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Weshalb polemisiert der israelische Kulturwissenschaftler Ethan Rosen gegen einen Artikel, den er selbst verfaßt hat? Erkennt er seinen eigenen Text nicht wieder? Oder ist er seinem Kollegen Klausinger in die Falle gegangen, mit dem er um eine Professur an der Wiener Universität konkurriert? Ethan Rosen und Rudi Klausinger: Beide sind sie Koryphäen auf demselben Forschungsgebiet, und doch könnten sie unterschiedlicher nicht sein: Rosen ist überall zu Hause und nirgends daheim. Selbst der Frau, die er liebt, stellt er sich unter falschem Namen vor. Klausinger wiederum ist Liebkind und Bastard…mehr

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Produktbeschreibung
Weshalb polemisiert der israelische Kulturwissenschaftler Ethan Rosen gegen einen Artikel, den er selbst verfaßt hat? Erkennt er seinen eigenen Text nicht wieder? Oder ist er seinem Kollegen Klausinger in die Falle gegangen, mit dem er um eine Professur an der Wiener Universität konkurriert?
Ethan Rosen und Rudi Klausinger: Beide sind sie Koryphäen auf demselben Forschungsgebiet, und doch könnten sie unterschiedlicher nicht sein: Rosen ist überall zu Hause und nirgends daheim. Selbst der Frau, die er liebt, stellt er sich unter falschem Namen vor. Klausinger wiederum ist Liebkind und Bastard zugleich. Er weiß sich jedem Ort anzupassen und ist trotzdem ruhelos: Was ihn treibt, ist die Suche nach seinem leiblichen Vater; sie führt ihn schließlich nach Israel und zu Ethan Rosen. Dessen Vater, ein alter Wiener Jude, der Auschwitz überlebte, braucht dringend eine neue Niere. Bald wird die Suche nach einem geeigneten Spenderorgan für die Angehörigen zur Obsession. Und selbst der obskure Rabbiner Berkowitsch hat plötzliches Interesse an den Rosens.
Herkunft, Identität, Zugehörigkeit um und um wirbelt Doron Rabinovici in seinem neuen Roman "Andernorts" die Verhältnisse in einer jüdischen Familie, deckt ihre alten Geheimnisse auf und beobachtet sie bei neuen Heimlichkeiten. Am Ende dieser packend erzählten Geschichte sind alle Gewißheiten beseitigt. Nur eines scheint sicher: Heimat ist jener Ort, wo einem am fremdesten zumute ist.
"Rabinovici gelingt das Kunststück, seine Prosa unterhaltsam, elegant und leicht, zugleich aber auch ausgesprochen artifiziell, genial und mehrdeutig darzubieten." Tages-Anzeiger
Autorenporträt
Rabinovici, Doron
Doron Rabinovici, 1961 in Tel Aviv geboren, in Wien aufgewachsen, ist Schriftsteller und Historiker. Sein Werk umfasst Kurzgeschichten, Romane und wissenschaftliche Beiträge. In Österreich hat er immer wieder prominent Position gegen Rassismus und Antisemitismus bezogen. Für sein Werk wurde er zuletzt mit dem Anton-Wildgans-Preis und dem Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.09.2010

Kann man den Messias klonen?

Auf dem Rückweg zum alten Glauben mit den neuesten Mitteln: Der orthodoxe Atheist Doron Rabinovici hat mit "Andernorts" den lustigsten deutschsprachigen Roman dieses Herbstes geschrieben

Es gibt Romane, in denen Realität und Fiktion so perfekt miteinander verwoben sind, dass man an die erfundene Welt ohne weiteres zu glauben beginnt. Alles, was in ihr geschieht, hält man plötzlich für möglich. Die unwahrscheinlichsten Dinge erscheinen einem völlig plausibel. Selbst über erstaunliche oder ganz und gar absurde Figuren wundert man sich nicht, sondern begegnet ihnen mit der größten Selbstverständlichkeit. Der österreichische Schriftsteller Doron Rabinovici hat so einen Roman geschrieben. "Andernorts" heißt er. Er spielt zwischen Wien und Tel Aviv und ist, in seiner Mischung aus Sprachwitz, Intelligenz und Übertreibung, der mit Abstand lustigste Roman dieses Herbstes - was nicht heißt, dass in ihm nicht trotzdem alles auch sehr ernst gemeint wäre.

Die unglaublichste und zugleich seltsam glaubwürdige Figur in diesem Roman heißt Rabbi Berkowitsch, eine geistige Autorität in Israel, ein ultraorthodoxer Führer, der im Hintergrund der religiösen Fraktionen agiert. Dieser Rabbi hat in "Andernorts" einen Plan: Er will den Messias klonen. Seine Theorie: Der Messias wurde bereits vor Jahrzehnten gezeugt, allerdings nie geboren. Seine Mutter konnte ihm kein Leben schenken, weil sie, schwanger, erschossen wurde. Der Vater sollte sein Kind nie in die Arme nehmen, weil ihn die Mörder vergasten. Als Embryo kam der Messias also im Holocaust um, weswegen, so der Rabbi, gegen die Auslöschung und Vernichtung angekämpft werden müsse. Die allernächsten Messias-Verwandten, die überlebt haben, müssten gefunden werden, um mittels gentechnischer Verfahren das Experiment zu wagen. "Rabbi, sind Sie total meschugge? Sie wollen den Messias klonen? Wie Dolly, das Schaf?", heißt es im Roman. Und der Rabbi freut sich fiebrig: "Es ist kein Klonen, da wir ja kein Original haben. Noch nicht! Aber aus den Keimzellen der allernächsten Verwandten wollen wir jenes Kind wieder erstehen lassen, das bereits einmal gezeugt und das ermordet wurde, ehe es zur Welt kam. Wir werden dazu vielleicht Tausende von Embryos brauchen - und Gottes Hilfe."

Beim Lesen zögert man nicht mal. Warum sollte es in Jerusalem oder in Tel Aviv nicht jemanden wie Rabbi Berkowitsch geben? Ist die Genforschung in Israel nicht besonders weit entwickelt? Aus welchem Grund eigentlich? Doch nicht allein wegen des demographisch-nationalen Wettlaufs mit den Palästinensern? Gibt es nicht Glaubensströmungen, die Biologismus und Mystik zusammenführen? Ist die genetische Wissenschaft in Israel nicht erfüllt von messianischen Visionen? Im wahren Leben gibt es Rabbi Berkowitsch und sein Projekt natürlich nicht. Doron Rabinovici hat ihn erfunden, als Protagonisten eines Fundamentalismus, der auf die Rückkehr zum alten Glauben mit neuesten Mitteln setzt. Er ist eine Übertreibung und Karikatur dessen, was der Autor in der Realität vorgefunden hat und was sich auf religiösem Gebiet tatsächlich tut: "Im Internet", sagt Rabinovici, "werden inzwischen sogar genetische Untersuchungen angeboten, die vorgeben, nachweisen zu können, wie jüdisch man sei. Wenn solch abstruse Dummheiten möglich sind, warum sollte nicht morgen ein Rabbi Berkowitsch auf der Bildfläche erscheinen? Ganz so unwahrscheinlich wäre es nicht." Der österreichische Autor beherrscht das fein austarierte Spiel der Übertreibung. Kunstvoll bewegt sich "Andernorts" auf schmalem Grad zwischen Fiktion und Realsatire. Woodyallenhaft verhandelt er die großen Fragen der Herkunft, der Zugehörigkeit und der Identität.

Rabinovici, der 1961 in Tel Aviv geboren wurde und als Sohn zweier Holocaust-Überlebender in Wien aufwuchs, wo er heute lebt, bezeichnet sich selbst als "orthodoxen Atheisten". Für ihn, sagt er, gelte, was Ben Gurion, der israelische Staatsmann, gesagt habe: "Der Gott, an den ich nicht glaube, ist ein jüdischer." Er sei geprägt von dieser Tradition, feiere sehr wohl auch die Feste, bringe seiner kleinen Tochter bei, was er könne. Erzogen worden sei er aber in einer israelisch-linken, nichtreligiösen Form. Und es ist diese Weigerung, sich auf das Religiöse festlegen zu lassen; der Versuch, jeder Festschreibung zu entkommen, der auch den erzählerischen Grundton in "Andernorts" vorgibt.

Es ist ein Roman größtmöglichster Verwirrung: Der Kulturwissenschaftler Ethan Rosen, der in Wien mit seinem Kollegen Rudi Klausinger, den er nicht ausstehen kann, um eine Professur konkurriert, ist auf dem Weg nach Tel Aviv, wo sein Vater im Sterben liegt. Dort angekommen, findet er am Bettrand des Vaters ausgerechnet Rudi Klausinger vor, der zu seinem großen Entsetzen behauptet, in Wahrheit Ethans Bruder zu sein. Das Entsetzen wird größer, als der todkranke Vater dieser Behauptung nicht widerspricht, sondern den Neuankömmling widerstandslos in die Familie aufnimmt. Die angeblichen Brüder konkurrieren nun nicht nur um wissenschaftliche Anerkennung, sondern auch um die Anerkennung desjenigen, den sie beide für ihren Vater halten. Der allerdings braucht kein Familientheater, sondern eine Spenderniere - und genau an dieser Stelle kommt Rabbi Berkowitsch ins Spiel: Berkowitsch nämlich ist überzeugt, in Ethan Rosens Vater, einem alten Wiener Juden, der Auschwitz überlebte, einen Verwandten des Messias gefunden zu haben. Ethan und Rudi beschließen den Rabbi zu erpressen: Sie erklären sich bereit, im Dienst des messianischen Projekts, das sie natürlich einfach nur lächerlich finden, einen Gentest zu machen, sollte der mächtige Rabbi bereit sein, im Gegenzug eine Spenderniere zu besorgen. Der Gentest, der auch beweisen könnte, dass Rudi und Ethan Brüder sind, entpuppt sich als Desaster. Am Ende sind alle Verwandtschaftsverhältnisse torpediert, die Hoffnung auf den Messias ist zunichte. Heimat- und gottlos stehen die Figuren da.

"Im Roman geht es darum", sagt Doron Rabinovici, "dass der Wunsch, eine eigene Familie zu haben, nach der Schoa besonders groß ist. Familie, Glück und Staat sind aber nicht ohne Lügen zu haben. Das stammt ja nicht von mir. Dass am Anfang jeder Nation eine Lüge steht, hat, wenn auch nicht so wörtlich, der französische Schriftsteller und Historiker Ernest Renan festgestellt. Im Grunde gilt für alle Nationen, dass mit der Geschichtsfälschung die Nation beginnt. Ich meine das natürlich nicht als Delegitimierung des israelischen Staates. Und ich meine auch nicht, dass die Schoa nicht erinnert werden soll. Es geht mir darum, zu beschreiben, wie die Gesellschaft funktioniert."

Die Lügen kommen in "Andernorts" mit dem Gentest alle auf einmal zutage. Aber was ist dann die Wahrheit? Im Roman kann der Gentest nicht beantworten, wer der Messias und auch nicht wer der eigentliche Vater ist. "Geheimnisse", heißt es, "waren nun einmal der Kern aller Familien. Ohne Märchen keine Erziehung. Ohne Dunkel kein Elternzimmer. Ohne Heimlichkeit kein Heim".

JULIA ENCKE

Doron Rabinovici: "Andernorts". Roman. Suhrkamp-Verlag, 286 Seiten, 19,90 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.02.2012

Total
meschugge
Schon auf dem Flug von Tel Aviv nach Wien beginnt für den österreichisch-israelischen Kulturwissenschaftler Ethan der Schlamassel. Während sein Nachbar zur Rechten im Gebet vor und zurück schaukelt, „als gehöre er einer Hardrockband an“, frühstückt zur Linken eine Oma Medikamente. „Ob sie an einer Krankheit leide?“ „Nein. An mehreren.“ Als ihn dann die schöne Noa anspricht, verleugnet er sich, gibt sich als Johann Rossauer aus. Doron Rabinovici erzählt in „Andernorts“ von der schwierigen Suche nach Herkunft, Identität, Heimat, aberwitzig und ernst zugleich. Ethan schickt er in den Clinch mit dem Kollegen Klausinger, mit dem er letztlich mehr gemeinsam hat, als ihm lieb ist. Unterdessen benötigt der Vater eine neue Niere, und ein Ultraorthodoxer verfolgt wirre Pläne: „Rabbi, sind Sie total meschugge? Sie wollen den Messias klonen?“
Florian Welle
Doron
Rabinovici:
Andernorts. Roman.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012.
286 Seiten,
9,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Geradezu hingerissen ist die Rezensentin Sabine Berking von diesem Roman. Mit großer Leichtigkeit und immer wieder an die Werke Woody Allens erinnernd bewege er sich auf schwierigem Gelände: Es geht um israelische Identität, über die Generationen hinweg. Zu diesem Zweck zettelt der Autor ein heftiges Konkurrenzverhältnisse zwischen zwei Kulturwissenschaftlern an, die sich damit konfrontiert sehen, möglicherweise wirklich Halbbrüder zu sein. Daneben geht es aber auch um einen Rabbi, der glaubt, dass der Messias im Jahr 1942 in einem KZ ermordet worden ist und möglicherweise per Nachkommen-DNA wiederauferstehen kann. Die jüngere Generation hat unterdessen andere, nämlich pragmatischere Sorgen und Probleme mit dem Jüdischsein zuhause und andernorts. Völlig zu recht, befindet die Rezensentin, sei dieses "wunderbare" Buch auf der Longlist zum deutschen Buchpreis gelandet.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Doron Rabinovicis Roman handelt bitterernste Fragen mit einem kräftigen Schuss überdrehten Humors ab. Das liest sich flott und unterhaltsam und macht - so wohlkonstruiert der Roman auch sein mag - einen wohltuend unangestrengten Eindruck.«