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Trackliste
LPDOW
1Revelation
2My sweet love
3Provide
4How I got over
5Don't go changing your mind
6Precious metal
7Just feel love
8Ball and chain
9First mistake
10Darling be home soon
11Lone rider
12Like a ship (Without a sale)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.06.2018

Der erste Fehler war der letzte

Was hätte aus Reef werden können, wenn es Nirvana und Pearl Jam nie gegeben hätte? Die englische Band ist nach achtzehn Jahren mit neuem Material zurück und zeigt: so einiges.

Achtzehn Jahre sind eine lange Zeit. Man sieht sie den Reef-Männern an. Sänger Gary Stringer, einst nach Evan Dando von den Lemonheads der zweitschönste Jüngling im härteren Rock, hat sich noch am besten gehalten und scheint dies durch Handzeichen auch signalisieren zu wollen, während Bassist Jack Bassent nun doch schon einen Stich ins Kelly-Family-Patriarchenmäßige hat.

Im Jahr 2000 erschien "Getaway", die letzte und im Gesamtbild beste, stilistisch vielseitigste und gleichzeitig auch geschlossenste Studioplatte der englischen Band Reef, die sich 1993 in Glastonbury gegründet hatte. Damals, in der Hoch-Zeit des Grunge, waren Nirvana und Pearl Jam schon keine Sensation mehr, die Grenze zwischen Independent- und Mainstream-Rock wurde immer unkenntlicher, Reef zogen zwar nicht annähernd die Aufmerksamkeit der damaligen Superstars auf sich, fuhren aber ganz gut in deren Windschatten und kamen mit "Place Your Hands" (vom platinierten Album "Glow" 1996) sogar ins Radio - die metallisch-ruppigen Klänge und Stringers forcierter Gröl-, Rülps- und Murmelgesang passten in jene Zeit, in der man mit solchen Vokalisen sein Auskommen finden konnte, sonst hätte sich wohl niemand eine Band wie die Crash Test Dummies gefallen lassen.

Dass Reef kein reines Neunziger-Phänomen waren, weiß man spätestens jetzt. Nach ausgedehnter, den jeweiligen Familien gewidmeter Pause spielte das Quartett wieder live, wechselte den Gitarristen gegen den Sohn von Ronnie Wood (Jesse James) aus und spielte in einem irischen Studio schließlich neues Material ein. "Revelation", das etwas aus der Reihe fallende Titelstück der gerade erschienenen Platte, ist rasiermesserscharfer, entschlossener Heavy Rock, den Stringer mit äußerster Anstrengung herauskräht und der auch auf AC/DCs "Highway To Hell" nicht unangenehm aufgefallen wäre. Und dann kommt schon die erste wirkliche Überraschung: Stringer teilt sich mit Sheryl Crow "My Sweet Love", eine gemütvolle Countrypoprock-Nummer. Überhaupt klingt hier jetzt alles sehr nach Americana - eine Akzentverschiebung, die sich schon auf "Getaway" angedeutet hatte und der in der Folgezeit so viele andere Bands und Interpreten gefolgt sind. Dieser klare, warme Musizierstil, dem auch Stringer mit seiner nun absolut unaffektierten, soulvollen Intonation jederzeit Rechnung trägt, mag eine Begleiterscheinung des Alters sein. Bei Reef kulminiert er in "First Mistake", einem der überzeugendsten Vertreter dieser Sorte aus jüngerer Zeit; Stringer stemmt, auf einem von der Band geduldig geknüpften Teppich, sein Timbre in glutvolle Höhen, wo trauernde Beschaulichkeit unvermittelt umschlägt in aggressive Schärfe - ganz so gemütlich wollte man es dann offenbar doch nicht haben.

Da war bestimmt auch George Drakoulias vor, Rick Rubins rechte und linke Hand, die in den vergangenen 25 Jahren so gut wie alles veredelt hat, was zwischen Americana und härterem, fortschrittlicherem Rock an Relevantem passiert ist, übrigens auch Reefs "Glow". Mit ihm mag es zusammenhängen, dass man die Band als die "englischen Black Crowes" bezeichnet, denn diese wurden ja ebenfalls von ihm produziert. Die englischen Black Crowes gab es aber schon lange, bevor es die Black Crowes selbst überhaupt gab, nämlich in Gestalt der (nicht mehr "Smallen") Faces zwanzig Jahre vorher. Von ihnen haben sich die Black Crowes wichtige Impulse des riffgetriebenen Rock geben lassen, dann alles weiter verfeinert und durch Eigenes ergänzt.

In diesem Stadium sind nun, nach bemerkenswert langer Schaffenspause, auch Reef angekommen. "Revelation": So ein Titel kann verstiegen wirken, aber Reef ist hier tatsächlich eine Offenbarung gelungen. Ihre früher zuweilen verbissen und hüftsteif wirkende Musik ist nun durchlässig und auch in den harten Momenten, für die Reef natürlich immer noch gut sind, entspannt. Die Band hat Patina angesetzt, die Fotos zeigen das geradezu aufdringlich, das Cover zitiert mit dem aus dem Hintergrund vom Boden aufsteigenden Rauch heimlich zwei Meilensteine von 1972: die berühmten, nur noch schwer und wenn, dann für teuer Geld erhältlichen zwölf Postkarten, die der Erstpressung von "Exile On Main St." beigelegt waren, und das Innencover von Little Feats "Sailin' Shoes".

Wenn eine Band, die selbst schon in die Jahre gekommen ist, sich heute zu solchen Platten bekennt, dann haut einen das nicht zwangsläufig vom Hocker. Aber es eröffnet einen Traditionsraum, der sich als äußerst wetterfest erwiesen hat. Die Zeiten, wo gewisse Pop- und Rockstile als angesagt galten, sind vorbei, es gibt keine aufeinanderfolgenden Phasen mehr und gab im strengen Sinne wohl auch nie welche. "Played our guitars and made it all right", singt ein ausgeruhter, sich auf das Wesentliche besinnender Gary Stringer jetzt. Darum geht es doch nur.

EDO REENTS

Reef: "Revelation".

Ear Music 0212808 (Edel)

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