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Kaum ein anderes Medium hat die Erinnerung und Wahrnehmung von organisierter Gewalt und Krieg im 20. Jahrhundert mehr geformt als der Film. In international vergleichender Perspektive beleuchtet dieses Buch das Spannungsverhältnis von Film als einem Medium der Unterhaltung und politischer Meinungsbildung. Zur Sprache kommen neben methodischen Fragen die Rezeption im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik, die Affinität von Militär und Film im Nationalsozialismus sowie die Funktion von Militär- und Kriegsfilmen im Kalten Krieg. Das Spektrum reicht so von militärspezifischen Inhalten über…mehr

Produktbeschreibung
Kaum ein anderes Medium hat die Erinnerung und Wahrnehmung von organisierter Gewalt und Krieg im 20. Jahrhundert mehr geformt als der Film. In international vergleichender Perspektive beleuchtet dieses Buch das Spannungsverhältnis von Film als einem Medium der Unterhaltung und politischer Meinungsbildung. Zur Sprache kommen neben methodischen Fragen die Rezeption im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik, die Affinität von Militär und Film im Nationalsozialismus sowie die Funktion von Militär- und Kriegsfilmen im Kalten Krieg. Das Spektrum reicht so von militärspezifischen Inhalten über Fragen der narrativen Konstruktion, der cineastischen Form bis zu den Mechanismen politischer Instrumentalisierung und gesellschaftlicher Wirkung von Filmen.

Autorenporträt
Wolfgang Schmidt, geboren 1958, ist Dozent für Militärgeschichte an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.05.2004

Bilder der Finsternis
Das Militärgeschichtliche Forschungsamt erforscht Kriegsfilme
Seit die Liaison zwischen Geschichtswissenschaften und Bildmedien zaghaft genug begonnen hat, seit ungefähr zwanzig Jahren also, stellt sich bei jedem Projekt die Frage, ob Historiker in/aus/mittels Bildern Erkenntnisse erbeuten können, die Kunsthistorikern und etwa Filmwissenschaftlern entgehen – oder diesen nur Hilfsdienste bei der heiklen Differenzierung von Fiktion und Fakten leisten. Methodischen Mühen unterzieht sich der Hamburger Arbeitskreis Historische Bildforschung, dessen Stichwortgeber nicht zuletzt die fachfremden Matadore Aby Warburg, Erwin Panofsky und Martin Warnke sind. Eine gute Adresse für den Spezialfall „Bild und Krieg” ist das Militärgeschichtliche Forschungsamt in Potsdam.
Dort fand im November 2001 die Tagung „Krieg und Militär im Film des 20. Jahrhunderts” statt, deren Ergebnisse nun unter gleichem Namen im Oldenbourg Verlag veröffentlicht wurden. Gerhard Paul, Direktor des Flensburger Instituts für Geschichte und ihre Didaktik, fixiert in seinem Panorama des Kriegsfilm-Jahrhunderts, dass es Historikern weniger um die Narration der bewegten Bilder und mehr um das „Drehbuch hinter dem Drehbuch” gehen müsse, das heißt, um die „Untersuchung von kollektiven Mentalitäten und Erinnerungsmustern, von Bewußtseinslagen und Wahrnehmungsformen der Produzenten wie der Rezipienten”. Nur unter diesem Aspekt sind für Paul Filme „authentisch” – womit praktisch eine Diskursanalyse des Visuellen angezeigt ist.
Man muss nicht so weit gehen wie Paul Virilio, der kinematographische Technik per se als Kriegstechnik charakterisierte. Im ersten Weltkrieg, der wie zahlreiche folgende Kriege als Medien-Krieg wahrgenommen wurde, war nach Ansicht des deutschen Kriegspresseamtes die Kinematographie ein „Glied in der Kette der Mittel”, um das Frontgeschehen in geeigneter, also beschönigender Weise nach Hause zu transportieren. Das Oberkommando der Wehrmacht gab 1938 bekannt, dass Propaganda- und Waffenkrieg „gleichrangige Kriegsmittel” sind. Da sich aber, wie Gerhard Paul festhält, der „industrialisierte wie der elektronische Krieg einer cineastischen Repräsentation entzieht” und das „schlechthin Unmodellierbare” ist, werden in Kriegsfilmen aller Gattungen vor allem kulturelle Codes und Chiffren der Gewaltdarstellung wirksam. In der De-Chiffrierung muss folglich der Erkenntnisgewinn liegen.
Leichen, Zucker und Kondome
Es ist vielleicht kein Zufall, dass die tiefenschärfste Film-Lektüre des Bandes von den Dresdner Literaturwissenschaftlern Ulrich Fröschle und Helmut Mottel kommt. Ihnen gelingt es, an Francis Ford Coppolas umstrittenem Meisterwerk „Apocalypse Now” sowohl die „Austauschökonomien” zu zeigen, die über Josef Conrads „Herz der Finsternis” und nationalsozialistische Kriegswochenschauen bis zu Marcel Prousts „Recherche” und David Wark Griffith Film „Die Geburt einer Nation” (1915) reichen, als auch die implizite politische Kommunikation mit dem Massenpublikum vorzuführen und eine „Kritik der militärischen Binnenrationalität” zu leisten. Der Film wird als „Kollektivprodukt” sichtbar, das Coppola selbst keineswegs beherrschte. Immerhin empfahl er die „Redux”-Fassung (2001) mit den umgekehrten Argumenten wie die 1979er-Version: Diese sollte den Amerikanern noch helfen, Vietnam zu vergessen, jene dagegen einen „realistischen” Eindruck „vom moralisch zweifelhaftesten Krieg” der USA vermitteln.
„USA-Sowjetunion”, „Erster Weltkrieg und Weimarer Republik”, „Die Luftwaffe im NS-Propagandafilm” und „Krieg und Militär im deutschen Nachkriegsfilm” heißen die vier Teile des Buches. Einundzwanzig Aufsätze munitionieren sich aus rund 500 Filmen, weshalb das 650-Seiten-Werk Lexikon-Qualitäten hat und dank gesonderter Filmographien, Abbildungsverzeichnis sowie Film- und Personenregister praktisch gut zu bedienen ist. Die ominöse Trennung von Kriegs- und Anti-Kriegsfilm wird gar nicht erst versucht. Dass viele Filme mehrfach auftauchen, stört kaum – sofern die Kontexte erquicklich sind.
Zeitgeschichtlich interessant, aber ohne fachhistorische Einbindung ist Andreas Etges Vergleich von William Wylers Oskar-Abräumer „The Best Years of Our Lives” (1946) mit Steven Spielbergs „Saving Private Ryan” (1998), dem nicht zuletzt angekreidet wird, am Mythos des Zweiten Weltkriegs als „best war ever” mitzustricken und ein reaktionäres Kriegsverständnis zu transportieren. Dass Spielbergs Film, anders als intendiert und in zahllosen Kritiken bejubelt, „nicht im entferntesten den konkreten militärischen Verhältnissen bei der Landung der Alliierten” entsprach, bringt auch Gerhard Paul zur Sprache. Trotzdem kann vermutet werden, dass Spielbergs Blut-und-Gedärm-Fontänen einen Reflex auf die Restriktionen der US-Regierung während es Weltkriegs enthalten, in dem – so George Roeder – Aufnahmen von toten Soldaten strenger rationiert wurden „als Zucker und Kondome”.
Überzeugend sind die Aufsätze, in denen Fachleute egal welcher Disziplin mit gut abgehangenen Begriffen auf die Bewegtbilder losgehen – so Ralph Winkle, der den „Schock und die Ästhetik des Erhabenen” in Filmen der Weimarer Republik aufzeigt. Oberstleutnant und Historikerstabsoffizier Wolfgang Schmidt untersucht mit stupender Gründlichkeit, wie sich Bundeswehr und Kalter Krieg in den Filmen der jungen Bundesrepublik spiegeln. Herausgeberkollege und Major Matthias Rogg gibt exklusive Einblicke in das Armeefilmstudio der Nationalen Volksarmee, deren Produkte nach Ansicht der SED wie alle DDR-Medien in der „Parteilichkeit, Wissenschaftlichkeit, der Wahrheit und der Massenverbundenheit” gründeten.
Tagungs-Bände gleichen oft Dumdumgeschossen: Sie sind nicht aus einem Guss, treffen nie nur ein Ziel und haben eine begrenzte Reichweite. „Krieg und Militär im Film” gehört abzüglich jener Aufsätze, die in den Grabenkämpfen der Nacherzählung stecken bleiben, nicht in diese Kategorie. Der Band taugt als thematisches Grundbuch, weil er theoretische Linien der Kriegsfilm-Rezeption mit zumeist scharfsichtiger Filmlektüre verbindet. Die Frage nach dem Nutzen des Kinobesuchs für die Geschichtswissenschaft im engeren Sinne ist damit aber nicht gelöst.
ARNO ORZESSEK
BERNHARD CHIARI, MATTHIAS ROGG, WOLFGANG SCHMIDT (Hrsg.): Krieg und Militär im Film des 20. Jahrhunderts. Oldenbourg Verlag, München 2003. 654 Seiten, 49,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rundum überzeugend findet Rezensent Arno Orzessek diesen 650-Seiten starken Tagungsband zum Thema "Krieg und Militär im Film des 20. Jahrhunderts". Wie er berichtet, behandelt der Band, gegliedert in die vier Teile "USA-Sowjetunion", "Erster Weltkrieg und Weimarer Republik", "Die Luftwaffe im NS-Propagandafilm" und "Krieg und Militär im deutschen Nachkriegsfilm", in 21 Beiträgen rund 500 Filme, wobei die "ominöse Trennung" von Kriegs- und Anti-Kriegsfilm erst gar nicht versucht werde. Orzessek attestiert dem Band "Lexikon-Qualitäten", nicht zuletzt wegen der gesonderten Filmografien, dem Abbildungsverzeichnis sowie Film- und Personenregister. Neben Ulrich Fröschles und Helmut Mottels über Francis Ford Coppolas "Apocalypse Now" hebt er Andreas Etges Vergleich von William Wylers Oskar-Abräumer "The Best Years of Our Lives" (1946) mit Steven Spielbergs "Saving Private Ryan" (1998) hervor. Nicht zuletzt, dass der Band, anders als viele andere Tagungsbände, aus einem Guss ist, hat Orzessek überzeugt. "Der Band taugt als thematisches Grundbuch", resümiert der Rezensent, "weil er theoretische Linien der Kriegsfilm-Rezeption mit zumeist scharfsichtiger Filmlektüre verbindet."

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"Wenngleich natürlich nicht alle Aspekte der vielfältigen Wechselwirkung von Krieg und Film berücksichtigt werden konnten, ist hier doch ein umfassendes und facettenreiches Werk zum Thema vorgelegt worden, das den Forschungsstand prägnant zusammenfasst. Es ist anschaulich bebildert, gleichermaßen gut geschrieben wie gegliedert und kann uneingeschränkt empfohlen werden." Sönke Neitzel in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 1/2005 "Die umfangreichen und detaillierten Bibliografien und Filmografien am Ende jedes Beitrags und nicht zuletzt die vorzügliche Ausstattung mit Dutzenden von Fotos aus bekannten und weniger bekannten Filmen machen aus diesem Buch sehr viel mehr als nur die übliche Zusammenfassung einer Konferenz. Vielmehr ist dieser Band auch ein vorzügliches Nachschlagewerk zu einem zentralen Thema der Militär- wie Filmgeschichte. Dass das eine unauflösbar mit dem anderen verzahnt ist, bleibt als nachhaltiger Eindruck dieses ungewöhnlich gelungenen Sammelbands." Christian Hartmann in: sehepunkte 3/2005 "Das Buch ist ein Leckerbissen für jeden Cineasten, bietet aber auch eine Menge Informationen darüber, wie Regierungen und Regimes ein Medium zur Manipulation der Bevölkerung einsetzen können." Truppendienst 4/2004