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1 Kundenbewertung

Es gibt einen Menschenschlag, der sich von allen anderen früheren und heutigen stark unterscheidet. Sein Gehirn ist so verdrahtet, dass er in der Regel Gesichter schlechter erkennen kann, weniger auf seine Verwandten achtgibt und die Welt »scheibchenweise« verstehen will. Bei diesen sonderbaren Personen handelt es sich aber nicht etwa um peruanische Matsigenka, Fidschi-Insulanerinnen, chinesische Reisbauern oder die Jäger und Sammlerinnen der Hadza im heutigen Tansania - sondern um Leute wie Sie und mich!
Aber warum sind wir »Westler« so sonderbar - und was hat das mit Demokratie und
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Produktbeschreibung
Es gibt einen Menschenschlag, der sich von allen anderen früheren und heutigen stark unterscheidet. Sein Gehirn ist so verdrahtet, dass er in der Regel Gesichter schlechter erkennen kann, weniger auf seine Verwandten achtgibt und die Welt »scheibchenweise« verstehen will. Bei diesen sonderbaren Personen handelt es sich aber nicht etwa um peruanische Matsigenka, Fidschi-Insulanerinnen, chinesische Reisbauern oder die Jäger und Sammlerinnen der Hadza im heutigen Tansania - sondern um Leute wie Sie und mich!

Aber warum sind wir »Westler« so sonderbar - und was hat das mit Demokratie und Religion, mit Falschparken und Heiraten, Totems und Tabus, mit Aufklärung, Industrieller Revolution, Globalisierung und überhaupt fast allem anderen zu tun? Und warum war ausgerechnet das katholische Ehe- und Familienmodell des Mittelalters so überaus wichtig? Anhand von faszinierenden psychologischen Experimenten und ausgedehnten Feldforschungen sowie gestützt auf eine Fülle historischer und soziologischer Daten zeigt der Anthropologe Joseph Henrich auf brillante Weise, wie uns Evolution, Geschichte und vor allem die Kultur zu dem gemacht haben, was wir heute sind: die seltsamsten Menschen der Welt. Ein wegweisendes Buch voller Überraschungen.


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Autorenporträt
Joseph Henrich, geboren 1968, studierte zunächst Anthropologie sowie Luft- und Raumfahrttechnik und arbeitete dann als Systemingenieur bei General Electric. Anschließend wurde er Professor für Kultur, Kognition und Koevolution an der University of British Columbia. Seit 2015 ist er Direktor und Professor des Department of Human Evolutionary Biology der Harvard University.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als besonders aufwändigen Fall von "Abendlandsduselei" betrachtet Rezensent Oliver Jungen diese völkerpsychologische Weltgeschichte des Harvard-Historikers Joseph Henrich. Die "seltsamsten Menschen der Welt" sind für Henrich die Bewohner des Westens, entsprechend dem Akronym WEIRD: Western, Educated, Industrialized, Rich, Democratic. Damit meine Henrich, wie Jungen darlegt, dass Westler einen höheren Grad an analytischem Denken, Individualismus, Fleiß, Ehrlichkeit und Selbstbeherrschung erreicht hätten. Diese Höherentwicklung erklärt Henrich dem Rezensenten zufolge mit dem christlichem Monogamiegebot und Inzestverbot. Während sich "die Anderen" weiter mit Clanstrukturen und Familienehre herumschlugen (das europäische Mittelalter kannte dagegen allenfalls Hocharistokratie), entwickelte das individualisierte und prosoziale Abendland Städte, Klöster, Gilden und Universitäten. Zwar gesteht der Rezensent dem Buch zu, gut lesbar und mitunter durchaus anregend zu sein, am Ende aber habe sich Henrich in einer Weltformel verrannt, die den alten Sozialdarwinismus als "kulturelle Evolution" bemäntelt, ärgert sich der Rezensent. Und über Kolonialismus, Imperialismus und Völkermorde hat Jungen da noch gar nichts gesagt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2022

Neu
verdrahtet
Der amerikanische
Evolutionspsychologe Joseph Henrich
analysiert einen historischen Sonderfall:
den westlichen Menschen
VON JENS-CHRISTIAN RABE
Die Länder Nordamerikas und des nördlichen und südwestlichen Europas, die gemeinhin als „der Westen“ geführt werden, befanden sich schon vor Russlands Angriff auf die Ukraine unübersehbar in einer tiefen Identitätskrise. Die spätestens seit der Finanzkrise 2008 scheinbar unaufhaltsame Ungleichheit, Massenproteste gegen Rassismus und Diskriminierung, der Aufstieg des Rechtspopulismus, die Pandemie und nicht zuletzt die kaum zu überschätzende Herausforderung, die der Klimawandel bedeutet, nagen heftig am – in Deutschland noch einmal besonders ausgeprägten – Selbstverständnis des Westens als Hort und Hüter von Fortschritt, Freiheit, Gerechtigkeit und Friedlichkeit. Putins Krieg dürfte ebenso sehr eine Folge der Identitätskrise des Westens (die dem russischen Diktator nicht entgangen war) sein, wie er sie weiter verstärken wird, weil sich plötzlich längst erledigt geglaubte Sicherheitsfragen wieder stellen und zwar mit stark erhöhter Dringlichkeit.
Kein Zufall ist es dementsprechend, dass seit einer Weile Bücher Konjunktur haben, die sich für die ganz großen Linien der Geschichte interessieren. Und insbesondere dafür, wie wir im Westen wurden, was wir sind. Man denke an Ian Morris‘ „Geografie ist Schicksal“ oder „Beute, Ernte, Öl – Wie Energiequellen Gesellschaften formen“ und natürlich an Jared Diamonds „Kollaps – Warum Gesellschaften überleben oder untergehen“. Das neue, große Buch „Die seltsamsten Menschen der Welt – Wie der Westen reichlich sonderbar und besonders reich wurde“ des in Harvard lehrenden amerikanischen Evolutionspsychologen Joseph Henrich schließt hier direkt an und ist doch ganz anders. Schon allein weil Henrich eben Psychologe ist, also bei der menschlichen Software ansetzt, wenn man so will, während der Archäologe Morris und der Evolutionsbiologe Diamond eher über die Hardware argumentieren.
Ausgangspunkt Henrichs sind drei frühe, für ihn wegweisende Erkenntnisse bei der Beobachtung der Forschungsarbeit seines Faches, der Sozialpsychologie. Zunächst habe damals „fast alles“ was Wissenschaftler über die menschliche Psychologie zu wissen glaubten, aus experimentellen Studien mit Studierenden aus westlichen Gesellschaften gestammt. Zudem seien die psychologischen Unterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen offenbar viel größer, als man das beim Lesen der gängigen Lehrbücher und Fachzeitschriften vermuten würde. Und schließlich zeigten kulturübergreifende psychologische Daten, dass Westler „typischerweise am extremen Ende der Verteilung“ auftauchten, also ganz und gar nicht so normal und exemplarisch fürs Menschsein an sich sind, wie sie zu sein glauben, sondern vielmehr „psychologisch sonderbar“.
Für einen Fachaufsatz erfand er für diese speziellen Menschen mit seinen Kollegen Steve Heine und Ara Norenzayan die schöne Bezeichnung „W.E.I.R.D-People“, also Western, Educated, Industrialized, Rich und Democratic – westlich, gebildet, industrialisiert, reich und demokratisch. Als Adjektiv bedeutet „weird“ wiederum so viel wie seltsam oder sonderbar. Der Originaltitel des Buches lautet entsprechend „The WEIRDest People in the World“. Was nun genau so „sonderbar“ ist am westlichen Menschen und wie es dazu kommen konnte – darum drehen sich dann die rund 700 Textseiten dieses übrigens eindrucksvoll schwungvoll geschriebenen (und übersetzten) und angesichts der ungeheuren Stoffmenge verblüffend übersichtlich strukturierten Buches. Konkret heißt das, dass der sonderbare Mensch – erstens – sehr analytisch an die Welt herantritt. Außerdem sind ihm – zweitens – interne Attribute des Individuums untypisch wichtig (etwa Überzeugungen). Drittens ist er außergewöhnlich unabhängig und nonkonformistisch und hat es – viertens – fertiggebracht, so etwas wie „unpersönliche Prosozialität“ zu entwickeln.
Und was ist nun der Grund dafür, dass sonderbare Populationen psychologisch derart eigentümlich wurden? Es sind nach Henrich die gegenüber der Heirat zwischen Cousins skeptischen Normen des Christentums, die durch von der Spätantike an dafür sorgen, dass verwandtschaftsbasierte Bindungen der westlichen Populationen systematisch geschwächt werden. Das klingt so knapp allerdings deutlich origineller als nach der Lektüre der skrupulösen Beweisführung Henrichs.
Die bittersüße ideologische Pointe ist dann natürlich, dass die „viel gepriesenen Ideale der westlichen Zivilisation – Menschenrechte, Freiheit, repräsentative Demokratie oder die Wissenschaft – keine Werke der reinen Vernunft oder Logik“ mehr sind, wie weithin angenommen. Die westlichen Menschen wurden nach Henrich „nicht plötzlich mit der Aufklärung des 17. Und 18. Jahrhunderts rational und erfanden dann die moderne Welt“. Die westlichen Ideale und Institutionen sind bloß noch vielmehr das Ergebnis der kulturellen Evolution durch ein „besonderes Bündel von Inzesttabus, Eheverboten und Familienvorschriften, das sich in einer radikalen religiösen Sekte entwickelt hat – dem westlichen Christentum“.
Der wunde Punkt des Buches sind natürlich die Studien, auf denen es basiert. Experimentelle Sozialstudien sind keine beinharte Wissenschaft. Dafür ist schon das Feld, das sie erkunden, zu beweglich. Dazu kommt, dass sie, weil das kompliziert und nicht originell ist und also wenig Ruhm verspricht, selten durch Wiederholung überprüft werden. Wenn es denn einmal getan wird, stellt sich häufiger, als es zu wünschen wäre, heraus, dass sich die Ergebnisse nicht eindeutig bestätigen lassen.
Eine instruktive und interessante Synthese dieses Ausmaßes deshalb gar nicht erst zu probieren, wäre aber auch keine Lösung. Im Gegenteil. Zumal Henrich reflektiert vorgeht und offen mit methodischen Schwächen umgeht. Man wünscht dem Buch eine rege und konstruktive Quellenkritik der jeweiligen Fachexperten. Anders als anderen Big-History-Kollegen liegt Henrich im Ton jeder eilige Triumphalismus angenehm fern. Die schiere Menge der Parameter und Aspekte, an denen er seine These entwickelt und schärft, zeigt, dass hier niemand einen billigen Punkt machen, sondern ernsthaft etwas herausbekommen möchte.
Schwerer als die obligatorische und wissenschaftlich ja auch immer gebotene Kritik an den zugrunde liegenden Studien wiegt sicher der Hinweis, dass manches in der Konsequenz einem gewissen Sozialdarwinismus – also der Rechtfertigung der Überlegenheit des Stärkeren – nicht völlig fern ist, auch wenn Henrich in dieser Hinsicht eigentlich unverdächtig ist. Es geht ihm ja sogar explizit darum, die Selbstverständlichkeit mit der sich die W.E.I.R.D-Menschen für die normalen Menschen halten, zu erschüttern und an die psychologische Vielfalt der Welt zu erinnern. Angesichts der doch noch anhaltenden kulturellen und wirtschaftlichen Dominanz des Westens und den im Buch ja durchaus anerkennend vermerkten Errungenschaften der W.E.I.R.D-Menschen (die geringe Korruption in Schweden!), entsteht jedoch nicht gerade der Eindruck, dass wir uns die „normaleren“ sozialen Menschen auf ihre andere Art ähnlich segensreich agierend vorstellen dürfen.
Man hätte Henrich da etwas mehr Fingerspitzengefühl gewünscht, zumal über die dunkle Seite der W.E.I.R.D.-Welt – die endemische Einsamkeit und Verlorenheit seiner Bewohner in ihrem feinen Edelstahlbad aus Individualität und Selbstverbesserung – ja schon eine gute Weile viel geredet wird. Andererseits kann dieses Buch auch noch kommen. Der Ansatz gibt es her. Es geht Henrich letztlich ja ausdrücklich (globalisierungs-)kritisch darum, den Westen zu sensibilisieren. Etwa für die Schwierigkeiten bei der Übernahme von W.E.I.R.D.-Institutionen durch Länder in denen zuvor verwandtschaftsbasierte Institutionen dominierten: Würden dort die alten Institutionen nicht „von Grund auf neu verdrahtet“, säßen diese Bevölkerungen psychologisch in der Klemme zwischen den Anforderungen ihrer Clans und den Anforderungen demokratischer Regierungen oder unpersönlicher Organisationen: „Bin ich meinen Verwandten gegenüber loyal, oder befolge ich unpersönliche Regeln der unparteiischen Gerechtigkeit? Stelle ich meinen Schwager ein oder die für den Job am besten geeignete Person?“ Dies dürfte im Übrigen wohl das sein, was etwa in Afghanistan passiert ist und die Rückkehr der Taliban so einfach machte.
Mit anderen Worten: „Die seltsamsten Menschen der Welt“ sollte Pflichtlektüre sein für alle westlichen Diplomatinnen und Außenpolitiker. Alle anderen sonderbaren Leserinnen geht es bei der Lektüre im besten Fall so wie dem neuen Batman von Robert Pattinson: Es dämmert ihnen heftig, dass sie – obwohl sie doch nur das Gute wollen und ihr Bestes dafür geben – noch viel mehr Teil des Problems sind als Teil der Lösung.
Und dann kam etwas so
Schräges wie „unpersönliche
Prosozialität“ in der Welt
Letztlich geht es ihm darum,
den Westen für seine blinden
Flecken zu sensibilisieren
Joseph Henrich: Die seltsamsten Menschen der Welt: Wie der Westen reichlich sonderbar und besonders reich wurde. Aus dem Englischen von Frank Lachmann und Jan-Erik Strasser. Suhrkamp, Berlin 2022. 918 Seiten, 34 Euro.
Kerstin Preiwuß ist Schriftstellerin und seit 2021 Professorin am Deutschen Literaturinstitut Leipzig.
Wenn sie morgens durch die Stadt zum Institut laufe, erzählte sie unserem Fotografen,
habe sie permanent ihr Telefon in der Hand, um Beobachtungen sofort aufschreiben zu können.

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.04.2022

Wie toll sind doch die Westler
Völkerpsychologie geht immer noch: Joseph Henrich hat eine große Theorie über uns und die Anderen

Man darf ihn Epimenides nennen, den Elefanten, der hier im Raum ist, nach jenem Kreter also, der sagte, dass alle Kreter lügen, und damit die Selbstaussage ad absurdum führte. Wenn ein kanadischer Anthropologe und Evolutionspsychologe, der in Harvard lehrt, darauf hinweist, dass "sonderbare Menschen" - grob gesprochen: Bewohner des christlich geprägten Westens ("WEIRD" ist das Akronym dazu: "Western, Educated, Industrialized, Rich, Democratic") - dazu neigten, die Welt durch eine sonderbare Brille zu sehen, dann stellt sich wohl die Frage, ob dieser Westler, der den Westen auch gleich mit der "modernen Welt" überblendet, die Brille wirklich abgenommen hat. Und in der Tat: So beachtlich viel Wissen Joseph Henrich in seiner Universaltheorie auch kompiliert (allein das Literaturverzeichnis umfasst neunzig Seiten), hinterlässt sein Buch den schalen Geschmack von Abendlandsduselei.

Der Autor schreibt den Westlern im Unterschied zur übrigen Welt etwa einen höheren Grad an analytischem Denken, Individualismus, Vertrauenswürdigkeit, Fleiß, Ehrlichkeit, Selbstbeherrschung, Geduld und "unpersönlicher Prosozialität" (gegenüber Fremden) zu, alles vermeintlich wissenschaftlich bewiesen durch diverse vergleichende Sozialexperimente. Es handele sich, das ist Henrichs zentrale Botschaft, um kulturell erworbene Charaktereigenschaften; genetisch wirke sich das allenfalls in Jahrtausenden aus. Diese elefantöse Studie ist die vielleicht seltsamste Version des kulturalistischen Eurozentrismus (der Nordamerika inkludiert).

Sonderbar ist der Autor auch in einer speziellen Hinsicht. Seit der Frühen Neuzeit, heißt es einmal, herrsche im Westen die sonderbare Auffassung, "dass jeder einzelne Mensch vollkommen neues Wissen entdecken konnte". Henrich gibt sich zwar Mühe, besagten Genieglauben zu widerlegen - komplexe Innovationen entstünden aus der "Addition kleiner Erweiterungen" -, aber dass er selbst etwas vollkommen Neues entdeckt hat, einen "massiven psychologischen und neurologischen Eisberg, den viele Forscher einfach übersehen haben", dieser unbescheidene Anspruch springt die Leser seines Buchs geradezu an. Experimentell arbeitenden Disziplinen wie der Sozialpsychologie, der Kulturanthropologie oder auch den Wirtschaftswissenschaften macht der Autor dabei den massiven Vorwurf, meist nur die eigenen Studenten erforscht zu haben: "Selbst heute . . . sind immer noch über neunzig Prozent der Teilnehmerinnen an experimentellen Studien sonderbar." Es ist wohl eher eine gefühlte Zahl. Henrich muss dermaßen laut trommeln, um zu verdecken, dass seine auf über neunhundert Seiten ausgebreiteten Befunde aus der angewandten Völkerpsychologie keineswegs sonderlich neu sind. Wobei er, trotz seiner Hinweise auf eine starke Varianz innerhalb der europäischen/amerikanischen und der außereuropäischen Kohorte sogar einen grundsätzlichen Dualismus feststellen zu können glaubt: "wir" und die Anderen.

Altbekannt seit Herbert Spencer ist auch die Rolle, die hier dem Sozialdarwinismus zukommt, der bei Henrich "kulturelle Evolution" heißt, aber ebenfalls die Durchsetzung der fittesten gesellschaftlichen Gruppe meint. Was aber erklärt nun den erfolgreichen europäischen Sonderweg? Erstaunlicherweise hat der Autor dafür eine einzige und bis zum Überdruss wiederholte Begründung parat. Denn obgleich er einmal zustimmend Jared Diamonds Vermutung einer geographischen Begünstigung Europas zitiert, führt Henrich beinahe alles zurück auf den Siegeszug des Christentums. Der Clou besteht darin, den entscheidenden Hebel in der christlichen Sexualmoral zu sehen. Diese habe qua Monogamiegebot und Inzesttabu die Vorstellung der Ehe revolutioniert. Das Verbot der verbreiteten Vetternehe habe dem alten, tribalistischen Gesellschaftsmodell und seinen etablierten Eliten - einer vor Testosteron strotzenden Clanstruktur, wie sie außerhalb des römisch-christlichen Einflussbereichs bestehen geblieben sei - den Garaus gemacht und damit den Weg in eine von Städten, unpersönlichen Märkten, Innovation und politischem Wettbewerb geprägte Moderne geebnet.

In einer solch stammesfernen, "gezähmten" Welt habe sich der Individualismus als geeignetste psychologische Disposition erwiesen. Die nicht mehr in verwandtschaftlichen Strukturen organisierte Bevölkerung wiederum habe sich zu neuen, freiwilligen Bündnissen zusammengeschlossen, woraus Institutionen wie Klöster, Gilden, Universitäten oder Städte entstanden seien. Die wiederum verstärkten die "sonderbare", kooperative Denkweise der Menschen. Die wichtigste Neuprogrammierung des Westler-Gehirns fand demnach im Mittelalter statt; Aufklärung und Industrialisierung seien nur die logische Folge der veränderten Psychologie gewesen.

Das alles wird über zahlreiche Stufen und Exkurse - etwa zur Geschichte der Lohnarbeit - entwickelt und abgeglichen mit Feldstudien zu Ethnien, die in verwandtschaftsbasierten Strukturen leben. Manches Detail ist einsichtig (eine europäische Kleinfamilie wirkt häufig "etwas egalitärer" als eine arabische Großfamilie), anderes widerspricht der Intuition. So war das europäische Mittelalter doch regelrecht definiert durch eine patrilineare Clanstruktur: die Hocharistokratie.

Das originelle Zusammendenken verschiedenster Disziplinen ist anregend, das Buch trotz seiner Überfülle gut lesbar und klar strukturiert. Doch gegen die historische Argumentation gibt es so viel einzuwenden, dass von der Generalthese jenseits unumstrittener Annahmen - Bedeutung der Kirche, der Städte, des freien Handels, dazu eine Portion Max Weber - wenig übrig bleibt. So hatte die Vetternehe auch in Europa noch verschiedentlich Konjunktur. Und die übrige Welt pauschal als eine der Stammesstrukturen aufzufassen übersieht alle Modernisierungsprozesse in anderen Gesellschaften. Kriege führen im Westen angeblich zu effektiven Institutionen wie Parlamenten, in der Clanwelt hingegen, vermutet der Autor auf schmalster Quellenbasis, fördern sie "loyales Verhalten gegenüber dem eigenen Clan oder der Verwandtschaft (Nepotismus), die Vetternehe und den Respekt vor den Älteren".

Der Autor hat sich verrannt in seine Weltformel, die er mit arbiträr wirkenden psychologischen Experimenten und Statistiken zu unterfüttern sucht. Letztere vermögen das Gewicht der ihnen unterstellten Aussage oft nicht zu tragen. Nur ein Beispiel: "Regionen, die während des Mittelalters eine größere zisterziensische Präsenz erfahren haben, sind im 21. Jahrhundert wirtschaftlich produktiver und haben eine niedrigere Arbeitslosenquote." Für Henrich ist damit belegt, dass die neue Arbeitsmoral (Fleiß, Pünktlichkeit) nicht auf eine protestantische Ethik zurückgeht, sondern auf die Zisterzienser einige Jahrhunderte zuvor. Der Protestantismus sei aber doch ein "Booster" der sonderbaren Entwicklung gewesen. Heikler noch als die freihändigen historischen Thesen ist die letztlich kulturmorphologische Argumentation, nach der die nichtsonderbare Welt ganzheitlich denke und auf jener (rückständigen) Stufe verharre, die im westchristlichen Bereich durch das Wachstum des "europäischen kollektiven Gehirns" überwunden wurde. Dieses Gehirn stellt sich Henrich als überlegen vor, "genialer" und "erfindungsreicher". Problematisch sei daher der Export "höherer" Institutionen wie Parlamente in verwandtschaftsbasierte Gesellschaften, heißt es, denn sie passten nicht "zur kulturellen Psychologie der Leute". Die lasse sich nur über Jahrhunderte trainieren.

Vollends diskreditiert sich die aus der Zeit gefallene Studie dadurch, dass Henrich die wahre Kollision des "Westens" mit der übrigen Welt - und damit die dunkle Gegenseite des individualistischen, nicht mehr lokal gebundenen Gewinnstrebens -, also den Kolonialismus inklusive Rassismus und Genoziden, komplett ausblendet. Dazu gebe es "viele Bücher", heißt es lapidar. Wie sein ebenfalls mit dubioser Methodik und viel Euro-Optimismus arbeitender Harvard-Kollege Steven Pinker in "Gewalt. Eine neue Geschichte der Menschheit" (2011) stützt sich Henrich auf Mordstatistiken, die einen Rückgang von Kapitalverbrechen seit dem hohen Mittelalter zu zeigen scheinen, um ohne weitere Rücksichtnahme auf den Umstand, dass von Europa die Unterwerfung ganzer Kontinente, der moderne Sklavenhandel und zwei Weltkriege ausgingen, zu behaupten, in unserer vom Konzept der "Familienehre" bereinigten Wettbewerbsgesellschaft habe sich "Selbstbeherrschung" evolutionär durchgesetzt. Jähzorn kennen demnach nur noch die (wilden) Anderen; Europäer sind seit Jahrhunderten friedlich und zivilisiert. Sonderbar ist daran vor allem die Autosuggestion. Manchmal sucht man ja seine Brille, bis einem auffällt, dass sie die ganze Zeit auf der Nase sitzt. OLIVER JUNGEN

Joseph Henrich: "Die seltsamsten Menschen der Welt". Wie der Westen reichlich sonderbar und besonders reich wurde.

Aus dem Englischen von Frank Lachmann und Jan-Erik Strasser. Suhrkamp Verlag, Berlin 2022. 918 S., Abb., geb., 34,- Euro.

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»Die seltsamsten Menschen der Welt sollte Pflichtlektüre sein für alle westlichen Diplomatinnen und Außenpolitiker.« Jens-Christian Rabe Süddeutsche Zeitung 20220315