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Die Herausforderung religionsgeschichtlicher Forschung besteht darin, die Erschließung von Quellen in ihren Kontexten und ihre theoriegeleitete Erklärung mit einer historisch-kritischen Reflexion der Wissensproduktion selbst zu verknüpfen. Die Reihe Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten (RGVV) will dieser Komplementarität von historischer Kontextualisierung, theoretischer Verdichtung und disziplinärer Positionierung Rechnung tragen. Studien zu kulturspezifischen Sachzusammenhängen stehen neben vergleichenden Arbeiten, in Form von Monographien oder thematisch fokussierten Sammelbänden.
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Produktbeschreibung


Die Herausforderung religionsgeschichtlicher Forschung besteht darin, die Erschließung von Quellen in ihren Kontexten und ihre theoriegeleitete Erklärung mit einer historisch-kritischen Reflexion der Wissensproduktion selbst zu verknüpfen. Die Reihe Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten (RGVV) will dieser Komplementarität von historischer Kontextualisierung, theoretischer Verdichtung und disziplinärer Positionierung Rechnung tragen. Studien zu kulturspezifischen Sachzusammenhängen stehen neben vergleichenden Arbeiten, in Form von Monographien oder thematisch fokussierten Sammelbänden.


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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.09.1999

Gottes Zorn kam zu kurz
Gershom Scholem als Schüler der deutschen Religionsgeschichte

Als Erforscher der jüdischen Mystik wurde Gershom Scholem 1941 international bekannt, als der Schocken Verlag in Jerusalem seine Vorträge "Major Trends in Jewish Mysticism" publizierte. Diese Vorträge hatte Scholem 1938 am Jüdischen Institut für Religion in New York gehalten. 1933 war der junge Scholem noch am Anfang der Erforschung der Kabbala, er war mehr Buchhalter als wirklicher Kabbala-Forscher: In Berlin veröffentlichte er in diesem Jahr, auch bei Schocken, seine "Bibliographia Kabbalistica".

Zur selben Zeit, also noch vor "Major Trends", notierte er jedoch in Jerusalem in seinem bis jetzt noch nicht veröffentlichten Tagebuch aus diesen Jahren: "Wenn Gott für uns unsichtbar geworden ist, so ist seine Unsichtbarkeit eine wirkliche, das heißt aber: Sie ist ohne Spuren. Gott aus Spuren erschließen - das ist die armselige Mühe der Apologeten, die uns nichts mehr sagt, weil wir die Grundlagen dieser Bemühungen nicht mehr apperzipieren. In der wirklichen Verlassenheit, wo alle Forschung nicht mehr zu den Spuren des nach innen Gewanderten, der keine hinterlässt - denn eben dafür ist er Gott -, uns hinführt, in ihr allein beginnt die ,religiöse' Fragestellung, die nicht aus Lüge kommt und uns ergreifen kann. Die Theologie hat verabsäumt, den ,Zorn' Gottes in seinen grauenvollsten Elementen darzustellen, weil sie es zu eilig hatte, zu seiner Liebe zu kommen. Aber wenn es das gibt, was die Alten ,abgewandtes Antlitz' nannten, so muß es genauer beschrieben werden als in den moralischen Kategorien, die dafür allein in den erbaulichen Schriften angezogen worden sind. Das abgewandte Antlitz ist nur noch in Revolutionen unseres Gefühls zu wenden." Einen Weg zu Gott gebe es "nur in den sprachlosen Revolutionen der Selbsterkenntnis: wenn das Spurlose als Spurloses uns plötzlich entgegentritt". Der Absatz im Tagebuch endet mit dem eigenartigen Satz: "Nun, gehe hin und mache Propaganda!"

Kann diese Tagebucheintragung, die die Forschung bis jetzt noch nicht entdeckt hat, als programmatisch für die spätere Erforschung der Kabbala durch Scholem angesehen werden? Das Bemerkenswerte an diesem Text ist der Akzent auf den "Revolutionen unseres Gefühls", denen zugetraut wird, daß sie Gott bewegen können, uns sein Antlitz wieder zuzuwenden, das dann "plötzlich" als "Spurloses" aufleuchtet. Die Revolutionen des Gefühls werden gleichgesetzt mit beziehungsweise sind die Revolutionen der Selbsterkenntnis. Um solche Formulierungen zu finden, wendet man sich eigentlich nicht dem Werke Scholems zu, sondern sucht sie eher in den phänomenologischen Arbeiten der sogenannten "religionsgeschichtlichen Schule" in Marburg, speziell bei Rudolf Otto ("Das Heilige", 1917) und auch bei Friedrich Heiler ("Das Gebet", 1918).

Im Gegensatz zu manchen gereizten, polemischen wie apologetischen Arbeiten zu Scholem in den letzten Jahren hat nun Elisabeth Hamacher in einer ruhigen Studie nachgewiesen, dass Scholem ein "Kind" eben dieser religionsgeschichtlichen Schule ist. Mit ihrer These öffnet Frau Hamacher einen ganz neuen Blick nicht nur auf die Arbeit des Kabbala-Forschers Scholem, sondern auch auf diesen vehementesten Kritiker der deutschen "Wissenschaft des Judentums", dem radikalsten Verneiner einer "deutsch-jüdischen Symbiose" und dem Verächter des Christentums. Der Kern der These lautet: "Die genuin religiösen Antriebskräfte in Scholems Geschichte der jüdischen Mystik sind nicht irgendwelche Ideen, sondern immer solche, die mit Gefühlen verbunden sind. Der Philologe der Kabbala rekurriert nicht nur häufig auf religiöse oder mystische Erfahrung als Grundlage der religiösen Ideen, sondern mindestens ebenso häufig auf allgemeinere religiöse Gefühle der Stimmungen". Diese Behauptung stellt das meiste, was bis jetzt über Gershom Scholem (1897 bis 1982) geschrieben worden ist, auf den Kopf und rückt den kühlen Scholem - "I certainly am not a mystic" - in die Nähe dessen, was Rudolf Otto als Erlebnis des Numinosen beschrieben hatte.

Bei der Belegung ihrer These macht es sich die Autorin nicht einfach: Sie hat das ganze OEuvre von Scholem ebenso im Blick (einschließlich seiner hebräischen Arbeiten) wie die Schriften der religionsgeschichtlichen Schule. Sie nähert sich ihrem Thema in vier Schritten: Nach der Ausbreitung der Kontroverse zwischen Martin Buber und Scholem über die Interpretation der jüdischen Mystik und einem Seitenblick auf Baruch Kurzweil, stellt sie zweitens die Kontroversen vor, die nach Scholems Tod über seine Kabbala-Forschungen entstanden sind (Eliezer Schweld, Joseph Dan, Moshe Idel). Dann erst untersucht sie Scholems Selbstverständnis als Historiker der Kabbala ("Religion hat nichts mit Gefühlserlebnissen zu tun"). Diese ersten siebzig Seiten sind für sich schon eine hervorragende Darstellung des "gesamten" Scholem, nicht nur des Mystikforschers. Als vierter Schritt folgt dann eine in sich geschlossene Darstellung der allgemeinen Religionsgeschichte in der Weimarer Republik, wobei der Akzent auf den Arbeiten von Rudolf Otto und Friedrich Heiler liegt.

Hieran schließt sich der spannende zweite Teil an: Frau Hamacher schiebt über Scholems Werke (einschließlich der Briefe, Aussagen, Zeugnisse und der frühen Tagebücher) ein Raster mit Mustern und Fragen, die sie aus ihrer Kenntnis der religionsgeschichtlichen Forschungen erarbeitet hat, wobei die großen Kapitel über "Die mystische Erfahrung" und "Das religiöse Bewusstsein" natürlich die wichtigsten sind. Die Autorin befreit Scholem aus seinen jüdischen Konotationen und liest ihn gelassen als den, der er ja auch in erster Linie immer war: Religionswissenschaftler (und nicht: Kabbalist, Zionist oder israelischer Politiker, Freund Benjamins und vieler Berühmtheiten, Theologe oder Philosoph). Sie geht vor allem im Detail Scholems Wort- und Sprachschatz nach, wie dieser von der Mystik spricht, schreibt und die mystische Erfahrung seiner Kabbalisten in Worte und Erklärungen zu übertragen versucht. In diesen Beschreibungen und Erklärungen gibt es jedoch keinen jüdischen Sonderweg, und das heißt, auch wenn die Autorin das nicht so ungeschützt sagt, keine spezielle "jüdische" Mystik: "Die religiöse Erfahrung im Sinne einer gefühlsmäßigen Erkenntnis des Irrationalen liegt allen Religionen zugrunde und macht insofern ihr ,Wesen' aus." Scholems Definitionen der mystischen Erfahrungen des gestaltlosen Göttlichen seien schwerlich von Evelyn Underhills "Berührung des Absoluten" oder Rudolf Ottos "Schau des irrationalen unpersönlichen Ganz anderen" zu unterscheiden.

Elisabeth Hamacher versteht im Sinne der Religionswissenschaftler unter Mystik eine "unmittelbare Gotteserkenntnis" durch das Gefühl. In den letzten Jahren wurden Bedenken erhoben, so von Kurt Flasch und Loris Sturlese, ob man überhaupt von "Mystik" sprechen solle, da die Rolle des Gefühls bei den sogenannten Mystikern überbewertet worden sei und man dem selbstdenkenden Ich in ihren Erkenntnisprozessen mehr Aufmerksamkeit schenken müsse. Wie sehr Scholems Arbeiten zur Mystik noch der alten deutschen und christlichen religionswissenschaftlichen Tradition verbunden sind, wird auch auf dem Hintergrund dieser neueren Diskussion überaus deutlich. Dabei werden in Hamachers Buch Scholems Verdienste um die Erforschung der Kabbala keineswegs geschmälert, doch sie werden nun einer Tradition zugeordnet, zu der Scholem in seinen nichtkabbalistischen Schriften immer auf Distanz gegangen war: der deutschen. Elisabeth Hamachers Buch - gelehrt, mutig und provokativ - belegt, dass Scholem seiner Tagebucheintragung von 1933 treu geblieben ist. Sein Werk ist eine Propaganda für die "Revolutionen unseres Gefühls".

FRIEDRICH NIEWÖHNER

Elisabeth Hamacher: "Gershom Scholem und die Allgemeine Religionsgeschichte". Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten, Bd. 45. Verlag Walter de Gruyter, Berlin 1999. 358 S., geb., 198,- DM.

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