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London 1966: Eine Serie brutaler Raubüberfälle hält die Stadt in Atem. Während Kommissar George Varney fleißig in die falsche Richtung ermittelt, wird ein Journalist ermordet - nicht das letzte Opfer in einem vertrackten Fall ...

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Produktbeschreibung
London 1966: Eine Serie brutaler Raubüberfälle hält die Stadt in Atem. Während Kommissar George Varney fleißig in die falsche Richtung ermittelt, wird ein Journalist ermordet - nicht das letzte Opfer in einem vertrackten Fall ...
Autorenporträt
Erich Loest, 1926 in Mittweida (Sachsen) geboren, war 1944/45 Soldat, danach Hilfsarbeiter, später bei der "Leipziger Volkszeitung". Seit 1950 freischaffender Schriftsteller, 1957 aus politischen Gründen verhaftet und zu einer siebenjährigen Zuchthausstrafe verurteilt. 1981 verließ er die DDR und gründete im Dezember 1989 den Linden-Verlag, Leipzig. Er lebte in Leipzig. 2009 wurde Erich Loest mit dem Deutschen Nationalpreis ausgezeichnet und 2010 mit dem Kulturgroschen für sein herausragendes kulturpolitisches und schriftstellerisches Engagement. Der Autor verstarb im September 2013.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2006

Nein, kein Tor, kein Tor
Aber eins zu null für Erich Loest: Ein Mörder im Wembley-Stadion

Einen verlockenden Titel hat dieses Buch, und das nicht nur, weil er von einem Mörder raunt. Manch einer wird sich von einem anderen Titelwort angezogen fühlen: Wembley. In jenem Londoner Stadion wurde das Finale der Fußball-Weltmeisterschaft 1966 ausgetragen; hier fiel das Wembley-Tor, dessen, wie wir inzwischen wissen, nicht korrekte Anerkennung die deutsche Mannschaft auf den zweiten Platz, die englischen Spieler aufs Siegerpodest beförderte.

Die Kämpfe von damals spielen denn auch eine wichtige Rolle, wenngleich nur im Hintergrund der eigentlichen Handlung, schließlich haben wir es mit einem Kriminalroman zu tun. Beide, das kriminale wie das fußballerische Element, könnten einen Bücherfreund verblüffen, der vom Autor zwar schon dies und das gehört hat, aber nicht alles von ihm weiß. Erich Loest, Mann aus der DDR, Verfasser vieler Bücher über das Leben im geteilten Deutschland, schrieb einen Krimi? Noch dazu einen, der in England spielt, das ihm zur Zeit der Niederschrift, in den sechziger Jahren, völlig fremd war? Obendrein schildert er die Leistungen einer Fußballmannschaft aus dem schlimmsten Feindesland der DDR, nämlich der Bundesrepublik, denn der deutsche Ost-Staat war bei dem Turnier nicht vertreten. Wie war das möglich in Ulbrichts DDR?

Hätten wir ein Exemplar der Erstausgabe von 1967 in der Hand, so würden wir den Namen Erich Loest vergeblich suchen. Der Schriftsteller, dessen Auffassung vom Sozialismus der staatlichen Politik nicht entsprach, war 1964 aus dem Zuchthaus Bautzen entlassen worden, wo man ihn sieben Jahre lang eingesperrt hatte. Er mußte für sich und seine Familie Geld verdienen, doch der Autorenname Loest und das, was er schrieb, waren verpönt. Der Ausweg: Krimis basteln und unter Pseudonym veröffentlichen. So wurde aus Erich Loest Hans Walldorf, und dessen Geschichten hatten Erfolg, besonders der Wembley-Roman, nach dem das Fernsehen der DDR einen zweiteiligen Film drehte - und in dem seinerzeit, zur Beruhigung des Ulbricht-Regimes, nicht deutsche, sondern nur westdeutsche Fußballer auftraten. 1985, vier Jahre nach Loests Auszug aus der DDR, erschien der Roman zum ersten Mal im Westen, und zwar unter dem echten Verfassernamen. Die jetzige Ausgabe, so läßt der Autor in einem Nachwort wissen, ist das Ergebnis einer präzisen Aufräumarbeit, denn er habe sich, so Loest, beim ersten Besuch in London 1981 furchtbar geschämt über das Stadtbild, das er, in der DDR festgenagelt, nach Unterlagen der Deutschen Bücherei in Leipzig entwarf. Auf die Kriminalfabel hatte das Aufräumen keinen Einfluß - Gott sei Dank, möchte man sagen, denn im Erfinden seiner Geschichten war dieser Autor von jeher wendig und leserfreundlich genug, er hätte sich mit einer inhaltlichen Selbstzensur nur geschadet.

In der Wembley-Geschichte zieht er uns in eine Abfolge von Raubüberfällen, die sich im Fußball-London ereignen und die den Männern von Scotland Yard schwer zu schaffen machen. Offensichtlich wird das Verbrechertreiben von einem ebenso erfindungsreichen wie bösartigen Hirn gelenkt, einige Gefängnisausbrüche gehören zum kriminellen Gesamtplan, mehrere Morde dienen zu dessen Absicherung. Kommissar George Varney, Zuchthausdirektor Carmichael und dessen Stellvertreter Dr. Tasburgh kommen den Gangstern Bicket, Woodward, Grebb auf die Spur. Wer aber ist der Mann, der die Täter per Telefon anleitet und den alle nur unter dem Namen Delphin kennen? Ist der Zuchthauswärter Horrocks, in dessen Dienstzeit der schlimmste Ausbruch stattfand, auch mit von der Partie? Wer hat das Haus, dessen Adresse einer der Gangster preisgibt, zur Kommandantur des Bösen gemacht? Und wie kommt das Luxusauto des Dr. Tasburgh, vom Erbgeld einer Tante gekauft, in die Hände der Verbrecher und in den Ablauf ihrer Anschläge?

Der Autor Loest sorgt dafür, daß die Ermittler reichlich schwitzen und wir mit ihnen. Am Ende, wenn im Wembley-Stadion Tausende die Endspiel-Mannschaften anfeuern, lösen sich die Kriminalrätsel. Wie sieht die Lösung aus? Soll man das verraten? Dann nehmen wir ja denen, die das Buch noch lesen werden, die Spannung. Das wäre schade, nicht nur, weil der Einsatz eigenen Spürsinns zum Spaß am Krimi gehört, sondern vor allem deshalb, weil Erich Loest ein Schriftsteller ist, dem sich ein Bücher-Fan bedenkenlos anvertrauen kann. Solch ein Leser sollte nicht schon am Anfang sagen müssen: Es hat keinen Zweck, weiterzulesen, ich weiß ja schon alles.

SABINE BRANDT

Erich Loest: "Der Mörder saß im Wembley-Stadion". Kriminalroman. Steidl Verlag, Göttingen 2006. 196 S., geb., 10,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Bestnoten vergibt Rezensentin Evelyn Finger an diesen "sportlichen und angriffslustigen" Fußballkrimi, den Erich Loest ihren Informationen zufolge um 1966 herum geschrieben hat. Denn Loest streut aus ihrer Sicht "unnachahmlich lässig" beträchtliches Fußballspezialwissen in seine Krimihandlung ein, eine "verzwickte Gangstercharade" mit Agatha-Christie-Anklängen und Scotland-Yard-Elementen im London der Fußballweltmeisterschaft des Jahres 1966. Mit einiger Rührung gibt die Rezensentin außerdem Details aus Loests Nachwort zu Protokoll, zum Beispiel über die von ihm empfundene Scham und Wut, als er nach seiner Übersiedelung in den Westen das echte Londoner Wembleystadion besichtigen konnte, das er sich seinerzeit für seinem Krimi in der Bücherei zusammenrecherchieren musste. Im Roman hat es daher wenig Ähnlichkeit mit der Wirklichkeit, was die Rezensentin allerdings im Gegensatz zu Loest völlig unerheblich findet.

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