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Ein junger Mann kehrt aus Deutschland nach Argentinien zurück, weil der Vater im Krankenhaus liegt. Er wohnt wieder daheim, wie in seiner idyllischen Kindheit und Jugend. Im Schreibtisch des Vaters entdeckt er jedoch Zeitungsausschnitte und Fotos, die eine ihm unbekannte Vergangenheit enthüllen. Wer waren die Freunde des Vaters? Warum starb sein Mitschüler, und wohin verschwand dessen Schwester? Indem er alldem nachgeht, findet er heraus, dass seine Eltern während der argentinischen Militärdiktatur politisch aktiv waren, sich an gefährlichen Aktionen beteiligten und täglich das für ihn so…mehr

Produktbeschreibung
Ein junger Mann kehrt aus Deutschland nach Argentinien zurück, weil der Vater im Krankenhaus liegt. Er wohnt wieder daheim, wie in seiner idyllischen Kindheit und Jugend. Im Schreibtisch des Vaters entdeckt er jedoch Zeitungsausschnitte und Fotos, die eine ihm unbekannte Vergangenheit enthüllen. Wer waren die Freunde des Vaters? Warum starb sein Mitschüler, und wohin verschwand dessen Schwester?
Indem er alldem nachgeht, findet er heraus, dass seine Eltern während der argentinischen Militärdiktatur politisch aktiv waren, sich an gefährlichen Aktionen beteiligten und täglich das für ihn so unbeschwerte Familienleben riskierten. Alles war anders, als er dachte. Seine Familie, sein ganzes Leben erscheinen in einem neuen Licht. Ihm wird bewusst, was die Eltern alles leisteten, damit er heute so leben kann, wie er lebt.
Patricio Pron erzählt temporeich und poetisch, anhand von Briefen und Fotos, Zeitungsartikeln, Träumen und Erinnerungen von einer Elterngeneration, die in Argentinien für all jene Freiheiten gekämpft hat, die heute so selbstverständlich erscheinen.
Autorenporträt
Pron, Patricio
Patricio Pron wurde 1975 in Rosario, Argentinien, geboren, hat in Göttingen in Romanistik promoviert und lebt heute in Madrid. 2010 wurde er in die spanische Ausgabe der "Granta"-Anthologie aufgenommen, unter die 20 besten spanischsprachigen Autoren unter 40 gewählt. Für "Morgen haben wir andere Namen" wurde er mit dem Premio Alfaguara de novela ausgezeichnet.

Rezensionen
"Auf der Höhe von Sebald, Handke und Bernhard." -- Félix de Azua

"Manchmal entdeckt man einen richtigen Autor in all dem Verlagsrauch." -- El Cultural

"Patricio Pron ist auf dem Weg zur Perfektion eines Jorge Luis Borges, Roberto Bolaño oder Juan Rulfo." -- Qué leer

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.11.2013

Im Wald
der Angst
Patricio Prons Roman
über Argentinien unter der Junta
Als sie Kinder waren, ging der Vater immer als Erster hinaus und startete das Auto. Kurz darauf folgten sie und setzten sich auf die Rückbank. Warum, fragt heute der Sohn, ist er immer vorausgegangen? Seine Schwester antwortet: „Damals wurden Journalisten ermordet, man legte ihnen Bomben ins Auto; er ging jedes Mal allein hinaus, um den Wagen zu starten, um das Risiko auf sich zu nehmen und uns zu beschützen.“ Jäh kehrt da die Erinnerung zurück, die der Sohn so lange erfolgreich verdrängt hat, durch Totschweigen und Ausweichen, durch Drogen und Psychopharmaka. Auch die Eltern haben später nie ein Wort darüber verloren, nichts über die Gefährdung der Familie während der Jahre 1976 bis 1983, als in Argentinien das Militär herrschte.
Der erste Roman von Patricio Pron, der 1975 in Buenos Aires geboren wurde und heute in Madrid lebt, hat den schönen, aber auch gespenstischen Titel „Der Geist meiner Väter steigt im Regen auf“. Ohne sich sklavisch an die Tatsachen zu hängen, verfügt das Buch über erkennbar autobiografische Spuren. Wie der Ich-Erzähler, so hat auch Pron in Deutschland studiert – in Göttingen wurde er als Romanist promoviert. Wie der Ich-Erzähler, so hat auch Pron Eltern in Argentinien, die zur Zeit der Militärdiktatur um ihr Leben fürchten mussten. Als der Vater im Sterben liegt, kehrt der Sohn in seine Heimat zurück, alles wirkt alt und verblichen, „sogar mein Pass schien alt, und als sie ihn mir zurückgaben, hatte ich den Eindruck, man würde mir eine tote Pflanze überreichen, für die jede Hilfe zu spät kam“.
Im Krankenhaus sitzt er am Bett des Vaters und hält dessen Hand; er verdrückt eine Träne. Denn er weiß, dass sie einander noch so viel zu sagen hätten, vielleicht sogar Ungeheuerliches. Aber der Vater ist nicht ansprechbar. Zu Hause, im Zimmer, das früher seins war, sitzt er am Schreibtisch und stöbert in Dokumenten – alte Fotografien, Zeitungsartikel, ein Ausdruck aus dem Internet. Manisch hat der Vater Material gesammelt über das Verschwinden eines ehemaligen Schulkameraden; der wurde später tot in einem Brunnen gefunden, ermordet von zwielichtigen Gestalten. Aber nicht darum, so dämmert es dem Sohn, kann es dem Vater gegangen sein.
  Er erblickt eine Parallele im Schicksal der Schwester jenes Schulkameraden. Auch sie nämlich, Alicia, eine politische Oppositionelle, ist einstmals verschwunden; sie wurde von Handlangern der Junta entführt und offenbar getötet. Alicia verkörpert nicht nur das Trauma des Vaters, sondern darüber hinaus auch das argentinische Trauma schlechthin: Es dreht sich um die während der Diktatur Verschwundenen, um die „Desaparecidos“. Alicia war sehr jung damals, und der Vater wird nicht damit fertig, dass er es war, der sie für die Politik gewann.
Patricio Pron hat mehr Fragen als Antworten. Das führt ihn nach den ersten, eher konventionell erzählten Kapiteln zu einer gewagteren Darstellung, fragmentarisch erzählt, Vorfälle umkreisend, Lücken riskierend. Gleichzeitig aber bleibt dadurch manches, vor allem Zeithistorisches, verblüffend unscharf. Noch dazu rückt das unverhüllt private Anliegen dieses Buches mehr und mehr in den Vordergrund. Wider Erwarten erholt sich der Vater im Krankenhaus. Und der Sohn hofft darauf, den „Wald der Angst“ mit ihm gemeinsam zu durchwandern – „dass wir den Weg fortsetzen und er mich weiter geleitet und dass wir vielleicht eines Tages aus diesem Wald herauskommen“. Aber wäre dafür nicht eher die Psychotherapie zuständig als die Literatur?
  Patricio Pron hatte mit seinen Eltern eine Abmachung getroffen: Sie durften das Manuskript als Erste lesen und notfalls ihr Veto gegen eine Veröffentlichung einlegen. Auf das Veto haben sie verzichtet, aber der Vater hat das Buch ausführlich kommentiert, kritisiert und ergänzt, mit Seitenzahlen, die auf das spanische Original verweisen. Im Epilog führt Pron den Link dazu an; auf seiner Homepage kann man nachlesen, was der Vater zu sagen hat. Da aber muss man schon sagen: Also bitte, Leute, hättet ihr euch nicht privat austauschen können? Hätte der Sohn nicht, wo er es wollte, die Erfahrungen und Kenntnisse seines Vaters einarbeiten können, ehe das Manuskript in Druck ging? Denn die Anmerkungen haben es in sich.
  Wo Pron etwa unterstellt, die Oppositionellen hätten nicht selten zum Trost und auch zum Schutz ein Kind in die Welt gesetzt, schüttelt der Vater nur den Kopf und lenkt die Aufmerksamkeit auf die unzähligen verwaisten, geraubten und getöteten Kinder zur Zeit der argentinischen Militärdiktatur. Wenig erstaunlich ist, dass ein Mann, der sich als Romanfigur erlebt, mit der Vermischung von Fakten und Fiktion ins Hadern kommt. Aber Prons Vater notiert auch einen weisen Satz: „Zweifellos bastelt sich jeder eine Geschichte, und die ist dann oft fiktionaler, als jeder zugeben würde.“ Man hätte gute Lust, seinen Roman zu lesen.
RALPH HAMMERTHALER
Patricio Pron: Der Geist meiner Väter steigt im Regen auf. Roman. Aus dem Spanischen von Christian Hansen. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2013. 224 Seiten, 18,95 Euro.
Prons Vater hat das Manuskript
des Romans mit Kommentaren
versehen – sie sind sein Roman
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ein wenig zu autobiografisch scheint dieser Roman dem Rezensenten. Die Geschichte eines jungen im Ausland lebenden Argentiniers, der seinen totkranken Vater aufsucht, um von ihm Geheimnisse aus der Zeit der Militärjunta zu erfahren, findet Ralph Hammerthaler in ihrem Wechsel aus konventioneller Erzählung und unscharfem Fragmentarismus zunächst noch recht unterhaltsam. Wenn Patricio Pron allerdings immer mehr auf seine persönliche Beziehung zu seinem Vater und dessen Vergangenheit abhebt, so weit schließlich, dass der Vater auf der Homepage des Sohnes den Text ergänzt und verändert, wird es dem Rezensenten zu privat. Obwohl: Das ungeschriebene Buch des Vaters hätte er gern gelesen.

© Perlentaucher Medien GmbH
Manchmal entdeckt man einen richtigen Autor in all dem Verlagsrauch. El Cultural