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Im Herbst des Jahres 9 n. Chr. wurden in den Wäldern Germaniens drei römische Legionen von den eigenen Hilfstruppen, den Cheruskern, überfallen und niedergemetzelt. Der Feldherr der Römer, Varus, stürzte sich in sein Schwert. Die Schlacht, eine der empfindlichsten Niederlagen, die das Römische Reich jemals erlitt, prägte die Entwicklung Mitteleuropas und verhinderte angeblich die Romanisierung des späteren Deutschland. Was aber wollten die Römer in Germanien? Und wie geschah es, dass die beste Armee der Welt von Barbaren geschlagen werden konnte? Wer überhaupt war Arminius, der Sieger?…mehr

Produktbeschreibung
Im Herbst des Jahres 9 n. Chr. wurden in den Wäldern Germaniens drei römische Legionen von den eigenen Hilfstruppen, den Cheruskern, überfallen und niedergemetzelt. Der Feldherr der Römer, Varus, stürzte sich in sein Schwert. Die Schlacht, eine der empfindlichsten Niederlagen, die das Römische Reich jemals erlitt, prägte die Entwicklung Mitteleuropas und verhinderte angeblich die Romanisierung des späteren Deutschland. Was aber wollten die Römer in Germanien? Und wie geschah es, dass die beste Armee der Welt von Barbaren geschlagen werden konnte? Wer überhaupt war Arminius, der Sieger? Jenseits vertrauter Klischees, in denen Regen und Sturm, Wälder und Sümpfe und die Unfähigkeit des Varus noch immer die Hauptrolle spielen, wagt Ralf-Peter Märtin eine faszinierende neue Deutung der Ereignisse. Sein brillant geschriebenes Werk ist gleichzeitig eine Mentalitätsgeschichte Roms und dessen imperialen Anspruchs. In einem abschließenden Teil, der von den Humanisten und Luther, über Befreiungskriege und Reichsgründung 1871 bis hin zum Nationalsozialismus reicht, erzählt er, wie aus dem römischen Ritter Arminius der deutsche Nationalheld Hermann der Cherusker wurde.»Ralf-Peter Märtin hat ein zuverlässig recherchiertes Sachbuch verfasst, das historische Information mit spannender Unterhaltung verbindet.« Die Zeit»Märtins Buch bietet das breiteste und am tiefsten gestaffelte Panorama, perspektivenreich erzählt er, wie römische Außenpolitik militärische und wirtschaftliche Doktrin miteinander zu verknüpfen wusste, so dass sich römische Kohorten auch nach der Niederlage des Varus weit in das Unwegsame vorwagten.« Frankfurter Rundschau»Das glänzend geschriebene Buch, das zahlreiche Abbildungen, Karten und Skizzen enthält, ist ein Lesevergnügen und überzeugt durch seinen Stil ebenso wie durch Sachkenntnis und neue Sichtweisen.« Praxis Geschichte»Das umfangreichste und in seiner Darstellungsform vielleicht interessanteste Buch ist das von Ralf-Peter Märtin. Seine 'Varusschlacht' schwankt zwischen journalistischem Essay, wissenschaftlicher Analyse und historischem Roman und bietet eine rundum spannende Lektüre.« Das Parlament»Der althistorisch gebildete Autor bietet eine gut proportionierte, flüssig geschriebene, auf umfassender Kenntnis der Literatur und des Forschungsstandes beruhende Darstellung; in fünfzehn chronologisch gegliederten Kapiteln werden Quellen und Forschungsmeinungen mit abgewogenem Urteil und historischer Anschauung referiert und kommentiert.« Historische Zeitschrift»Gerichtet an ein interessiertes Laienpublikum, wird [das Buch] dennoch auch den Ansprüchen der Fachwelt gerecht und erweist sich damit als 'zitierfähig'. [...] Ein besonderes Kennzeichen ist die literarische Qualität der Darstellung. [...] Reflektierte Thesen, ein solider Apparat sowie nicht zuletzt die kraftvolle sprachliche Verarbeitung machen dem Wissenschaftler die Nutzung seines Buches zum Vergnügen.« KLIO, Heft 93/2011»Ralf-Peter Märtin hat ein gut recherchiertes Sachbuch geschrieben, das spannend zu lesen ist, die Protagonisten anschaulich charakterisiert und mit historischer Phantasie die Schlachten rekonstruiert.« Neue Zürcher Zeitung»Wie konnte das passieren? Drei Legionen marschieren in einen Wald und kommen nicht wieder. Diese Frage beschäftigt Historiker und Militärexperten seit nunmehr zwei Jahrtausenden. Auch Ralf-Peter Märtin hat versucht, eine der schwersten Niederlagen Roms zu rekonstruieren. Das Ergebnis ist eine der spannendsten Schilderungen der Varus-Schlacht, die bisher vorliegt.« Die Welt»Seine [...] Ausführungen gehören zum Besten, was über die faszinierende Rezeptionsgeschichte der Schlacht geschrieben worden ist.« Zeitschrift für Geschichtswissenschaft
Autorenporträt
Ralf-Peter Märtin, (1951 ¿ 2016), hat an der TU Berlin Geschichte und Germanistik studiert und promovierte 1982. Seine Bücher über den historischen Dracula, den rumänischen Fürsten Vlad Tepes und seine Kulturgeschichte des Himalaya-Bergsteigens ¿Nanga Parbat. Wahrheit und Wahn des Alpinismus¿ gelten als Standardwerke. Sein Buch ¿Die Varusschlacht. Rom und die Germanen¿ stand 22 Wochen auf der Bestsellerliste des »Spiegel«.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.11.2008

Los von Rom
Was und wo war die Varus-Schlacht vor 2000 Jahren? Neue Bücher über einen Wendepunkt der Weltgeschichte
Die deutschen Dichter sagen: Hermannsschlacht. Historiker sagen: Varusschlacht. Zum 2000. Jubiläum dieses Ereignisses bieten drei renommierte deutsche Verlage jetzt schon Bücher über das Ereignis an. Der Münchner Verlag C. H. Beck präsentiert „Die Schlacht im Teutoburger Wald”. Das in Ostwestfalen gelegene Gebirge hieß lange Osning. Erst der Paderborner Bischof Ferdinand von Fürstenberg ließ es Teutoburger Wald nennen, weil Tacitus diesen Namen gebrauchte, um den Ort der Niederlage des Varus im tiefen Germanien zu bezeichnen. Und dass die Schlacht 9 nach Christus hier zwischen dem Oberlauf der Ems, dem Quellgebiet der Lippe und der mittleren Weser irgendwo stattgefunden haben musste, wussten die Gebildeten, seit die Humanisten sie wieder die antiken Historiker lesen gelehrt hatten.
Die Bedeutung des Ereignisses selbst ist seither unumstritten. Arminius, Sohn vornehmer Eltern aus dem Stamm der Cherusker, militärisch von römischen Legionären in Krieg und Frieden ausgebildet, mit hohen Auszeichnungen geehrt und mit dem römischen Bürgerrecht belohnt, hatte sich das Vertrauen des Statthalters Varus erworben, diesen und seine drei Legionen westlich der Weser in eine Falle gelockt und mit aufständischen Germanenkriegern, zumeist römische Hilfstruppen, vollständig vernichtet. Varus gab sich auf dem Schlachtfeld den Tod. Arminius versuchte einige Jahre lang, über enge Stammesgrenzen hinaus germanischen Selbstbehauptungswillen zu festigen und sich selbst an die Spitze einer unabhängigen Macht zu setzen. Das gelang ihm nicht, er wurde von Verwandten umgebracht.
Die Römer gaben Germanien kurze Zeit später auf. Ein englischer Historiker hat gespottet, nicht die Kühnheit der Germanen, sondern ihre Armut hätten sie von weiteren Versuchen abgehalten, das wälderreiche Land zu erobern. Das mag der Neid der Besitzenden sein. Plausibler ist, dass Rom wegen des nahezu gleichzeitigen Krieges gegen Rebellen auf dem Balkan, der langwierig und blutig war und für Italien eine nahe Bedrohung darstellte, zum ersten Mal in seiner Geschichte eine Überdehnung seiner Kräfte befürchtete und deshalb in Germanien zurücksteckte. Tiberius, der auf dem Balkan gekämpft hatte, aber auch mit den Verhältnissen bei den Germanen vertraut war, erwartete von ihnen wenig Gefahr, da er mit nie endendem Zwist unter den Stämmen rechnete. Er sollte sich nicht getäuscht haben.
Die Germanen feierten, so Tacitus, den Sieger in der Schlacht noch lange mit Heldenliedern. Es ist sogar erwogen worden, ob nicht die Sage des Drachentöters Siegfried, der aus der Familie seiner Frau heraus ermordet wurde, sich von Arminius ableitet. Das ist über die vielen Jahrhunderte hinweg unmöglich nachzuweisen. Erst die Humanisten entdecken den Römerbezwinger neu und kein Geringerer als Luther gab ihm den Namen Hermann. So nämlich übersetzte er das lateinische „dux belli”: Heer man – Hermann. Das tat er um so lieber, als der ebenso geniale wie rauflustige Ulrich von Hutten Luthers Kampf gegen Rom und den Siegeszug des Protestantismus in den Ländern, die einst über Varus triumphiert hatten, propagandistisch übereifrig gleichsetzte. Melanchthon rückte dann den Teutoburgerwald auf die Nordwestachse Köln-Magdeburg, wodurch Ort der Schlacht und Heimat des Arminius in die Nähe der Lebenswelt Luthers kam.
Dass sie geographisch dorthin gehört, steht außer Frage. Wo allerdings genau der Ort der Varusschlacht liegt, weiß bis heute niemand. Von den drei Autoren, die jetzt mit ihren Büchern dazu hervorgetreten sind, glaubt Ralf-Peter Märtin, Journalist und Sachbuchautor, fest an das im Osnabrückischen liegende Kalk-riese, das zwar schon von Theodor Mommsen favorisiert worden war, aber erst seit zwei Jahrzehnten durch aufsehenerregende Funde Rang 1 im Angebot der Schlachtorte erobern konnte. Dirk Husemann, ebenfalls Journalist und Sachbuchautor, teilt diese Ansicht, aber nicht ohne Skepsis. Reinhard Wolters, Althistoriker und Archäologe aus Tübingen gibt sich zurückhaltend: „Der Fundplatz von Kalkriese”, schreibt er, zähle, „zu den besonders wichtigen Zeugnissen für die römische Anwesenheit in Germanien und jener Phase, in der die Römer das Land ihrer Herrschaft zu unterwerfen suchte.” Das wird so richtig sein. Für die Behauptung einer „Schlacht im Teutoburger Wald” an dieser Stelle ist es aber arg wenig. Es scheint überhaupt das Interesse der Historiker am Ort der Schlacht etwas abgekühlt zu sein. Für den Tourismus hingegen hat er noch Bedeutung, das zeigt sich unverändert am Ort des Hermannsdenkmals bei Detmold und darauf hofft auch Kalkriese.
Germanen – oder Deutsche?
Die drei nun erschienenen Bücher sind sehr unterschiedlich. Alle stützen sich zumal auf die Arbeit des Würzburger Emeritus Dieter Timpe, der den Charakter der Meuterei, des Verrats beim Überfall der von Arminius disziplinierten und befehligten Germanen auf die Legionäre hervorgehoben hat. Die hatten doch bis zum ersten Speerwurf glauben dürfen, vor ihnen stünden Verbündete. Indes den meisten Raum widmen die Autoren den Dingen von damals, über die man gut unterrichtet ist. Wer waren die Römer, die über den Rhein gingen? Wer waren die Germanen, auf die sie dort stießen? Wer waren die Männer, deren Namen in der Geschichte vorkommen: Augustus, Drusus, Tiberius, Varus, Arminius, Germanicus? Was ist am Ende und in der ferneren deutschen Geschichte daraus geworden?
Dabei verfährt Wolters auf die angenehmste Weise wissenschaftlich: nüchtern, umsichtig, wissbegierig. Den archäologischen Hinweisen, die für den Schlachtort Kalkriese sprechen, stellt er ebensolche zur Seite, die das nicht tun. Märtins Buch orientiert sich an den Dokufictions des Fernsehens. Er malt die Szenen des Soldatenlebens so anschaulich aus, als wäre er im Teutoburgerwald dabei gewesen und belebt so lange Passagen, in denen er den Leser mit der Welt bekannt macht, die Velleius Paterculus, Tacitus und Cassius Dio, die Historiker des Geschehens, beschrieben haben.
Streckenweise kann man Märtins Buch wie einen historischen Roman lesen. Er entfaltet auch mit Geschick Überlegungen zur Frage, was Varus im Sommer des Jahres 9 an der Weser wollte: er wollte wahrscheinlich den Germanenfürst Marbod einschüchtern, der sich zwischen Böhmerwald und Ostsee ein mächtiges Herrschaftsgebiet zusammengerafft hatte und möglicherweise in der Lage war, in den schwierigen Krieg des Tiberius in Pannonien und auf dem Balkan zu Ungunsten der Römer einzugreifen. So schön Märtin seinen Text entwickelt, so störend wirkt jedoch an mancher Stelle bei dem konkreten Kriegszügen, dass er offenbar den Archäologen seines Vertrauens mehr Aufmerksamkeit schenkt als den Texten der antiken Historiker.
Husemanns Buch wiederum ist so sehr flott geschrieben, dass man das Skript eines Stand up-Comedian in Händen zu haben glaubt. Hier die Absatzanfänge allein im Varus-Kapitel: „Wer Varus nach seiner Familie fragte, bekam einiges zu hören.” – „ Im frühesten Kindesalter zeigte Fortuna dem Knaben zunächst die kalte Schulter.” – „Im Hafen der Ehe ging Varus ebenso geschickt vor Anker.” – „Die Schwimmzüge des neuen Statthalters waren so kräftig, dass die Geschichtsschreibung diesmal nicht über den Römer hinwegsehen konnte.”
Die Bedeutung der Niederlage des Varus ist unumstritten. Aber worin genau besteht sie? Der Althistoriker Theodor Mommsen, Nobelpreisträger für Literatur, befand, die Schlacht sei einer der „entscheidensten Wendepunkte der Weltgeschichte. Mit ihr war die Unabhängigkeit Deutschlands von Rom ein für allemal entschieden.” Heute lässt das Historische Museum in Berlin die Deutsche Geschichte mit Arminius beginnen. Aber gab es 9 nach Christus schon Deutschland? Märtin meint, das Brimborium, dass viele Deutsche seit hunderten von Jahren um den Cherusker veranstalten, mache diesen zu einem Teil der deutschen Geschichte. Wolters schreibt korrekt, dass der Begriff der Germanen „in der Völkerwanderungszeit mehr oder weniger verloren gegangen” sei. Das Bewusstsein, Deutsche zu sein, breitete sich in der Bevölkerung östlich des Rheins erst nach dem Zerfall des Reichs Karls des Großen aus. Arminius ist davon durch fast tausend Jahre getrennt.
Alle drei Autoren widmen sich ausführlich den Sitten und Unsitten der Deutschen im Umgang mit jenem Arminius, der ein Germane und kein Deutscher war. Aber alle übergehen dabei den Darmstädter Dichter Niebergall, der in seinem „Datterich”, einem der besten Lustspiele deutscher Sprache, Handwerker darüber räsonieren lässt, ob man Geld für das Hermannsdenkmal im Teutoburger Walds spenden soll. Sie meinen dann doch, es wäre vielleicht besser gewesen, die Römer hätten in der Varusschlacht gesiegt, dann täten wir nämlich heut alle „lateinisch schwätze”. Wahrscheinlich ist Niebergalls „Datterich” seit seiner Uraufführung häufiger gespielt worden, als Kleist und Grabbes „Hermannsschlachten” zusammen. Auch das ist deutsche Geschichte. JÜRGEN BUSCHE
DIRK HUSEMANN: Der Sturz des römischen Adlers. 2000 Jahre Varusschlacht. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2008. 223 Seiten, 24,90 Euro.
RALF PETER MÄRTIN: Die Varusschlacht. Rom und die Germanen. S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2008. 461 Seiten, 22,90 Euro.
REINHARD WOLTERS: Die Schlacht im Teutoburger Wald – Arminius, Varus und das römische Germanien. Verlag C. H. Beck, München 2008. 255 Seiten, 19,90 Euro.
Das Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald bei Detmold, erbaut von Ernst von Bandel, eingeweiht 1875 Foto: Ostkreuz
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.12.2008

Hermann, der verschlagene Held

Vor fast zweitausend Jahren verlor Varus seine Legionen im Teutoburger Wald. Neue Bücher suchen nach der Wahrheit über die Schlacht.

Haltern, Anreppen, Oberaden, Rödgen, Dorlar, Waldgirmes: Wer den Spuren der Römer in Nordwestdeutschland folgt, macht eine Tour durch die deutsche Provinz. Mitten im Wald, wo Fuchs und Hase einander Bona nox sagen, liegen die einstigen Legionslager, Kastelle und Ortschaften. Kein Städtchen ist auf ihnen gewachsen, kein Ortsmythos hat ihre Namen bewahrt; erst das zwanzigste Jahrhundert, von Geschichtshunger getrieben, legte die verschütteten Grundmauern frei. Wenn es einen Beweis gibt für die Bedeutung der Schlacht zwischen den Cheruskern unter Arminius und den Legionären des Quintilius Varus, dann ist es das Schweigen, das die römischen Stützpunkte zwischen Rhein und Weser fast zweitausend Jahre lang bedeckt hat. Nach ihrer Zerstörung erlosch die Erinnerung an sie, die Ton- und Bronzescherben wurden untergepflügt, die vernichteten Legionen nie wieder aufgestellt. Was blieb, war die Erzählung der Schlacht.

Wie tief das Gefecht "haud procul teutoburgiensi saltu", "nicht weit vom Teutoburger Wald", wie es bei Tacitus heißt, die römische Welt erschütterte, kann man in einem Sammelband mit lateinischen und griechischen Quellentexten und Übersetzungen nachlesen, den der Reclam Verlag zum zweitausendjährigen Jubiläum der Schlacht im kommenden Jahr veröffentlicht hat. Selbst Ovid sang in seinem Exil in Tomi von der Tücke der Germanen, die "durch listige Nutzung der Gegend" den Römern den Weg verlegt hätten, und der Geograph Strabon geißelte in seiner um 20 nach Christus verfassten Weltbeschreibung den "Vertragsbruch" der Cherusker, der sie allerdings teuer zu stehen gekommen sei: "Sie alle haben dafür gebüßt."

Arminius, der "Befreier Germaniens"

Wahr ist, dass Thusnelda, die Ehefrau des Arminius, und ihr kleiner Sohn Thumelicus bei dem Triumphzug des Jahres 17, den der römische Kaiser Tiberius seinem Feldherrn und Verwandten Germanicus gewährte, in Ketten durch die Hauptstadt des Imperiums geführt wurden. Wahr ist aber auch, dass es anschließend jahrzehntelang keine größeren Feldzüge östlich des Rheins mehr gab. Tacitus, der die Ereignisse aus der Distanz von neunzig Jahren schildert, lässt Tiberius in Briefen an Germanicus mahnen, es habe "genug Siege und Niederlagen" gegeben. Bei Tacitus steht aber auch der seit Luther in Deutschland epochemachende Satz, Arminius, "im Kriege unbesiegt", sei "ohne Zweifel der Befreier Germaniens" gewesen. Beides, die Beschwörung römischer Vorsicht wie auch der Respekt vor dem germanischen Gegner, verdankt sich der geostrategischen Doktrin der Trajanszeit, in der Rom auf Konsolidierung, nicht mehr auf Ausdehnung seiner Grenzen setzte.

Aber die Nachwelt eines Historikers wischt solche Einschränkungen gern beiseite. Im frühen sechzehnten Jahrhundert, in den Geburtswehen der Reformation, war der erst kurz zuvor wiederentdeckte Text der taciteischen "Annalen" ein Treibsatz für das erwachende deutsche Nationalbewusstsein. Ulrich von Hutten pries den Cheruskerfürsten als "unüberwindlichsten und deutschesten" aller Helden, Philipp Melanchthon identifizierte als einer der Ersten die Osning-Hügel mit dem Teutoburger Wald, und Luther gab dem Urvater der Deutschen seinen neuen Namen, indem er das lateinische "dux belli" als "Heer man" übersetzte: Hermann. Dabei blieb es, im Heiligen Römischen wie im preußisch-deutschen Kaiserreich. Im Jahr 1875 wurde auf dem Teutberg bei Detmold nach fast vierzigjähriger Bauzeit das Hermannsdenkmal eingeweiht; sein Initiator, der Hannoveraner Bildhauer Ernst von Bandel, erlebte den Festtag gerade noch. Für den deutschen Durchschnittspatrioten war damit der Fall erledigt: Mit dem Namen des Helden gab das Monument auch den Ort der Schlacht an. Das änderte sich, als ein britischer Amateurarchäologe 1988 im westfälischen Kalkriese drei römische Schleuderbleie und Dutzende Münzen mit Varusstempel entdeckte.

Die Kohorten auf zu engem Raum

Die nachfolgenden Grabungen am Nordrand des Wiehengebirges förderten weitere militärische und zivile Ausrüstungsgegenstände, Gold- und Silbermünzen sowie Reste eines Walls aus Kalkstein und Rasensoden zutage, vor dem ein erbitterter Nahkampf getobt haben musste. Seither gilt der Fundort nördlich von Osnabrück bei der Mehrheit der Historiker als Grab der Armee des Varus. Dass Theodor Mommsen schon 1885 die Varusschlacht nach Kalkriese verlegt hatte, fiel erst nach den neuen Funden wieder ins Gewicht: Zu seinen Lebzeiten war Mommsen von den Teutoburgianern schlicht überbrüllt worden.

Reinhard Wolters, dessen Buch über "Die Schlacht im Teutoburger Wald" eine wissenschaftliche Darstellung des Themas geben will, zählt die Funde von Kalkriese zu den "besonders wichtigen Zeugnissen für die römische Anwesenheit in Germanien", gibt sich aber in der entscheidenden Frage zugeknöpft. Zum einen lasse sich die Vorstellung eines "bedeutenden West-Ost-Verkehrswegs" am Fuß des Wiehengebirges nicht mit den römischen Quellen vereinbaren, die das Bild einer unwegsamen, düsteren Landschaft malen. Zum anderen hätte selbst der nach den Vorgefechten geschrumpfte Train des römischen Heeres - drei Legionen samt Hilfstruppen, zusammen fünfzehn- bis zwanzigtausend Mann - immer noch den gesamten, sechs Kilometer langen Kalkrieser Engpass ausgefüllt, was für Wolters in einem Missverhältnis zu den bloß vierhundert Längenmetern des Graswalls steht.

Dem könnte man entgegenhalten, dass der Wall den Verkehrsweg eben an einem kritischen Punkt verengte - und dass gerade die geringe Ausdehnung der Senke einen taktischen Vorteil für die Germanen bot, weil sie den Römern keinen Raum zur Entfaltung ihrer Kohorten gab. Man kann das Wort aber auch an Ralf-Peter Märtin weitergeben. Märtin, Journalist und Sachbuchautor, hat mit seiner "Varusschlacht" so etwas wie die Gegenerzählung zu der Studie des Tübinger Althistorikers Wolters geschrieben. Wo Wolters zweifelt, ist Märtin seiner Sache sicher; wo Wolters den Schlachtenlärm, den Dreck und das Blut ausblendet, marschiert Märtin mitten hinein ins Getümmel. Dank seiner Kenntnis römischer Waffen, Taktiken und Niederlagen gibt er dem Kampfgeschehen in allen Einzelheiten Kontur. Demnach war die viertägige Schlacht ein Musterbeispiel des "hit and run": Plötzliche Überfälle und ebenso rasche Rückzüge der Cherusker wechselten einander ab. Erst in der Schlussphase, verstärkt durch Zuzüge aus anderen Germanenstämmen, griffen sie die Römer frontal an. Auch für den Mangel an Waffenfunden in Kalkriese hat Märtin eine plausible Erklärung: Die Germanen, bei denen Eisen rar und entsprechend begehrt war, fledderten die Römerschwerter und -speere für ihren Eigenbedarf.

Man kann die Bücher von Wolters und Märtin parallel lesen, als Musterbeispiele der "populären" und "seriösen" Lesarten von Geschichte. Dabei muss das Populäre nicht notwendig unterhaltsamer, das Seriöse nicht durchweg langweiliger sein. Bei der strategischen Einschätzung der Germanenfeldzüge von Drusus, Tiberius und Germanicus etwa hat Wolters die Nase vorn. Der Krieg zwischen Rhein und Weser war, wie er zeigt, eine Fortsetzung der imperialen Innen- mit den Mitteln der Außenpolitik, er diente dazu, den jeweils aussichtsreichsten Mitgliedern der kaiserlichen Familie den notwendigen Feldherrnruhm zu verschaffen. Als mit dem Günstlingsregiment des Tiberius das Prinzenwesen erlosch, hörte auch das römische Interesse an den Germanenstämmen auf. Wer sich von Rom regieren lassen wollte, wurde umgesiedelt, der Rest seinen inneren Zwistigkeiten überlassen. Auch Arminius starb bald nach seinem Triumph von cheruskischer Mörderhand.

Lehrjahre bei den Römern

Zuvor aber lieferte er den überlegenen Truppen des Germanicus bei Idistaviso und am Angrivarierwall zwei unentschiedene Schlachten, die ihm die Achtung des Tacitus eintrugen. Hier ist es Märtin, der mit seiner Schilderung der Lehrjahre des Cheruskers als Kommandant einer Auxiliartruppe in den römischen Feldzügen gegen die aufständischen Dalmater und Pannonier die eindringlichere Schilderung liefert. Der Typus eines Arbogast, Stilicho oder Merobaudes, der die Völkerwanderungszeit prägte, war in Arminius bereits vorgebildet. Nur hatte die Idee des Imperiums beim germanischen Adel noch keine Wurzeln geschlagen. Erst mit den fränkischen und gotischen Heermeistern der Spätantike zogen auch Germanen in den Kampf um Rom.

Eine interessante mentalitätsgeschichtliche Perspektive auf die Varusschlacht bietet der zweisprachige Band "Alésia et la bataille du Teutoburg", der die Ergebnisse eines deutsch-französischen Symposions aus dem Jahr 2005 versammelt. Hier erfährt man, wie die Franzosen im neunzehnten Jahrhundert ihren Helden Vercingetorix dem "Banditen" (Jules Toutain) Arminius gegenüberstellten, während deutsche Historiker (nicht zuletzt Mommsen) die Gallier als zuchtlose Schönwetterkrieger verunglimpften, die dem "großartigen Mann" an ihrer Spitze nicht gewachsen waren. Und man liest staunend, an welchen Orten frühere Geschichtsschreiber schon überall die Varusschlacht angesiedelt haben - unter anderem in Frankfurt, Augsburg, Meißen, Duisburg, Straßburg und Mainz. Einstweilen haben wir jetzt Kalkriese. Aber sicher hält der deutsche Wald noch weitere Überraschungen bereit.

ANDREAS KILB

Lutz Walther (Hrsg.): "Varus, Varus!". Antike Texte zur Schlacht im Teutoburger Wald. Lateinisch/deutsch. Griechisch/deutsch. Reclam Verlag, Stuttgart 2008. 173 S., Abb., br., 4,80 [Euro].

Reinhard Wolters: "Die Schlacht im Teutoburger Wald". Arminius, Varus und das römische Germanien. Verlag C. H. Beck, München 2008. 225 S., 19 Abb., 2 Stammbäume, 9 Kart., geb., 19,90 [Euro].

Ralf-Peter Märtin: "Die Varusschlacht". Rom und die Germanen. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008. 432 S., Abb., geb., 22,90 [Euro].

Michel Reddé, Siegmar von Schnurbein: "Alésia et la bataille du Teutoburg". Un parallèle critique des sources. Thorbecke Verlag, Stuttgart 2008. 235 S., Abb., geb., 64,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Überaus lebendig findet Rezensent Jürgen Busch die Darstellung der Varusschlacht, die Ralf-Peter Märtin vorgelegt hat. Er bespricht drei neue Bücher zu diesem Thema und geht dabei ausführlich auf das historische Ereignis ein, bei dem Arminius die römischen Legionen vernichtete. Bei aller Unterschiedlichkeit stützen sich die besprochenen Bücher seines Erachtens auf die Arbeit des Würzburger Emeritus Dieter Timpe, der den Aspekt des Verrats beim Überfall der von Arminius befehligten Truppen auf die römischen Legionäre hervorgehoben hat. Bei Märtin konstatiert er eine Orientierung an den "Dokufictions des Fernsehens", was er ihm aber nicht negativ ankreidet. Märtins Schilderungen des Soldatenlebens leben für ihn von ihrer Anschaulichkeit. Streckenweise könne man das Buch "wie einen historischen Roman" lesen.

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