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Eine argentinische Familie im Citroën und ein alleinreisender Deutscher im Chevrolet geraten in der Einöde Patagoniens in ein Unwetter. Während der gemeinsam verbrachten Sturmnacht erregt die Kleinwüchsigkeit von Lilith, der 12- jährigen Tochter der Familie, die Aufmerksamkeit des Ausländers, der sich José nennt. Nach der Ankunft in Bariloche quartiert sich der Fremde bei der Familie als Untermieter ein und verspricht, das Mädchen zu behandeln. Als er dann sogar Liliths neugeborenen Zwillingsschwestern das Leben rettet, gewinnt er nach und nach das Vertrauen der Familie. Doch die seltsamen…mehr

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Produktbeschreibung
Eine argentinische Familie im Citroën und ein alleinreisender Deutscher im Chevrolet geraten in der Einöde Patagoniens in ein Unwetter. Während der gemeinsam verbrachten Sturmnacht erregt die Kleinwüchsigkeit von Lilith, der 12- jährigen Tochter der Familie, die Aufmerksamkeit des Ausländers, der sich José nennt. Nach der Ankunft in Bariloche quartiert sich der Fremde bei der Familie als Untermieter ein und verspricht, das Mädchen zu behandeln. Als er dann sogar Liliths neugeborenen Zwillingsschwestern das Leben rettet, gewinnt er nach und nach das Vertrauen der Familie. Doch die seltsamen Skizzen in seinem Zimmer lassen keinen Zweifel zu: José und Josef Mengele, der KZArzt von Auschwitz, sind ein und dieselbe Person ... Lucía Puenzo greift in ihrem neuen Roman die Fakten und Mythen rund um den in ihrem Heimatland Argentinien untergetauchten Nazi-Verbrecher auf - es ist die distanzierte Annäherung an einen Besessenen. Anders als Lilith, die Mengele in kindlicher Faszination erliegt, weiß der Leser doch nur zu genau, mit welchem Scheusal sie es zu tun hat. Ein gewagtes, ambitioniertes Buch.

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Autorenporträt
Lucía Puenzo wurde 1976 in Buenos Aires geboren. Zur Zeit arbeitet sie an ihrem vierten Roman. Ihr Debüt als Regisseurin gab sie 2007 mit "XXY", der beim Filmfestival in Cannes mit dem Grand Prix de la Semaine de la Critique und in Madrid mit dem Goya für den besten nichtspanischen Film ausgezeichnet wurde. Ihre eigene Verfilmung ihres Erstlingsromans "Das Fischkind" wurde 2009 auf der Berlinale uraufgeführt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Einfach "grandios" findet Rezensent Kersten Knipp Lucía Puenzos im Jahr 1960 angesiedelten Roman über die unwahrscheinliche Freundschaft eines kleinwüchsigen Mädchens mit dem KZ-Arztes Josef Mengele im argentinischen Exil, in deren Verlauf das Kind, Tochter einer deutsch-jüdischen Mutter und eines argentinische Vaters, Schritt für Schritt die Vergangenheit des Arztes zu erahnen beginnt. Dennoch freundet sie sich mit ihm an, denn er hat (scheinbar) Verständnis und verspricht ihr eine Behandlung, die sie wachsen lässt. Puenzo gelingt es meisterhaft, in ihre Figuren hineinzuschlüpfen, lobt die Rezensentin, die der rätselhaften Freundschaft eine "perverse Konstellation" zugrunde liegen sieht: Wie das Kind an der titelgebenden Puppe hängt, wird das Kind für den obsessiven Arzt und dessen Forschungsinteresse zur Puppe. So ist es am Ende, schließt die Rezensentin, das nicht geringe Verdienst dieses "absolut lesenswerten" Buches, die vielfältigen Formen des Missbrauchs aufzudecken.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.10.2012

Puppendoktor Frankenstein
Lucía Puenzos ebenso unheimlicher wie unheimlich guter Roman „Wakolda“ über den KZ-Arzt Josef Mengele
Josef Mengele, Lagerarzt in Auschwitz-Birkenau, hat nach dem Krieg die halbe Welt genarrt – dank alter Nazi-Kameraden, auf die er sich, zumal in Südamerika, verlassen konnte. 1949 traf er mit dem Schiff in Buenos Aires ein. Und weil er sich dort gut aufgehoben fühlte, beantragte er, seit Jahren unter falschem Namen lebend, bei der deutschen Botschaft die Feststellung seiner Identität, noch dazu den deutschen Reisepass. Beides wurde zu seiner Zufriedenheit erledigt, denn damals hatte die Bundesrepublik noch keinen Haftbefehl ausgestellt. Ganz offiziell hieß er nun, Mitte der Fünfziger, wieder Mengele.
  Zwar wurde es ab und an brenzlig für ihn, vor allem als der Mossad Eichmann geschnappt hatte, aber Mengele konnte sich ein ums andere Mal entziehen. In Paraguay nahm ihn der deutschstämmige Diktator Alfredo Stroessner auf. 1979 aber, inzwischen in Brasilien, musste auch Mengele sterben, beim Baden nach einem Schlaganfall, nicht weit von São Paulo.
  Mit grimmiger Häme hat ihn Der Spiegel einmal „eine Art Fliegender Holländer des tausendjährigen Reiches“ genannt. Und das trifft es, denn Mengele wurde von vielen und so gut wie überall in Südamerika gesehen, aber nur selten war er es wirklich. So rankten sich bald Legenden um ihn. Nicht einmal Simon Wiesenthal konnte dem gruseligen Tratsch widerstehen. Als er für sein Buch „Die Mörder leben noch“ ein Kapitel über Mengele schrieb, gab er ihm den Titel: „Der Mann, der blaue Augen sammelte.“
  Dass dieser Tratsch unentwegt Blüten trieb, hat mit Mengeles Verbrechen in Auschwitz zu tun. An der Rampe half er mit, Menschen zu selektieren. Gut denkbar, dass er dabei auch nach eigenen Maßstäben verfuhr: für Experimente geeignet, für Experimente nicht geeignet. Denn Mengele war versessen auf den Menschenversuch. Meistens endeten diese Experimente mit dem Tod. Besonders faszinierten ihn Zwillinge, aber auch menschliche Abnormitäten. Schließlich ging es ihm um Erbgut und Aufzucht einer konkurrenzlosen arischen Rasse. Kurz, Mengele war ein Monster. Aber das ist keine literarische Kategorie. Dennoch verzieht man erst mal das Gesicht, wenn man im Klappentext zum knapp zweihundert Seiten schmalen Roman „Wakolda“ seinen Namen entdeckt. Muss das jetzt sein? Offenbar ja. Das Gesichtsverziehen war ein Fehler.
  Denn es stellt sich während der Lektüre heraus, dass Lucía Puenzo ein unheimliches, noch dazu unheimlich gutes Buch geschrieben hat. Die Argentinierin, Mitte dreißig, verfügt über Empathie, die das Monströse mit einschließt. Konzentriert auf das Jahr 1960, malt sie sich aus, wie es Mengele in ihrem Land ergangen sein mag. Fakten spielen eine Rolle, Legenden ebenso. Dabei verrät sie die Erzählung nie an dunkles Geraune, es gibt kein leichtfertiges Gruseln, keine billigen Effekte.
  Vielmehr taucht sie die atmosphärisch dichten Kapitel in ein beinahe schmerzhaftes Licht. Wakolda ist der Name einer Holzpuppe, „grob geschnitzte Züge, kohleschwarze Augen, ein unangenehm stechender Blick“, die den erwünschten Porzellan-puppen mit blonden Haaren und blauen Augen nicht im Entferntesten entspricht. Diese Porzellanpuppen aber will José, so nennt sich Mengele im Argentinien des Romans, in Serie produzieren lassen – für seine Anhänger und alle, die arische Puppen schön finden.
  Auf der Fahrt von Buenos Aires in den Süden schließt sich José einer argentinischen Familie an. Er folgt ihr im Chevrolet und quartiert sich in der Familienpension ein, ein Haus im alpenländischen Stil, am Nahuel Huapi gelegen, dem größten See Patagoniens. Die zwölfjährige Lilith weckt sein Interesse, sie ist zu klein für ihr Alter und wird in der Schule „Albinozwergin“ gerufen. Außerdem erwartet die Mutter Zwillinge. Nach und nach erschleicht er sich das Vertrauen der Familie, bis er sie so weit hat, dass sie seiner Behandlung zustimmen. Er spritzt Lilith Wachstumshormone. Und er rettet den Zwillingen nach einer dramatischen Geburt das Leben – um es sogleich wieder aufs Spiel zu setzen. „Wie ein Süchtiger lechzte er täglich nach dem nächsten Akt der kleinen Familientragödie – wenn eins der Frühchen mit dem Tode rang, war der Kitzel besonders groß –, und jeden Tag bekam er eine neue Gratisdosis des Schauspiels, das er mithilfe von Antibiotika, Hormonen, Sauerstoff und Spritzen lenkte und steuerte wie Gott der Allmächtige.“
  In Patagonien wird José durch ein Netz von Sympathisanten geschützt. Durch Männer, die ihm respektvoll, fast unterwürfig begegnen, was ihn nur insofern stört, als er dadurch auffällt. Bald raten sie ihm, das Land zu verlassen. Eines Tages taucht Nora Eldoc in der Pension auf. Sie hat sich mit mächtigen Männern eingelassen, um an Informationen zu kommen. Eine, die Auschwitz überlebt hat. Vielleicht eine Agentin. Jedenfalls wird sie das Zusammentreffen mit José mit dem Leben bezahlen. Diese Episode findet sich schon unter Berücksichtigung zweifelhafter Quellen bei Wiesenthal. Mengele soll eine Frau, die ihn im Auftrag des Mossad aufspürte, umgebracht haben.
  Lucía Puenzo ist die Tochter des Regisseurs Luis Puenzo, der für seinen Film „Die offizielle Geschichte“ im Jahr 1985 einen Oscar für den besten ausländischen Film erhielt. Auch Lucía dreht Filme. Ihr Debüt „XXY“ handelt von der jungen, intersexuellen Alex, die am Ende in ihr Schicksal einwilligt, halb Mann, halb Frau. Eine OP, die ihr Geschlecht äußerlich klären würde, lehnt sie ab. Spanischsprachige Web-Seiten melden, dass Lucía Puenzo bereits dabei ist, „Wakolda“ zu verfilmen, als Psycho-Thriller. Ein Psycho-Thriller ist auch der Roman.
  In der zwölfjährigen Lilith erblickt José das vermeintlich willige Opfer für einen neuen Menschenversuch. Er treibt mit ihr ein böses Spiel, aber auch sie treibt ein Spiel mit ihm. Lilith, hellwach und wissbegierig, spioniert ihn aus, sie stellt ihm unangenehme Fragen. Und für Momente hat es den Anschein, als hätte nicht er sie, sondern sie ihn in der Hand. Kurzzeitig flackert etwas wie Zuneigung auf. Die Beziehung zwischen dem deutschen Arzt und dem argentinischen Mädchen zählt zum Gelungensten, Heikelsten und Verbotensten, was in der Literatur von heute zu haben ist.
  Die ironische Pointe im Leben Josés, ebenso wie im Leben Mengeles, sind die Völker des südamerikanischen Konti-nents. „Er beschränkte sich darauf, sie alle zu beobachten, und fragte sich, wie ein Volk von Bastarden, das Ergebnis derart unpassender und unerwünschter Vermischungen war, über Jahrtausende unter derartig ungünstigen Bedingungen hatte überleben können.“ Der vitale Mischmasch zersetzt insgeheim seine rassische Irrlehre. Was bleibt, sind blauäugige Porzellanpuppen.
RALPH HAMMERTHALER
  
Lucía Puenzo: Wakolda. Roman. Aus dem Spanischen von Rike Bolte. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2012. 192 Seiten, 18,90 Euro.
Die junge Argentinierin
verrät ihr heikles Sujet nie
an billige Gruseleffekte
Die argentinische Autorin und Regisseurin Lucía Puenzo arbeitet bereits an der Verfilmung ihres neuen Romans.
FOTO: AFP IMAGEFORUM
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.11.2012

Vorsicht vor dem Puppenarzt aus Patagonien

Die argentinische Erzählerin Lucía Puenzo folgt in ihrem Roman Josef Mengele durch Argentinien - und lässt den Schrecken im Miniaturformat wiederauferstehen.

Selten sorgte ein lateinamerikanisches Debüt bei uns für ähnlich polarisierte Reaktionen wie 1999 Roberto Bolaños "Die Naziliteratur in Amerika". Gar nicht lachen konnten manche über den schwarzen Humor dieses Defilees apokrypher Hakenkreuzfahnendichter mit ihren haarsträubenden Biographien. Vielleicht auch angesichts der Legion alles andere als fiktiver Nazis, die den Kontinent über Jahrzehnte unbehelligt bewohnt und dabei einen kruden Legendenschatz hinterlassen hatten: bis hin zur These von Hitlers barabarossahaftem Weiterleben in einem "Neuen Berchtesgaden" am Südpol, das den (ebenso wenig fiktiven) chilenischen Holocaust-Leugner Miguel Serrano einst zu Antarktis-Expeditionen bewog und ihn bis zu seinem Tod vor drei Jahren nicht losließ.

Ein Roman über das Minenfeld schien für seriöse Autoren fast ein Tabu zu sein. Umso überraschender ist es, wenn sich eine junge Argentinierin wie Lucía Puenzo an das Wagnis eines Romans über Josef Mengele macht. Von Scheu vor dem Abgedroschenen keine Spur. Puenzos Mengele ist genau so, wie man sich einen Auschwitz-Arzt im argentinischen Exil vorstellt: diszipliniert, mit makellosen Umgangsformen, gebräuntem Teint und einer nach wie vor noch tiefer gebräunten Seele, die beim Anblick der Rassenschande im ethnischen Schmelztiegel Argentinien Tag für Tag von Ekel und Nostalgieanfällen nach Großdeutschland gepackt wird. Vor allem nach den Menschenversuchen mit Zwillingskindern, die er abbrechen musste, bevor er die Herrenrasse auf medizinischem Wege heranzüchten konnte. Natürlich ist Mengele - "José" genannt in seiner neuen Heimat - wie sein Führer Vegetarier, sammelt Hakenkreuz-Messer sowie andere Devotionalien und bildet Teil eines konspirativen Nazi-Netzwerks, das als eine Art überlebende fünfte Kolonne den ganzen Kontinent umspannt.

Im Jahr 1960 wird es erstmals ungemütlich im braunen Dorado. Der Mossad macht Jagd auf Adolf Eichmann. José hegt den begründeten Verdacht, das nächste Ziel zu sein. So macht er sich überstürzt im Auto von Buenos Aires auf in Richtung Süden. Zunächst will er in Bariloche unterschlüpfen - mit seiner deutschen Tradition, seinen Alpenchalets und Skipisten eigentlich das Paradies für einen Mann, der tropisches Klima hasst. Bei dergleichen Ingredienzien könnte man sich leicht auf dem Terrain der historischen Kolportage wähnen. Wäre da nicht der rätselhaft fremdartig klingende Romantitel: "Wakolda". Nicht minder fremdartig ist die Geschichte dahinter: Durch ein Sturmgewitter in der Wüste ist José gezwungen, zusammen mit einer deutschstämmigen Hochschwangeren, ihrem Mann und deren drei Kindern Unterschlupf in der Hütte des Straßenbauers Cumín zu nehmen. Der Zusammenstoß der Kulturen im Wüten der Elemente führt immer wieder an den Rand der Eskalation. Als die Nacht vorüber ist, hat das Schicksal alle miteinander verbunden. José hat in Lilith, der zwölfjährigen zwergwüchsigen Tochter der Familie, das Objekt seiner medizinischen Obsessionen gefunden: eine durch Rassenvermischung Degenerierte, die er durch die Macht seiner Wissenschaft retten kann. Zudem vermutet sein geschulter Blick im Bauch der Mutter Eva doppelte Beute.

Lilith wiederum hat mit der Tochter des Gastgebers ein heimliches Tauschgeschäft abgeschlossen. Sie opfert ihre Puppe namens Herlitzka - mechanisches Meisterwerk mit erschreckend blauen Augen aus der Hand ihres Vater, der eigentlich Uhrmacher ist und jeder seiner "Puppen wie aus Europa" ein Uhrwerk an der Stelle des Herzens einbaut. Dafür erhält sie ein struppiges schwarzhaariges Andenmädchen mit magischen Kräften: Wakolda, die Puppen-Titelheldin des Romans. Zuvor hat Lilith versucht, ihrer Herlitzka ein Bein wieder anzukleben. Doch dies Stückwerk fruchtet nicht - bis José anbietet, mit Chirurgenhand der Puppe das fehlende Glied wieder anzuoperieren.

Begeistert von der präzisen Perfektion, schlägt Lilith vor, Herlitzka auch das zweite Bein abzureißen, damit José es wieder annähen kann. Der erkennt: Hier hat er seine Seelenverwandte gefunden. Es ist der Beginn einer großen Leidenschaft. Wenn José sich in der Folge in der von Eva in Bariloche betriebenen Pension einquartiert und Lilith täglich Überdosen an Wachstumshormonen spritzt, so weil er zum ersten Mal wieder einen Gegenstand für seine Forschungen gefunden hat. Doch dabei verwandelt sich sein Interesse für die körperlichen Defekte Liliths zusehends in erotische Passion, das Szenario von fluchthaften Reisen eines pädophilen Ausländers mit der Tochter seiner Vermieterin in Straßenkreuzern der fünfziger Jahre in ein bizarres Remake von Nabokovs Lolita.

Josef Mengele als argentinischer Klon von Humbert Humbert - in klug bemessenen Dosen treibt Lucía Puenzo ihr Spiel mit der historischen Figur ins unheimlich Groteske. Über das Stereotyp des sich kalt über die Moral erhebenden Wissenschaftsfanatikers, der jede Form von Menschlichkeit als Schwäche verachtet, legen sich zusehends Josés eigene verdrängte Dämonen: die Tragödie eines Heimatlosen. Dennoch machen dergleichen empfindsame Brüche ihn für uns nicht zugänglicher, sondern steigern nur seine Monstrosität. In diesem Paradox liegt die Souveränität von Puenzos Erzählen. Die Autorin versucht gar nicht erst, wie konventionelle Geschichtsromane die historischen Figuren und ihr Umfeld korrekt zu rekonstruieren. José, der patagonische Puppenarzt, bewegt sich chimärenhaft in ein undefiniertes Kontinuum von Fakten und Phantasie, das sich zu keiner Einheit fügen lässt.

Greifbar bleibt am Ende nur die Erkenntnis, dass Mengele beim Abflug in sein - bis zum Tod störungsfreies - brasilianisches Altersexil das Vernichtungswerk unmerklich weitergeführt hat. Seine für Liliths Vater aufgebaute Puppenfabrik erweist sich als Produktionsort von Nazi-Devotionalien mit Geheimbotschaften für das Netzwerk. Unter mysteriösen Umständen stirbt die auf ihn angesetzte Mossad-Agentin, die einst von ihm als Kind im Konzentrationslager zwangssterilisiert wurde. Und als Cumín mit seiner Familie in Bariloche auftaucht, um Wakolda und einen in ihr verborgenen Schatz zurückzufordern, muss Lilith erkennen, dass José mit meisterlichem Kaiserschnitt der Puppe den Bauch aufgetrennt und wieder zugenäht hat. Die Gewalt wiederholt sich im Puppenformat - und verursacht nachhaltige Schäden.

"Wakolda" hinterlässt ein diffuses Grauen über ein Geschehen, das die Opfer zu Tätern macht, die Phantasie der Kinder zum Instrument abstruser Ideologie und ihre unschuldigen Spielzeuge zu deren Waffen. Diesen Effekt erreicht Puenzo, elegant ins Deutsche übertragen von Rike Bolte, mit einer Stilsicherheit, die ihre vorausgehenden Werke übertrifft. In gewisser Weise ist Lucía Puenzo wie Liliths Vater zu einer Puppenmacherin geworden, die ihre Werke so präzise herstellt, dass sie in der miniaturhaften Ähnlichkeit mit dem Wirklichen beängstigend werden.

FLORIAN BORCHMEYER

Lucía Puenzo: "Wakolda". Roman.

Aus dem Spanischen von Rike Bolte. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2012. 192 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Puenzo stellt sich erfolgreich der Herausforderung, einen Unmenschen als Mensch zu zeichnen, ohne dass sich der Leser mit ihm auf unangenehme Weise identifiziert.« Felipe Fernández, La Nación