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The Kremlin is the heart of the Russian state, its very name a byword for enduring power. From Ivan the Terrible to Vladimir Putin, generations of Russian leaders have sought to use the Kremlin to legitimize their vision of statehood. To this day, its red stars and golden crosses blazing side by side, the Kremlin fulfills a centuries-old role: linking the country's present to its distant past and proclaiming the eternal continuity of the Russian state. Drawing on a dazzling array of sources from unseen archives and rare collections, renowned historian Catherine Merridale traces the full…mehr

Produktbeschreibung
The Kremlin is the heart of the Russian state, its very name a byword for enduring power. From Ivan the Terrible to Vladimir Putin, generations of Russian leaders have sought to use the Kremlin to legitimize their vision of statehood. To this day, its red stars and golden crosses blazing side by side, the Kremlin fulfills a centuries-old role: linking the country's present to its distant past and proclaiming the eternal continuity of the Russian state. Drawing on a dazzling array of sources from unseen archives and rare collections, renowned historian Catherine Merridale traces the full history of this enigmatic compound of palaces and cathedrals, whose blood-red walls have witnessed more than eight hundred years of political drama and extraordinary violence. And with the Kremlin as a unique lens, Red Fortress brings into focus the evolution of Russia's culture and the meaning of its politics.
Autorenporträt
Catherine Merridale
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.05.2014

Im Schutz der schrecklich schönen Festung

Das Herz Russlands: Catherine Merridale entwickelt in ihrer heute erscheinenden Biographie des Kremls eine Geschichte des ganzen Landes. Die Zitadelle bildet das Verhältnis des Herrschers zum Volk ab.

Im Kreml leben ist unmöglich", dichtete die russische Poetin Anna Achmatowa zur Zeit des Hochstalinismus. "Er ist verseucht von bestialischen Bazillen: der Panik des Boris, des Ingrimms aller Iwans, der Hybris des Betrügers - anstatt von Volkes Recht."

Achmatowas unverändert aktuelle Verse, die ihre Verfasserin das Leben hätten kosten können, benennen die goldgetarnte Seele der mittlerweile unter Unesco-Schutz gestellten Grundfeste des moskowitischen Staates, die auch von der Autorin einer neuen Monographie über sie als "herrlich und tödlich, heilig und in sich gekehrt" besungen wird. Catherine Merridale, die britische Russland-Historikerin, hat mit ihrem jüngsten Buch, das ein Jahr nach seiner englischen Originalausgabe nun auch auf Deutsch vorliegt, eine imponierend materialreiche Geschichte von Moskaus roter Zitadelle von ihren Ursprüngen bis heute verfasst.

Merridales originelle Leistung liegt darin, dass sie das legendäre Burgdreieck zugleich wie ein Prisma betrachtet, welches die Historie russischer Staatlichkeit faszinierend reflektiert. So erfährt der Leser aus ihrem mit aufschlussreichen Karten, Bauplänen, Bild- und Fotodokumenten illustrierten Werk auch, warum Russlands Herz an einem so unwirtlichen Ort schlägt und warum es mit entwickelteren Regionen im eigenen Reich so herzlos umgesprungen ist.

Moskau verdankt seinen Aufstieg der Tragödie des Tatarenjochs. Die Reiterarmee von Dschingis Khan, die in Asien ein Territorium von der vielfachen Größe des Römischen Reiches eroberte, musste erst die altehrwürdigen russischen Städte Wladimir, Rjasan, Kolomna, Tula und ihre "Mutter" Kiew verwüsten und unterwerfen, damit die undurchdringlichen Wälder und giftigen Sümpfe von Moskau zum Vorzug wurden. Das abgelegene Nest zog Flüchtlinge aus reicheren Ortschaften an. Und seine Herrscher, die besonders brutal Steuern für die Horde eintrieben - exemplarisch Iwan I. (1288 bis 1340), genannt "Kalita", der Geldbeutel -, und im Verein mit ihr Nachbarfürstentümer überfielen, wurden dafür mit dem Großfürstentitel belohnt. Die Kremlfestung war freilich bis weit ins 14. Jahrhundert aus Holz und brannte häufig ab. Für den Bau der ersten Kalksteinmauer 1367 rächten sich die argwöhnischen Mongolen mit einer blutigen Strafexpedition.

Im Management großer Flächen wurde Moskau der Meisterschüler der Tataren. Bezeichnenderweise sind die russischen Vokabeln für Geld, Zoll, Staatskasse, Bestechung und sogar die berühmte edelsteinbesetzte Pelzkrone, "Monomachs Mütze" genannt, tatarischen Ursprungs. Merridale, die äußerst lebendig erzählt, vergleicht das im fünfzehnten Jahrhundert Russland Stück für Stück einsammelnde Moskauer Militärregime gar mit einem Python, der im Fall des zivilisierten und alphabetisierten Hansestützpunkts Nowgorod eine Antilope verschlang, einen Organismus, der größer und höher entwickelt war als er selbst, weshalb die Einverleibung sich über zwei Jahrzehnte hinzog.

Die Schätze des Kremls bestehen vor allem aus Beutegut, Diplomatengeschenken, Tributgaben. Auch für die Ausstattung ihrer Burg heuerten die grimmigen Iwans Ausländer an. Der Moskauer Kreml, das russischste aller Bauwerke, ist mit seinen Ziegelmauern, den Schwalbenschwanzzinnen und den stolzen Türmen, der Krönungs-, der Haus- und der Grablegekathedrale ein Werk italienischer Architekten. Dem bekanntesten von ihnen, Aristotele Fioravanti (um 1415 bis 1486), der die elegante Entschlafungskirche erschuf, sich aber auch als Militäringenieur und Gerätebauer bewährte, wurde daher von Iwan III. mit Haftandrohung sein Wunsch abgeschlagen, Russland wieder zu verlassen.

Moskaus soft skill war der orthodoxe Glaube, zumal es nach dem Untergang von Byzanz sich als dessen Erbe und die letzte Schutzmacht des wahren Christentums verstand. Durch den Bau und die prächtige Ausschmückung von Kirchen suchten die Herrscher ihr Sündenkonto zu erleichtern. Der wohl grausamste, Iwan der Schreckliche (1530 bis 1584), war fanatisch fromm. Mit seinen Folter- und Hinrichtungsexzessen glaubte Iwan auch, seine Untertanen und sich selbst vor dem Jüngsten Tag läutern zu können.

Merridale zitiert einen jesuitischen Gesandten, der über Moskowiter staunte, die, auch wenn sie fast totgeprügelt wurden, sagten, der Zar habe ihnen durch die Züchtigung einen Gefallen getan. Leider erwähnt sie nicht, dass gerade zu jener Zeit der rechts von Christus am Kreuz gestorbene "gute Schächer", der Verbrecher, der nach seiner Umkehr in letzter Sekunde als erster Mensch ins Paradies kam, zu einem wichtigen, einzigartig moskowitischen Ikonenheiligen aufstieg. In den Kremlkirchen sind gleich drei Exemplare zu bewundern.

Der Kreml war nicht zuletzt immer auch das alchemistische Labor, wo das Stroh der an Verheerungen und Aufruhr reichen Historie des großen kalten Reiches zum Gold einer sinnvoll voranschreitenden Heilsgeschichte gesponnen wurde. Iwan der Schreckliche, dessen Großmutter eine Nichte des letzten byzantinischen Kaisers war - und, wie ein italienischer Dichter bezeugte, ein "Berg aus Fett" -, führte mit Hilfe seines Metropoliten den eigenen Stammbaum bis auf Kaiser Augustus zurück, um seine und Moskowiens Bedeutung zu erhöhen.

Das Paradebeispiel für die Autorin ist Simon Uschakows 1668 entstandene Ikone von der Pflanzung des Baums der russischen Herrschaft, wo der zweite Romanow-Zar Alexej, der zu Uschakows Zeit regierte, als frommer Zeuge auftritt. Als sorgsame Baumpflanzer sieht man Fürst Iwan I., den Tatarengeldbeutel, und dessen Kirchenoberhaupt Peter, unter deren Pflege ein herrliches Blätterdach aus gottgefälligen und dynastischen Fortsetzern herangewachsen ist. Die Vision, die auch eine makellose Uspenski-Kathedrale und perfekte rote Kremlmauern zu einer Zeit zeigt, da beide schwer kriegsbeschädigt waren, sollte die reale Geschichtserfahrung, die jahrzehntelangen Bürgerkriegswirren und die Installation eines neuen Herrscherhauses, möglichst ausblenden.

Der Kreml ist das Ursymbol für jenen schizophrenen russischen Patriotismus, der sich mehr mit dem Staat identifiziert als mit den von ihm gern malträtierten Bürgern. Ob das Land gewaltsam modernisiert wurde wie unter Peter dem Großen oder unter Stalin, ob eine Invasionsarmee bekämpft werden musste, wie die von Napoleon und von Hitler, russische Großtaten wurden stets mit Menschenopfern bezahlt, die europäische Vergleichszahlen um ein Vielfaches übertreffen. Zum russischen Nationalstolz gehört daher auch ein melancholischer Stolz aufs historische Leidkonto.

Zar Peter, der Titan auf dem Zarenthron, hasste Moskau und den Kreml, seinen Mief und Aberglauben. Er baute eine neue, nordeuropäische Hauptstadt, wozu der aus der Ukraine stammende Nikolai Gogol bemerkte, die alte sei ihm offenbar nicht unwirtlich und kalt genug gewesen. Doch nur zwei Jahrhunderte und ein paar Attentate und Umstürze später wurde Moskau wieder Hauptstadt und der Kreml wieder Festung der paranoiden Staatsmacht. Sowjetdiktator Stalin ließ die Kremlklöster und kleinere Kremlkirchen zerstören und Kirchenschätze einschmelzen, doch er machte die Zitadelle auch zur obligatorischen Residenz der politischen Elite, mit Geheimgängen, Lauschkellern und Dienstpostrohren, die eines Iwan des Schrecklichen würdig gewesen wären.

Bald nach Stalins Tod wurden die Kathedralen mit ihren prachtvollen Ikonen und die Schätze der Rüstkammer der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Doch noch die postsowjetischen Machthaber, Boris Jelzin, der die Kremlpalastsäle prunkrenovieren ließ, während sein Staat bankrottging, und dessen autoritärer Nachfolger Putin wollen beim Regieren auf den Schutz der magischen Mauern des Moskauer Staates nicht verzichten.

KERSTIN HOLM

Catherine Merridale: "Der Kreml". Eine neue Geschichte Russlands. Aus dem Englischen von Bernd Rullkötter. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014. 624 S., geb., 26,99 [Euro].

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