Marktplatzangebote
19 Angebote ab € 3,98 €
  • Gebundenes Buch

Orhan Pamuk ist ein Augenmensch. Die Bilder eines Bellini faszinieren den in der Türkei lebenden Autor ebenso wie persische Miniaturen. In dieser Sammlung von Essays staunt der Nobelpreisträger für Literatur über die alltäglichen Wunder in New York, huldigt seinen Vorbildern der Literaturgeschichte und gibt Betrachtungen zu Politik und Zeitgeschichte preis. Vielleicht am schönsten sind seine Schilderungen aus dem Alltagsleben - der Tod einer Möwe oder die kindliche Melancholie der kleinen Tochter. Pamuks Essayband ist ein ganzer Kosmos, witzig, verspielt, manchmal provozierend, eine Fundgrube für alle Leser dieses großen Autors.…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Orhan Pamuk ist ein Augenmensch. Die Bilder eines Bellini faszinieren den in der Türkei lebenden Autor ebenso wie persische Miniaturen. In dieser Sammlung von Essays staunt der Nobelpreisträger für Literatur über die alltäglichen Wunder in New York, huldigt seinen Vorbildern der Literaturgeschichte und gibt Betrachtungen zu Politik und Zeitgeschichte preis. Vielleicht am schönsten sind seine Schilderungen aus dem Alltagsleben - der Tod einer Möwe oder die kindliche Melancholie der kleinen Tochter. Pamuks Essayband ist ein ganzer Kosmos, witzig, verspielt, manchmal provozierend, eine Fundgrube für alle Leser dieses großen Autors.
Autorenporträt
Orhan Pamuk, 1952 in Istanbul geboren, studierte Architektur und Journalismus. Für seine Werke erhielt er u.a. 2003 den Impac-Preis, 2005 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und 2006 den Nobelpreis für Literatur. Bei Hanser erschienen zuletzt Der Koffer meines Vaters (2010), Cevdet und seine Söhne (Roman, 2011), Der naive und der sentimentalische Romancier (2012), der Katalog Die Unschuld der Dinge. Das Museum der Unschuld in Istanbul (2012), Diese Fremdheit in mir (Roman, 2016), Die rothaarige Frau (Roman, 2017), Istanbul (Erinnerungen und Bilder aus einer Stadt, 2018) und Die Nächte der Pest (Roman, 2022).

Gerhard Meier, geboren 1957, lebt seit 1986 in Lyon. Er übersetzte u.a. Amin Maalouf, Henri Troyat, Jules Verne, Murathan Mungan, Orhan Pamuk, Ahmet Hamdi Tanpinar und Hasan Ali Toptas.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.05.2010

Mit der Nadel einen Brunnen graben
Was heißt Schreiben in Istanbul? Orhan Pamuk umkreist den Koffer seines Vaters
Wäre Orhan Pamuk auch der Autor von Weltrang und -ruf geworden, wenn er seine Bücher in Paris oder, sagen wir, München geschrieben hätte? Oder anders gefragt: würden nicht Pamuks Bücher, auch wenn sie weniger gut wären, noch immer vom unvergleichlichen Nimbus von Istanbul profitieren, von seiner längst zum Klischee erstarrten Lage an einer Meerenge „zwischen den Kulturen“? Diese im Westen vorherrschende Vorstellung von der Istanbuler Topographie hat Pamuk nicht gefördert, aber er hat ihr auch keine andere Topographie entgegen gesetzt. Eben das tut beispielsweise ein Artikel des französischen Ethnologen Michel Péraldi im letzten Heft von „Lettre International“. „Weltbasar am Bosporus“ heißt sein Essay, was zunächst wie eine Bestätigung beliebter Ansichten klingt. Dann aber macht Péraldi deutlich, dass Istanbul nach Geografie und Funktion weniger der Ort „zwischen den Kontinenten“ ist, sondern der neuralgische „hub“ einer gewaltigen Landmasse, die vom Balkan bis ins westliche China reicht. Die Ökonomie, die von Istanbul aus stimuliert wird, ist eine Angelegenheit der nomadischen Händler und der immer neuen Basare und eignet sich in Péraldis Beschreibung keineswegs zur Romantisierung. Die Istanbuler Ökonomie der Moldawier und Uiguren sei, sagt er, eine „Sache der leidenden Menschheit“.
Das ist nicht Orhan Pamuks Blick auf die Stadt, die er, im Gegensatz zu den ambulanten Marktteilnehmern, seine Heimat- und Vaterstadt nennen kann. Man tritt ihm nicht zu nahe, wenn man den Antrieb seines Schreibens nostalgisch nennt. Nostalgie, also Vergangenheitsschmerz und -lust, steht üblicherweise unter kritischem Verdacht, was umso merkwürdiger ist, wenn man bedenkt, dass sich um die Wörter „Erinnerung“ und „Gedächtnis“ fast eine Industrie geschart hat. Die Nostalgie aber, oder vornehmer ausgedrückt, die Proustsche „mémoire“, ist völlig unerlässlich nicht nur für Pamuks literarisches Eingedenken seiner Stadt, sondern für seine Vorstellung vom Romancier und vom Romanschreiben überhaupt. Das belegen die Lebensskizzen, literarischen Essays und Interviews, die nun unter dem Titel „Der Koffer meines Vaters“ auf Deutsch vorliegen. „Der Koffer meines Vaters“, so hieß die Rede, die Pamuk bei der Entgegennahme des Nobelpreises 2006 gehalten hat. Im besagten Koffer erzählt er hier, lagen Manuskripte, die er, so hatte ihm der Vater gesagt, nach seinem Tod einmal lesen solle. „Ich weiß noch gut“, erinnert sich Pamuk, „wie ich damals, nachdem mein Vater gegangen war, einige Tage lang an dem Koffer vorbei schlich, ohne ihn auch nur anzufassen. Ich kannte ihn ja schon aus Kindertagen, er war klein, schwarz, aus Leder und hatte abgerundete Ecken.“
Der Koffer hat einen Inhalt, und die Aussicht auf diesen Inhalt löst zwiespältige Gefühle aus. Was wäre der richtige Zeitpunkt, den Koffer zu öffnen: jetzt? Nach dem Tod des Vaters? Oder nie? Und wie wird sein Inhalt die Figur des Vaters verändern, der nun auf einmal nicht mehr nur Vater, sondern auch noch ein Schriftsteller (ein guter?) wäre? Rund um den väterlichen Koffer entfaltet Pamuk eine Anamnese des literarischen Schreibens, in der dann auch die besondere Kondition des „Schreibens in Istanbul“ zur Sprache kommt.
Was bedeutet es, in Istanbul zu schreiben, im Unterschied etwa zum Schreiben in Paris oder München? Beim Öffnen des Koffers, schreibt Pamuk, seien zwei „Grundgefühle“ zu Tage getreten: „das Gefühl des Provinzialismus“ und „die Sorge um die Authentizität“. Als Istanbuler Romancier glaubte man sich am Rand der Welt und kompensierte die Randlage durch erhöhte, aber nicht authentische Anpassung an die Standards von Paris. Von diesen schwierigen Ausgangsbedingungen hat sich Pamuks Schreiben emanzipiert, und zwar durch und mit Istanbul. Istanbul ist der Ort, an dem der Schriftsteller Pamuk „mit der Nadel einen Brunnen gräbt“, was, folgt man den Texten dieses Bandes, eine einsame, geduldige und unendliche Aufgabe ist. Istanbul sei für ihn – anders als für den Vater – das „Zentrum der Welt“, auch „weil ich seit dreiunddreißig Jahren die Straßen, die Brücken, die Menschen, die Hunde, die Moscheen, die Brunnen (...) beschreibe und mich stets mit alledem identifiziere.“ Istanbul selbst ist der Brunnen, und die Metapher des Brunnens ruft geradezu nach Tiefe, Vergangenheit und Epik. „Tief ist“ ja nach Thomas Mann „er "Brunnen der Vergangenheit“, aber man würde Pamuk ganz und gar nicht gerecht, wenn man ihn in eine Reihe mit den Epikern des 19. Jahrhunderts (oder aus seinem Geist) stellen würde.
In einem Interview erzählt Pamuk von seinem ersten Roman, einer Art Familiensaga nach Art der „Forsyte Saga“ oder der „Buddenbrooks“. Bald habe er bereut, „etwas so Altmodisches“ geschrieben zu haben. Nicht mehr Tolstoi, Dostojewski und Thomas Mann seien seine Helden gewesen, sondern Faulkner und Virginia Woolf, später dann Proust und Nabokov, noch später Borges und Calvino. „Borges und Calvino befreiten mich“, nicht nur vom europäischen Großroman, sondern ebenso von der türkischen Literatur oder der herrschenden Vorstellung von ihr. „Mir wurde klar“, sagt Pamuk, „dass meine Generation eine moderne Nationalliteratur erfinden musste.“ Romane wie das „Schwarze Buch“ seien Experimente in der Absicht, Erzählweisen der westlichen Avantgarde und der östlichen Traditionen zusammen zu bringen, freilich nicht im Sinne einer Synthese, sondern als „dadaistische Collage“. Orhan Pamuk wollte nie etwas anderes sein als „ein seriöser experimenteller Autor“. Vielleicht lebt und arbeitet ja ausgerechnet in Istanbul der seriöseste Sachwalter experimenteller Literatur überhaupt? Ohne Pamuk, ohne seine Position, möchte man sich die Literatur dieser Zeit lieber nicht vorstellen.
CHRISTOPH BARTMANN
ORHAN PAMUK: Der Koffer meines Vaters. Aus dem Leben eines Schriftstellers. Aus dem Türkischen von Ingrid Iren und Gerhard Meier. Carl Hanser Verlag, München 2010. 344 Seiten, 24, 90 Euro
Durch die und mit der Stadt: Orhan Pamuk in Istanbul Foto: laif
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Keine Sorge: Trockenes Papierrascheln hat man laut Jörg Plath in Orhan Pamuks Essayband mit Reden, Aufsätzen über Lieblingsautoren, Dankesreden und Feuilletontexten und einem Interview nicht zu befürchten. Vielmehr erhalte man einen lebendigen Einblick in das Schriftstellerleben, wobei sich der Literaturnobelpreisträger von 2006 erstaunlich ungeschützt zeige, so der Rezensent eingenommen. Ihm fällt auf, dass Pamuk im Gegensatz zu seinem ersten 2006 auf Deutsch erschienenen Essayband hier souverän und entspannt mit seiner zwiegespaltenen Seele zwischen westlichen und orientalischen Traditionen umgeht. Ihm werde dieser Umstand zum "doppelten Glück", das sein Werk wesentlich bestimmt, so Plath. Mitunter sind ihm die Texte dieses Bandes allzu locker geknüpft, und er stellt fest, dass der türkische Autor sich nicht näher mit Begrifflichkeiten aufhält. So "trudelt mancher Aufsatz förmlich aus", kritisiert Plath, für den diese Essays dennoch wahre "Fundgruben" darstellen, insbesondere, was sich darin über Wurzeln und Hintergründe zu Pamuks Werk finden lässt.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein Must für Pamuk-Fans." Neue Zürcher Zeitung, 27.03.10

"Ohne Pamuk, ohne seine Position, möchte man sich die Literatur seiner Zeit lieber nicht vorstellen." Christoph Bartmann, Süddeutsche Zeitung, 27.05.10