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Die völkische Bewegung, von der direkte Verbindungslinien zum Nationalsozialismus führen, bildete sich nicht erst in der Weimarer Republik aus. Bereits lange vor dem Ersten Weltkrieg war - von der Forschung bisher vernachlässigt - ihr Gedankengut vollständig ausgeprägt. Uwe Puschner stellt die vielfältigen Ausprägungen dieses Phänomens vor 1914 dar und liefert so einen wichtigen Beitrag zur Geistesgeschichte der Jahrhundertwende.

Produktbeschreibung
Die völkische Bewegung, von der direkte Verbindungslinien zum Nationalsozialismus führen, bildete sich nicht erst in der Weimarer Republik aus. Bereits lange vor dem Ersten Weltkrieg war - von der Forschung bisher vernachlässigt - ihr Gedankengut vollständig ausgeprägt. Uwe Puschner stellt die vielfältigen Ausprägungen dieses Phänomens vor 1914 dar und liefert so einen wichtigen Beitrag zur Geistesgeschichte der Jahrhundertwende.
Autorenporträt
Uwe Puschner ist außerplanmäßiger Professor für Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.11.2001

Blonde bevorzugt
Mit Uwe Puschner durch den Wald
der völkischen Bewegung
Wer sich dieser Tage über Kultur und Kunst um 1900 kundig machen will, findet in zwei großen Ausstellungen in Darmstadt und Nürnberg reiche Anschauung. Wer in die Ideengeschichte der Zeit eintauchen will, findet in Uwe Puschners großer Studie über die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich gut sortiertes Material in Fülle. Beherzt ist der Autor in den „präfaschistischen Dschungel um 1900” (Jost Hermand) vorgedrungen: Puschner hat es nicht bei der Lektüre der üblichen Verdächtigen wie Lagarde, Gobineau und Chamberlain belassen, sondern hat Wege durch das dichte Unterholz von Publizistik und Literatur geschlagen.
Weithin hielt man bisher die völkische Bewegung für ein Resultat des Ersten Weltkrieges und der Weimarer Republik, denen sie in Wahrheit lange voranging. Von einem Dschungel kann insofern die Rede sein, als die Vielzahl der häufig kurzlebigen Gruppen und Strömungen samt ihrer ephemeren Publizistik schwer zu überschauen, noch schwerer zu systematisieren ist. Puschner durchforstet den Wald anhand von drei Begriffen: Sprache, Rasse, Religion. Denn zum Ideenkomplex des „Völkischen” – eine Vokabel, die Mitte der 1870er Jahre aufkommt – gehört nicht nur die Sorge um Reinerhaltung der Rasse und Schutz des Blutes, sondern auch die Pflege und Reinigung der Sprache und das (antirömische) Bestreben um religiöse Erneuerung, sei es im Neopaganismus oder im antijüdischen Deutschchristentum. Für die beschwerliche Reise durch die Vielzahl der Vereine und Programme der Völkischen gibt es in Zukunft einen verläßliche Baedeker: „den Puschner”.
ff
UWE PUSCHNER: Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich. Sprache – Rasse – Religion. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2001. 464 Seiten, geb., 128 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.11.2001

Vollkornbrot für Edelmenschen
Der sakral überhöhte Rassegedanke der völkischen Weltanschauung im wilhelminischen Deutschland

Uwe Puschner: Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich. Sprache - Rasse - Religion. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2001. 464 Seiten, 128,- Mark

Die schier unüberschaubare Vielgestaltigkeit der völkischen Bewegung wurde bereits von ihren Anhängern betont: "Boden-, Kunst- und Wirtschafts-Neuformer, Bismarck-, Wagner-, Gobineau- und Chamberlain-Verehrer, Flotten-Freunde, Papst-Feinde, Antisemiten, Heimatschützer, Sprachreiniger, Sittlichkeitsbewahrer, Sprit-Bekämpfer, Volkserzieher". Der organisatorische Partikularismus, die schwierige Quellenlage sowie die pauschale Subsumierung der völkischen Bewegung unter die nationalsozialistischen Vorläuferorganisationen dürfte der Hauptgrund dafür sein, daß deren Entstehung und Wirken in der wilhelminischen Ära weitgehend unbeachtet blieb. Uwe Puschner beschreibt nun die völkische Bewegung in überzeugender Weise als eigenständiges Phänomen, ohne hierbei der Gefahr apologetischer Tendenzen zu erliegen. Der Autor zeichnet die Gedankengänge zentraler Protagonisten möglichst authentisch nach.

Puschner sieht in "Sprache", "Rasse" und "Religion" Schlüsselbegriffe, die das Koordinatensystem der völkischen Weltanschauung beschreiben. Mit Hilfe dieser Begriffe analysiert er die geistigen Wurzeln und das verwirrende Spektrum der völkischen Organisationen. Im gleichsam sakral überhöhten Rassegedanken erblickt Puschner zutreffend das "Password" zum Verständnis der völkischen Weltanschauung; dem Primat der Rasse gegenüber blieb der völkische Antisemitismus stets untergeordnet.

Der Autor zeichnet ein überaus differenziertes Bild der völkischen Bewegung. Die Brüche der Bewegung werden hierbei deutlich. So hatte etwa Theodor Fritschs Vorstellung vom "Rassegeist" seine Wurzeln auch darin, daß kaum einer der führenden Protagonisten der völkischen Bewegung physiognomisch dem öffentlich propagierten Idealbild des germanisch-nordischen "Edelmenschen" entsprach und einige Gesinnungsgenossen, so etwa Ernst Wachler, den "Nachweis rein germanischer Abkunft" nicht erbringen konnten.

In der völkischen Weltanschauung waren reaktionäre bis antibürgerlich-sektenhafte Züge verbreitet, beispielsweise jene schon die Zeitgenossen polarisierenden kruden Rassesiedlungsideen des Mittgartbundes oder die Versuche verschiedener Gruppen, eine neuheidnisch-germanische Religion zu stiften. Daneben gab es durchaus auch Anknüpfungspunkte an moderne Entwicklungen der Zeit, wie die Überlegungen für ein völkisch ausgerichtetes Gesamtschulsystem oder die Propagierung der Gartenstadt als "artgemäße" Form des Stadtlebens.

Etwas überrascht liest man, daß Gustav Simons, eine Schlüsselfigur der völkischen und Lebensreformbewegung, der Erfinder der Vollkornbrotes war. Durchaus beklemmend ist das zutreffende Fazit Puschners: Trotz vieler Skurrilitäten und der organisatorischen Zersplitterung durch den "Führungskampf und Führungsanspruch einzelner" gelang es den Vertretern der völkischen Bewegung, lange vor dem Ersten Weltkrieg, Deutschland mit einem "Netzwerk von Institutionen" zu überziehen "und mit einer ebenso aggressiven wie zielgerichteten Agitation den ideologischen Nährboden, die organisatorischen Voraussetzungen und das propagandistische Instrumentarium für Nationalsozialismus und Rechtsradikalismus" zu schaffen.

MATTHIAS STICKLER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Einmünden der völkischen Bewegung in den Nationalsozialismus sowie ihre partikulare und unübersichtliche Organisationsstruktur haben für Matthias Stickler bislang den Blick für deren Anfänge in der wilhelminischen Zeit verstellt. Puschners Buch schafft da Abhilfe, indem er die völkische Bewegung differenziert betrachtet und als eigenständiges Phänomen würdigt, ohne dabei apologetischen Tendenzen zu unterliegen, wie Stickler schreibt. Puschner nähert sich der völkischen Weltanschauung anhand der drei Schlüsselbegriffe "Rasse - Sprache - Religion" und bewerkstelligt es dabei, die Gedankengänge der Protagonisten dieser Bewegung nachvollziehbar zu machen, äußert Stickler lobend. Eine pauschale Subsumierung der völkischen Bewegung unter den Nationalsozialismus ist danach nicht mehr möglich, da sie ebenso "reaktionäre wie antibürgerlich-sektenhafte Züge aufwies". Aber sie hat, daran lässt der Autor nach Stickler keinen Zweifel, den ideologischen Nährboden und die organisatorischen Voraussetzungen für den Nationalsozialismus und seine Verbände bereitet.

© Perlentaucher Medien GmbH