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Der erste christliche Kaiser
Diese moderne Biographie Konstantin des Großen befreit den ersten christlichen Kaiser aus dem Rankenwerk einer stets von fremden Interessen geleiteten Überlieferung. Sie zeigt ihn als Herrscher, der zwar von einer Vision inspiriert war, aber immer ein kühler Taktiker blieb - nicht zuletzt in Fragen der Religionspolitik. Wer sich ihm bei der Verwirklichung seines Ziels, die Alleinherrschaft zu erringen, in den Weg stellte oder wer ihn gar in seiner Macht bedrohte, lernte seine unerbittliche Härte kennen - und dies galt auch für seinen engsten Familienkreis. Vor…mehr

Produktbeschreibung
Der erste christliche Kaiser

Diese moderne Biographie Konstantin des Großen befreit den ersten christlichen Kaiser aus dem Rankenwerk einer stets von fremden Interessen geleiteten Überlieferung. Sie zeigt ihn als Herrscher, der zwar von einer Vision inspiriert war, aber immer ein kühler Taktiker blieb - nicht zuletzt in Fragen der Religionspolitik. Wer sich ihm bei der Verwirklichung seines Ziels, die Alleinherrschaft zu erringen, in den Weg stellte oder wer ihn gar in seiner Macht bedrohte, lernte seine unerbittliche Härte kennen - und dies galt auch für seinen engsten Familienkreis. Vor 1700 Jahren am 25. Juli 306 n. Chr. - wird Konstantin, der Sohn des gerade verstorbenen römischen Kaisers Constantius Chlorus und einer Stallmagd, von den Truppen im englischen York zum neuen Kaiser ausgerufen. Bei diesem Vorgang handelt es sich um einen veritablen Staatsstreich: Die fein austarierte politische Ordnung des römischen Imperiums bricht zusammen, und die folgenden Jahresind durch blutige Kämpfe zwischen verschiedenen Thronprätendenten gekennzeichnet. Hätte Konstantin ebenso wie all die anderen im Verlauf dieser Kriege sein Leben gelassen, so wäre er eine der vielen Randfiguren der römischen Kaisergeschichte geblieben. Aber er siegte und führte seinen Erfolg auf einen neuen Gott zurück, den er mit dem Gott der Christen identifizierte.

Hartwin Brandt erzählt in seiner differenzierten Biographie die Geschichte einer erstaunlichen Karriere. Er zeigt anhand zahlreicher antiker Zitate, die dieses Buch besonders lebendig machen, daß der neue Kaiser seines göttlichen Auftrags um so sicherer wird, je größer seine Erfolge werden und je länger seine Regierung währt. Diese religiöse Orientierung Konstantins wirkt zunächst einmal prägend auf das Römische Reich - doch nimmt mit der Durchsetzung der christlichen Religion unter seiner Herrschaft eine welthistorisch wirkungsmächtige Entwicklung ihren Anfang.
Autorenporträt
Prof. Dr. Hartwin Brandt, geb.1959 in Flensburg, Professor für Alte Geschichte an der Universität Bamberg. Arbeitsschwerpunkte: Griechische Geschichte des 6. (Ältere Tyrannis) und 5. Jahrhunderts v. Chr.; Geschichte, Archäologie und Epigraphik Kleinasiens (Pisidien und Pamphylien); Geistes-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Spätantike; Generationenbeziehungen, Alter und Tod in der griechisch-römischen Antike.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.03.2006

Frühjahrsputz im Heidentum
Sprengstoff: Religion bei Konstantin dem Großen und Kaiser Julian

Das vierte nachchristliche Jahrhundert war eine Epoche, in der die Glaubensobservanz für die Menschen eine Lebensfrage bildete, in der sich die staatliche Macht in Gestalt des römischen Kaisers für die Religion verantwortlich fühlte und in der die Christen von einer verfolgten Minderheit zu expandierenden Privilegierten im Reich wurden, ohne jedoch in Glaubensfragen ihrem Protektor immer den geschuldeten Gehorsam zu erweisen oder mit einer Stimme zu sprechen. Als missionierende Religion mit Ausschließlichkeitsanspruch unterschied sich das Christentum grundlegend von den Mitbewerbern, den Kult-, Mysterien- und Geistesreligionen, die sich im Rahmen des antiken Polytheismus nicht anders als plural verstehen konnten.

Die beiden prominentesten Kaiser dieses Jahrhunderts, Konstantin "der Große" und Julian "der Abtrünnige", haben immer wieder Biographen gefunden. Sowohl Konstantin, der im Jahr 306 als Usurpator der Augustuswürde in die Geschichte eintrat, um dann in mehr als dreißigjähriger Regierung nicht nur das politische und administrative Konsolidierungswerk seiner Vorgänger fortzusetzen, sondern auch das Christentum zur bevorzugten Religion im Reich zu machen, als auch sein Stiefneffe und Schwiegersohn Julian, den man sich als letzte, unerfüllte Hoffnung auf eine pagane Gegenoffensive vorstellen konnte, nachdem er im Jahr 363 nach nur knapp zweijähriger Regierungszeit bei einem Feldzug gegen die Perser umgekommen war, haben leidenschaftliche Großdeutungen provoziert. Die Allgegenwart des Religiösen in dieser Zeit, welche die Christenverfolgung wie die Christenprivilegierung durch die Kaiser seit dem dritten Jahrhundert erst verständlich macht, erschien Voltaire und Gibbon anstößig, ihre Instrumentalisierung für politische Zwecke provozierte den Machtskeptiker Jacob Burckhardt.

Inzwischen haben Nüchternheit und Spezialstudien die Kanten abgeschliffen. Um so schärfer treten die historiographischen Probleme zutage. Hartwin Brandt salviert seinen Versuch einer schlanken Biographie mit einer Verneigung vor Christian Meiers Reflexionen über die Schwierigkeiten, ein antikes Leben zu erzählen. Doch tastendes Umkreisen und Bestimmen eines trotz aller Bekanntheit mitnichten auf der Hand liegenden Gegenstandes sind die Sache des Bamberger Althistorikers nicht. Seine Fragen entnimmt er eher den Debatten in der gelehrten Forschung, ohne Scheu davor, im Duktus eines straff geführten Proseminars die schwierige Quellenlage und das analytische Instrumentarium des Historikers auszubreiten.

Dieser professionellen Diskursivität steht ein autoritäres Temperament gegenüber, manchmal auch im Wege. Brandt hält an der Rede von der Konstantinischen Wende im Zusammenhang mit der Schlacht an der Milvischen Brücke fest und spricht von einem seit Ende 312 unbezweifelbar christlichen Kaiser Konstantin. Ältere Versuche, die Politik Konstantins mit seiner christlichen Überzeugung zu erklären oder diese Überzeugung als dem Historiker heuristisch unzugänglich einzuklammern und die Politik statt dessen aus den religiösen Konstellationen jener Zeit zu verstehen, werden ersetzt durch eine dialektische Synthese: Da Herrschaftswille und Herrschaftsauffassung Konstantins mit christlichem Gedankengut gut zusammenpaßten, erweise sich die Konstantinische Wende als stimmiges Resultat persönlicher religiöser Neigungen und politischer Überlegungen.

Man kann dieser Lösung ein Bravo zurufen und dabei übersehen, daß der Kaiser, den Brandt als Exponenten seiner Zeit sehen möchte, samt seinem Christentum in diesem Licht monströs erscheint. Das gilt auch für die Antworten auf die Frage, warum Konstantin nicht sofort den christlichen Ausschließlichkeitsanspruch gegen die paganen Kulte exekutierte. Hat Konstantin als Spätbekehrter die Konsequenzen dieses Anspruches nicht erkannt, handelte er aus der Raison des Kaisers aller Römer im Dienste des inneren Friedens, oder praktizierte er ein "Christentum light"? Das Unbehagen bei der Lektüre dieses Buches speist sich aus seiner Knappheit. Examenskandidaten werden die ökonomische Darlegung von Gesichertem und Strittigem schätzen. Aber Brandt verfügt über zu wenig Raum, um für neugierige Leser erst einmal die Spätantike als Bedingungsrahmen des Denkens und Handelns auszuleuchten.

Absturz in Depression

Klaus Rosens Lebensbild Julians ist als Geschichtsschreibung ein Gegenentwurf. Einem theoriefesten Leser mag die auktoriale Sicherheit nicht munden, die es dem Biographen erlaubt zu wissen, wann dem Hauptakteur das Schicksal seines Bruders Gallus durch den Kopf schoß und wie die neue Herausforderung, Gallien gegen plündernde Alemannen zu verteidigen, in Julian Trotz und Entschlossenheit die vorherige Angst und Unruhe verdrängen ließ. In der Prosa des Bonner Emeritus tummeln sich auch Jünglinge, und ein Heer leidet nicht unter Versorgungsengpässen, sondern dort ist Schmalhans Küchenmeister.

Doch Rosen gelingt es, die dramatischen Wendungen in Julians Leben, das nicht länger währte als das Alexanders des Großen, den langen Weg der philosophisch-religiösen Suche sowie die Fülle der Selbst- und Fremddeutungen in einer vielschichtigen Erzählung zu verflüssigen und sich so auch mit dem Kontingenten ins Benehmen zu setzen. Denn der Biograph verfügt zwar über das Leben des Porträtierten, doch wo dieses dem Unverfügbaren begegnet, muß es mitunter genügen, dieses zu vermerken. Ein Beispiel: Nachdem weniger gestaltender Wille als ein Netz aus Erwartungen und Optionen den beargwöhnten Juniorkollegen des Kaisers Constantius vom Caesar zum Augustus befördert hatte, der Kaiser aber seinen auf den Schild gehobenen Vetter nicht als gleichberechtigten Partner, sondern als zu bekriegenden Usurpator betrachtete, verfiel der sonst tatkräftige Julian in Passivität. Weder gute Planung des kommenden Krieges noch die Wendung an höhere Wesen oder einen Weisen nahmen ihm nach eigenem Bekunden die Angst, "wenn die Entscheidung in einer Schlacht fallen sollte, alles der Fortuna und den Göttern anheimzustellen und abzuwarten, was ihrer Menschenfreundlichkeit als richtig erscheint".

Rosen zieht die reich überlieferten Selbstzeugnisse Julians - Briefe, Reden, Traktate - mit Recht ausgiebig heran, denn diese waren nicht bloß Masken oder Medien von Stilisierungen, sondern in einer Epoche, welche Bildung als Selbstformung pflegte, authentischer Ausdruck einer Persönlichkeit, einer bisweilen ironischen Persönlichkeit, die gelegentlich sogar neben sich selbst zu treten vermochte.

Der unerwartete Tod des Kaisers, der zwei Herausforderer besiegt und Julians Bruder Gallus als einen möglichen dritten beseitigt hatte, verhinderte den Bürgerkrieg und machte den Dreißigjährigen zum Alleinherrscher in einem Reich, dessen religiöse Märkte in heftiger Bewegung waren. Die langen Jahre als Student bei charismatischen Rhetoren, Philosophen und Mantikern, fern vom Hof des entschieden christlichen Kaisers, hatten Julian keine klare Entscheidung abgenötigt. Der Sonne konnten sich Christen und Pagane zuwenden, und wie dem frühen Konstantin leuchtete auch Julian ein deutungsoffener solarer Monotheismus buchstäblich ein. In der Philosophie dominierte ohnehin der Neuplatonismus, und die Kluft zwischen dem Gott der Philosophen und dem Gott der Christen erschien nicht unüberwindlich.

Beschimpfungen anhäufen

Doch der kampflose Sieg über den Sohn Konstantins erschien Julian als das Signal zur Revision der vergangenen fünfzig Jahre. Wir leben, so rief er aus, von den Göttern gerettet. Rosen datiert die endgültige Konversion spät, nämlich auf diesen Moment des Triumphes, nimmt sie aber zugleich sehr ernst: Tatsächlich die Reinigung des Reiches vom Christentum habe der Kaiser, in dieser Rolle nun Entscheider, angestrebt. Dem diente die Weisung, den Kult der Götter wiederherzustellen, ebenso wie die Rückführung verbannter Bischöfe in ihre Heimatgemeinden - Julian wußte, wie unversöhnlich sich die christlichen Glaubensbekenntnisse gegenüberstanden und wie wenig selbst der große Konstantin durch Debatten und Machtsprüche gegen Donatisten und Arianer hatte ausrichten können.

Durch die Schilderung der religiösen Gemengelagen wird auch klar, warum die traditionellen Kulte in ihrer Vielfalt für einen regelrechten Kampf nicht mobilisiert werden konnten. Die Unbedingtheit, mit der Julian zu Werke ging und etwa die Christen von der höheren Bildung abzuschneiden suchte, irritierte auch seine philosophische Umgebung und Bewunderer. Auch wenn der Gegenkonstantin länger gelebt hätte, so Rosens einleuchtende These, wäre das sozial und spirituell tief verwurzelte Christentum nicht zu verdrängen gewesen. Eine dauerhafte Koexistenz wäre vielleicht möglich gewesen, und sie hätte das Gesicht beider ansonsten so ungleicher Seiten sicher verändert. Eine Kirche ohne Staat wäre etwa wohl kaum einheitlich katholisch geblieben.

Ein breites Panorama liefert Rosen vom Nachleben Julians. Der Kaiser, der am Ende militärisch gescheitert war, der kaum tiefere politische Spuren hinterlassen hatte und auf dem Totenlager den Sieg des Galiläers eingeräumt haben soll, war nie vergessen. Die Beschimpfungen, die Männer geistlichen Standes auf ihn häuften, könnten eine Wortkunde des Unflats füllen, und als mit der Wiederentdeckung von Julians Schriften auch seine Person im Geist des Humanismus neues Interesse fand, konnte der Kaiser zur Projektionsfläche aller Debatten um Religion und geistige Freiheit in der europäischen Neuzeit werden.

Mit Schiller begann eine Julian-Renaissance in Dramen, Romanen und Traktaten, und im Vergleich mit Alexander, Caesar oder Augustus lieferte der Kaiser, der auch Krieger und Philosoph war, zahlreiche Projektionsflächen: als Gottsucher und Apostat, als kaiserlicher Rollenträger und selbstironischer Intellektueller, als Mystiker und Machtpolitiker, als jugendlicher Held und Idealherrscher, als Vergötterter und Verfluchter. Rosen unterschlägt auch die gespenstische Wertschätzung nicht, die Julian im Nationalsozialismus und bei Hitler genoß. Und im Internet verkündet die "Julian Society" einer weltweiten Jüngerschaft, es gelte das Werk des Kaisers fortzusetzen und einem gereinigten Heidentum den gebührenden Platz "as a major world religious system" zu verschaffen. Wenigstens diese Facette der Wiederkehr des Religiösen wird uns wohl erspart bleiben.

UWE WALTER

Hartwin Brandt: "Konstantin der Große". Der erste christliche Kaiser. Verlag C. H. Beck, München 2006. 208 S., 19 Abb., Karten, geb., 19,90 [Euro].

Klaus Rosen: "Julian". Kaiser, Gott und Christenhasser. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2006. 569 S., 62 S/W-Abb., Karten, geb., 32,- [Euro].

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.05.2006

Taumelnd zum Thron
Christenkaiser, Christenhasser: Konstantin und Julian
Zu Beginn des vierten Jahrhunderts nach Christus wurden Christen im Römischen Reich mit äußerster Härte verfolgt. Die von Diokletian (284-305) eingeleiteten Maßnahmen sollten das Imperium, das politisch, wirtschaftlich und - so schien es jedenfalls dem konservativen Soldatenkaiser - auch moralisch-religiös ins Taumeln geraten war, wieder auf den rechten Kurs bringen und von innen erneuern. Aber das Unternehmen scheiterte schließlich: Den Christen war nicht mehr beizukommen. Und so musste Diokletians Nachfolger Galerius im Jahr 311 kleinlaut die Verfolgungen einstellen.
Wenige Monate später, im Oktober 312, siegte Konstantin über seinen Rivalen Maxentius in der legendenumwobenen Schlacht an der Milvischen Brücke vor den Toren Roms, und mit diesem Ereignis setzte ein rascher Prozess ein, den die staunende Nachwelt als Konstantinische Wende bezeichnet hat: Innerhalb eines knappen Jahrhunderts mutierte das mehrheitlich von Heiden bevölkerte Imperium Romanum zu einem Imperium Christianum - eine Entwicklung, deren Dynamik allerdings die Frage aufwirft, ob es wirklich allein die Person Konstantins gewesen sein kann, die diesen Wandel ermöglicht hat. Hätte sich der Christianisierungsprozess nicht auch ohne diesen ersten christlichen Kaiser vollzogen?
Solche kontrafaktischen Fragen müssen Gedankenspiele bleiben, aber sie sind nicht ohne Wert: Sie warnen davor, komplexe historische Prozesse allzu einseitig zu bewerten oder voreilige Schlussfolgerungen aus dem Wirken prominenter Einzelpersönlichkeiten zu ziehen. Lässt sich also der welthistorisch bedeutsame Transformationsprozess des 4. Jahrhunderts an den drei Kaisern Konstantin (306-337), Julian (361-363) und Theodosius I. (379-395) festmachen? Er lässt, wenn der Biograf sich der methodischen Probleme bewusst ist, die sich aus dem Ineinanderwirken von Strukturen und Ereignissen ergeben.
Der Bamberger Althistoriker Hartwin Brandt reflektiert diese Schwierigkeiten ausführlich zu Beginn seiner schlanken Konstantin-Biografie und verweist dabei auf die „Omnipräsenz des Religiösen”, die Konstantins Wirken überhaupt erst verstehbar mache - der Herrscher als Produkt seiner Zeit, der es besonders geschickt verstanden habe, aktuelle Trends aufzugreifen und in ihnen mitzuschwimmen. Es sind denn auch die pragmatischen Züge im Wirken Konstantins, die Brandt nachdrücklich hervorhebt, und zwar nicht nur in der Religionspolitik. Bereits der Usurpator des Jahres 306, der sich gezielt dem Ordnungsdenken der von Diokletian geschaffenen Viererherrschaft widersetzte und diese in den folgenden, bis 324 andauernden Bürgerkriegen zertrümmerte, zeigte eine ausgeprägte Fähigkeit, machtpolitisches Kalkül in pragmatisches Handeln umzusetzen. Ein Konkurrent nach dem anderen wurde dabei ausgeschaltet, und auch vor den engsten Familienmitgliedern machte Konstantin nicht halt.
Bis heute ist nicht geklärt, warum der Kaiser im Jahr 326 seinen Sohn Crispus und seine Frau Fausta hinrichten ließ - Brandt, der eine mögliche Verschwörung als Grund diskutiert, verschweigt auch diese Seiten Konstantins nicht. In seiner Biografie erscheinen die pragmatischen Züge des Herrschers als Instrumente zur Erringung und Absicherung von unumschränkter Macht, und auch die Religion erweist sich dabei zunächst nur als Dienerin. Von einem christlichen Bekenntnis Konstantins könne vor dem Jahr 312 noch keine Rede sein, allenfalls erste Annäherungen seien erkennbar; danach aber habe der Kaiser nicht nur selbst zum Christentum gefunden, sondern das integrative Potenzial dieser Religion auch geschickt ausgenutzt, ohne dabei freilich die heidnische Bevölkerungsmehrheit zu brüskieren.
Zweckrationalismus und Pragmatismus auch hier: Toleranz und Privilegierung der Christen, aber eher im Sinne eines „Christentum light”. So erscheint etwa noch bis zum Jahr 325 der damals populäre Gott Sol invictus auf Münzen, der sich ohnehin besonders für den Brückenschlag zwischen Heidentum und monotheistischem Christentum heranziehen ließ. Die Konstantinische Wende als „stimmiges Resultat persönlicher religiöser Neigungen und politischer Überlegungen” - Brandt gelingt es, die bisherigen Extrempositionen der Forschung zu integrieren: Die Frage, ob Konstantin tatsächlich gläubiger Christ war oder lediglich aus politischem Opportunismus auf die Seite der Christen getreten ist, stellt sich für ihn nicht, da Religion und Machtkalkül in dieser Herrscherpersönlichkeit ohnehin nicht trennbar seien. Monarchisierung und Christianisierung seien als zwei Seiten derselben Medaille zu sehen.
Brandts Konstantin-Bild besticht durch seine Nüchternheit. Es geht dem Verfasser nicht darum, mit einem Mythos abzurechnen, aber Sachlichkeit und Klarheit sind die obersten Gebote seiner Darstellung. Folgerichtig wird auch den berühmten Visionsberichten zum Jahr 312 als späteren Konstrukten ein angemessener Platz zugewiesen, und Konstantinopel erscheint in erster Linie als strikt auf den Herrscher zugeschnittene Residenzstadt - und mehr eben nicht. Der erste christliche Herrscher, dessen Griff nach dem Purpur vor 1700 Jahren erfolgte und der sich 337 als „Christusgleicher” in Konstantinopel beisetzen ließ, bewegte sich weit mehr in vorgezeichneten Bahnen, als so mancher vermuten würde - so könnte man die Grundaussage dieser Biografie zusammenfassen.
Zwei Sonnenanbeter
Ganz anders angelegt ist das monumentale Buch über Kaiser Julian „Apostata” (den „Abtrünnigen”), das der Bonner Althistoriker Klaus Rosen jetzt vorgelegt hat. Hatte Brandt in schnörkellos-kristallinem Stil die wichtigsten Etappen der Karriere Konstantins nachgezeichnet, so sucht Rosen die große Erzählung und bettet die Darstellung der knapp 20 Monate währenden Alleinherrschaft seines Protagonisten in ein üppiges Zeitgemälde ein. Die Probleme biografischen Schreibens zerfallen dabei in den filigranen, quellengesättigten Einzelbeobachtungen. Der Leser erfährt zahllose Details aus dem Alltag eines spätantiken Aristokraten und aus dem Leben eines Römers im 4. Jahrhundert. Man lernt, dass eine zügige Reiterabteilung in 22 Tagen den Weg von Konstantinopel nach Trier bewältigen konnte, man gewinnt Einblick in den Lehrbetrieb spätantiker Rhetorenschulen und in die Grundlagen der neuplatonischen Philosophie und soll dabei den Weg Julians zur Macht, seine kurze Herrschaft und sein unglückliches Ende mitverfolgen.
Die Stärke dieses Buches, die große Narration, ist aber zugleich auch seine Schwäche. Der Autor mutet seinen Lesern einiges zu. Allzu häufig droht ihm seine Hauptperson zwischen all den Exkursen verloren zu gehen. Natürlich konnte Rosen auf eine Fülle von Selbstzeugnissen Julians zurückgreifen, die im Falle Konstantins schlichtweg nicht vorliegen und die ihm ganz andere Gestaltungsmöglichkeiten geboten haben. Trotzdem hätte die Frage nach der Aussagekraft derartiger hochgradig stilisierter Texte vielleicht schärfer in den Blick genommen werden müssen, vor allem, wenn der Autor sie zu ungemein spannenden, aber das Material wohl überfordernden Psychogrammen verdichtet, wie etwa für die quälende Phase unmittelbar vor Julians Usurpation im Jahr 360, die einen zerrissenen, schwankenden Caesar offenbart, der, getrieben von seinen Soldaten und vom zunehmenden Misstrauen des Oberkaisers Constantius II., geradezu dem Thron entgegentaumelt.
Brandt und Rosen scheuen nicht vor klaren Positionen zurück: Auf dieselbe Entschiedenheit, mit der Brandt das Christentum Konstantins für die Zeit von 312 an vertritt, trifft man bei Rosen in der These, dass Julian das Christentum habe ausrotten wollen, ja dass er sogar das Werk des Christenverfolgers Diokletian habe vollenden wollen. Dabei finden sich auch zu Julians Zeit noch die „Überlappungen zwischen christlichem und heidnischem Denken”, die Brandt diagnostiziert hatte: Die von Konstantin propagierte und sogar beim christlichen Historiker Eusebios immer wieder durchschimmernde Verehrung der Sonne bildete auch eine Konstante auf Julians Weg: Er „beanspruchte den Sonnengott wieder uneingeschränkt für die Heiden”.
Rosen betont, dass Julians anti-christliche Religionspolitik keineswegs als tolerant bezeichnet werden könne. Aber dass sie von Beginn an zum Scheitern verurteilt war, sieht er auch. Und so liest sich seine Biografie von der ersten Seite an als Tragödie eines zunehmend fanatisierten Einzelkämpfers, den schließlich, auf dem Rückzug aus dem feindlichen Persien, ein verirrter Speer traf und allzu früh hinwegraffte.
MISCHA MEIER
HARTWIN BRANDT: Konstantin der Große. Der erste christliche Kaiser. Verlag C. H Beck, München 2006. 208 S., 19,90 Euro.
KLAUS ROSEN: Julian. Kaiser, Gott und Christenhasser. Klett-Cotta, Stuttgart 2006. 569 S., 32 Euro.
Dieser kolossale Porträtkopf Konstantins, der von 306 bis 337 n. Chr. römischer Kaiser war, wurde im vergangenen Sommer in einer Abwasserleitung unter dem Trajansforum in Rom entdeckt. Derzeit ist er in einer Ausstellung der Berliner Antikensammlung im Alten Museum erstmals zu sehen, die noch bis zum 31. Mai läuft. Foto: Kapitolinische Museen Rom
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Uwe Walter verneigt sich vor der "professionellen Diskursivität" des Textes. In der Knappheit der Biografie von Christian Meier lauert seiner Ansicht nach jedoch die Gefahr, dem neugierigen Leser zu wenig Raum zu bieten, um mit der Spätantike "als Bedingungsrahmen" vertraut zu werden. Für Walter eine Notwendigkeit, da die vorgeschlagene Deutung Konstantins als eines christlichen Kaisers, dessen Denken und Handeln bestimmt wurde von einer Kombination aus Herrschaftswillen und christlichem Gedankengut seiner Meinung nach nur so verstanden werden kann. Anderenfalls, so Walter, könne der Kaiser "monströs" erscheinen. Warnen möchte uns Walter ferner vor dem proseminarischen Duktus des Textes, der Konfrontation mit einer schwierigen Quellenlage und der womöglich unheimlichen Begegnung mit dem analytischen Instrumentarium des Historikers.

© Perlentaucher Medien GmbH