0,99 €
inkl. MwSt.
Sofort per Download lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Format: ePub

1689 – 1766: Der Landwirt und Kaufmann Walter Shandy nimmt Schicksale philosophisch, auch den Tod seines älteren Sohnes, Umstände Tristrams Geburt und Kindheit. Während hingegen Krieg die Gedankenwet seines einfach gestrickten Bruders - Onkel Toby - bestimmt. Der ehemalige Offizier baut zusammen mit seinem Freund Trim, ebenfalls Kriegsveteran, Festungsanlagen und spielt Krieg. Eine brillante und innovative Parodie und Satire der experimentellen Literatur mit abschweifenden Assoziationen.

  • Geräte: eReader
  • ohne Kopierschutz
  • eBook Hilfe
  • Größe: 0.78MB
Produktbeschreibung
1689 – 1766: Der Landwirt und Kaufmann Walter Shandy nimmt Schicksale philosophisch, auch den Tod seines älteren Sohnes, Umstände Tristrams Geburt und Kindheit. Während hingegen Krieg die Gedankenwet seines einfach gestrickten Bruders - Onkel Toby - bestimmt. Der ehemalige Offizier baut zusammen mit seinem Freund Trim, ebenfalls Kriegsveteran, Festungsanlagen und spielt Krieg. Eine brillante und innovative Parodie und Satire der experimentellen Literatur mit abschweifenden Assoziationen.
Autorenporträt
Laurence Sterne wurde 1713 in Clonmel (Irland) geboren und starb 1768 in London an Tuberkulose. Er studierte Theologie und wurde anglikanischer Pfarrer. Während das Erscheinen des Tristram Shandy 1759 in seiner Gemeinde einen Skandal auslöste, wurde er in den Londoner Salons gefeiert. Bis heute gilt er als einer der wichtigsten Romane der Weltliteratur.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.12.2015

Wenn’s tickt
Hier gelingt das Unwahrscheinliche: Ein Hörspiel,
das Tristram Shandy gerecht wird
VON JENS BISKY
Es beginnt mit kurzem Rauschen, als hätte man am Senderknopf gedreht, dann stöhnen zwei, es müssen Mann und Frau sein. Wieder rauscht es, dann Klarheit: „Band eins, Kapitel eins“. Es folgen Beischlafbegleitgeräusche, in die eine Stimme „Nein“, „Nöö“, „Nein auch nicht“ spricht und in das Knarzen und Quietschen des Bettes hinein diesen schönen Anfangssatz: „Ich wünschte, entweder mein Vater oder meine Mutter, oder fürwahr alle beide, denn von Rechts wegen oblag die Pflicht ihnen zu gleichen Teilen, hätten bedacht, was sie taten, als sie mich zeugten . . . “ Der Satz, von Stefan Merki mit flehender Dringlichkeit gesprochen, ist viel länger, er führt hinein ins kurze erste Kapitel eines Romans, der 1759 zu erscheinen begann und bis heute definiert, was es heißen könnte, modern zu erzählen. Auf neun Bände wuchs „Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman“ bis 1767 an. Der Roman und sein Verfasser, Laurence Sterne, wurden europäische Berühmtheiten. In Deutschland behalf man sich seit 1774 mit einer Übersetzung von Johann Joachim Bode; heute haben Leser das Glück, die zu Recht gefeierte Übersetzung von Michael Walter lesen zu können. Dann erfahren sie, dass, neben manch anderem Ungemach, Zufall und Ungeschick rund um die Geburt des Tristram Shandy, eine Frage in der Zeugungsstunde wenig Gutes verhieß: „Ei, mein Guter, sprach meine Mutter, hast du auch drangedacht, die Uhr aufzuziehen?
  Wollte man alle versammeln, denen „Tristram Shandy“ mehr wurde als ein Roman unter anderen, alle, die begeistert über ihn sprachen, rasch hätte man einen Club der besten Autoren beisammen. Was nicht verwundern kann, erzählt doch der 1713 geborene Laurence Sterne vor allem vom Schreiben und Lesen und Kommentieren, von all den Abwegen, die man dabei beschreitet, von den Doppeldeutigkeiten, die man in Kauf nimmt, sobald man etwa von „Nasen“ spricht. Aber je begeisterter einer im Roman gelesen hat und wieder liest, desto skeptischer wird er die Ankündigung hören, dass es diesen nun als Hörspiel gibt. Wie soll das gehen? Nein, das geht eigentlich nicht. Der Roman taugt nicht zur Dramatisierung, dafür besitzt er zu viele Ebenen, bietet zu viel Geschehen bei kaum fortschreitender Handlung, wechselt zu häufig die Erzählhaltung, zwei Kapitel lang steigen Figuren ein paar Treppenstufen hinab, und das wird auch noch kommentiert und bedacht – und dann gibt es, unersetzlich im Buch, die schwarze und die marmorierte Seite und einige Eigentümlichkeiten mehr. Wie will man das inszenieren?
  Karl Bruckmaier hat es für den Bayerischen Rundfunk getan – und kaum hat Mutter Shandy ihren Gatten nach der Uhr gefragt, ist auch der Hörer gewonnen und überlässt sich freudig dem Können und dem Witz eines Regisseurs, der das Buch genau kennt und auch sonst weiß, was er tut. Bruckmaier spielt mit den Hörspielüblichkeiten: Tristram spricht vor Publikum, wie das so ist mit Mikrofonen kommt es zur Rückkopplung; gestrichene Kapitel werden hörbar aus einem Buch gerissen – ratsch, Seiten zerknüllt, was darauf stand, knapp zusammengefasst oder auch nicht. Hörer fragen, wie man dies oder jenes zu verstehen habe, was es bedeuten soll – und erhalten Antwort etwa vom kundigen Übersetzer Michael Walter. Die schwarze Seite nach den Worten „Ach, armer Yorick!“ – Yorick war neben Tristram ein alter ego des Autors Sterne –, die schwarze Seite also ist ein Popsong, und zwar einer, den man auch beim dritten Mal gern hört (Musik: Robert Coyne, Chris Cutler, Robert Forster). Geräusche gibt es reichlich, eine Kutsche etwa rattert, man versteht das eigene Wort kaum, da der Ruf: „Können wir die Kutsche mal . . . “
  All das funktioniert, weil die Schauspieler ihren Rollen Lebenswirklichkeit einsprechen: Stefan Merki als Tristram, Hans Kremer als der sympathischste Militär der Weltliteratur, Onkel Toby also, den es bei Naumur bös erwischte, der zum Glück mit Korporal Trim (Michele Cuciuffo) einen bei sich hat, der ihn versteht, noch bevor er sich äußert. Peter Fricke und Anna Drexler lassen das Ehepaar Shandy als eines auferstehen, das nicht allein dem 18. Jahrhundert angehört. Man müsste alle aufzählen, denn keiner ist bei Sterne bloß Nebenfigur, jeder bekommt den Raum, der einem Individuum zusteht. Auch davon, dass ein solches eine eigene Welt nach ganz eigenen Gesetzen ist, die sich nicht flott und kaum der Ordnung nach auserzählen lässt, handelt dieser Roman, handelt auch das Hörspiel, das jedes Kapitel ankündigt und dann doch macht, was gerade passt.
  Sterne, der so lebenslustig war, wie es eben aufgeklärte Pfarrer sein können, lässt seinen Helden im dritten Buch dann zur Welt kommen, die Erziehungsinstruktionen, an denen der Vater arbeitet, sind da noch lange nicht fertig. Sie kommen im Leben zu spät, im Roman aber genau an der richtigen Stelle. Die Doppelbewegungen, das Zugleich von Abschweifung, Verzögerung und Voranschreiten, setzt dieses Hörspiel klug in Szene, es sperrt den Hörer nicht ein in Shandy Hall, sondern verführt ihn zu einem Geist, den Nietzsche als den freiesten aller Zeiten begrüßte. 
  
Laurence Sterne:
Leben und Ansichten
von Tristram Shandy,
Gentleman.Der Hörverlag, München 2015. 9 CDs,
ca. 456 min., 37,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.01.2008

Auf der Suche nach den Ansichten eines Gentlemans

Peter Heusch liest anderen Leuten gerne lange Bücher komplett vor. Im März hat er nach dreizehn Jahren seine Frankfurter Proust-Lesung beendet. Nun geht es weiter - mit Laurence Sternes Roman "Tristram Shandy".

Von Florian Balke

Auf den ersten Blick ist ein stärkerer Gegensatz als der zwischen Marcel Proust und Laurence Sterne kaum denkbar. Auf der einen Seite steht die unendlich dahinfließende Prosa von Prousts "Suche nach der verlorenen Zeit" mit ihren feinen Schattierungen von Seelenleben und Erscheinungen der Lebenswelt. In der anderen Ecke des literarischen Boxrings brüstet sich Sternes "Tristram Shandy", ein Meisterwerk, dem man die Vorliebe des 18. Jahrhunderts für klare Gedankenfügung und deutliche Worte anmerkt, mit zupackendem und ironischem Erzählton. Nimmt man Sternes und Prousts Romane gemeinsam in den Blick, sieht es so aus, als versammele man im Scheinwerferlicht des Ringes die Weltmeister zweier unterschiedlicher Gewichtsklassen. Auf den zweiten Blick ist natürlich wie immer alles anders. Da offenbaren sich die Champions aus Aufklärung und Moderne als Brüder im Geiste, die sich auf unnachahmliche Weise zu einem jeweils ganz eigenen Standpunkt vorangekämpft haben, zu einer ganz eigenen Sicht auf die Welt und die Kunst. Insofern ist es sehr passend, dass Peter Heusch bei der Suche nach einem Nachfolgeprojekt für seine Frankfurter Proust-Lesung auf Sternes "Tristram Shandy" stieß.

Als Heusch im vergangenen März nach dreizehn Jahren munter auf das Ende seines Vorlesemarathons zulief, überlegte er gemeinsam mit Literaturhauschefin Maria Gazzetti, ob man der von Stammgästen und Gelegenheitshörern geliebten Mammutlesung nicht etwas Ähnliches folgen lassen könnte. Heusch dachte an Thomas Mann, Gazzetti brachte dessen Josephsroman ins Spiel, dann liebäugelte Heusch eher mit Heimito von Doderer, dessen "Dämonen" er noch lieber gemacht hätte als die "Strudlhofstiege". Lauter lange Meisterwerke also, kürzer als die geliebte "Suche nach der verlorenen Zeit", aber immer noch lang genug, um dem Vorleser einiges an Lebenszeit abzufordern. Heusch, durch Proust klug geworden, dachte bei sich: "Das überleb ich nicht." Schließlich fiel die Entscheidung auf Laurence Sterne und "Tristram Shandy". Der ist nicht ganz so lang wie seine Konkurrenten und hat zudem den Vorteil, sehr kurzweilig zu sein.

Heusch jedenfalls freut sich diebisch auf sein neues Projekt. Zusammen mit Martin Mosebach und Michael Walter wird er die Lesung des Romans am 14. Januar um 20 Uhr im Literaturhaus Frankfurt eröffnen. Neben Mosebach, der bei der Entscheidung für Sterne behilflich war, kann Heusch in der Person des 1951 in Wiesbaden geborenen Walter auch den Mann begrüßen, der dafür verantwortlich ist, dass Sternes Meisterwerk der englischen Literatur in einer überzeugenden deutschen Übersetzung vorliegt. Im vergangenen April brachte Heusch die Vorstellung von Walters amüsanter Sterne-Übertragung in der Frankfurter Romanfabrik bei der Entscheidung für den Autor maßgeblich voran.

Zweieinhalb Jahre soll das Vorlesen des "Tristram Shandy" dauern. Eine überschaubare Frist, für die Heusch dankbar ist: "Es ist kein Pakt mit dem Teufel mehr." Treffen werden er und seine Zuhörer sich im Lesekabinett des Literaturhauses, gelesen wird einmal im Monat montags um acht. Das passt. Schließlich ist der Montag für Heusch der Wochentag "mit der Schwierigkeit des Anfangs". Und wie man etwas beginnt, fortsetzt und schließlich zur Vollendung bringt, ist ein Problem, das der "Tristram Shandy" so lustvoll ins Zentrum seines Erzählens zerrt wie kein anderer Roman vor oder nach ihm. "Leben und Ansichten des Tristram Shandy, Gentleman" lautet der vollständige Titel des Romans, den Sterne, der 1713 in Irland geborene Landpfarrer, von 1759 an veröffentlichte. Nach dem Erscheinen der ersten zwei von insgesamt neun Bänden war der Erfolg des Buches ebenso ungewöhnlich wie die Schreibtechnik, deren Sterne sich bediente.

Seinen Tristram ließ er keine Beschreibung eines vernunftbestimmten und stimmigen Lebens geben. Dabei hatte gerade dieses Erzählmodell das englische Publikum ein paar Jahrzehnte zuvor für Daniel Defoes "Robinson Crusoe" eingenommen. Sterne zeigte seinen darob schlicht begeisterten Lesern, dass die Kunst viel unterhaltsamer ist, wenn sie sich völlig unvernünftig verhält. Da ist zum einen die Tatsache, dass der Roman, wie Heusch es bündig zusammenfasst, exakt siebenhundertvierundvierzig Seiten dafür benötigt, von einem Leben zu erzählen, das am Ende des Buches noch immer nicht älter ist als ein paar Minuten. Da sind zum anderen Tristrams erzählerische Abschweifungen, in denen der Leser alles über die Details von Mrs. Shandys Ehevertrag und Onkel Tobys Verletzung in der Leistengegend erfährt. Da sind schließlich die absurden erzählerischen Geistesblitze, mit denen Sterne seine Leser ebenso entzückt wie seinen Frankfurter Vorleser, der noch gar nicht richtig weiß, wie er sie seinen Zuhörern alle verdeutlichen soll.

"Wie liest man eine schwarze Seite?", fragt sich Heusch und denkt an den spektakulären Coup, mit dem Sterne das zwölfte Kapitel des ersten Romanteils beendet. Mit einigen Ideen zu dieser Stelle spielt er schon. Das muntere Turnen des Romans durch die Sprachen, Schriftarten und Stile wird er jedenfalls genauso wiederzugeben versuchen wie die kurvenreichen Linien, mit denen Tristram im sechsten Teil sein eigenes Erzählen erklärt: "Ich bin zu allem entschlossen." Seine Zuhörer werden Heusch, dem Vorleser mit den vielen Stimmen, gerne folgen. Schließlich wissen sie, dass auch ihr Alltag vom Prinzip Abschweifung bestimmt wird: "Man muss nur zwei Frauen am Südbahnhof zuhören, wie sie sich innerhalb von zehn Minuten ihr Leben erzählen."

Peter Heuschs Lesung von Sternes "Tristram Shandy" beginnt am 14. Januar um 20 Uhr im Literaturhaus Frankfurt, Schöne Aussicht 2.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Jens Bisky hätte nicht damit gerechnet, dass ein Hörspiel zu Tristram Shandy so gut gelingen kann. Aber Regisseur Karl Bruckmayer weiß genau, was er tut, versichert der Kritiker, der staunt, wie hier gestrichene Seiten durch Reißgeräusche intoniert werden, mit Mikrofonen Rückkopplungen erzeugt werden oder Hörerfragen eingebunden werden. Auch die Leistung des Sprecherensembles ist lebensnahe und grandios, lobt der Rezensent. Dazu die Übersetzung von Michael Walter und die Musik von Robert Coyne, Chris Cutler und Robert Forster - für den Kritiker ist dieses Hörspiel ein Ereignis.

© Perlentaucher Medien GmbH