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Der 2002 verstorbene Freiburger Soziologe Heinrich Popitz gehört zu den bedeutendsten Nachkriegssoziologen in Deutschland. Bereits Klassikerrang haben seine industriesoziologischen Arbeiten aus den fünfziger Jahren, aber auch die Bedeutung der in den folgenden Jahrzehnten entwickelten Schriften zur Macht-, Norm-,Technik- und Kreativitätstheorie ist in jüngster Zeit zunehmend gewürdigt worden. Popitz war ein »Meister der kleinen Form«, der seine Überlegungen in subtilen wissenschaftlichen Essays entwickelte. +++
Der Band versammelt neben noch unveröffentlichten Texten Popitz' wichtigste
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Produktbeschreibung
Der 2002 verstorbene Freiburger Soziologe Heinrich Popitz gehört zu den bedeutendsten Nachkriegssoziologen in Deutschland. Bereits Klassikerrang haben seine industriesoziologischen Arbeiten aus den fünfziger Jahren, aber auch die Bedeutung der in den folgenden Jahrzehnten entwickelten Schriften zur Macht-, Norm-,Technik- und Kreativitätstheorie ist in jüngster Zeit zunehmend gewürdigt worden. Popitz war ein »Meister der kleinen Form«, der seine Überlegungen in subtilen wissenschaftlichen Essays entwickelte. +++

Der Band versammelt neben noch unveröffentlichten Texten Popitz' wichtigste Schriften zur Normtheorie, die bisher nur verstreut vorlagen. Eine ausführliche Einleitung führt in Popitz' Denken ein.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2006

Etwas Eiskaltes gegen die Hitze
Mit Heinrich Popitz werden Sie Herrchen im eigenen Haus

Man sollte in diesen heißen Tagen mehr Popitz lesen. Sein eisgekühlter Zugriff stellt vieles von dem, was in der Hitze sogenannter Zeitdiagnose wild fuchtelnd auf sich aufmerksam macht, in den Schatten. Mit einem Popitz unterm Arm versteht man die Welt besser als ohne Popitz. Der Freiburger Heinrich Popitz (1926 bis 2002) gehört zu den wenigen Soziologen, die man lesend verschlingt, weil man spürt: Dem geht es um was. Also nicht um sehr viel zu sehr vielem, nicht um leerlaufende Theorieproduktion, nicht um tausend Belege ohne Sinn und Verstand, sondern im Kern um die Frage, warum der Mensch so ist, wie er ist. In diesem Sinne ist Popitz, korrekt gesprochen, ein Normentheoretiker. Das Gemachte sozialer Ordnungen zu beschreiben ist für ihn nicht unbedingt ein subversives Unternehmen. Popitz hielt Normen nicht schon deshalb für Mumpitz, weil sie nicht vom Himmel gefallen sind.

Er fand es vielmehr aufregend, das Innerste des Menschen, seine geistigen Orientierungen möglichst weitgehend mit Äußerlichkeiten zu erhellen - mit den sozialen Umständen, in denen einer steckt, mit den biologischen Umständen auch (Heinrich Popitz war kein Verächter von Konrad Lorenz). Weit davon entfernt, ein Reduktionist zu sein, erkannte er doch den methodologischen Rang des Reduktionismus, seine reinigende, ernüchternde Kraft, die gegen angemaßte Geltungsansprüche gefeit macht. Muß man da eigentlich noch eigens sagen, daß Popitz sein soziologisches Unternehmen aus einem genuin philosophischen Interesse betrieb?

Wir haben es mit einem Meister der kleinen Form zu tun, mit einem gut lesbaren Schriftsteller, der um der Verständlichkeit willen seine Texte oft reformulierte. Sein zentrales normentheoretisches Buch "Phänomene der Macht" hat er durch mehrere feingeschliffene Aufsätze ergänzt und erläutert. Es sind zum Teil an entlegener, schwer auffindbarer Stelle publizierte Texte, die jetzt der Suhrkamp-Verlag verdienstvollerweise in einem eigenen Band zusammengetragen und veröffentlicht hat. Machen Sie die Probe auf den Popitz! Blättern Sie in dieser kleinen Aufsatzsammlung. Lesen Sie "Über die Präventivwirkung des Nichtwissens", schmökern Sie sich durch die Essays "Realitätsverlust in Gruppen" oder "Das primäre soziale Gehäuse". Sie werden sich und Ihre Lieben fortan mit anderen Augen sehen, werden die Natur des Sozialen besser verstehen: deren atemberaubendes Schwanken zwischen Zufall und Notwendigkeit.

Verharren wir als Kostprobe für einen Moment bei dem Aufsatz "Realitätsverlust in Gruppen". Was für ein profunder Blick auf ein Leben, das sich von seinen Gegebenheiten derart gefangennehmen läßt, daß es zu einer "Erwartungsvereisung" kommt. Statt Erfahrungen sprechen zu lassen, werden Enttäuschungen nach dem Skript der uns beherrschenden Gruppe so verbogen, daß sie uns nicht mehr enttäuschen: "Alles, was passiert, bestätigt dann, was man ohnehin weiß. Das ist das Ende des Vermögens, aus neuen Erfahrungen neue Konsequenzen zu ziehen, das Ende aller Lernfähigkeit." Das Autoritätskonzept, das Popitz zu denken gibt, ist nicht das von außen durchgesetzte (geschenkt!), sondern das unmerklich von innen assimilierte - dergestalt, daß "die Anerkennung durch andere für den psychisch Gebundenen zum Faden wird, an dem sein Selbstwertgefühl zur Gänze hängt".

Nein, Popitz will uns nicht etwa bange machen vor den Leuten, mit denen wir in group tagtäglich zu tun haben und an deren Anerkennung uns liegt. Er will uns nur bange machen vor einem übertriebenen Gefühl, Herr im eigenen Haus zu sein. Wir sind allenfalls ein Herrchen, sagt Popitz. Wird doch die Aussicht, wir könnten in den Gruppen, in welchen wir verwurzelt sind, Anerkennung verlieren, nicht selten "wie ein Gang ins Nichts empfunden und gefürchtet, wie ein gänzliches ,Aus-der-Welt-Fallen'". Mit der Autonomie ist es also nicht weit her. Man ist nie höriger, als wenn man erwartet, autonom zu sein. Die Selbstbestimmtheit, auf die wir uns im Leben wie im Sterben so viel zugute halten mögen, ist in des Alltags Hitze eine gruppenabhängige Variable. Auf diese und andere Schwachstellen der menschlichen Natur kühlt uns Popitz' starkes Büchlein herunter.

CHRISTIAN GEYER

Heinrich Popitz: "Soziale Normen". Hrsg. von Friedrich Pohlmann und Wolfgang Eßbach. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006. 269 S., br., 11,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Christian Geyer gibt sich als durch und durch begeisterter Anhänger der Schriften Heinrich Popitz' zu erkennen und empfiehlt diesen Band mit gesammelten soziologischen Aufsätzen als gut verständlich und daneben profund philosophisch. Dem 2002 gestorbenen Autor sei es stets um mehr als treffende Zeitdiagnosen gegangen, denn er versuchte, das Wesen des Menschen zu ergründen, so der Rezensent eingenommen. Am Beispiel des Aufsatzes "Realitätsverlust in Gruppen", in dem Popitz nachweist, dass es mit der Autonomie des Individuums innerhalb von Gruppen nicht weit her ist, demonstriert der Rezensent die Qualitäten des Freiburger Soziologen. Er preist die verständliche Sprache und den tiefen Blick in die menschliche Natur und freut sich, dass die zum Teil nur schwer auffindbaren Aufsätze nun in diesem Band zusammengetragen worden sind.

© Perlentaucher Medien GmbH