20,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

Neben seinen Kurzgeschichten und Romanen, die ihn berühmt machten, verfasste Truman Capote für Magazine wie »Esquire« oder den »New Yorker« unzählige Reportagen und Porträts. Sie besitzen die erzählerische Kraft seiner Prosa - alles, was den Schriftsteller Capote ausmacht: Melancholie, Beobachtungsgabe, perfekte Dialoge und ein glühendes Interesse am Menschen. Angefangen bei den frühen Reiseskizzen des Zweiundzwanzigjährigen bis hin zu einem Porträt der Schriftstellerin Willa Cather, das er am Vorabend seines Todes fertigstellte, versammelt dieser Band erstmals das komplette nicht-fiktionale…mehr

Produktbeschreibung
Neben seinen Kurzgeschichten und Romanen, die ihn berühmt machten, verfasste Truman Capote für Magazine wie »Esquire« oder den »New Yorker« unzählige Reportagen und Porträts. Sie besitzen die erzählerische Kraft seiner Prosa - alles, was den Schriftsteller Capote ausmacht: Melancholie, Beobachtungsgabe, perfekte Dialoge und ein glühendes Interesse am Menschen. Angefangen bei den frühen Reiseskizzen des Zweiundzwanzigjährigen bis hin zu einem Porträt der Schriftstellerin Willa Cather, das er am Vorabend seines Todes fertigstellte, versammelt dieser Band erstmals das komplette nicht-fiktionale Schaffen Truman Capotes, darunter auch Texte, die noch nie in Buchform publiziert wurden.Mit seinem Tatsachenroman »Kaltblütig« revolutionierte Capote die Literaturgeschichte, indem er Journalismus und Literatur zusammenführte. »Die Hunde bellen« ist sein journalistisches Vermächtnis and die Nachwelt: ein ebenso intimes wie berührendes Porträt des zwanzigsten Jahrhunderts und seiner Menschen.
Autorenporträt
Truman Capote wurde 1924 in New Orleans geboren; er wuchs in den Südstaaten auf, bis ihn seine Mutter als Achtjährigen zu sich nach New York holte. Mit neunzehn Jahren erhielt er für seine Kurzgeschichte Miriam den 'O.-Henry-Preis'. 1948 erschien sein Roman 'Andere Stimmen, andere Räume', der als das sensationelle Debüt eines literarischen Wunderkindes gefeiert wurde. 1949 folgte die Kurzgeschichtensammlung 'Baum der Nacht', 1950 die Reisebeschreibung 'Lokalkolorit', 1951 der Roman 'Die Grasharfe'. Das 1958 veröffentlichte 'Frühstück bei Tiffany' erlangte auch dank der Verfilmung mit Audrey Hepburn große Berühmtheit. 1965 erschien der mehrmals verfilmte Tatsachenroman 'Kaltblütig', 1973 'Die Hunde bellen' (Storys und Porträts), 1980 'Musik für Chamäleons' (Erzählungen und Reportagen). Postum wurden 1987 - unvollendet - der Roman 'Erhörte Gebete' und 2005 das neu entdeckte Debüt 'Sommerdiebe' veröffentlicht. Truman Capote starb 1984 in Los Angeles. Anuschka Roshani studierte Verhaltensbiologie und besuchte die Henri-Nannen-Journalistenschule, bevor sie viele Jahre Redakteurin und Reporterin beim Spiegel und dem Tages-Anzeiger-Magazin war. Seit 2002 lebt die gebürtige Berlinerin mit ihrer Familie in Zürich. Bei Kein & Aber hat sie Truman Capotes Gesamtwerk herausgegeben. 2018 erschien ihr Debüt Komplizen . 2022 folgte Gleißen . Sie schreibt ihre Dissertation über Truman Capote.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.04.2008

Vom Wunsch, eine Meeresschildkröte zu sein
Sie waren ein Experiment von weltliterarischem Rang: Über Truman Capotes Reportagen / Von Daniel Kehlmann

Die Geschichte steht in den Lehrbüchern und wird bis zur Ermüdung wiedergegeben in Journalismusseminaren: Anfang der sechziger Jahre erfand Truman Capote mit dem Dokumentarroman "Kaltblütig" eine neue Mischform, ihm schlossen sich Norman Mailer, Tom Wolfe und Hunter S. Thompson an, die daraus entstandene Bewegung heißt "New Journalism" und zeichnet sich durch radikalen Subjektivismus aus: Rhythmus und Schwung sind wichtiger als Objektivität, eine gute Story ist interessanter als Vollständigkeit der Fakten, und im Mittelpunkt steht immer die Figur des Berichterstatters. Generationen von Magazinjournalisten haben es so gelernt und verfassen nach diesem Rezept Reportagen im globalisierten Einheitsstil: ob aus Kapstadt oder vom Südpol, ob über Autorennen oder Kriminelle in Afrika, ob aus dem Krieg oder von einer Modenschau.

Aber Truman Capote ist daran nicht schuld. Sein Weg vom Roman in den Journalismus war ein Experiment von weltliterarischem Rang, und noch immer verstellt das Bild der Society-Figur Capote, des Gastgebers exzentrischer Partys und Freundes der Jetset-Prominenz, den Blick auf seine Bedeutung als Schriftsteller. Anders als Wolfe und Thompson, die nach ihm kamen, ging es ihm nicht darum, die Faktenhaltigkeit des Journalismus in die Literatur zu tragen, er wollte vielmehr das Instrumentarium seines an Flaubert geschulten Stils, seine Beschreibungskunst, die psychologische Feinheit seiner Figurenzeichnung auf Bereiche anwenden, die bislang nur der Journalismus behandelt hatte. Dieses Experiment glückte so fabelhaft, dass man heute das Gewagte daran nicht mehr erkennt: Was als avantgardistische Literatur begann, prägt den Mainstream der Magazine.

Bewusst nahm sich Capote zunächst das Verdächtigste aller Gebiete vor: das Starporträt. "Ich ging von folgender Überlegung aus: Was ist die niederste Stufe des Journalismus? Anders gefragt, welcher Dreck lässt sich am schwersten zu Gold machen?" In Japan traf er den jungen Marlon Brando - damals noch kein verfetteter Riese, sondern ein junger Mann von engelhafter Schönheit, genialer Begabung und mittelmäßiger Intelligenz - und schrieb den Essay "Der Fürst in seinem Reich". Capote kommt selbst darin als aufmerksam lauschende Randfigur vor, Brando isst viel und spricht noch mehr, sein chaotisches Hotelzimmer wird ebenso beschrieben wie die verehrungsvollen Zimmermädchen, die japanischen Gärten und die nächtlichen Lichter der leeren Stadt. Dieser Text, mit dem die neue Gesamtausgabe von Capotes Reportagen beginnt, gilt heute als Klassiker und als eines seiner Meisterwerke.

Nicht ganz zu Recht vielleicht. Liest man die Texte in der Reihenfolge ihres Entstehens, so scheint das Brando-Porträt noch ein wenig tastend, fast konventionell im Vergleich zu späteren Reportagen, in denen Capote knappste Beschreibungen mit seitenlangen Dialogsequenzen abwechselt, von denen klar ist, dass sie von keinem Aufnahmegerät mitgeschnitten wurden. So etwa in seinem dem Brando-Text weit überlegenen Porträt von Marilyn Monroe, das sich am Schluss unvermittelt in die Höhen reiner Lyrik aufschwingt - "Ich wollte meine Stimme über das Geschrei der Möwen erheben und sie zurückrufen: Marilyn! Marilyn, warum muss eigentlich alles immer so ausgehen? Warum ist das Leben so unglaublich beschissen?" -, oder in "Ein Tagwerk", der wohl lustigsten Reportage von allen: Capote begleitet seine Putzfrau Mary Sanchez auf ihrer Tagestour durch verschmutzte Wohnungen, die beiden rauchen Haschisch, und ihre Gespräche werden immer absurder, bis alles in einem Eklat endet. Ob das noch Bericht ist oder schon reine Dichtung, könnte nicht unwichtiger sein.

Das Erstaunlichste an diesen Texten ist ihre Bandbreite. Ist jener lustig-frivole Plauderer, der mit Schauspielerinnern über Mode streitet, zugleich der Mann, der eine Serienmörderreportage wie "Handgeschnitzte Särge" schreiben konnte, der Mann, der obsessiv Gewalttäter in ihren Zellen befragte und über sie Berichte verfasste, gegen deren Eiseskälte einem Cormac McCarthys Romane idyllisch vorkommen? Was war das für ein Mensch, fragt man sich, und erst dann fällt einem auf, wie zurückhaltend er mit sich selbst umgeht: Zwar ist Capote stets anwesend, aber er steht am Rand und gibt zugleich viel und gar nichts von sich preis - eben darin liegt seine Kunst, und an dieser Herausforderung scheiterten von Anfang an die Nachahmer.

Die Rolle des unauffälligen, wenn auch nicht tatenlosen Beobachters spielt Capote auch in "Die Musen sprechen", seiner Schilderung des ersten Russlandgastspiels einer amerikanischen Musicaltruppe. Einmal gibt er darin ein Gespräch mit dem Reporter Ira Wolfert wieder. ",Das Problem ist: Ich sehe hier einfach keine Story', sagte er. ,Alles wiederholt sich immer nur. Und vernünftig reden kann man auch mit niemandem.'" Die Pointe liegt natürlich darin, dass der Leser das Buch in Händen hält, dessen Möglichkeit Wolfert leugnet. Tatsächlich geschieht da nichts Spektakuläres, es gibt kaum Verwicklungen, und große Katastrophen bleiben aus. Wo also ist die Story, warum ist der Text so funkelnd geistreich und berührend? Er habe, erklärte Capote, ein Buch nach Art eines Fabergé-Eis oder einer klimpernden Spieluhr schreiben wollen, "die mit großer Präzision kleine, freche Melodien herausklimpert". Was immer das auch heißen soll (und man vermutet: nicht sehr viel), das Ergebnis ist ein kleines Wunder, so zweckfrei verspielt wie unnachahmlich.

Capotes eigentliches Hauptwerk ist wohl die Sammlung "Musik für Chamäleons", noch vor "Frühstück für Tiffany" und "Kaltblütig". Hier finden wir alle Genres versammelt, hier hat er seine Technik der nacherfindenden Reportage und der Auflösung eines Berichtes ins Dialogische am weitesten vorangetrieben. Nicht unproblematisch darum die Entscheidung des Verlages, die Texte nicht chronologisch, sondern thematisch anzuordnen, also in "Konversationen", "Berühmtheiten", "Begegnungen", "Orte" aufzuteilen. Capotes Genialität besteht in der Aufhebung solcher Genres, und eine Ordnung nach Themen schafft rückwirkend eine Konventionalität, die seinem Ansatz fremd ist.

Und noch einen anderen Grund zur Unzufriedenheit gibt diese Ausgabe, und das ist leider die Übersetzung. In der ersten Hälfte, und seltsamerweise nur dort, als hätte Marcus Ingendaay in der Mitte unvermittelt an einen Kollegen abgegeben, sind die Dialoge von einer norddeutschen Flapsigkeit, die womöglich Lesern aus Spandau und Neukölln Genuss bereitet, die jedoch alle, die die deutsche Sprache etwas weiter südlich gelernt haben, bedrücken wird. So etwa wenn Capote Marilyn Monroe "du Träne" nennt, wenn das schlichte Wort "eat" hartnäckig mit "sich einverleiben" übersetzt wird, wenn überhaupt mehrmals gegessen wird "bis die Plautze kracht". "He spouted an intellectual rigmarole" übersetzt Ingendaay mit "er hielt die Leute mit pseudointellektuellem Gefasel zum Narren" und wandelt damit Capotes sachlich kühle Ironie gegenüber James Dean in eine platt eindeutige Wertung um - noch dazu unter Verwendung eines der hässlichsten Wörter deutscher Sprache, dessen Verwendung Max Goldt schon vor Jahren zu Recht verboten hat. Im zweiten Teil findet die Übersetzung immer mehr zu einem dem Original angemessenen Ton, und solche Ausrutscher werden selten - aber zuvor muss man sich durch reichlich Passagen kämpfen, in denen Leute mit "du Herzchen" oder "Schwachstruller" angeredet werden, in denen es "Null Problemo, du Spiegelwichser" heißt, in denen auch mal ein "großes Pfadfinder-Ehrenwort" gegeben wird und überhaupt die Dialoge des an Flaubert orientierten Meisterstilisten Capote übertragen werden in eine Umgangssprache von so papierenem Klang, dass man sich fragt, ob sie außerhalb der Donald-Duck-Übersetzungen von Erika Fuchs je irgendwo gesprochen wurde. Immer wieder zeigt Ingendaay, dass er der lyrischen Zartheit von Capotes Beschreibungen gewachsen ist, was er aber mit den Dialogen anstellt, fügt dem Autor Unrecht und dem Leser Schmerzen zu.

"Marilyn! Marilyn, warum muss eigentlich alles immer so ausgehen?" So viel klingt in diesem Ausruf mit - natürlich auch das Vorwissen des erschöpften, lange schon drogenabhängigen Schriftstellers, dass auf ihn kein langes Leben, kein Alter voll Ehrungen und Würden warten würde, sondern nur das blasse Fortleben des toten Klassikers. Und dabei müsste es nicht so sein: Er war Jahrgang 1924, und so fern er uns auch schon scheint, er könnte noch da sein und makellose Prosa über die demokratischen Vorwahlen oder über Madonna verfassen. Er wäre wie Roth oder Updike ein gesuchter Interviewpartner und einer, von dem es jedes Jahr wieder hieße, sein Nobelpreis wäre überfällig.

Denn auch das ist eine Lehre von Capotes Reportagen: Nichts muss so sein, wie es ist, nichts ist notwendig, nichts vorherbestimmt. "Als was wollen Sie selbst reinkarniert werden?", fragt sich Capote einmal im Selbstinterview, um zu antworten: "Als Vogel, am liebsten als Bussard. Ein Bussard braucht sich keine Gedanken um sein Aussehen oder um seine Wirkung auf andere Menschen zu machen, er muss keine Show abziehen, ihn mag ohnehin niemand. Er ist hässlich und nirgendwo willkommen. Man kann die Freiheit, die einem eine solche Existenz gewährt, gar nicht überschätzen. Gut wäre auch eine Meeresschildkröte. Sie kann an Land gehen, kennt aber auch die Geheimnisse in der Tiefe des Meeres. Außerdem leben Meeresschildkröten lange, und in ihren gut geschützten Augen sammelt sich eine Menge Weisheit."

Truman Capote: "Die Hunde bellen". Reportagen und Porträts. Aus dem Englischen von Marcus Ingendaay. Verlag Kein & Aber, 912 Seiten, 29,90 Euro. Die achtbändige Werkausgabe, herausgegeben von Anuschka Roshani, kostet 99 Euro.

Daniel Kehlmanns Roman "Die Vermessung der Welt" erschien im Jahr 2005 und war 2006 das zweitmeistverkaufte Buch der Welt. Sein neues Buch wird voraussichtlich diesen Herbst erscheinen.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Jakob Strobel Y Serra ist begeistert von diesem Band mit den journalistischen Texten Truman Capotes. Wie der Autor mit Fragen zu streicheln, mit Neugier zu trösten vermag und seinem Gegenüber weder von oben noch von unten, sondern stets auf gleicher Höhe begegnet - das lässt ihn glauben an einen literarischen Journalismus, wie er Capote selbst vorgeschwebt haben mag. Ob Marlon Brando, Chaplin, Picasso, ob unterwegs auf einer Luxusyacht oder dritter Klasse, mit einer Leichtigkeit, lesen wir, werden hier Reportage und Porträts zu Meisterstücken geschmiedet, die für den Rezensenten Ewigkeitswert besitzen. Wie sich der Snob Capote von nichts als dem "Einfallsreichtum des Lebens" mitreißen lässt, wie sich alles Schnöselige an diesem Mann als Maskerade erweist - müssen sie lesen, jauchzt der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH