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Die aktuelle Stimmung in der westlichen Welt ist gekennzeichnet durch eine scharfe gesellschaftliche Spaltung, eine Rhetorik der Ausgrenzung und die Unfähigkeit der gesellschaftlichen Lager, miteinander zu kommunizieren. Martha Nussbaum nimmt den Kern des Problems in den Blick, der in vielen Analysen zu kurz kommt: Das Politische ist immer auch emotional. Die Globalisierung hat bei zahlreichen Bürgern und Bürgerinnen der westlichen Gesellschaften ein Gefühl der Machtlosigkeit hervorgerufen, das zu Ressentiments und Schuldzuweisungen führt: Schuld an der Misere sollen wahlweise die Immigranten…mehr

Produktbeschreibung
Die aktuelle Stimmung in der westlichen Welt ist gekennzeichnet durch eine scharfe gesellschaftliche Spaltung, eine Rhetorik der Ausgrenzung und die Unfähigkeit der gesellschaftlichen Lager, miteinander zu kommunizieren. Martha Nussbaum nimmt den Kern des Problems in den Blick, der in vielen Analysen zu kurz kommt: Das Politische ist immer auch emotional. Die Globalisierung hat bei zahlreichen Bürgern und Bürgerinnen der westlichen Gesellschaften ein Gefühl der Machtlosigkeit hervorgerufen, das zu Ressentiments und Schuldzuweisungen führt: Schuld an der Misere sollen wahlweise die Immigranten sein, die Muslime, andere 'Rassen', die kulturellen Eliten ...Nussbaum zeigt, dass diese Mechanismen auf allen Seiten des politischen Spektrums am Werk sind - links ebenso wie rechts - und stellt Überlegungen an, wie gespaltene und polarisierte Gesellschaften wieder zusammenfinden könnten.
Autorenporträt
Martha Nussbaum ist die einflussreichste Philosophin der Gegenwart. Die Professorin an der University of Chicago wurde u.a. ausgezeichnet mit dem Kyoto-Preis, der als Nobelpreis der Philosophie gilt. Außerdem erhielt sie den mit einer Million Dollar dotierten Berggruen-Preis. Die bekennende Musik-Liebhaberin wurde besonders bekannt durch ihre Arbeiten zum Thema Emotionen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2019

Warum nur regieren der Zorn und der Neid?

Die renommierte Philosophin als Predigerin: Martha Nussbaum diagnostiziert ein Zeitalter der Angst und setzt hehre Appelle dagegen.

Von Stephan Speicher

Martha Nussbaum, Professorin für Law and Ethics in Chicago (unter anderem an der Law School), eine der prominentesten Figuren der zeitgenössischen Philosophie, hat sich "Gedanken zur aktuellen politischen Krise" gemacht. Was wir derzeit erleben, Wahl und Amtsführung Trumps, Aufschwung der Rechten in Europa, Brexit, die giftige politische Atmosphäre überall - das soll uns zu Untertanen im "Königreich der Angst" machen, wie sie ihr neues Buch betitelt hat. Angst beschreibt sie als das elementare Gefühl, das Böses, nämlich den Zorn, den Neid, den Ekel hinter sich herzieht. Angst ist ein Urgefühl, das alle beherrscht, es ist die erste Emotion des Neugeborenen, eine Emotion, die auch die Tiere kennen und nicht bloß die höchstentwickelten. Ein solches Urgefühl schütteln wir nicht leicht ab, es steigt immer wieder hoch, und die Weckung der Angst ist ein probates Mittel der Propaganda.

Zorn, Neid und Ekel leitet Nussbaum aus der Angst ab, weil diesen Gefühlen der Urgrund der Angst gemeinsam ist: ein Erlebnis der Macht- und Hilflosigkeit, das in Feindseligkeit umschlägt. Wohl kann dem Zorn die verständliche Empörung, dem Neid der Eindruck wirklicher Ungerechtigkeit, dem Ekel die berechtigte Sorge vor einer Gesundheitsschädigung zugrunde liegen. Dies kritische Moment respektiert Nussbaum. Aber die Feindseligkeit, die daraus resultiert, der Wunsch, dem anderen möge etwas Böses widerfahren, stößt auf ihre scharfe Ablehnung. Sie wünscht sich eine produktive Reaktion: "Hier besteht ein Problem, das wir lösen müssen, und ihr solltet gemeinsam mit uns nach einem besseren Weg suchen."

Damit hat die Autorin ein großes Thema am Haken. Eine philosophische Untersuchung, die auch die Geschichte des Phänomens und dessen Reflexion einschlösse, nimmt sie aber nicht vor. Wohl kommt sie auf Aristoteles, Platon und Lukrez zu sprechen. Sie hat sich immer für die antiken Denker interessiert und deren Willen, Philosophie als Lehre vom richtigen Leben zu verstehen. Aber dass die Urangst womöglich erst im frühen Christentum reflektiert wird, das erörtert sie nicht, Figuren wie Kierkegaard und Heidegger spielen keine Rolle. Und da liegt das Problem ihres Buches. Nussbaum spricht über eine Angst ohne Geschichte, ohne Ideen-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Unsere politischen Nöte möchte sie aus einer anthropologisch verstandenen Disposition erklären - die Psychologie des Babys spielt eine große Rolle -, aber aus der Anthropologie, die die vergleichsweise stabilen Dispositionen beschreibt, kommt sie nicht zu der versprochenen Analyse der aktuellen Krise.

Nussbaum betont, dass sie als Philosophin schreibt und nicht als Expertin für Ökonomie oder öffentliche Ordnung. Aber sich so aus der Gefechtszone zu stehlen, das sollten ihr die Leser nicht durchgehen lassen. Die antiken Autoren, auf die sie sich bezieht, hätten es auch nicht getan. Eine Theorie bewährt sich erst in der Beschreibung ihres Problems. Was unterscheidet die gegenwärtige Lage von früheren Zeiten? Immer wieder kommt die Autorin auf den Eindruck des Kontrollverlustes zu sprechen, der Angst, Zorn und Neid erregt (das Kapitel über den Ekel, das schwächste, sei übergangen). Ich beneide den Erfolgreichen, weil ich glaube, dass mir die Chancen verwehrt sind, von denen er profitiert. Ich bin zornig, weil ich mich herabgesetzt fühle. Das facht den Affekt gegen die Eliten an. Gibt es heute vielleicht öfter als früher Anlass dazu? Hat womöglich der Nationalstaat alten Typs das Gefühl gegenseitigen Aufeinanderangewiesenseins wach gehalten, das die Eliten zur Kooperation veranlasste? Oder hat sich hier kaum etwas verändert, und die Bürger, mit gewachsenem Selbstgefühl oder auch bloß aufgewühlt von den Medien, sind ungeduldiger geworden?

Wenn Angst, Zorn, Neid, Ekel uns stärker im Griff haben als unsere Eltern, stellt sich doch die Frage, wie es dazu kommt. Dazu sagt die Autorin nichts und auch nicht, wie sich das ändern ließe. Statt dessen schlägt sie einen predigthaften Ton an: "Unsere Kultur der kurzlebigen Berühmtheit und des Narzissmus der sozialen Medien trägt zu einer Kultur des Neides bei. Stattdessen benötigen wir eine Kultur der Tugendhaftigkeit (. . .), eine hochgesinnte, dabei aber realistische Suche nach politischen Lösungen, die uns zusammenbringen" (im englischen Original nicht weniger pompös). Und das ist nun interessant, nicht als Durchdringung des Problems, sondern als Problem selbst. Die feierliche Redensart ist nicht bloß intellektuell schwach, sie ist politisch unheilvoll. Sie suggeriert die Überlegenheit des Predigers, sie erregt nur zu leicht das, was doch falsch ist, den Zorn. In ihr liegt die Kränkung derer, die nicht weiter wissen, und sich mit Recht nicht ernstgenommen fühlen.

Im Kapitel über Sexismus und Frauenfeindlichkeit kommt die Autorin kurz auf die Lage der weißen Arbeiterschaft zu sprechen. Zustimmend zitiert sie die Wirtschaftswissenschaftler Angus Deaton und Anne Case, die von einem "Meer der Verzweiflung" sprechen. Und wie fährt sie fort? Mit dem Bedauern, dass diese Männer in den beruflich erfolgreichen Frauen die Schuldigen sehen. Solche Frauenfeindlichkeit ist falsch, sie muss kritisiert werden. Aber von einem "Meer der Verzweiflung" zu sprechen und dann von den Ertrinkenden sofort wieder zu der Gruppe zu kommen, der man selbst angehört, das zeugt von tiefem sozialen Desinteresse, vom Unwillen zum Tatsächlichen. Weiße Industriearbeiter, die dieses Buch in die Hand bekommen, wie sollten sie wohl glauben, dass die Elite, der Martha Nussbaum angehört, bereit ist, "gemeinsam mit uns nach einem besseren Weg zu suchen"?

Martha Nussbaum: "Königreich der Angst". Gedanken zur aktuellen politischen Krise.

Aus dem Englischen von Manfred Weltecke.

wbg / Theiss Verlag, Darmstadt 2019. 299 S., geb., 28,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Stephan Speicher zeigt sich enttäuscht von Martha Nussbaums Gegenwartsdiagnose. Wenn die Philosophin mit Platon, Lukrez und anderen die grassierende Angst mit als Ursache für Zorn und Neid ausmacht und solche Reaktion kritisiert, vermisst Speicher den sozial-, wirtschafts- und ideengeschichtlichen Kontext. Eine weiterführende Analyse aktueller Krisen ist so laut Speicher nicht zu haben. Nussbaums Predigerinnen-Ton scheint dem Rezensenten nicht nur schwach, sondern politisch gefährlich, weil er Überlegenheit und soziales Desinteresse suggeriert und wiederum Zorn hervorruft.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Platz 1 der Sachbuch-Bestenliste für Februar: Das Politische ist immer auch emotional.« DIE ZEIT »Martha Nussbaum analysiert jedoch nicht nur den Status Quo, als politisch engagierte Philosophin will sie auch Lösungen aufzeigen.« Deutschlandfunk Kultur »Viele geistreiche Anregungen zur aktuellen Krise der Demokratie und ihrer Überwindung.« SWR2 Lesenswert Kritik »Angesichts der Kakofonie der Stimmen aus verschiedenen politischen und ideologischen Lagern ist Nussbaums unbeirrbarer Glaube an gute Mitmenschlichkeit und ihr Insistieren auf die Wirkmächtigkeit von politischen Emotionen eine wohlklingende Abwechslung« Deutschlandfunk Andruck »Martha Nussbaums Bücher laden zu leidenschaftlicher Diskussion und Kontroverse ein und erzielen damit genau das, was sich die Autorin wünscht: miteinander ins Gespräch kommen, sich gegenseitig zuhören und nach gemeinsamen Lösungen forschen. Ihre brillanten Analysen bringen Klarheit und Ordnung in eine Welt der Täuschungen, der Schuldzuweisungen und der Instrumentalisierung von Ängsten.« AVIVA Berlin »Ein Buch gegen die Versuchung, der Verzweiflung zu erliegen, das ist Königreich der Angst von der Philosophin Martha Nussbaum [...]« CulturMag »Was Nussbaums Buch so lesenswert macht, ist, dass es ganz ohne Schuldzuweisungen auskommt. Auf die Angst gibt es kein Monopol, sie grassiert auf der rechten wie auf der linken Seite des politischen Bogens und stellt als Ursprung von Zorn, Ekel und Neid die größte Gefahr für die Demokratie dar.« Kleine Zeitung »Nussbaum, mit ihrem eleganten und präzisen Stil schreibt mit gelassener Klarheit über Bauchgefühle wie Neid und Abscheu ... Einer der Vorzüge des Bandes liegt in der gewissenhaften Vorgehensweise, mit der Nussbaum die Leser Schritt für Schritt dazu bringt, innezuhalten, genauer nachzudenken und ihre reflexhaften Haltungen zu hinterfragen. Nussbaum ist eine gewandte Rhetorikerin ...Sie will zeigen, wie grundlegend und universal das Gefühl der Angst ist: ursprünglich waren wir alle hilflose Säuglinge, angewiesen auf Güte und Barmherzigkeit der anderen.« New York Times Book Review »Eine einnehmende und einladende Untersuchung der seit jeher bestehenden menschlichen Angst vor dem anderen.« Review auf Kirkus »Martha Nussbaum, bekannte Philosophin, profilierte Autorin und Professorin an der University of Chicago beleuchtet unsere aktuelle politische Krise, die ihrer Ansicht nach im Wesentlichen in einer Politik der Schuldzuweisungen und der Angst besteht. Mithilfe zahlreicher Beispiele von der Klassischen Antike bis zum Musical 'Hamilton' zeigt sie auf, wie wir in dieses aufreibende Situation geraten sind und wie wir vorankommen können.« Chicago Tribune »Nussbaums gelehrte, aber gut lesbare Untersuchung behandelt Persönlichkeiten von Aristoteles bis Donald Trump in einer klaren und einnehmenden Prosa ... Nussbaum bietet neue, lohnende Einsichten in die Animositäten, die das heutige öffentliche Leben beeinträchtigen.« Publishers Weekly »Eine von Amerikas führenden Philosophinnen ergründet hier die gefährliche Mischung von Emotionen und versteht Trumps dominierende Position im 21. Jahrhundert als Teil einer besorgniserregenden menschlichen Dynamik, die sich über alle Epochen und weltweit manifestiert ... Auch Leser, die Nussbaums politischer Orientierung skeptisch gegenüberstehen, werden diesen Ruf nach einem emotional gesünderen öffentlichen Leben begrüßen.« Booklist »Nussbaum ist eine elegante und lyrische Autorin, und sie beschreibt ergreifend den Schmerz, den es verursacht, sich der eigenen Verwundbarkeit bewusst zu werden ...« The New Yorker »Nussbaum ist eine der versiertesten unter den politischen und Moralphilosophen unserer Zeit ...es gibt kaum ein Gebiet des politischen und moralischen Lebens und Denkens, das sie in ihrer offenbar grenzenlosen Wissbegier noch nicht bearbeitet hat.« William Adams, Chairman of the National Endowment for the Arts…mehr