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Bayern, Mitte der 30er Jahre. Als gegenüber vom Muttergottesbild ein Führerporträt hängt, wird dem kindlichen Erzähler bewusst, dass etwas in Bewegung gerät. Aber in seinem Heimatstädtchen wirkt es wie eine natürliche Ergänzung: zu den kirchlichen Umzügen gesellen sich die der Braunhemden. Erst nach Kriegsbeginn werden die neuen Zeiten auch für ihn bedrohlich, beim Lazarettdienst und in der Gebirgswacht. Dann besetzen die Amerikaner die Heimat, und immer ist der Junge mittendrin: passiv und doch zum Handeln gezwungen, ein radikal subjektiver Chronist. Die vermeintlich vertraute Geschichte…mehr

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Produktbeschreibung
Bayern, Mitte der 30er Jahre. Als gegenüber vom Muttergottesbild ein Führerporträt hängt, wird dem kindlichen Erzähler bewusst, dass etwas in Bewegung gerät. Aber in seinem Heimatstädtchen wirkt es wie eine natürliche Ergänzung: zu den kirchlichen Umzügen gesellen sich die der Braunhemden. Erst nach Kriegsbeginn werden die neuen Zeiten auch für ihn bedrohlich, beim Lazarettdienst und in der Gebirgswacht. Dann besetzen die Amerikaner die Heimat, und immer ist der Junge mittendrin: passiv und doch zum Handeln gezwungen, ein radikal subjektiver Chronist. Die vermeintlich vertraute Geschichte einer Kindheit im Nationalsozialismus erzeugt in diesem autobiographisch geprägten Roman eine neue und eindringliche Leseerfahrung.
Autorenporträt
Viktor Niedermayer, geboren 1926 in Niederbayern, lebt im Engadin. Er arbeitete als Sportpädagoge in Johannesburg und Vancouver, acht Jahre als Trekkingführer im Himalaya und zwanzig Jahre als Skilehrer in Sils Maria, daneben als Sportexperte für das Bayerische Fernsehen und als Journalist für Die Weltwoche, Rheinischer Merkur, du und NZZ.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Im Wesentlichen scheint Rezensent Hans-Peter Kunisch mit Viktor Niedermayers autobiografischem Roman zufrieden. Gespannt folgt der Kritiker Niedermayer durch seine Kindheit in Bayern während des Zweiten Weltkriegs, erlebt den späteren Sportpädagogen und Reporter als aufmüpfigen Jungen, der Mitglied der Partisanenjäger war und doch ein schwieriges Verhältnis zum Vater, einem Heeresoberlehrer beim Reiterregiment hatte. Auch die Schilderung der Nachkriegszeit hat dem Rezensenten gefallen, und so verdankt er diesem vielleicht nicht immer ganz "ausgegorenem" Roman in jedem Fall ein überzeugendes Zeitbild.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.04.2016

Fersengeld
Viktor Niedermayer erzählt von
seiner Kindheit im NS-Staat
„Die Litanei geht ewig dahin.“ Doch dann gewinnt Viktor Niedermayer, ein später Romandebütant, 1926 in Plattling geboren, dem kirchlichen Gemurmel, das sein kindliches Alter Ego nicht interessiert, bilderreiche Beobachtungen ab: „Die Wachsstöckerl flackern, Schatten huschen oben über den Gang. Aus den Wolken in der Kuppel kommen Blitze, der Regenbogen biegt sich über der Arche Noah, der Busch brennt, und Gottvater redet auf den alten Mann ein, dass er das Kind ersticht.“
  Es geht in diesem Buch aber nicht nur um einen blutrünstigen bayerischen Gott. Ein SA-Mann hat dem Ich-Erzähler etwas geschenkt. Der Vater steigt auf „unseren Schemel und heftet das Plakat mit Reißnägeln an die Tür. Jetzt schaut mein Hitler mit seinem schwarzen Barterl Tag und Nacht hinüber zur Marielle ihrer Mutter Gottes.“ Marielle ist die ältere Schwester in diesem ungewöhnlichen Roman einer Kindheit und Jugend in der Provinz. Da gibt es die sehr unterschiedlichen Nachbarn: den späteren Nazi-Bürgermeister, aber auch die jüdisch-orthodoxen Großeltern der fünfjährigen Betti Abel, die einem SA-Mann ihre vom „Hakenkreuz-Zeltl“ feuerrote Zunge zeigt, dann mit dem Ich-Erzähler davon läuft, um im Kohlenkeller Händchen zu halten.
  In Interviews hat Viktor Niedermayer es gut aufgenommen, wenn ihm eine eigensinnige Anti-Nazi-Kindheit angeboten wurde. Sein Buch ist da vorsichtiger, was es sehr viel interessanter macht. Es zeigt das Hin und Her eines ungebärdigen Jungen, dem schon früh per Zeugnis bestätigt wird, dass er sich nicht unterordnen könne, der aber mitmacht.
  Niedermayer war Sportpädagoge in Johannesburg und Vancouver, acht Jahre Trekking-Führer im Himalaja, zwanzig Jahre lang Skilehrer in Sils-Maria, Ski-Experte fürs Bayerische Fernsehen. Geschrieben hat er für Du, die Weltwoche, die NZZ, oft Reisereportagen. Direkt nach dem Krieg habe er auch literarische Skizzen verfasst, Porträts von Toten, die ins Buch eingegangen seien, sagt er. Man merkt dem Roman an, dass er aus verschiedenen Elementen zusammengefügt ist. Teils durchlaufen Erzählungen dieselben biografischen Phasen auf andere Weise. Oder es ergeben sich auffällige Lücken. Die Mutter wird gern beschrieben, der Vater, der früh stirbt, kaum. Es war wohl ein schwieriges Verhältnis zum Heeresoberlehrer beim Reiterregiment, zu dessen Begräbnis der Kreisleiter kam. Sein Sohn wurde immerhin Gebirgsjäger, lernte den Generalssohn Dietmar Schönherr kennen, der mit dem Nazi-Film „Junge Adler“ bei Offiziersfrauen erste Erfolge feierte. Der Erzähler mokiert sich darüber, und war doch selbst beinahe bis zum unrühmlichen Ende dabei: als seine Gruppe Partisanenjäger angegriffen wird, gibt sie Fersengeld. Im Kollektiv fahnenflüchtig, verkauft der Erzähler gerade noch rechtzeitig seine Uniform.
  Temporeich auch die wilde erste Nachkriegszeit. Für einen Zehner lässt er sich von Frater Aloisius anfassen, er liest fanatisch die zuvor verbotene Literatur, verkauft verdünntes Softeis, haut erste japanische Touristen übers Ohr, wird zum Sidestep eines Autohändlers, der mit der Knef tanzen darf. Die entscheidende Wandlung des unheldischen Helden – vom Jungen, der an den Endsieg glaubt, zum Autoritätskritiker – bleibt halb durchdacht, ist vielleicht ein Opfer der Montage. Aber insgesamt liefert dieser nicht ganz ausgegorene autobiografische Roman ein kraftvolles Zeitbild.
HANS-PETER KUNISCH
Viktor Niedermayer: Finsterland. Roman. Nagel & Kimche, Zürich 2015. 208 Seiten, 18,90 Euro. E-Book: 14,99 Euro.
Der ungebärdige Junge
macht dennoch mit
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