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"Es zieht sich ein Strang von Rebellion, von Aufsässigkeit durch unsere Geschichte" befand Carl Amery über seine bayerische Heimat. Diese "Wiederständigkeit", die den Bayern eignet, bildet das Leitmotiv des vorliegenden Sonderbandes "Rebellen - Visionäre - Demokraten". Quer durch die bayerische Geschichtslandschaft werden bekannte und unbekanntere Persönlichkeiten seit der Frühen Neuzeit vorgestellt, Auswahlkriterium war dabei die historische Dimension und das wirkmächtige Nachleben der rund 50 porträtierten Frauen und Männer.Aus dem Inhalt: Johannes Turmair - Maximilian von Montgelas - Johann…mehr

Produktbeschreibung
"Es zieht sich ein Strang von Rebellion, von Aufsässigkeit durch unsere Geschichte" befand Carl Amery über seine bayerische Heimat. Diese "Wiederständigkeit", die den Bayern eignet, bildet das Leitmotiv des vorliegenden Sonderbandes "Rebellen - Visionäre - Demokraten". Quer durch die bayerische Geschichtslandschaft werden bekannte und unbekanntere Persönlichkeiten seit der Frühen Neuzeit vorgestellt, Auswahlkriterium war dabei die historische Dimension und das wirkmächtige Nachleben der rund 50 porträtierten Frauen und Männer.Aus dem Inhalt: Johannes Turmair - Maximilian von Montgelas - Johann Gottfried Eisenmann - Mathias Kneißl - Kurt Eisner - Pater Rupert Mayer SJ - Wilhelm Hoegner - Franz Josef Strauß - Sepp Daxenberger - Marieluise Fleißer - Rainer Werner Fassbinder u.v.m.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.12.2013

Wir sind dagegen
Egal, ob Autobahn durchs Isental, Beitritt zum Deutschen Reich oder Teilchenbeschleuniger im Ebersberger Forst:
Die Bayern zeichneten sich immer schon durch die Lust am Widerstand aus. Das Haus der Geschichte hat Paradebeispiele zusammengetragen
VON HANS KRATZER
München – Vor vielen Jahren hat der Schriftsteller Carl Amery (1922-2005) in einem Aufsatz klug herausgearbeitet, welch ein fester Strang von Rebellion und von Aufsässigkeit sich durch die bayerische Geschichte zieht. Auf den ersten Blick mag dies kurios erscheinen, denn gerade Bayern wird ja seit jeher von einer konservativen Grundströmung getragen, die zum Beispiel der CSU stets stabile Mehrheiten beschert. Der Autor und Maler Herbert Achternbusch löste diesen vermeintlichen Widerspruch mit seiner folgenden These problemlos auf: „In Bayern gibt es 60 Prozent Anarchisten und die wählen alle CSU.“
  Dass die bayerischen Anarchisten alle den Christsozialen zujubeln, ist freilich eine steile These. Sie lässt sich auch bei der Lektüre des neuen Hefts der Reihe Edition Bayern nicht erhärten, in dem sich mehr als 30 Autoren mit dem Thema Widerständigkeit und Rebellentum beschäftigen. Gleichwohl hat die Vergangenheit häufig belegt, dass Regierung und Widerstandsgeist in Bayern durchaus zusammengehören. Sogar in der aktuellen Politik ist dieses Phänomen gut zu beobachten, etwa bei den jüngsten Debatten um Betreuungsgeld und Maut, als die „Schwarzen“ aus Bayern ihre politischen Partner wieder einmal unnachgiebig piesackten.
  Der BR-Journalist Bernhard Ücker hat 1978 ein ganzes Buch über dieses Dickschädeltum verfasst, das den bezeichnenden Titel „Bayern – der widerspenstige Freistaat“ trug. Ückers Reflexionen wurden natürlich noch nicht von der Ausländer-Maut genährt, sondern eher von diversen Kapriolen aus der Nachkriegszeit. Etwa, als sich die Bayern bei der Abstimmung über das Grundgesetz im Mai 1949 stur stellten. Die Mehrheit der Abgeordneten aus dem Freistaat lehnte das Grundgesetz ab. Natürlich nicht, ohne sich ein Hintertürl offen zu halten und zu demonstrieren, wie man tatsächlich für und gegen die gleiche Sache sein kann. Letztlich akzeptierten die Bayern das Grundgesetz für den Freistaat in einem gesonderten Beschluss.
  Ähnlich widerspenstig traten die Bayern anno 1871 auf, als der Landtag um die Frage stritt, ob das Königreich Bayern dem Deutschen Reich beitreten solle. Bei dieser Gelegenheit geißelte Edmund Jörg, der Wortführer der Bayerischen Patriotenpartei, den preußischen Nationalismus messerscharf und vertrat eine explizit europäische Haltung. Jörgs Vision bestand bereits damals aus einem vereinten Europa, in dem die Regionen ihr Gewicht behalten sollten. Er praktizierte eine widerständige Haltung, die ihrer Zeit weit voraus war.
  Nicht nur der Fall Jörg zeigt, dass sich Trutz und Protest oft mit konkreten Personen verbinden, die schließlich zu Helden erkoren werden. Ein Paradebeispiel ist der Schmied von Kochel, eine Galionsfigur des Freiheitskampfs von 1705, bei dem sich bayerische Bauernhaufen gegen die österreichischen Besatzer erhoben hatten. Auch wenn der Schmied vermutlich gar nicht existiert hat, bleibt doch das Staunen, dass der Marsch der Rebellen aus dem Oberland gegen die Unterdrücker immer noch als Symbol für das bayerische Nationalgefühl hochstilisiert wird.
  Auf ähnliche Weise sind sogar Räuber und Wildschützen in die Heldenverehrung eingegangen, allen voran der Räuber Kneißl und der Wildschütz Jennerwein. Im Grunde genommen stellt der Wilderer den Urtypus des bayerischen Volkshelden dar, vermutlich weil bei ihm Aufbegehren und Volksromantik am klarsten ineinanderlaufen. Es passt gut ins Bild, dass der rebellische Wildschütz oft in hochdramatischen Romanen, Theaterstücken und Filmen stilisiert wurde.
  Überhaupt paart sich die Widerständigkeit hervorragend mit dem Hang zum Theatralischen und zum Protzen, der sich in der bayerischen Staatslosung „Mia san mia“ überdeutlich widerspiegelt. Ein solches Selbstbewusstsein giert nach politischem Dreinschlagen. In den Jahren 1918/19 mündete das Aufbegehren des Volks gar in eine rote Revolution, während des NS-Terrors in die Aktionen der Weißen Rose und der Freiheitsaktion Bayern.
  Heute tritt dieser Widerstandsdrang dagegen in Volks- und Bürgerentscheiden zutage, wie sie seit 1919 in der Bayerischen Verfassung verankert sind. Zuletzt verhinderte das Volk so die dritte Startbahn des Münchner Flughafens und die Olympiabewerbung für 2022. Ungezählt sind die Initiativen gegen natur- und heimatbedrohende Projekte. Richard Loibl, Chef des Hauses der Bayerischen Geschichte, listet im Editorial zum neuen Heft der Edition Bayern beeindruckende Beispiele für die Aufsässigkeit besorgter Bürger auf: den Widerstand gegen die Umnutzung des Chiemsees als Staubecken der Trostberger Stickstoffwerke in den 20er Jahren; den Kampf gegen den Bau des Teilchenbeschleunigers Cern im Ebersberger Forst in den 60er Jahren, den Widerstand gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf in den 80er Jahren sowie die Auseinandersetzungen um den Ausbau der niederbayerischen Donau und der Isentalautobahn.
  Zu den weiteren kritischen, liberalen und demokratischen Traditionslinien der bayerischen Geschichte gehören nicht zuletzt viele starke Frauen wie etwa die Frauenrechtlerinnen Anita Augspurg (1857-1943) und Rosa Kempf (1874-1948) sowie die couragierte Landtagsabgeordnete Ellen Ammann (1870-1932), die in dem aktuellen Heft der Edition Bayern zu Recht auf gleicher Höhe mit Widerständlern vom Schlage eines Oskar Maria Graf, Kurt Eisner, Pater Rupert Mayer und Sepp Daxenberger stehen.
Edition Bayern, Band 16, Rebellen, Visionäre, Demokraten. Über Widerständigkeit in Bayern. Hrsg. vom Haus der Bayerischen Geschichte, Tel. 0821/3295-0 und www.hdbg.de.
Mit seinem Widerstand von 1871
war der bayerische Politiker
Edmund Jörg seiner Zeit voraus
Der Schmied von Kochel als Ikone der Sendlinger Mordweihnacht von 1705, gemalt von Franz Defregger.
Vermutlich hat es diese Figur gar nicht gegeben. Links unten die Frauenrechtlerin Anita Augspurg (1899). Daneben eine Szene
aus den Tagen des Widerstands gegen die geplante Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf (1986).
Fotos: SZ-Photo (2), dpa
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