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Pola Kinski ist drei Jahre alt, als sich ihre Eltern scheiden lassen. Sie ist das erste Kind von Klaus Kinski, einem aufstrebenden Schauspieler, damals, Mitte der fünfziger Jahre. Nach der Scheidung lebt das Kind bei Mutter und Großvater in München; seinen Vater sieht es nur selten. Alles ändert sich, als Kinski in Fernsehen und Kino der Durchbruch gelingt. Er holt seine Tochter bei jeder Gelegenheit zu sich nach Berlin und später nach Rom, lässt sie zu den wechselnden Drehorten nachreisen. Pola erlebt die Tobsuchtsanfälle und die Verschwendungssucht ihres Vaters: Er brüllt auf sie ein und…mehr

Produktbeschreibung
Pola Kinski ist drei Jahre alt, als sich ihre Eltern scheiden lassen. Sie ist das erste Kind von Klaus Kinski, einem aufstrebenden Schauspieler, damals, Mitte der fünfziger Jahre. Nach der Scheidung lebt das Kind bei Mutter und Großvater in München; seinen Vater sieht es nur selten. Alles ändert sich, als Kinski in Fernsehen und Kino der Durchbruch gelingt. Er holt seine Tochter bei jeder Gelegenheit zu sich nach Berlin und später nach Rom, lässt sie zu den wechselnden Drehorten nachreisen. Pola erlebt die Tobsuchtsanfälle und die Verschwendungssucht ihres Vaters: Er brüllt auf sie ein und überhäuft sie mit Geschenken und Geld. Was sie sich sehnlichst wünscht, die Liebe und Geborgenheit der Eltern, versagen ihr Mutter wie Vater. Die Zuwendung der einen gilt bald nur mehr dem neuen Mann und zweiten Kind. Der andere macht die eigene Tochter über Jahre zu seiner Kindfrau. »Kindermund« ist Pola Kinskis Autobiografie ihrer Kindheit und Jugend. Sie erzählt, wie es war, die Tochter des Enfant terrible des deutschen Films zu sein, und sie rechnet ab, so unsentimental wie schonungslos: mit einem, für den es als selbstverständlich galt, sich über alle Grenzen hinwegzusetzen und der es skrupellos in Kauf nahm, das Leben des eigenen Kindes zu zerstören.
Autorenporträt
Kinski, PolaPola Kinski wurde als erstes Kind des Schauspielers Klaus Kinski in Berlin geboren. Schon als kleines Mädchen tritt sie im Theater auf und übernimmt Rollen in Fernsehproduktionen; später besucht sie die Otto-Falckenberg-Schauspielschule in München und hat Engagements in Theater und Film. Pola Kinski lebt in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.01.2013

Und küsse das heilige Kindlein von mir
Pola Kinski wurde jahrelang von ihrem Vater Klaus missbraucht. Jetzt hat sie ein Buch darüber geschrieben

Das Allerschlimmste, Tragischste an der Geschichte Pola Kinskis ist, dass man bei der Lektüre ihrer Autobiographie "Kindermund", in welcher sie die jahrelange Vergewaltigung durch ihren Vater beschreibt, zu keiner Sekunde von ihrer Tatsächlichkeit überrascht wäre. Man kann sich Klaus Kinski in dieser Rolle ohne Schwierigkeiten vorstellen, man muss sich wirklich kein bisschen anstrengen.

Man kennt ihn immerzu ausrastend aus Filmen und seinen Jesus-Christus-Erlöser-Auftritten, aus Interviews, in welchen er Journalisten beschimpft, weil sie ihn falsch angeguckt haben, man kennt diesen eisblauen, komplett irren Kinski-Blick, vor dem man Angst bekommen kann, den man aber auch eine tolle Schauspielerleistung nennen kann, und wahrscheinlich wird man niemals sagen können, was nun Kunst und was schlichter Wahnsinn ist, und vielleicht ist diese Frage auch gar nicht entscheidend, wenngleich man natürlich trotzdem unbedingt eine Antwort auf sie haben will. Ebenfalls bekannt sind die Inzest-Phantasien Kinskis seine Tochter Nastassja betreffend, die er in seiner Autobiographie "Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund" aufgeschrieben hat. Das ist Kinski, der ja tatsächlich für nichts anderes bezahlt wurde, als wahnsinnig zu sein, stellvertretend für die Menschen, die aus Deutschland rausfliegen, wenn sie nicht so tun, als seien sie normal, und die sich unglaublich darüber freuen, jemanden im Fernsehen zu sehen, der endlich mal nicht so tut.

"Wenn ich ihn in Filmen gesehen habe, fand ich immer, dass er genauso ist wie zu Hause", sagt die heute sechzigjährige Pola Kinski in einem "Stern"-Interview, weswegen sie ihn nie als einen großen Schauspieler habe betrachten können. Und wahrscheinlich ist dieses Er-war-doch-immer-so einer der Gründe, aus denen man beim Lesen von "Kindermund" so völlig unüberrascht ist, zumindest, wenn es darum geht, dass Klaus Kinski, der diensthabende Irre, hier beschrieben wird. Und dennoch ist das, was Pola Kinski beschreibt, eine einzige Entsetzlichkeit, nämlich das Leben mit einem absoluten Scheusal, einem perfide operierenden Manipulator und Diktator. Als Pola Kinski von ihrer Mutter Gislinde Kühlbeck geboren werden soll, schreit Klaus Kinski im Krankenhaus dermaßen schrecklich rum, dass sie sich ein neues suchen müssen.

Später wohnt Pola mit ihrer Mutter alleine, der Vater hält sich irgendwo auf, um Verwendung für sein Genie zu finden, von wo aus er Briefe an Polas Mutter schreibt: "Mein Engel!!!!!!!!!!!!!! Die Kloakenschweine vom Burgtheater wollen mir noch keinen festen Vertrag geben! (. . .) Du musst für mich zum Residenztheater gehen (. . .). Du musst sie beschwören!!! Du musst ihnen sagen, dass ich ein Genie bin. Ich bin ein Genie!!!!!!!!! Ich bin der Messias, der dem Theater seine wahre Bestimmung zurückbringt!!!!! (. . .) Und küsse das heilige Kindlein von mir, und sage ihm, dass ich ihm die ganze Welt kaufen werde (. . .)."

Bald lernt die Mutter einen neuen Mann kennen, ein Baby ist unterwegs, und Pola Kinski hat in der neuen Familie keinen rechten Platz mehr. Sie leidet unter der Kälte ihrer Mutter, nach deren Liebe sie sich verzehrt. Umso empfänglicher ist sie für das Werben ihres Vaters, der bettelt, sie möge doch sofort, auf der Stelle und für immer zu ihm kommen, wo er ihr alles und nur das Teuerste kaufen werde. Als er sie das erste Mal missbraucht, ist sie fünf, bei der letzten Vergewaltigung 19 Jahre alt. Dazwischen eine endlose Variation von Aufenthalten bei ihrem Vater, bei welchen er seinem "Engelchen" die teuersten Kleider und dreißig Paar Schuhe auf einmal maßanfertigen lässt.

Wenn Pola Kinski in Berlin, Rom, oder wo sich Kinski eben gerade aufhält, ankommt, muss sie ihren Koffer ausleeren, dessen Inhalt Kinski inspiziert, das meiste wird weggeschmissen. Dann gehen sie einkaufen, die Kleider müssen ganz kurz sein, und die Unterwäsche hat sie ihm zu Hause vorzuführen. Später besuchen sie Restaurants, in welchen ihr Vater unberechenbar ausrastet, weil ein Kellner geguckt oder nicht geguckt hat. Und immer wieder: Vergewaltigungen und sag niemandem, was wir machen, sonst komme ich ins Gefängnis. Das junge Mädchen wird davon ganz normal krank und verrückt: Sie entwickelt Zwangshandlungen, steckt sich den Finger in den Hals, um ihre Sünde loszuwerden, und hat Sex, wo sie eigentlich Liebe meinte. Gleichzeitig leidet sie unter Schuldgefühlen, wenn sie sich einmal den Wünschen ihres Vaters widersetzt hat, der eben der Einzige ist, der sie überhaupt zur Kenntnis nimmt, wenn auch auf allerschädlichste Weise.

Pola Kinski verliert das Gespür für sich, sie habe sich aufgelöst, schreibt sie, ihre Identität sei damals zerflossen. Und weil sie all das, was sexuelle Gewalt anrichten kann, gut und genau beschreibt, ist dieses Buch am Ende größer als die Nichtüberraschung darüber, dass es hier um Klaus Kinski geht.

ANTONIA BAUM

Pola Kinski: "Kindermund". Insel, 19,95 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.01.2013

Sturz eines Denkmals
In ihrem Buch „Kindermund“ rechnet Pola Kinski mit ihrem als Schauspieler gefeierten Vater Klaus Kinski ab. Von sexuellem Missbrauch ist die Rede
  Es gab eine Zeit, da war eine Frau keine Frau, wenn sie keine Missbrauchsgeschichte vorweisen konnte. Ein Freund des Vaters, der Bruder, sogar der eigene Vater hatte sich ihr genähert, sie berührt, sie womöglich vergewaltigt, als sie noch ein Kind war. Der „Schokoladenonkel“ war spätestens seit Gert Fröbes Auftritt in dem Film „Es geschah am hellichten Tag“ eine drohende Allgegenwart. Niemand weiß Genaueres darüber, wie hoch hier die Dunkelziffer ist und wie viel in den engen Wohnungen der Nachkriegszeit wirklich passiert ist und vertuscht wurde.
  Am schlimmsten dabei war und ist, dass das Kind mit niemandem darüber reden konnte und dieses Leid ins Erwachsenenalter schleppte, geplagt von Essestörungen und krankhafter Angst vor Berührungen. Es sind eklige Geschichten wie diese: „Seine Zunge bohrt sich zwischen meine Schenkel. Ich wehre mich mit all meiner Kraft, strample wie verrückt. Er lässt von mir ab: ‚Warum denn nicht, das ist doch süß! Komm, stell dich nicht so an!’“
  So erinnert sich Pola Kinski, das älteste Kind des einzigartigen Selbstschauspielers Klaus Kinski, an ihren Vater. Kinski ist 1991 mit 65 Jahren gestorben. Pola, inzwischen selber sechzig Jahre alt, hat ihre Geschichte jetzt aufgeschrieben. Sie heißt „Kindermund“ (jener, der sprichwörtlich die Wahrheit kund tut) und erscheint bei Insel, dem Verlag, der einst auch die Gedichte Rainer Maria Rilkes veröffentlichte. Jetzt bekommt man solche Sätze zu lesen: „,Süßes Püppchen, mein Engelchen’, haucht er. Dann bedeckt er meine Augen, meine Wangen und meinen Mund mit unzähligen feuchten Küssen. Verstohlen wische ich mir mit dem Mantelärmel übers Gesicht.“
   Auch Rilke beschwor den Engel, doch stieg seiner vom Himmel herab und gab ihm Verse ein, die vor allem seine Gönnerinnen betörten. Pola Kinskis Geschichte ist anders und hat mit klassischer deutscher Literatur wenig zu tun. Ihrem Bericht zufolge war sie über Jahre das Opfer der Gier ihres Vaters. Dieses sofort breit ausgeschlachtete Buch wirkt authentisch und scheint doch von professioneller Hand geschrieben. Wenn Pola Kinski den Verführer schildert, lässt sie keine Kitsch-Vokabel aus. Natürlich hat der zudringliche Vater „starke Arme“ und er „presst mich an seinen Körper“. Er riecht nach Zigaretten und Parfüm, es „ekelt mich, ich bekomme kaum Luft“. Und wie in der Pornografie klassischer Spielart, als Handreichung für ältere Männer, geht es weiter: „Er nimmt meine Hand, umschließt sie fest mit seiner Pranke, und wir gehen hinaus. Ich werfe Mama einen flehenden Blick zu, aber sie schweigt (. . .) Er führt mich zu einem roten Auto.“
  Es ist die schlimmste Opfergeschichte, die sich denken lässt. Es sind auch die Jahre, in denen Vladimir Nabokovs Roman „Lolita“ aus der Zensur befreit und als Literatur gelesen werden durfte. Die sexuelle Libertinage begann lange Zeit vor den nackten Hintern der Kommune 1, und Kinski, der sich so lange ohne Erfolg um Engagements bemüht hatte und darüber immer noch größenwahnsinniger geworden war, wird im Italien der frühen Sechziger zum Star.
  Diesem Wüterich, der „liebste Feind“ seines besten Regisseurs Werner Herzog, ist ohne weiteres zuzutrauen, dass er sich durch sein Leben als Vater und Ehemann ebenso berserkerte wie durch seine Filme. Der grausame Kopfgeldjäger in Sergio Corbuccis „Leichen pflastern seinen Weg“ heißt schließlich nicht umsonst „Loco“, den nur der komplett verrückte Kinski spielen konnte.
  Auch wenn sie nicht nachprüfbar ist, wird die Geschichte mit all ihren abstoßenden Details wohl stimmen. Sie ist das Zeugnis einer vielfach missbrauchten, als Kind für teuer Geld in Internate abgeschobenen Frau, früh auf hohem Niveau verwahrlost, mit Cartier und in Restaurants, wo „der Papst isst“, rettungslos verzogen, unverantwortlich sexualisiert und für ein halbwegs normales Leben gründlich verdorben. In der Schule wird ihr vorgehalten, sie könne „Phantasie und Wirklichkeit nicht auseinanderhalten“, was bei einem Leben zwischen einer Protz-Villa an der Via Appia Antica und dem Resopal einer Lehrerwohnung in München-Neuhausen niemanden verwundern wird. Während der Vater sich an ihr vergeht, hört sie, wie dessen neue Frau der Stiefschwester ein Schlaflied singt. „Wer singt für mich? Ich weine leise, Tränen laufen über mein Gesicht.“
  Der Missbrauch beschränkt sich keineswegs auf den brüllenden, geifernden, die Kellner und die Domestiken beschimpfenden Kinski. Von früh auf steht sie selber auf der Bühne, bekommt kleinere Rollen beim Film. Als sie für einen Warn- und Aufklärungsfilm ein Mädchen spielt, dem auf dem Oktoberfest ein älterer Mann nachstellt, wird ihr Einfühlungsvermögen gelobt. Von der Gage sieht sie nichts; Mutter und Stiefvater leben davon.
  Aus Pola Kinski ist später ebenfalls eine Schauspielerin geworden, die weit subtiler agierte als ihr Vater, wenn auch niemals so märchensomnabul wie ihre Halbschwester Nastassja Kinski, die dafür ihre eigenen Probleme einsammelte. Es ist ihr zu wünschen, dass sie ihre fürchterliche Kindheit damit ein für allemal verarbeitet hat. Nur der Gefahr, dass sie ein Buch nicht nur für sich geschrieben hat, sondern damit auch einen Voyeurismus bedient, der wird sie nicht entgehen.
  Sie habe gegen die allgemeine „Kinski-Vergötterung“ geschrieben, hat die Autorin in einem Gespräch mit dem Stern gesagt. „Ich konnte es auch nicht mehr hören: ‚Dein Vater! Toll! Genie!’“. Am Ende hat sie den Kinski-Familienmythos nicht demontiert, sondern um eine weitere Facette bereichert.
WILLI WINKLER
„,Süßes Püppchen, mein Engelchen’, haucht er. Dann bedeckt er meine Augen, meine Wangen und meinen Mund mit unzähligen feuchten Küssen.“ Lola Kinski und ihr berühmter Vater Klaus (links).
FOTOS: AP, DPA
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Daniel Kothenschulte hat dieses Buch von Pola Kinski mit Grauen gelesen, und er lässt keinen Zweifel, dass die Autorin mit großer Aufrichtigkeit und nach langer auch selbstkritischer Prüfung davon berichtet, wie sie als Kind von ihrem Vater Klaus Kinski missbraucht und vergewaltigt wurde. Verbrecherisch nennt Kothenschulte, was Kinski seiner Tochter angetan hat, und er nimmt sich ausdrücklich in Schutz gegen Kritiker wie Willy Winkler in der SZ, der Pola Kinski vorwarf, Kitsch zu produzieren und den Voyeurismus zu bedienen. Das Gegenteil sei der Fall, meint Kothenschulte, der dem Buch "literarischen Rang" attestiert und sich fragt, ob Klaus Kinskis Geheimhaltungsstrategien tatsächlich so subtil waren, dass niemand mitbekam, was mit Pola passierte.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Pola Kinski hat für ihre versteckte Qual eine Sprache gefunden. Sie hat damit Ihre Verzweiflung aus sich herausgerissen und neben sich gestellt.« Jürg Acklin Süddeutsche Zeitung 20130201