen Grenzen zerschellten. „Als ich schlief” geht weiter zurück in der insularen Archäologie dieser Stadt, in den alten Westen um die Mitte der achtziger Jahre, als die Zeit dort still zu stehen schien.
Dieses windstille Inseldasein hatte bekanntlich Scharen von Einwanderern aus westdeutschen Provinzen, aber auch aus anderen Weltregionen angelockt. Wer in der „selbständigen politischen Einheit Westberlin” - wie sie der „Osten” titulierte, obwohl er sie nach allen vier Himmelsrichtungen umschloss - zwischen den Küchentischen und Hochbetten, Demos und Sandino-Dröhnungen, Kneipen und Universitätsseminaren lebte, der verlangte beim Frühstück nach Milch und weniger nach den Hintergründen der Radionachrichten: „Die Welt, die wir nicht kannten”, lässt Zähringer seinen Ich-Erzähler sagen, „konnte warten, und wir glaubten, unendlich viel Zeit zu haben”.
Der Autor, mit allen Wassern des sarkastischen Humors und der Kolportage gewaschen, macht mit grenzenloser Lust am Fabulieren und am Gedankenexperiment das alte Westberlin zum Versuchslabor für die Überprüfung verschiedener physikalischer Lehrsätze, vom Trägheitsgesetz über die Elementarteilchen bis hin zu der Frage, was die Zeit inmitten oder am Rande eines „schwarzen Lochs” eigentlich bedeutet. Gab es überhaupt Zeit auf jener Insel? Und wie hängen weit auseinander liegende Dinge auch in einem Vakuum zusammen, wenn sie mit der unkontrollierbaren Wirkung von Zufällen aufeinanderstoßen?
Die vielen unglaublichen, abstrusen oder auch nur albernen, grausamen und makabren, schönen wie traurigen Geschichten, die Zähringer zu erzählen weiß, nehmen rasch ihren Lauf. Denn wie es angeblich nur des zarten Flügelschlags eines Schmetterlings an einem Ende der Welt bedarf, um das andere Ende kräftig zu erschüttern, so bedarf es hier nur eines einzigen Objekts, das plötzlich, aber tatsächlich und leibhaftig vom Himmel fällt, um die erzählte Welt aus der Bahn zu werfen: In diesem Fall ist es ein Mensch, ein Flüchtling, der sich in einem fernen afrikanischen oder asiatischen Land im Fahrwerk ausgerechnet jener Boeing 727 versteckt, in der im Mai 1985 der amerikanische Vizepräsident zum Weiterflug nach Berlin abhebt. Als das Flugzeug bei Nacht zur Landung ansetzt, wird der junge Mann aus dem Fahrwerk geschleudert, fällt in einen offenen Zeitungscontainer und überlebt. Keiner weiß, wo er herkommt; er weiß es selbst nicht, denn er hat sein Gedächtnis verloren.
Just zur gleichen Zeit wird der engste Freund des Retters bei einer Demonstration gegen den Besuch von George Bush Senior schwer am Kopf verletzt - und überlebt ebenfalls, für die nächsten Jahrzehnte ans Bett gefesselt, im Wachkoma. Ausgerechnet er ist der über allem Geschehen schwebende, regungslose und doch nahezu allwissende, alles erinnernde Ich-Erzähler des Romans. In Kettenreaktionen sorgen die parallelen Ereignisse nicht nur für die Annäherung des persönlichen Kosmos zweier traumatisierter Opfer, sondern auch für die Verschränkung historischer und geographischer Horizonte.
Mit den Umlaufbahnen zweier Körper im Raum geraten auch andere Biographien aus ihrer gewohnten Bahn. Erzählt wird, wie sich dies alles schon vor langer Zeit angebahnt hat und was daraus in der Gegenwart entsteht. Darum herum entspinnen sich Geschichten aus mehreren Weltregionen: Sie reichen von Polen bis in die Sowjetunion, von der Türkei bis in den Iran und von der auf märkischen Sand gebauten Stadt Berlin bis zu den White Sands in der Wüste von New Mexico, den Testlabors und historischen Versuchsgeländen der amerikanischen Atomstreitmacht.
Dort, am Rande von Trinity Site, betreibt ein Wissenschaftler deutscher Nationalität seit der Nachkriegszeit ein „Institut für angewandte und experimentelle Weltraummedizin”. Durch eine Zeitungsnotiz aufmerksam geworden, beginnt er sich für den Fall des in Berlin vom Himmel gefallenen Flüchtlings zu interessieren. Dr. Arnold Zumvogel ist allerdings kein unbeschriebenes Blatt, sondern ein untergetauchter Kriegsverbrecher, der einst Kälte-Experimente an Menschen durchgeführt hat. Doch davon weiß nur der im Wachkoma liegende Ich-Erzähler mit dem emblematischen Namen Alp zu erzählen, der Enkel des Arztes, der auf seiner Flucht die Türkei und den Iran durchstreift hatte.
Ob Zufall, Vorsehung oder höhere Logik, das alles spielt gar keine Rolle für Geschichten, aus denen es kein Entrinnen gibt: „In Wirklichkeit”, sinniert der Ich-Erzähler kurz vor seinem Unfall, im Gespräch mit seinem türkischen Onkel, sitzt vielleicht „irgendjemand schon seit vielen Jahren in einem leeren weißen Raum und denkt sich das hier aus” - wovon dieser Roman erzählt. „Du glaubst, dass Gott ein Irrer ist?’”, lautet die Gegenfrage. Alp antwortet etwas ratlos: „Nein, aber manchmal habe ich Angst, dass er uns schlicht und einfach in seinem Irrenhaus vergessen hat.” Tröstlich ist das nicht - aber weise, so wie Norbert Zähringers Roman.
Norbert Zähringer
Als ich schlief
Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek 2006. 287 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr
Aberwitzig ist vermutlich das einzig richtige Wort für dieses großartige Buch. Bücher-Magazin