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Selten liest sich das Alterswerk eines großen Autors so jugendlich frisch wie hier Juan Marsés kurzer Roman Gute Nachrichten auf Papierfliegern. Das liegt natürlich nicht zuletzt an Bruno, dem fünfzehnjährigen Protagonisten. Der schüchterne, aber liebenswerte Junge lebt allein mit seiner Mutter in Barcelona und arbeitet als Laufbursche in einer Konditorei. Doch jetzt, im August, beginnen die Ferien, und Bruno vertreibt sich die Urlaubszeit mit einem Nebenjob der etwas anderen Art.Er hilft der alten Frau Pauli, die mit ihrem blauen Papagei im oberen Stockwerk wohnt, Zeitungen zu sammeln. Aus…mehr

Produktbeschreibung
Selten liest sich das Alterswerk eines großen Autors so jugendlich frisch wie hier Juan Marsés kurzer Roman Gute Nachrichten auf Papierfliegern. Das liegt natürlich nicht zuletzt an Bruno, dem fünfzehnjährigen Protagonisten. Der schüchterne, aber liebenswerte Junge lebt allein mit seiner Mutter in Barcelona und arbeitet als Laufbursche in einer Konditorei. Doch jetzt, im August, beginnen die Ferien, und Bruno vertreibt sich die Urlaubszeit mit einem Nebenjob der etwas anderen Art.Er hilft der alten Frau Pauli, die mit ihrem blauen Papagei im oberen Stockwerk wohnt, Zeitungen zu sammeln. Aus diesen faltet Frau Pauli, die während des Krieges aus ihrer Heimat Polen geflohen und als Variététänzerin nach Barcelona verschlagen worden war, Papierflieger und lässt sie Tag für Tag vom Balkon aus über das Viertel gleiten. Wieso sie alle Welt mit guten Nachrichten beglücken will, erfahren wir erst auf den letzten Seiten dieses kurzweiligen, traurig-schönen Romans. Denn die Fotos in der Wohnung der alten Dame bergen, inmitten von Federboas, Stöckelschuhen und Lippenstiften, eine tragische Wahrheit ...
Autorenporträt
Juan Marsé wurde 1933 in Barcelona geboren. Nach einer Juwelierausbildung und Arbeiten als Werbetexter und Laufbursche im Pariser Institut Pasteur veröffentlicht er seit den späten fünfziger Jahren Romane und Erzählungen, für die er sämtliche großen Preise für spanischsprachige Literatur erhalten hat. Bei Wagenbach lieferbar sind seine Romane Letzte Tage mit Teresa und Der zweisprachige Liebhaber.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

In seinem Roman "Gute Nachrichten auf Papierfliegern" bereist Juan Marsé wohl seine Erinnerungen an das Barcelona seiner Jugend, vermutet Ralph Hammerthaler. Held der Geschichte ist aber nicht des Autors Alter Ego Bruno, sondern eine Greisin, Hanna Pawlikowska, die der Krieg aus Polen hierher hat fliehen lassen, verrät der Rezensent. Frau Pauli, wie sie alle nennen, ist ein wenig kauzig und fantasiert, erklärt Hammerthaler, aber Bruno lässt sich auf ihre Fantasien ein und erlernt darüber die Gabe der Beobachtung. Das Verhältnis des Jungen und der Alten beschreibt Marsé so wunderbar leicht, dass der Rezensent es beinahe unnötig findet, dass er seine Geschichte am Ende mit den traumatischen Erlebnissen Frau Pawlikowskas im Holocaust beschwert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.03.2016

Frau Pawlikowska und der verlorene Schuh
Der spanische Schriftsteller Juan Marsé kehrt mit seiner zauberhaft leichten Erzählung „Gute Nachrichten auf Papierfliegern“ in die Kindheit zurück
In Barcelona steht eine wunderliche Alte auf dem Balkon und wirft Zeug herunter, Kekse, Kroketten, Joghurt, vor allem aber Papierflieger, von ihr gefaltet aus Zeitungspapier und mit rotem Stift verziert. Positive Schlagzeilen nämlich unterstreicht sie: „Der Zirkus kommt“ zum Beispiel oder „Die Spieler von Barça verschenken Spielzeug an kranke Kinder“.
  Im selben Haus, weiter unten, wohnt Bruno, 15 Jahre alt. In den Ferien versorgt er die Alte mit Zeitungen; sie gibt ihm ein paar Peseten dafür. Ihm ist klar, dass sie spinnt. Aber allmählich sieht auch er, was sie sieht, wobei man als Leser nicht so genau weiß, ob er nur ihren Vorstellungen zu folgen sucht oder bereits selber halluziniert.
Wer hin und wieder mit Verrückten zu tun hat, weiß, dass man nicht im Mindesten mit ihnen klarkommt, wenn man immer nur korrigiert und nichts als einen Schmarren in jeder Äußerung erkennt. Ein bisschen muss man sich auf ihren Wahn schon einlassen, weil der Verrückte, ebenso wenig wie jeder andere auch, nicht immer nur hören will, dass er Schwachsinn redet. Darin liegt der Zauber dieser leichten Erzählung von Juan Marsé, „Gute Nachrichten auf Papierfliegern“, und vielleicht hätte es die später daran angehängten Gewichte gar nicht gebraucht.
Die wunderliche Alte heißt Hanna Pawlikowska. Der Krieg hat sie aus Polen nach Barcelona verschlagen, wo sie, jung und schön, als Varietétänzerin jungen und alten Männern den Kopf verdreht hat, unter dem Namen Hanna Pawli. Im Viertel rufen sie alle Frau Pauli, ganz so, als kürzten sie den vermeintlichen Vornamen Paulina ab. Marsé stellt der Erzählung eine Widmung voran: „Zum Gedenken an Paulina Crusat, die mir die Tür öffnete.“ Insofern ist dieses Buch auch eine Liebeserklärung.
Es muss die Tür zur Vorstellungskraft gewesen sein, durch die aus Beobachtungen Literatur wird. Das schließt den Wahn mit ein. Bruno, der Junge, entdeckt (oder halluziniert) seinen kläglich gescheiterten Hippie-Vater beim Wühlen in Abfallkörben in der Fußgängerzone. Er überholt ihn und wirft ein angebissenes Brötchen weg, damit der Vater es findet.
Juan Marsé ist 1933 in Barcelona geboren, seine Erzählung ein lichtes Alterswerk. Mit dem Roman „Letzte Tage mit Teresa“ hat er großen Erfolg gehabt; zweimal wurde das Buch verfilmt. Wenn nicht alles täuscht, hat er sich mit diesem Buch, dessen Original im Jahr 2014 erschien, in die Figur des halbwüchsigen Bruno in seine Jugend zurückversetzt. Aber nicht diesem Bruno setzt er ein Denkmal, sondern Frau Pauli.
„Besonders beunruhigte ihn, dass die Aufzählung von Kalamitäten dermaßen gebetsmühlenartig und genau war, ausgeschmückt mit so überraschenden wie unheimlichen Details: der im Regen verlorene Schuh, die tote Hand, der Stern auf der Brust . . .“. Bekanntlich werden viele Holocaust- oder Ghetto-Überlebende im Alter von ihren Erinnerungen heimgesucht, ohne dass sie wüssten, wohin damit. So ergeht es auch Frau Pauli. Nur mit Hilfe eines jungen deutschen Offiziers ist sie dem Warschauer Ghetto entkommen.
Unterm Balkon glaubt sie ehemalige Spielgefährten zu erkennen und versorgt sie mit dem Nötigsten. Selbst ein Regenschirm soll hinunterfliegen. In der Gasse stößt Bruno auf zwei ausgemergelte Jungs und überredet sie, ihm beim Sammeln der Zeitungen zu helfen. Seine Mutter nimmt die Jungs gar nicht wahr, aber Bruno sieht sie, weil er weiß, dass Frau Pauli sie sieht. So wird er zu ihrem Komplizen.
RALPH HAMMERTHALER
Einer erinnerten alten Dame
setzt diese Erzählung ein Denkmal
Frau Paulis Erzählungen
enthalten beunruhigende Details
  
  
    
  
Juan Marsé: Gute Nachrichten auf Papierfliegern. Aus dem Spanischen von Dagmar
Ploetz. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2016. 96 Seiten, 14,90 Euro.
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»Was für eine wunderbar schwebende, leicht surreale Erzählung.« Literarische Welt