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Freuds unerhörte Patientin Sie ist eine der bekanntesten Patientinnen des 20. Jahrhunderts: Dora, das jüdische Mädchen mit der »petite hystérie«, die es wagte, ihre Kur bei Sigmund Freud vorzeitig zu beenden. Für Katharina Adler war die widerständige Patientin lange nicht mehr als eine Familienanekdote: ihre Urgroßmutter Ida, die als der »Fall Dora« von der Nachwelt mal zum Opfer, mal zur Heldin stilisiert wurde. »Nach und nach wuchs in mir der Wunsch, dieses Bild von ihr zu ergänzen, ihm aber auch etwas entgegenzusetzen. Ich wollte eine Frau zeigen, die man nicht als lebenslängliche…mehr

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Produktbeschreibung
Freuds unerhörte Patientin
Sie ist eine der bekanntesten Patientinnen des 20. Jahrhunderts: Dora, das jüdische Mädchen mit der »petite hystérie«, die es wagte, ihre Kur bei Sigmund Freud vorzeitig zu beenden. Für Katharina Adler war die widerständige Patientin lange nicht mehr als eine Familienanekdote: ihre Urgroßmutter Ida, die als der »Fall Dora« von der Nachwelt mal zum Opfer, mal zur Heldin stilisiert wurde. »Nach und nach wuchs in mir der Wunsch, dieses Bild von ihr zu ergänzen, ihm aber auch etwas entgegenzusetzen. Ich wollte eine Frau zeigen, die man nicht als lebenslängliche Hysterikerin abtun oder pauschal als Heldin instrumentalisieren kann. Eine Frau mit vielen Stärken und auch einigen Schwächen, die trotz aller Widrigkeiten bis zuletzt um ein selbstbestimmtes Leben ringt.« Von ihr, von "Ida", handelt dieser mitreißende Roman: die Geschichte einer Frau zwischen Welt- und Nervenkriegen, Exil und Erinnerung.
Autorenporträt
Katharina Adler wurde 1980 in München geboren, wo sie nach Stationen in Leipzig und Berlin heute wieder lebt. Ihr Debüt, Ida, war für den Alfred-Döblin-Preis, den Klaus-Michael Kühne-Preis und den ZDF-aspekte-Literaturpreis nominiert. 2019 wurde sie mit dem Bayerischen Kunstförderpreis, 2020 mit dem Premio Letterario Adei-Wizo ausgezeichnet. Iglhaut (2022) ist ihr zweiter Roman.

Petra Morzé ist Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater und war in Kinofilmen wie "Lou Andreas-Salomé" und "Nordwand" zu sehen. Für ihre Arbeit als Hörspielsprecherin wurde sie 2014 von der ORF-Hörspiel-Jury zur »Schauspielerin des Jahres« gekürt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.02.2020

NEUE TASCHENBÜCHER
Freuds berühmte
Patientin
Er saß ihr im Nacken, während sie liegend, sprechend ihr Inneres darbieten musste. Ida Adlers Erzählungen auf dem Diwan in der Wiener Berggasse gingen als „Fall Dora“ in Sigmund Freuds „Bruchstück einer Hysterie-Analyse“ ein – und damit in die Geschichte der Psychoanalyse. Die Urenkelin der berühmten Patientin hat der männlichen Deutungsmacht einen Roman entgegengesetzt, in dem sie jener Frau erstmals eine Stimme verleiht; einer Frau, die ausgerechnet an Stimmlosigkeit litt. In Katharina Adlers Debütroman „Ida“ lernt man sie als intelligent und eigensinnig kennen; eine junge Frau mit vielen Möglichkeiten, wäre sie nicht in einer patriarchalen Gesellschaft zum Sticken statt Studieren genötigt worden; genötigt noch zu einigem mehr. Ein Familien- und Gesellschaftspanorama auf mehreren Zeitebenen, das erzählt Katharina Adler detailreich aus Idas Perspektive vom Wien der Jahrhundertwende bis zum Exil in den USA. Auch wenn die Autorin nah dran ist an ihrer Figur, gelingt es ihr dabei, die Ahnin nicht zu idealisieren. Im Gegenteil wirkt insbesondere die ältere Ida recht herb und unleidlich; manchmal wird ihr dann die Kehle eng. ANTJE WEBER
Katharina Adler: Ida. Roman. Rowohlt Verlag, Hamburg 2019.
512 Seiten, 12 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.08.2018

Ida, der Herr Doktor und sein Diwan

Katharina Adler erzählt in ihrem Debüt den Familienroman einer Neurotikerin. Ohne den Fall Dora von Sigmund Freud geht das nicht.

Der Roman beginnt in New York City im Jahr 1941, als Ida Bauer nach einer strapaziösen Flucht vor den Nationalsozialisten mit dem Schiff in Amerika angekommen ist, wo ihr Sohn Kurt Adler bereits lebt und arbeitet. Geboren am 1. November 1882 in Wien, ist sie jene junge Frau, die als der "Fall Dora" in die Geschichte der Psychoanalyse eingegangen ist, weil sie Sigmund Freud zu seinem berühmten Text "Bruchstück einer Hysterie-Analyse" von 1905 veranlasste. Als Achtzehnjährige war Ida im Oktober 1900 von ihrem Vater zu Freud gebracht worden wegen ihrer Symptome, seit ihrer Kindheit immer wieder Atemnot, tussis nervosa, Hustenanfälle, die zeitweise zu Stimmverlust führten. Sie ging knapp drei Monate lang täglich zu Freud in die Berggasse 19, den kurzen Weg von der elterlichen Wohnung in der Berggasse 32, bis sie die Behandlung abrupt abbrach.

Katharina Adler, geboren 1980 in München, ist die Urenkelin von Ida Bauer, die nach ihrer Heirat mit Ernst Adler, einem wenig begabten Komponisten, dessen Namen trug. Ida war die Tochter des vermögenden, assimilierten jüdischen Textilfabrikanten Philipp Bauer. Ihr verehrter, ein Jahr älterer Bruder, Otto Bauer, wird Mitbegründer des Austromaxismus sein, 1918/19 kurz Außenminister von Deutschösterreich. Die Mutter Käthe ist überstreng und kalt gegen Ida. Sie muss damit leben, dass sich ihr Mann bereits vor der Hochzeit mit Syphilis infiziert hatte. Als der Vater um 1890 zu erblinden droht, erste Anzeichen der Erkrankung, übernimmt das achtjährige Mädchen Ida seine über Wochen dauernde intime Pflege, die, so die Mutter, den Dienstboten nicht zumutbar sei.

Zusätzlich aufgeladen wird die familiale Katastrophe durch die herrschende Doppelmoral, in die Ida, noch minderjährig, durch ein der Familie eng befreundetes Ehepaar gerät: Die Frau wird die Langzeitgeliebte des Vaters; der Mann bedrängt Ida nicht nur durch Briefe und Geschenke, sondern tätlich sexuell. Ida reagiert mit ihrem Körper. Um das fragile Gleichgewicht nicht auszuhebeln, muss sie sich als Lügnerin und Simulantin hinstellen lassen. Als sie schließlich in einem Brief mit Selbstmord droht, bringt sie der Vater zu Freud. All das ist längst bekannt. Und nicht nur der Feminismus hat Ida alias Dora seit den siebziger Jahren zum Inbild der Macht weiblichen Widerspruchs gemacht.

In ihrem Debütroman will Katharina Adler die ganze Lebensgeschichte ihrer Urgroßmutter erzählen, bis zu deren Tod 1945 in New York. Dabei kann Adler nicht umhin, der Beziehung Idas zu ihrem Vater - genau wie Freud - kategoriale Bedeutung zuzumessen. Damit setzt sie für ihr eigenes Schreiben den entscheidenden Punkt - und spielt, vorsätzlich oder nicht, in Freuds Karten. Entsprechend heißt das mit siebzig Seiten umfangreichste von 47 Kapiteln "Diwan". Es beginnt fast genau in der Mitte des mehr als fünfhundert Seiten starken Romans, steht damit buchstäblich im Zentrum. Der Diwan ist Freuds Untersuchungsmöbel, auf dem die Patienten frei assoziierend mit ihren Gedanken verfahren sollen, während er am Kopfende in seinem Sessel sitzt.

In diesem Kapitel liefert Adler eine Re-Inszenierung von Freuds "Bruchstück" ab. Als konkurriere sie, in einem gegenläufigen Modell, mit dem Meistererzähler, der in seinen 1895 mit Josef Breuer veröffentlichten "Studien über Hysterie" sich selbst eigentümlich davon berührt sah, "dass die Krankengeschichten, die ich schreibe, wie Novellen zu lesen sind, und dass sie sozusagen des ernsten Gepräges der Wissenschaftlichkeit entbehren". Inzwischen interessierte er sich allerdings, nach der Veröffentlichung seiner "Traumdeutung", vor allem für die Bedeutung der Träume seiner Patientin.

Im Roman erhält Ida alias Dora die Diskurshoheit in direkter Rede, während der "Herr Doktor" in indirekter Rede vorkommt. Vorgeführt ist, ließe sich sagen, die Gegenübertragung Idas, als Patientin auf ihren Stichwortgeber. Adler wird gewusst haben, dass Freud seinerseits bei "Dora" das Phänomen der eigenen Übertragung auf die Patientin entdeckte. "Er hockte ihr im Nacken", heißt es jetzt, "saß dort, während sie, halb sitzend, halb liegend, sich ihm darbieten musste. Um die fünfzig Mal hatte sie das schon gemacht, sie hatte nachgerechnet. Fünfzig Mal! Und das Klicken seiner Uhrkette zum Wahnsinnigwerden." Adler hat die Diwan-Passage geschickt auf links gedreht. Idas Aufsässigkeit kommt in die Sprache, wenngleich in eine, die nicht wie damals zeitgemäß klingt; ihr wacher Geist, ihre aggressive Verweigerungshaltung - und ihr Bedürfnis, sich im Sprechen befreien und darstellen zu können, Glauben für ihre Bedrängnis zu finden. Freud glaubt Ida, deckt aber auch ihre - jedenfalls in seiner Sicht - verdrängten, sexuell grundierten Wünsche auf.

Als ihm Ida nach knapp drei Monaten von der Couch gesprungen war, hätte der Roman erst richtig Fahrt aufnehmen müssen. Stattdessen kommt Katharina Adler von Freud nicht los, im Gegenteil: Sie bürdet Ida die Last der Symbole aus der Analyse lebenslang auf, vom kleinen Täschchen mit seidigem Innenfutter, das sie noch 1941 in New York einer Ohnmacht nahbringt, bis zu den Zigaretten, an denen sie ununterbrochen rauchend zieht. Und bis zur tiefsitzenden Abwehr Männern gegenüber wie zu ihren pubertären Verführungswünschen, wenn sie noch in Wien als Fünfzigjährige einem hübschen liederlichen Kerl ihr letztes Geld leiht.

Mit ihrem Debütroman schreibt sich Katharina Adler ausdrücklich in die Familiengeschichte ein, in der Widmung "Für die Adlers". Es stellt sich freilich die Frage, was diese Verwandtschaft im Fall von "Ida" beglaubigen kann - oder soll? Zumal die Protagonistin als eher unsympathische Person dargestellt ist, als mitunter boshafte, zu keiner Empathie fähige erwachsene Frau. Es entsteht der Eindruck, dass die Autorin dem Familienroman dieser Neurotikerin im Wortsinn nicht nur die Codierung durch die bruchstückhafte Analyse, sondern auch die schlechtesten Eigenschaften beider Eltern mitgegeben hat. Diese Melange agiert auch noch die alternde Ida an ihrem Sohn und dessen junger amerikanischer Frau aus. Dabei bleibt gelegentlich etwas auf der Strecke, was die Frau, außer der "Fall Dora", literaturfähig macht.

Um der Vita ihrer Ida Bauer Halt zu geben, bettet Katharina Adler sie ein in die bourgeoise Welt des Fin de siècle, sie ruft das Wien der vorvorigen Jahrhundertwende auf, bis in die Ubiquität der Verlogenheit. Dem Bruder Otto Bauer, seinem privaten Leben und seinem Kampf für die Sozialdemokratische Arbeiterpartei ist viel Raum gewidmet, dann dem Vormarsch der Nationalsozialisten in Österreich, vor denen Otto und schließlich Ida noch fliehen können. Es ist spürbar, wie sehr die Autorin um Welthaltigkeit bemüht ist, ein Sittengemälde. Vielleicht auch, weil Ida allein - egal ob durch familiale Erzählungen beglaubigt oder als fiktive Person - nicht mehr genug Stoff hergibt, nach dem Ende ihrer Jugend.

Bei aller Sorgfalt im Detail für die Figuren ist es erstaunlich, wie wenig plastisch vor allem Ida selbst dem Leser vor Augen tritt. Schilderungen über das Aussehen des Mädchens, der jungen, der alternden Frau fehlen praktisch ganz. Freuds Beschreibung im "Bruchstück" - "Dora war inzwischen zu einem blühenden Mädchen von intelligenten und gefälligen Gesichtszügen herangewachsen" - ist wenig hilfreich, wenn es um die Protagonistin in ihrer physischen Attraktivität geht. Die sie gehabt haben muss - und haben wollte. Im Zusammenhang mit einem weiteren Übergriff des Familienfreunds heißt es einmal: "War sie so lieb, wirklich so wunderschön? Es spielte keine Rolle, schalt sie sich, wo Hanns' Benehmen so gar nicht recht gewesen war. Aber wunderschön, wunderschön wollte sie sein."

Es wird nicht ganz klar, welche Geschichte Katharina Bauer eigentlich erzählen wollte - die über die Wirkung der Deformationen, die einer Heranwachsenden im Wiener Milieu jener Zeiten in ihrer Familie geschehen sind; oder die über die Prägung, die Ida Bauer für den Rest ihres Lebens in den Wochen auf Freuds Couch erfahren hat. So bleibt "Ida" der beherzte Versuch eines großen Wurfs. Katharina Adler hat einen Roman geschrieben, der sich auch einem Publikum nicht verschließt, das unvertraut mit Freuds Denken ist. Und zweifellos ist ihr die opulente Vorlage für ein Drehbuch gelungen.

ROSE-MARIA GROPP

Katharina Adler: "Ida". Roman.

Rowohlt Verlag, Reinbek 2018. 507 S. geb., 25,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Wer könnte Sigmund Freuds "Dora", der Protagonistin aus seiner Fallschilderung "Bruchstück einer Hysterie-Analyse" wohl besser  Namen und Leben zurückgeben als deren Urenkelin Katharina Adler, findet Rezensent Stephan Wackwitz, der hier jene Ida Bauer kennenlernt, die nicht nur bei Freud, sondern auch schon in verschiedenen literarischen Nacherzählungen antreten musste. Bei Adler nun lernt der Kritiker die Frau jenseits des Falls kennen, ihre politische Aktivität in der österreichischen Sozialdemokratie, das enge Verhältnis zu ihrem Bruder, Beziehungen zu Mann und Sohn, Vermögensverlust, Exil und Leben in Amerika, wie Wackwitz zusammenfasst. Mehr noch: Schlicht, bewegend und "schön" erzählt ihm die Autorin von einer jungen Frau, der die nötige Anerkennung fehlte und deren Trauma durch Freud nur schlimmer wurde. Dass Adler ihre Erzählung auf den "poesiegerechten Konflikt" zuspitzt, stört den Rezensenten nicht. Im Gegenteil: Er empfiehlt Freud und Adler parallel zu lesen,  um unterschiedliche "Aggregatszustände des Literarischen" zu erleben.

© Perlentaucher Medien GmbH
Katharina Adler hat Freuds Patientin das Leben nach ihrer abgebrochenen Psychoanalyse zurückgegeben ... Sie beschreibt - in einer einfachen und schönen Sprache, erzähltechnisch gediegen, menschlich berührend - ein Mädchen, dessen Trauma nicht vernarben kann ... Freud und Adler parallel zu lesen bietet die einmalige Möglichkeit, den Unterschied zweier Aggregatszustände des Literarischen auf beiderseits hohem Niveau zu studieren. Stephan Wackwitz taz