Für diese Rezi musste ich lange nachdenken.
Als ich das Buch in Händen hielt und mir das Gesicht von Charlotte auf dem Cover genau und intensiv betrachtete, war mein spontaner Gedanke, "mit dieser Frau ist nicht gut Kirschen essen. Wer sich mit dieser Frau anlegt, hat einen schweren Stand". Je
mehr ich las, um so sicherer war ich mir, dass es sich tatsächlich so verhielt. Wäre Charlotte ein…mehrFür diese Rezi musste ich lange nachdenken.
Als ich das Buch in Händen hielt und mir das Gesicht von Charlotte auf dem Cover genau und intensiv betrachtete, war mein spontaner Gedanke, "mit dieser Frau ist nicht gut Kirschen essen. Wer sich mit dieser Frau anlegt, hat einen schweren Stand". Je mehr ich las, um so sicherer war ich mir, dass es sich tatsächlich so verhielt. Wäre Charlotte ein zartes Weibchen gewesen, sie hätte sich einen anderen Lebensweg gewählt.
Charlotte wuchs in wohlhabenden Verhältnissen auf, wurde gefördert und konnte frei entscheiden, wie sie sich ihr Leben vorstellte. Ihren Vater schätze ich als eine Art Lebemann ein, der mit einer Frau verheiratet war, die nicht so recht zu ihm passte. Ich denke Charlotte ging es so lange gut, bis ihr Vater das ganze Vermögen "verlor". Doch diese Phase wird nur kurz gestreift.
Ganz sicher hat diese Erfahrung auch in Charlotte etwas in Bewegung gesetzt.
Zuerst hatte sie nur ein Verhältnis mit Lovis, dem Lehrer in der Malschule die sie besuchte, der viele Jahre älter ist als sie, hat während dieser Zeit auch eine kurze Beziehung zu einem anderen Mann (oder mehreren?) und heiratet am Ende doch den Maler. Er muss eine enorme Anziehungskraft auf sie ausgeübt haben, sonst hätte sie sich wahrscheinlich nicht all das bieten lassen, was er ihr zumutete.
Sie waren verheiratet, bekamen zwei Kinder miteinander und gleichzeitig ging auch jeder von ihnen eigene Wege, hatte andere sexuelle Beziehungen, andere Liebschaften. Trotzdem fanden sie immer wieder zusammen. Sie brauchten sich beide auf ihre ganz eigene Art.
Für die damalige Zeit war es sicherlich ein ganz eigenes Arrangement, das sie beide trafen. Doch eine "normale" Ehe hätten sie sicherlich nicht ertragen. Jeder von ihnen brauchte seine Freiheit. Das Charlotte in privilegierten Verhältnissen lebte, versteht sich von selbst. Sie brauchte sich keine Gedanken ums Fensterputzen oder das Kochen und anschließendes Spülen machen, denn dafür gab es genügend Personal. Selbst ihre Kinder gab sie gerne in die Obhut ihrer Mutter und reiste alleine in den Süden.
Ich glaube, für ihre Tochter Wilhelmine war das Heranwachsen eine harte Zeit. Immer diese starke Mutter vor Augen, die ich fast als herrisch bezeichnen möchte - da kann sich eine Tochter nicht recht entfalten - die dann auch noch akzeptieren musste, dass sie im Beisein ihrer Mutter selbst übersehen wurde. Das Verhältnis zwischen ihnen war spannungsgeladen. Auch dass die Tochter anfing und malte, anscheinend aber keinen Erfolg damit hatte zeigt, wie wenig sie sich von Charlotte abnabeln konnte.
Charlotte ist dagegen anerkannt und hat Erfolg.
Und trotzdem kommt mir Charlotte ruhelos und nicht ausgeglichen vor, als wäre sie ewig nach etwas auf der Suche, ohne es zu finden. Ob sie glücklich war? Wenn ich das Buch richtig interpretiere, war es ein stetiges Auf und Ab. Da sie eine unverkennbar starke Frau mit großem Durchsetzungsvermögen war, stand sie auch die Tiefs durch.
Ob sie in Californien eine richtige Amerikanerin wurde, da bin ich mir nicht so sicher. Ich kann mir bei ihr nicht vorstellen, dass sie am frühen Morgen am Herd stand und Hush Browns in der Pfanne briet, dazu Bacon mit Würstchen und Spiegeleiern oder Pancakes. Sie war wohl eher so, wie sie sich eine Amerikanerin vorstellte.
Ein gelungenes Buch, würde ich urteilen. Einzig was ich vermisse: Ich hätte mir gewünscht, dass am Ende des Buches vielleicht das eine oder andere Bild von ihr abgebildet worden wäre. Einfach nur der Vollständigkeit halber.