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Wilhelm Uhde, der großbürgerliche Preuße, und Séraphine, eine einfache Französin, die von den Bewohnern ihres Dorfes verspottet und von den Kindern mit Dreck und Steinen beworfen wird, trennen Welten. Und doch hat das Schicksal sie zusammengeführt: den sensiblen Kunstsammler und seine tiefgläubige Putzfrau, die Bilder malt, seit ihr ein Engel des Herrn erschien.Viele Jahre und zwei Weltkriege später wird beider Leben verfilmt. Der Schauspieler, der im Film Uhde verkörpert, macht dabei eine seltsame Entdeckung, die ihn unversehens in den phantastischen Kosmos der Séraphine de Senlis…mehr

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Produktbeschreibung
Wilhelm Uhde, der großbürgerliche Preuße, und Séraphine, eine einfache Französin, die von den Bewohnern ihres Dorfes verspottet und von den Kindern mit Dreck und Steinen beworfen wird, trennen Welten. Und doch hat das Schicksal sie zusammengeführt: den sensiblen Kunstsammler und seine tiefgläubige Putzfrau, die Bilder malt, seit ihr ein Engel des Herrn erschien.Viele Jahre und zwei Weltkriege später wird beider Leben verfilmt. Der Schauspieler, der im Film Uhde verkörpert, macht dabei eine seltsame Entdeckung, die ihn unversehens in den phantastischen Kosmos der Séraphine de Senlis katapultiert: in ein Leben hinter den Bildern und Gobelins eines vergessenen Schlosses der Picardie.
Ulrich Tukur erzählt von der Macht der Malerei und der Magie der Musik. Er nimmt uns mit auf eine Reise durch drei Jahrhunderte, in eine beunruhigende Welt zwischen Traum und Wirklichkeit.
Autorenporträt
Tukur, Ulrich
Ulrich Tukur, 1957 in Viernheim geboren, ist einer der bekanntesten deutschen Schauspieler. Für seine Arbeit erhielt er zahlreiche Preise, 2013 wurde ihm der Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache verliehen. 2005 erschien sein Erzählungsband Die Seerose im Speisesaal. Ulrich Tukur lebt mit seiner Frau, der Fotografin Katharina John, in Venedig.
Rezensionen
"Tukurs Sprache hat Patina, ja, sie sehnt sich nach Schönheit, Kultiviertheit, altem Glanz.", Süddeutsche Zeitung, Christine Drössel, 05.12.2013

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.09.2013

Das Bild zeigt, was es nicht zeigt
Rollenprosa: Der Schauspieler Ulrich Tukur spinnt seine Filmrolle aus "Séraphine" in einer Novelle weiter

Der mehrfach ausgezeichnete Film "Séraphine" von Martin Provost aus dem Jahre 2008 erzählt ein historisch verbürgtes Wunder der Kunst: 1912 zieht sich der vornehme deutsche Kunstsammler Wilhelm Uhde in einen kleinen Ort der französischen Picardie zurück, wo schon die Impressionisten der Natur verfielen. Dort entdeckt er durch Zufall in seiner Putzfrau Séraphine Louis eine begabte Malerin, die aus Blut, Öl und Kräutern Farben zusammenbraut und damit überwältigend leuchtende Blumen, Bäume und Früchte auf Holztafeln zaubert. Ohne Anleitung oder Ausbildung folgt die tief religiöse Bäuerin damit einem göttlichen Befehl, den sie mit flackernder Inbrunst und befeuert von ihren lateinischen Gesängen ausführt.

Ulrich Tukur spielt in dieser ziemlich fesselnden Geschichte eines Naturgenies den sensiblen Connaisseur, der nach damals noch Namenlosen wie Pablo Picasso und Georges Braque nun ein geheimnisvolles Talent gerade dort aufspürt, wo es sonst niemand vermutet. Tukur hat die Rolle Uhdes offenbar nicht losgelassen, in seiner zauberhaften Novelle spinnt er sie jetzt weiter. Ihren besonderen Reiz bezieht sie aus der raffinierten Verflechtung der historischen Begebenheit mit der filmischen Darstellung, den realen Dreharbeiten und dem Übertritt des Schauspielers in die vergangene Welt Séraphines und Uhdes. Tzvetan Todorov hat das Phantastische in seiner berühmten Definition dadurch bestimmt, dass der Leser über die Realitätshaltigkeit einer Erzählung ständig im Ungewissen gehalten wird.

Genau das passiert in diesem Buch. Hier spricht ein im gleichen Jahr wie Tukur geborener Schauspieler in erster Person, der im Film eines Regisseurs anderen Namens den Wilhelm Uhde spielt. Dabei zitiert er ständig Bilder und Dialoge aus Martin Provosts "Séraphine", um schließlich in einer phantastischen Zeitreise in die vor seiner eigenen Geburt liegenden Ereignisse selbst einzudringen. Wiederholt zweifelt dieser Erzähler selbst, ob das Geschehen noch realistisch zu erklären oder bereits wunderbar sei, die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Traum verfließen. Zunächst folgt die Novelle dem Film, gerät dann aber über die geheimnisvolle Suche des beteiligten Regieassistenten nach einem Drehort für Séraphines Kammer in die Sphäre eines verwunschenen Schlosses mit einem musikalisch wie künstlerisch hoch begabten adeligen Personal. Die Berichte dieses jungen Mannes aus jener Traum- oder Wahnwelt wirken bizarr und unglaubwürdig, vor allem werden sie aber jäh unterbrochen. Denn bald findet man ihn erhängt in einer alten Linde.

Dieses Bild, das auf der letzten Seite auch als stilisierte Zeichnung zu sehen ist, erinnert ungemein an das Ende des Films: Séraphine Louis, die ihre letzten Jahre in der Nervenheilanstalt von Clermont-sur-l'Oise verbrachte, hat mit Uhdes Hilfe ein teures Einzelzimmer mit Gartenzugang erhalten. Sie schreitet auf einen jener majestätischen Lebensbäume zu, die sie immer liebte und so gern darstellte. Einen Augenblick hält man den Atem an, ob der mitgeführte Stuhl ihr zum Sitzen oder als Podest für einen Selbstmord dienen soll. Im Buch macht sich der Schauspieler auf, ihren Geheimnissen weiter nachzuforschen und damit auch die Bemühung des Regieassistenten fortzuführen, der ihm einen mysteriösen Brief hinterließ - bestehend zunächst aus einem leeren Blatt, das erst allmählich seine Schrift offenbart.

Was dem Darsteller Uhdes auf seiner Suche begegnet, kann hier nicht preisgegeben werden. Nur so viel sei verraten: Der faszinierte, tiefe Blick Uhdes, dem schon Séraphines zuerst erblicktes "Bild zeigte, was es nicht zeigte", geht in dieser Novelle als Schule eines neuen Sehens auf den erzählenden Schauspieler über. Man mag das auch einen Glauben an die Möglichkeit nennen, "daß es eine Welt hinter der Leinwand gäbe, die für uns nicht zugänglich, aber ebenso wirklich sei wie diese". Sympathisch ist, dass der Leser zu keiner mystischen Erfahrung überredet wird, sondern ungewöhnliche Wahrnehmungszustände, übersinnliche Erscheinungen rund um die titelgebende Spieluhr oder mögliche Täuschungen auf die Probe gestellt werden. Das verrät viele phantastische Züge, verspricht aber eine Lektüre, wie sie einem nicht alle Tage begegnet.

ALEXANDER KOSENINA.

Ulrich Tukur: "Die Spieluhr". Eine Novelle.

Ullstein Verlag, Berlin 2013, 156 S., geb., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.12.2013

Die Welt hinter der Leinwand
Zeitreise auf den Spuren der französischen Malerin Séraphine Louis: In seiner Novelle „Die Spieluhr“
knüpft Ulrich Tukur an die Tradition der Schauerromantik an – und schafft ein rätselvolles Vexierspiel
VON CHRISTINE DÖSSEL
Als Schauspieler ist Ulrich Tukur einer der ganz Großen seiner Zunft, ein Charakterdarsteller von einer so einnehmenden, intelligenten, verführerischen Präsenz, dass er einen noch in den fiesesten Rollen gewinnt. Jammerschade, dass er sich vom Theater, wo er herkommt, seit geraumer Zeit abgewandt hat und fast nur noch filmt. Ob als intriganter Stasi-Leutnant in „Das Leben der Anderen“, als gebieterischer Baron in „Das weiße Band“, als „John Rabe“ im Kino oder „Rommel“ im Fernsehen – Tukur ist als Schauspieler ein Ereignis und räumt dafür einen Preis nach dem anderen ab. Deutscher Filmpreis, Goldene Kamera, Bambi – eh klar; aber auch ehrenvolle Persönlichkeits-Auszeichnungen wie den Ordre National des Arts et des Lettres des französischen Kulturministeriums (Tukur dreht viel in Frankreich und spricht fließend Französisch). Oder den Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache, den Tukur dieses Jahr mit der Begründung erhielt, er beweise, „dass man wunderbar mit der deutschen Sprache spielen kann“ und überzeuge dabei nicht nur als Schauspieler, „sondern auch als Autor und Musiker“.
  Ja, Tukur ist wirklich ein Haudegen von einem Multitalent: sorgt in seiner Eigenschaft als Pianist, Akkordeonspieler und singender Frontmann der Rhythmus Boys mit Evergreens und beschwingt-nostalgischen Eigenkreationen für gute Laune in ausverkauften Sälen – und schreibt jetzt auch noch. Und, Teufel noch mal: Er kann auch das! Seine als „Novelle“ charakterisierte Geschichte „Die Spieluhr“ ist von einer romantisch-literarischen Verve und Vielschichtigkeit, als habe er in den letzten Jahren nichts anderes gemacht.
  „Die Spieluhr“ ist tatsächlich nicht Tukurs literarisches Debüt. Schon 2007 hat der Schauspieler unter dem Titel „Die Seerose im Speisesaal“ einen Band mit „venezianischen Geschichten“ vorgelegt – eine Hommage an Venedig, die Stadt, in der er seit 1999 mit seiner Frau, der Fotografin Katharina John lebt.
  Fügten sich schon damals die einzelnen Geschichten zu einem poetischen Vexierspiel aus Vergangenem und Gegenwärtigem, Wirklichkeit und Fiktion, treibt und formt Tukur dieses Spiel in seiner „Novelle nach einer wahren Begebenheit“ nun entschlossen weiter – zu einem höchst ungewöhnlichen, kostbar eingefassten, befremdlich funkelnden Stück Retro-Literatur in der Tradition der Schauerromantik à la E. T. A. Hoffmann oder Poe.
  Ausgehend von realen Dreharbeiten zu einem Film, der auf historischen Tatsachen beruht, geht es auf verwunschenen, verwirrenden Pfaden immer tiefer in die Geschichte hinein – in die Geschichte(n) hinter der Geschichte, oder, um es in der Sprache der Malerei zu formulieren, die hier eine wichtige Rolle spielt: in andere, tiefere, dahinter liegende Schichten. Es ist wie bei einem Spiel im Spiel im Spiel: Am Ende hat man mit der Orientierung auch einen Gutteil seiner Wahrnehmungs- und Realitätssicherheit verloren, den festen Boden unter den Füßen. Ein ziemlich reizvoller Zustand.
  Stilistisch auf den Spuren der fantastischen Literatur des 19. Jahrhunderts wandelnd, haftet der Geschichte etwas wunderbar Altmodisches an, ohne dass Tukur sich da spreizen oder gar im Kitsch suhlen würde. Ob er eine „stumm vor sich hin rostende Erinnerung“ beschreibt oder „Wolken, die wie barocke Schiffe lautlos und in ungeheuren Höhen durchs Blau des Himmels segelten“, ob er in einem Schloss eine tote Marquise spuken oder die ländlich-bukolische Szenerie auf einem Gobelin lebendig werden lässt – Tukurs Sprache hat Patina, ja, sie sehnt sich nach Schönheit, Kultiviertheit und altem Glanz. Pathos aber hat sie nicht. Und sie verfällt, bei aller akuten Gefahr, auch nicht dem Manierismus. Da kriegt Tukur doch meistens die Kurve, mögen noch so viele fantastische Erscheinungen die Gesetze der Physik aufheben und seine Sprache hold beflügeln. „Die Spieluhr“ schafft es tatsächlich, den Leser zu be- und verzaubern, ihn zu entrücken in eine magische Welt – fern von der unsrigen, in der, wie es einmal heißt, „alles Echte, Große und Ursprüngliche im Mistkübel der Gier, der Beliebigkeit und der Verblödung landet und der Mensch (. . .) sich nur mehr rasend und sinnlos im Kreise dreht“.
  Diese Sehnsucht nach Ursprünglichkeit, Schönheit und alten Werten drückt das Buch schon optisch aus: Art-déco-Lettern und ein florales Goldemblem zieren den lindgrünen Textil-Einband, der Text ist großzügig und verspielt gesetzt, in alter Rechtschreibung verfasst. Ein ästhetisch angenehmer Vintage-Look, der stimmig einhergeht mit dem schwarzromantischen Gefühl, das Tukurso flirrend beschwört.
  Dass man beim Lesen stets Tukur selbst wie in einem Film vor Augen hat, liegt nicht nur daran, dass der Ich-Erzähler Schauspieler ist und gerade bei Dreharbeiten in der französischen Picardie weilt. Gedreht wird ein Film über Séraphine Louis, genannt Séraphine de Senlis (1864–1942), jene französische Putzfrau, die im Namen der Muttergottes wunderbare Blumenbilder malte und als eine der bedeutendsten Vertreterinnen der Naiven Kunst gilt. Es gibt tatsächlich einen Film über sie, gedreht wurde er 2008 von Martin Provost, und Ulrich Tukur spielt darin den preußischen Kunstsammler Wilhelm Uhde, der Anfang des 20. Jahrhunderts in der Picardie lebte und dort das Talent der malenden Putzfrau entdeckte und beförderte.
  Ausgehend von einem seltsamen Vorfall bei den Dreharbeiten, gerät der Ich-Erzähler, der – genau wie Tukur – die Rolle des Wilhelm Uhde spielt, auf den Spuren des plötzlich dem Wahnsinn verfallenen Regieassistenten in ein geheimnisvolles Schloss. Genau das Schloss, in dem die echte Séraphine einst eine Kammer hatte. Was er dort erlebt, ist ein irisierender Spuk zwischen Traum und Wirklichkeit, eine Reise zurück in alte Zeiten, eine Verlebendigung von Gemälden, Geschichten, ausgestopften Tieren. Sie führt ins Jahr 1944, als kurz nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler Wehrmachtsoffiziere in dem Schloss untergebracht sind, Major Friedrich von Rotha zum Beispiel, ein Preuße von aufrechter Gesinnung und großer Kunstsinnigkeit. Im Gespräch mit ihm, den bald für immer in einem Gemälde Verschwindenden, sieht sich der Erzähler plötzlich selbst verwandelt: in einen Doktor Wilhelm aus Nazi-Deutschland, der als Staatssekretär im Auswärtigen Amt wichtige Informationen beigebracht hat. Auch ein alter Marquis, ein zarter Knabe von Mozartscher Begabung und die geheimnisvoll schöne Marquise mit der Spieluhr sind Geisterprotagonisten in dieser Traumnovelle.
  „Träumte ich“, fragt der Erzähler, „oder war ich unversehens in eine Welt hineingeraten, die sich dicht neben der unseren befand und ihr Dasein parallel gestaltete? Unsichtbar für uns, doch ebenso real für jene, die ihrer Sphäre angehörten?“ Nach Lektüre dieses kleinen, feinen Bandes gibt es an der Existenz dieser anderen Welt gar keinen Zweifel mehr.
Der Ich-Erzähler ist Schauspieler,
er weilt gerade in der Picardie
und dreht den Film „Séraphine“
Ulrich Tukur mit seinem neuen Akkordeon der renommierten Manufaktur Borsini aus dem italienischen Castelfidardo.
FOTO: FRANK SIEMERS/LAIF
    
  
  
  
  
      
Ulrich Tukur: Die Spieluhr. Novelle. Ullstein Verlag, Berlin 2013. 160 Seiten,
18 Euro.
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